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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 14.06.2004
Aktenzeichen: 2 M 55/04
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 7
AuslG § 56 Abs. 6
Zur Frage, ob das Recht der Ausländerbehörde, eine Abschiebung zu vollziehen, verwirkt werden kann.

Zur Änderung einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 2 M 55/04

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Ausländerrecht

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 14. Juni 2004 in Greifswald

durch

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin - 6. Kammer - vom 23.02.2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller ist chinesischer Staatsangehöriger und begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Durch Bescheid vom 01.11.2001 nahm der Antragsgegner die ihm am 22.03.1999 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis zurück, forderte ihn unter Androhung der Abschiebung nach China auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und ordnete die sofortige Vollziehung an. Über die dagegen nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage - 6 A 2553/03 - hat das Verwaltungsgericht bislang nicht entschieden.

Durch (bestandskräftigen) Beschluss vom 28.01.2003 - 6 B 1173/02 - lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO ab.

Am 10.02.2004 hat der Antragsteller die Änderung dieses Beschlusses und erneut vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Durch Beschluss vom 23.02.2004 hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führt nicht zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung. Das Oberverwaltungsgericht teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es für eine Änderungsentscheidung nach § 80 Abs. 7 VwGO keine Veranlassung gibt.

Soweit der Antragsteller sich darauf beruft, auch die "soziale Familie" genieße den Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG, ist nicht ersichtlich, dass es sich dabei - wie in § 80 Abs. 7 VwGO vorausgesetzt - um veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände handeln könnte. Im Rücknahmebescheid vom 01.11.2002 ist dem Antragsteller vorgehalten worden, er habe die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen durch falsche Angaben "erschlichen". Eine DNA-Analyse habe ergeben, dass es sich bei dem in Deutschland lebenden Chinesen, den der Antragsteller als seinen Vater ausgegeben habe, nicht um seinen leiblichen Vater handele. Wenn der Antragsteller ihn gleichwohl jedenfalls als seinen "sozialen Vater" gesehen haben will und zwar wohl zumindest seit 1993, so wäre dies schon im Rücknahmeverfahren und ebenfalls im ersten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geltend zu machen gewesen. Dies scheint auch die Auffassung des Antragstellers zu sein. Er geht in der Begründung seines Änderungsantrags und erneut in der Beschwerdebegründung selbst davon aus, der Bescheid des Antragsgegners lasse sich hierzu "rechtsfehlerhaft überhaupt nicht ein".

Auch soweit es darum geht, ob der Antragsteller bei seiner Einreise bzw. bei der erstmaligen Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis, das heißt schon 1993 Erklärungen mit Täuschungsabsicht abgegeben hat und ob bei der Ersterteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis etwa vorhandene Mängel der befristeten Aufenthaltserlaubnis auf die zurückgenommene unbefristete Aufenthaltserlaubnis "durchschlagen", ist nicht festzustellen, dass es sich um neue Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 VwGO handelt.

Schließlich kann sich der Antragsteller auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Vollzugsanordnung sei rechtswidrig geworden, weil der Antragsgegner zu lange von ihr keinen Gebrauch gemacht habe.

Es kann dahinstehen, ob das Recht der Ausländerbehörde, eine Abschiebung zu vollziehen, verwirkt werden kann, wenn sie ohne Grund über einen längeren Zeitraum von der Möglichkeit des Vollzugs keinen Gebrauch macht. Der Antragsgegner hat den Vollzug des Bescheides vom 01.11.2001 ersichtlich nicht ohne Grund und auch nicht übermäßig lange verzögert. Es ist zunächst nicht zu beanstanden, dass der Ausgang des ersten Gerichtsverfahrens, in dem der Antragsteller sich um vorläufigen Rechtsschutz bemüht hat, abgewartet worden ist. Dies wird auch vom Antragsteller nicht in Abrede gestellt. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28.01.2003 - 6 B 1173/02 - ist etwa Mitte Februar 2003 unanfechtbar geworden. In den folgenden Monaten sind dem Antragsteller mehrfach Duldungen erteilt worden, bis am 12.09.2003 über seinen Widerspruch entschieden worden ist. Danach hat der Antragsgegner durch Schreiben vom 02.10.2003 die Abschiebung des Antragstellers nach Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Schreibens angekündigt. Diese Verfahrensweise ist nicht zu beanstanden. Die Möglichkeit der Erneuerung von Duldungen mit der Folge, dass der Ausländer zunächst nicht abgeschoben wird, ist in § 56 Abs. 6 Satz 1 AuslG ausdrücklich vorgesehen. Ersichtlich geht das Gesetz auch davon aus, dass längere Duldungszeiten in Betracht kommen. In § 56 Abs. 6 Satz 2 AuslG ist der Fall geregelt, dass ein Ausländer länger als ein Jahr geduldet ist. Der Gesetzgeber sieht aber sogar in diesem Fall nicht vor, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen erst nach Eintritt der Bestandskraft durchgeführt werden dürfen, sondern verlangt lediglich, die vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher erneut anzukündigen, was hier - wie erwähnt - auch geschehen ist. Außerdem diente es offensichtlich auch (wenn nicht in erster Linie) den Interessen des Antragstellers, das zunächst die Entscheidung über seinen Widerspruch abgewartet worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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