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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 12.10.2004
Aktenzeichen: 3 M 147/03
Rechtsgebiete: VwGO, LBauO M-V


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5 S. 3
LBauO M-V § 48 Abs. 6
1. Die Stellplatzablöse nach § 48 Abs. 6 LBauO M-V ist keine Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

2. Hat die Vollziehung eines Verwaltungsaktes einen eigenständigen Verwaltungsakt zur Voraussetzung, auf dessen Grundlage eine tatsächliche Vollzugshandlung vorgenommen wird, liegt in beiden Schritten zusammen der Vollzug des angegriffenen Verwaltungsakts, der nach § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO aufgehoben werden kann.

3. Die Behörde kann nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO verpflichtet werden, einen solchen Verwaltungsakt aufzuheben.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 3 M 147/03

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Stellplatzablösebeträge

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 12. Oktober 2004 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 12. August 2003 wird geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. November 1996 wird festgestellt.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Bescheid vom 14.11.1996 aufzuheben.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.669,38 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, durch den der Antragsgegner von dem Antragsteller einen Stellplatzablösebetrag in Höhe von 60.000 DM fordert.

Die Firma O.... mbH beantragte mit Bauantrag vom 04.07.1994 als Bauherrin die Erteilung einer Baugenehmigung für den Um- und teilweisen Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses in R., B. 28. Von den für das Bauvorhaben erforderlichen sechs Stellplätzen konnten nur zwei auf dem Grundstück verwirklicht werden; für die restlichen vier Stellplätze beantragte die Bauherrin die Ablösung der Stellplatzverpflichtung.

Die Baugenehmigung wurde am 15.12.1994 erteilt. Durch Auflage Nr. 22 zur Baugenehmigung "wird gem. § 48 Abs. 6 LBauO M-V verlangt, dass entsprechend dem Ablösevertrag vom 05.09.1994 der vereinbarte Geldbetrag an die Stadt R. gezahlt wird". In den Verwaltungsvorgängen, die nur in Kopie vorliegen, findet sich unter dem Datum des 05.09.1994 auf dem Antrag auf Ablösung der Stellplatzverpflichtung der handschriftliche Vermerk "Ablösung für vier Stellplätze bestätigt".

Am 08.05.1995 stellte der Antragsteller als Bauherr einen "Änderungsnachtrag zur Baugenehmigung". Daraus ergab sich der Bau von drei weiteren Wohnungen in dem Wohn- und Geschäftshaus. Ob diese Änderung des Bauvorhabens genehmigt wurde, und ob im Zusammenhang damit eine Veränderung der Stellplatzproblematik bewältigt wurde, ergibt sich aus den vorgelegten Fotokopien der Verwaltungsvorgänge nicht.

Am 18.06.1996 erließ der Antragsgegner gegenüber der O. ... GmbH einen Bescheid über die Zahlung eines Ablösebetrages für Stellplatzverpflichtungen in Höhe von 60.000 DM. Mit Schreiben vom 27.09.1996 wies die GmbH den Antragsgegner auf eine Veräußerung des Grundstücks an den Antragsteller im Dezember 1994 hin. Daraufhin erließ der Antragsgegner am 14.11.1996 einen Bescheid über die Zahlung eines Ablösebetrages für Stellplatzverpflichtungen in Höhe von 60.000,00 DM, gerichtet an den Antragsteller. Dieser Bescheid wurde am 23.11.1996 zugestellt. In den fotokopierten Verwaltungsvorgängen findet sich ein Widerspruchsschreiben des Antragstellers nicht.

Der Antragsteller zahlte nicht. Im Mai 2003 erließ der Antragsgegner gegen Mieter in zwei Häusern, die dem Antragsteller gehören, Pfändungs- und Überweisungsverfügungen als Drittschuldner. Der Antragsgegner vollstreckte damit aus dem nach seiner Auffassung bestandskräftigen Bescheid vom 14.11.1996. Den gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügungen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2003 zurück: Der Bescheid vom 14.11.1996 sei bestandskräftig; er habe daraus einen Anspruch auf Zahlung von 60.000 DM. Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt seien außerhalb des Vollstreckungsverfahrens zu verfolgen. Die Vollstreckungsvoraussetzungen lägen vor; eine Verjährung sei nicht eingetreten. Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob der Antragsteller Klage; das Verfahren ist beim Verwaltungsgericht Schwerin unter dem Az. 2 A 1689/03 anhängig.

Am 26. Mai 2003 suchte der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nach.

Er hat beantragt,

1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruches des Antragstellers vom 03.12.1996 und der einer eventuellen nachfolgenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14.11.1996 über die Zahlung eines Ablösebetrages der Stellplatzverpflichtungen und gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Antragsgegners vom 13.05.2003 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

2. Vollstreckungsmaßnahmen vom 13.05.2003 aufzuheben.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten und hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, der Stellplatzablösebescheid sei bestandskräftig geworden. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, einen Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.11.1996 eingelegt zu haben.

Gegen diesen am 15.08.2003 zugestellten Beschluss legte der Antragsteller am 22.08.2003 Beschwerde ein, die er am 12.09.2003 begründete. Die Einlegung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14.11.1996 machte er in der Beschwerdebegründung durch eine eidesstattliche Versicherung des Herrn Prof. Dr. Dr. H. glaubhaft. Dieser habe am 03. oder 04.12.1996 den Antragsteller begleitet, als dieser den Widerspruch beim Tiefbauamt eingereicht habe. Zudem sei im Mai 2003 im Zusammenhang mit dem Widerspruch gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung konkludent ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden. Durch den Widerspruchsbescheid vom 20.05.2003 habe der Antragsgegner über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.11.1996 in der Sache entschieden. Maßgeblicher Zeitpunkt für Widerspruchsbescheid sei jedenfalls der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Dies sei der 20.05.2003 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Satzung vom 07.04.1999 gegolten, die eine Ablösefreiheit für vier Stellplätze vorsehe. Die Forderung sei im Übrigen verjährt.

Der Antragsteller beantragt,

die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schwerin aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches des Antragstellers vom 03.12.1996 und der Klage 2 A 1689/03 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14.11.1996 und gegen die Vollstreckungsmaßnahmen des Antragsgegners vom 13.05.2003 wieder herzustellen bzw. anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er bestreitet den Eingang des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14.11.1996 am 03.12.1996 oder zu einem anderen Zeitpunkt bei einem Mitarbeiter des Tiefbauamtes. Dafür bietet er Beweis an. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung sei nicht gestellt worden. Im Gespräch mit Mitarbeiterinnen der Stadtkasse habe sich die Unterhaltung um die begonnenen Vollstreckungsmaßnahmen gedreht. Das Schreiben des Antragsgegners vom 20.05.2003 habe sich nur gegen die Vollstreckungsmaßnahmen gerichtet. Nur über den Widerspruch gegen die Vollstreckungsmaßnahmen habe der Widerspruchsbescheid vom 20.05.2003 entschieden.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Behördenakten (in Fotokopie) verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Aus den vom Antragsteller innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist geltend gemachten Gründen, die den gerichtlichen Prüfungsumstand bestimmen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich, dass die Beschwerde mit dem Ergebnis Erfolg hat, das die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14.11.1996 festgestellt und der Antragsgegner verpflichtet wird, die durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben.

Der Antragsteller hat in der Beschwerdebegründung - erstmals - die Einlegung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14.11.1996 durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht. Die Versicherung an Eides statt ist ein taugliches Mittel der Glaubhaftmachung (§§ 173 VwGO, 294 Abs. 1 ZPO). Aus der eidesstattlichen Versicherung ergibt sich, dass der Widerspruch Anfang Dezember 1996 von dem Antragsteller und demjenigen, der die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, beim Tiefbauamt der Stadt R. übergeben wurde. Damit wird die frist- und formgerechte Einlegung des Widerspruchs glaubhaft gemacht. Im Eilverfahren genügt die Glaubhaftmachung, da dort die Sachlage nur summarisch zu prüfen ist.

Der Senat sieht im Ergebnis die Glaubhaftmachung auch nicht durch die Einlassungen des Antragsgegners als erschüttert an. Dieser hat keine eidesstattlichen Versicherungen der damaligen Mitarbeiter des Tiefbauamtes vorgelegt, sondern allein Beweis angeboten. Er hat insbesondere keine konkreten Umstände angeführt, aus denen abgeleitet werden könnte, dass die Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung Zweifeln unterliegt, die auch im summarischen Verfahren zu beachten wären. Mit dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung hat sich der Antragsgegner vielmehr nicht näher auseinandergesetzt.

Der Widerspruch des Antragstellers hat nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Die mit Bescheid vom 14.11.1996 geforderte sogenannte Stellplatzablöse nach § 48 Abs. 6 LBauO M-V ist keine Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Wann im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine "Abgabe" vorliegt, hat der erkennende Senat bislang nicht entschieden. Der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern hat zu dieser Rechtsfrage in seinem Beschluss vom 01.02.2001 -1 M 80/00 - NVwZ-RR 2001, 401 = KStZ 2001, 302 ausgeführt:

§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthält keine Definition des Begriffs der öffentlichen Abgaben. Aus der Gesamtheit der Geldleistungen, die von Hoheitsträgern durch Verwaltungsakt angefordert werden, greift § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gezielt lediglich den Kreis von Zahlungspflichten heraus, der von der Zweckrichtung her Gemeinsamkeiten mit den Steuern aufweist und es wegen dieser Parallelität rechtfertigt, daß sich das öffentliche Interesse am sofortigen Zahlungseingang ebenso wie im Steuerrecht gegenüber dem sonst als vorrangig anerkannten Interesse des Schuldners durchsetzt, vor Unanfechtbarkeit des Heranziehungsbescheides nicht leisten zu müssen. Die Tatsache, daß sich § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit dem Ausschluß der aufschiebenden Wirkung an die steuerrechtlichen Regelungen anlehnt, ohne bestimmte Abgabearten zu benennen, deutet allerdings darauf hin, daß es für ihn nicht ausschlaggebend darauf ankam, ob die Begriffsmerkmale der Steuer, der Gebühr oder des Beitrags erfüllt sind. Als tragender Grund dafür, daß im Steuerrecht die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides durch Einlegung eines Rechtsmittels nicht gehemmt wird, ist es anzusehen, daß die Steuern zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs erhoben werden, der juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch die Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen öffentlichen Aufgaben entsteht. Die öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen sollen davor bewahrt bleiben, daß ihnen die Einnahmen, auf die sie angewiesen sind, nur deshalb auf unabsehbare Zeit vorenthalten werden, weil Steuerpflichtige die Rechtsmittelmöglichkeiten, die ihnen zu Gebote stehen, ausschöpfen. Die Ausnahme vom Grundsatz der aufschiebenden Wirkung, der sonst das Verwaltungsrecht beherrscht, ist von einem gewichtigen Gemeinwohlinteresse legitimiert; denn sie trägt dazu bei, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Hand zu gewährleisten. Sie schafft dadurch, daß sie etwaigen Störungen bei der Beschaffung der Mittel vorbeugt, derer es zur effektiven Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedarf, Voraussetzungen für eine geordnete Haushaltsführung. Es entspricht daher dem Sinn der mit § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezweckten Angleichung an das Steuerrecht, in die Sofortvollzugsregelung alle Abgaben einzubeziehen, durch die, Steuern vergleichbar, die Befriedigung des öffentlichen Finanzbedarfs sichergestellt wird. Von diesem Ansatz her verbietet es sich, den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung auf Gebühren und Beiträge zu beschränken. Muß ein Hoheitsträger in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben finanzielle Mittel aufwenden, so kann er in gleicher Weise wie auf Steuern nicht nur auf Gebühren und Beiträge, sondern auch auf sonstige Abgaben angewiesen sein. Unerheblich ist unter dem Blickwinkel des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wie die Abgabe ihrem materiellrechtlichen Gehalt nach zu qualifizieren ist. Entscheidend ist vielmehr, ob sie ebenso wie die Steuer, die Gebühr oder der Beitrag eine Finanzierungsfunktion erfüllt. Das ist der Fall, wenn der Hoheitsträger sich mit ihrer Hilfe eine Einnahmequelle erschließt, die es ihm ermöglicht, seine eigenen Ausgaben voll oder jedenfalls teilweise zu decken (BVerwG, B. v. 17.12.1992 - 4 C 30/90 - NVwZ 1993, 1112 = DVBl 1993, 441).

Auch wenn der Begriff der "öffentlichen Abgaben" i. S. v. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO in diesem Sinne weit verstanden wird, kann es danach aber nicht ausreichen, lediglich allgemein auf die Deckung des Finanzbedarfs zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben abzustellen. Denn § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO betrifft schon nach dem Wortlaut nicht die Anforderung von öffentlich-rechtlichen Geldleistungen schlechthin, wovon der Antragsgegner ausgeht. Vielmehr ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass diese Bestimmung den in § 80 Abs. 1 VwGO aufgestellten Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen belastende Verwaltungsakte durchbricht. Als Ausnahmevorschrift ist § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO grundsätzlich eng auszulegen. Insofern hat auch das Bundesverwaltungsgericht a.a.O. den Begriff der öffentlichen Abgaben i. S. einer Vergleichbarkeit mit Steuern definiert (vgl. OVG Frankfurt/O. B. v. 17.11.1999 - 4 B 99/99 - LKV 2000, 313). Charakteristisch ist danach, daß es sich um Geldbeträge handelt, auf die die öffentliche Hand zur Aufgabenerfüllung im Sinne einer Einnahmequelle angewiesen ist und deren Eingang berechenbar festgelegt ist, da sie nach Entstehungsgrund und Höhe rechtsnormativ festgesetzt sind, so daß der Staat sich hierauf im Sinne eines stetigen Mittelzuflusses verlassen kann (Schoch in Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar § 80 Rn. 114; Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht S. 1207 f. m.w.N.; umfassend siehe auch Finkelnburg/Jank; Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rdn. 477 lf).

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Die an das Vorliegen einer Abgabe zu stellenden Anforderungen erfüllt die Stellplatzablöse nach § 48 Abs. 6 LBauO M-V nicht. An einer allgemeinen Finanzierungsfunktion fehlt es für die Stellplatzablöse nach § 48 Abs. 6 LBauO M-V. Sie ist, betrachtet man die systematische Stellung des Abs. 6 innerhalb des § 48 LBauO M-V, ein Surrogat für die aufgrund tatsächlicher Verhältnisse nicht zumutbare oder unmögliche Herstellung der vom Gesetz vorgesehenen Stellplätze im Zusammenhang mit der Errichtung oder Änderung von baulichen Anlagen. Dies ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der Stellplatzablöse.

Die Schaffung der Möglichkeit der Ablöse der Stellplatzverpflichtung durch Zahlung eines Geldbetrages dient zunächst dazu, auch in den Fällen eine Baugenehmigung erteilen zu können, in denen die grundsätzlich vorgesehene Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Ohne eine Stellplatzablösepflicht würden andernfalls Bauherrn durch die Erteilung einer Baugenehmigung bevorteilt, deren Bauvorhaben aus tatsächlichen Gründen ohne die Schaffung ausreichender Stellplätze errichtet oder verändert wird. Diesen geldwerten Vorteil abzuschöpfen ist Aufgabe der Stellplatzablöse.

Die fehlende Finanzierungsfunktion für einen öffentlichen Haushalt folgt auch aus § 48 Abs. 6 Satz 4 LBauO M-V, der in bestimmten innerstädtischen Bereichen bei der Ermittlung der Ablösepflicht vier Stellplätze unberücksichtigt lässt. Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber der Stellplatzablöseverpflichtung keine Finanzierungsfunktion zugemessen hat, sondern allein die Abschöpfung eines geldwerten Vorteils gegenüber anderen Bauherren, die Stellplätze herstellen müssen, anstrebt. Anderenfalls wäre die Aufhebung der Pflicht zur Zahlung von Stellplatzablöse im innerstädtischen Bereich nach § 48 Abs. 6 Satz 4 LBauO M-V faktisch sinnlos und widerspräche dem Zweck der Finanzierung des allgemeinen Haushaltes.

Die Verwendungspflicht nach § 48 Abs. 8 LBauO M-V führt nicht zu einem anderen Verständnis der Stellplatzablöse. Sie unterstreicht vielmehr den Surrogatcharakter dieses Rechtsinstituts. Denn die Ablöse darf nur für bestimmte in einem sachlichen Zusammenhang mit der Stellplatzproblematik stehende Flächen verwendet werden. Die öffentliche Hand erfüllt damit faktisch die eigentlich dem Bauherrn obliegende Pflicht, Stellplätze für den von seinem Bauvorhaben ausgelösten Zugangs- und Abgangsverkehr zu schaffen. Im weiteren Sinne handelt es sich bei der Stellplatzablöse um einen Durchlaufposten, nicht aber um einen Mittelzufluss zur allgemeinen Verwendung im Haushalt der Gemeinde.

Für die Ablösung der Stellplatzpflicht entspricht dies im Ergebnis der h. M. in Rechtsprechung und Literatur (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 19.05.1999 - 2 Bs 229/98 -, NordÖR 1999, 377; OVG Münster, Beschl. v. 22.01.1985 - 11 B 2567/84 -, NVwZ 1987, 62; Schoch, a.a.O., Rn. 116 m.w.N.).

Da eine sonstige gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehung des Stellplatzablösebescheides fehlt, bleibt es bei der Grundregel des § 80 Abs. 1 VwGO und der mit dem Widerspruch verbundenen aufschiebenden Wirkung.

Der Antragsgegner hat bislang nicht zu erkennen gegeben, dass er die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anerkennt. Die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs durch den Senat ist daher geboten. An dieser Feststellung ist der Senat auch nicht dadurch gehindert, dass der anwaltlich vertretene Antragsteller die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs begehrt. In diesem Begehren ist konkludent das Begehren des Antragstellers enthalten, die Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs auszusprechen.

Der Antragsgegner hat im Jahr 2003 Pfändungs- und Überweisungsverfügungen gegenüber Mietern des Antragstellers erlassen. Daraufhin haben einige Mieter an den Antragsgegner gezahlt. Diese Verfügungen hat der Antragsgegner aufzuheben und geleistete Zahlungen an den Antragsteller zu erstatten. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Der Senat versteht den Beschwerdeantrag dahin, dass - wie erstinstanzlich beantragt - auch die Aufhebung dieser Vollstreckungsmaßnahmen begehrt wird.

Die in § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO angesprochene Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes erschöpft sich nicht in Realakten. Jedenfalls dann, wenn die Vollziehung von Gesetzes wegen zweistufig angelegt ist und zunächst einen eigenständigen Verwaltungsakt zur Voraussetzung hat, auf dessen Grundlage eine Handlung vorgenommen wird, die sich als tatsächliche Vollzugshandlung bezogen auf den angefochtenen Verwaltungsakt darstellt, liegt in beiden Schritten zusammen der Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes. Ist aufgrund des speziellen Vollstreckungsrechts ein eigenständiger Verwaltungsakt Rechtsgrundlage für die tatsächliche Vollzugshandlung, ist dieser Verwaltungsakt denknotwendig Teil der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO erfordern eine einschränkende Regelung in dem Sinn, dass nur die tatsächliche Vollzugshandlung von § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO erfasst wird (so auch Schoch in Schoch/Pietzner/Schmidt-Aßmann, VwGO, § 80 Rn. 231 f.; a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003 Rn. 178, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die gerichtliche Ermächtigung zur Verpflichtung zur Aufhebung der Vollzugsverwaltungsakte folgt aus § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO unmittelbar.

Jedenfalls genügt die gerichtliche Aufhebung nur der tatsächlichen Vollzugshandlung nicht dem Rechtsschutzinteresse desjenigen, der den Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO gestellt hat und die Vollziehung zugleich bekämpft. Er hat den Anspruch auf Aufhebung der Vollziehung und damit Rückgängigmachung aller Vollziehungsmaßnahmen. Nach dem Gesetz soll er von Vollziehungsmaßnahmen nicht mehr beschwert sein. Ein Vollstreckungsverwaltungsakt weckt aber den Anschein, als könne auf ihn gestützt eine tatsächliche Vollstreckungshandlung erfolgen. Insoweit beschwert dieser Verwaltungsakt. Er ist daher von der Verwaltung aufzuheben. Die Erstreckung der Anordnung/Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs oder der Klage gegen den Grundverwaltungsakt auf den Vollsteckungsverwaltungsakt ist nach der Systematik des § 80 Abs. 5 VwGO nicht vorgesehen. Daraus folgt zugleich, dass der Antragsteller nicht auf ein eigenständiges einstweiliges Rechtsschutzverfahren gegen den Vollstreckungsverwaltungsakt verwiesen werden kann. In einem solchen Verfahren könnte die tatsächliche Vollstreckungshandlung nicht aufgehoben werden, weil dies bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen den Grundverwaltungsakt geschehen kann und dort zu beantragen ist. Das isoliert den Vollstreckungsverwaltungsakt betreffende einstweilige Rechtsschutzverfahren hätte wenig Sinn (vgl. zum Aspekt der Effektivität des Rechtsschutzes und der Verfahrensökonomie Kopp/Schenke, a.a.O. Rn. 178, der zum gleichen Ergebnis kommt).

Der Senat versteht das im Beschwerdeantrag formulierte Begehren auf Wiederherstellung/Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Klage gegen die Vollstreckungsmaßnahmen des Antragsgegners vom 13.05.2003 als Hilfsantrag gestellt für den Fall, dass der Senat der Rechtsauffassung folgt, dass dieses Begehren nicht bereits mit dem Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO geltend gemacht werden kann. Über diesen Hilfsantrag ist nach der oben dargelegten Rechtsauffassung des Senats nicht mehr zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG a.F.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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