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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 14.11.2008
Aktenzeichen: 3 M 154/08
Rechtsgebiete: BImSchG, BauGB


Vorschriften:

BImSchG § 18 Abs. 3
BauGB § 14 Abs. 3
Eine Veränderungssperre, die dem Erlass der durch einen Dritten angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung entgegenstehen könnte, vermag dem Widerspruch nicht zum Erfolg zu verhelfen, wenn sie während des Widerspruchsverfahrens ausläuft und später als erneute Veränderungssperre erlassen wird.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

3 M 154/08

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Immissionsschutzrecht

hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 14.11.2008 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 30.10.2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 im Beschwerdeverfahren. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 im Beschwerdeverfahren sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 26.09.2008 - 7 B 414/08 - gemäß § 80 Abs. 7 VwGO. In diesem Verfahren hatte die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz gegenüber dem Bescheid des Antragsgegners vom 02.10.2007 begehrt, mit dem die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung von Windkraftanlagen der Beigeladenen zu 1. verlängert worden war. In diesem Beschluss hatte das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin aufschiebende Wirkung habe.

Nachdem der Antragsgegner die sofortige Vollziehung des Verlängerungsbescheids nach § 18 Abs. 3 BImSchG durch Bescheid vom 17.10.2008 angeordnet hatte, beantragte zunächst die Beigeladene zu 1. am 17.10.2008 die Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 26.09.2008. Die Antragstellerin beantragte, diesen Antrag zurückzuweisen und zugleich, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26.09.2008 zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wiederherzustellen sowie die Stilllegung der Baustelle anzuordnen.

Das Verwaltungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss vom 30.10.2008 Ziffer 1 seines Beschlusses vom 26.09.2008 insoweit abgeändert, als die Feststellung, dass dem Widerspruch der Antragstellerin vom 18.09.2008 gegen den Verlängerungsbescheid vom 02.10.2007 aufschiebende Wirkung zukommt, mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch Bescheid vom 17.10.2008 ihre Gültigkeit verliere. Es hat außerdem beschlossen, dass der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 18.09.2008 gegen den Verlängerungsbescheid des Antragsgegners vom 02.10.2007 abgelehnt wird. Den Streitwert hat das Verwaltungsgericht auf 30.000 Euro festgesetzt.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Frage, ob im Verlängerungsverfahren nach § 18 Abs. 3 BImSchG die Verletzung der kommunalen Planungshoheit zu prüfen sei, lasse sich ebensowenig abschließend beurteilen, wie die Frage, ob eine wirksame, dem immissionsschutzrechtlichen Vorhaben entgegenstehende Planung vorliege.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin am 04.11.2008 Beschwerde eingelegt. Sie hat geltend gemacht: Im Rahmen der Abwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO sei davon auszugehen, dass selbst bei einer nachträglichen Feststellung der Verletzung der Planungshoheit im Hauptsacheverfahren kein Rückbau der errichteten WKA erfolgen werde. Sie wäre somit zur Duldung einer rechtswidrig errichteten WKA verpflichtet. Es sei aber gerade nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, eine wirtschaftlich nicht fassbare Verletzung der Planungshoheit einer Gemeinde bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache zu schützen. Der mögliche Lieferstopp, selbst wenn die Beigeladene zu 1. diesen nicht zu vertreten habe, läge in deren Risikobereich. Eine Gemeinde sei grundsätzlich befugt, im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens nach § 18 Abs. 3 BImSchG eine nachträglich eingetretene Veränderung durch Erlass einer Veränderungssperre geltend zu machen. Dazu sei sie trotz und gerade durch die Ersetzung ihres Einvernehmens durch den Antragsgegner befugt. Die Aufstellung des Bebauungsplans sowie die Veränderungssperre erwiesen sich bei der vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht als offensichtlich rechtswidrig. Es handele sich auch nicht um eine Verhinderungs- oder Wegplanung.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 30.10.2008 zu ändern und

1. den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 26.09.2008 zu ändern und in Ansehung des Bescheides des Antragsgegners vom 17.10.2008 die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 18.09.2008 gegen den Verlängerungsbescheid des Antragsgegners vom 02.10.2007 wiederherzustellen sowie

2. die Stilllegung der Baustelle für eine Windenergieanlage auf dem Grundstück Flurstück 69/4 der Flur 1 Gemarkung X. anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er nimmt auf die Begründung der Verlängerungsentscheidung vom 02.10.2007 und die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 17.10.2008 Bezug.

Die Beigeladene zu 1. beantragt ebenfalls,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat nach Maßgabe des gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu berücksichtigenden Beschwerdevorbringens den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Verlängerungsbescheid des Antragsgegners vom 02.10.2007 in Verbindung mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch Bescheid vom 17.10.2008 zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs anordnen oder wiederherstellen, wenn bei der vorzunehmenden Abwägung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse des Antragsgegners und des Beigeladenen überwiegt. Dabei kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu. Ergibt die im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nur durchzuführende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass sich die angefochtene Entscheidung voraussichtlich als rechtmäßig erweist, so wird das Vollzugsinteresse regelmäßig überwiegen. So liegt es im vorliegenden Fall. Der Drittwiderspruch der Antragstellerin wird nach Maßgabe des Beschwerdevorbringens, wonach die Veränderungssperren der Erteilung des Verlängerungsbescheid entgegenstehen, er deswegen rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt, keinen Erfolg haben. Diese ergibt sich aus Folgendem:

Die Frage, ob eine angefochtene Baugenehmigung einen Drittbetroffene in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung; spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben, nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wiedererteilt werden müsste (ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt BVerwG, U. v. 20.08.2008 - 4 C 10/07 -, zit. nach juris). Diese Grundsätze gelten auch für die Verlängerung nach § 18 Abs. 3 BImSchG. Maßgebend ist somit der Zeitpunkt der Erteilung der Verlängerung der Genehmigung nach § 18 Abs. 3 BImSchG am 02.10.2007. Ob zu diesem Zeitpunkt die am 24.05.2006 beschlossene erste Veränderungssperre wirksam war (vgl. Senat, Urteil vom 30.01.2008 - 3 K 32/03; Beschluss vom 15.07.2004 - 3 M 77/04) kann dahinstehen. Sie kann nämlich von der Antragstellerin als Drittbetroffene dem Verlängerungsbescheid jetzt nicht mehr entgegen gehalten werden:

Die erste Veränderungssperre war ausweislich der von der Antragstellerin überreichten Unterlagen am 02.06.2006 ortsüblich bekannt gemacht worden und sollte an diesem Tage mit einer Geltungsdauer von zwei Jahren in Kraft treten. Sie bemaß sich somit zum Zeitpunkt der Erlasses des Verlängerungsbescheids am 02.10.2007 Gültigkeit. Ihre Geltungsdauer war am 02.06.2008 ausgelaufen. Die Antragstellerin hat am 20.06.2008 eine erneute Veränderungssperre erlassen, die am 24.06.2008 ortsüblich bekannt gemacht worden ist. Zwischen dem 02. und 24.06.2008 bestand daher keine Veränderungssperre. Mit Auslaufen der Gültigkeit der ersten Veränderungssperre ist eine der Bauherrin günstige Änderung der Rechtslage eingetreten, die - sofern eine Veränderungssperre im Rahmen des § 18 Abs. 3 BImSchG beachtlich ist - zu berücksichtigen ist. Das Inkrafttreten der erneuten Veränderungssperre führte hier nicht zu einer Änderung der Rechtslage, da sie sich zu Lasten des Bauherrn auswirkt. Das folgt auch aus § 14 Abs. 3 BauGB, wonach Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, von der Veränderungssperre nicht berührt werden. Jedenfalls seit dem 02.06.2008 ist die Beigeladene zu 1 Inhaberin einer rechtmäßigen Verlängerung, der eine Veränderungssperre nicht mehr entgegensteht. Die erteilte Genehmigung vermittelt nämlich dem Bauherrn eine (relativ) gesicherte Position. § 14 Abs. 3 BauGB besagt, dass die der Genehmigung zukommende Bindungswirkung nicht durchbrochen wird, wenn eine Veränderungssperre das der Genehmigungserteilung zugrunde gelegte Bebauungsrecht ändert und die künftige Rechtsänderung durch den in Aussicht stehenden Bebauungsplan sichert. Dementsprechend wird das genehmigte Vorhaben auch von einem später erlassenen Bebauungsplan oder einer Veränderungssperre nicht berührt. Daraus folgt, dass die Gemeinde nur bis zum Erlass einer Genehmigung das Recht zur Planung unter Ausnutzung ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit hat (BVerwG, U. v. 13.12.2007 - 4 C 9/07 - BVerwGE 130, 113 = NVwZ 2008,437).

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziff. 34.3 und 2.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von Juli 2004 (NVwZ 2004,1329).

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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