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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 27.02.2003
Aktenzeichen: 3 M 35/02
Rechtsgebiete: LBauO M-V, LWaldG M-V


Vorschriften:

LBauO M-V § 60 Abs. 1
LBauO M-V § 61 Abs. 1
LBauO M-V § 79 Abs. 1 S. 2
LWaldG M-V § 20
LWaldG M-V § 48 Abs. 4
Die LBauO M-V geht von einer grundsätzlich umfassenden Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde aus. Die Durchsetzung bauordnungsrechtlicher Vorschriften - mögen sie auch außerhalb der LBauO M-V normiert sein - rechtfertigt die Vollzugszuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde, wenn nicht ausdrücklich spezialgesetzlich etwas anderes angeordnet ist.

Die Zuständigkeit der Forstbehörde für die Überwachung der Einhaltung des § 20 S. 1 LWaldG M-V ergibt sich aus § 48 Abs. 4 S. 1 LWaldG M-V. Dieser Vorschrift kann keine abschließende, die Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde ausschließende Regelung entnommen werden.

Die Ordnungsverfügung der unteren Bauaufsichtsbehörde scheitert nicht an der den Antragstellern fiktiv erteilten Baugenehmigung; die Baugenehmigung hat keine Konzentrationswirkung (so auch OVG Greifswald Beschl. v. 29.01.2003 - 2 M 179/02 -) und ersetzt die fehlende waldrechtliche Genehmigung mithin nicht.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 3 M 35/02

In der Verwaltungsstreitsache

wegen bauaufsichtsbehördliches Einschreiten

hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 27. Februar 2003 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. März 2002 wird geändert.

Der Antrag wird insgesamt abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,00 ? festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer bauordnungsrechtlichen Verfügung.

Die Antragsteller beantragten am 07. September 1999 die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Doppelgarage auf dem Flurstück 287/2 der Flur 2 der Gemarkung Z.. Der Standort der geplanten Doppelgarage befindet sich innerhalb des Schutzstreifens des § 20 LWaldG M-V. Mit Schreiben vom 09. August 2000 teilte der Antragsgegner den Antragstellern mit, die Baugenehmigung gelte nach § 63 Abs. 7 LBauO M-V als erteilt. Eine von den Antragstellern beantragte Ausnahmegenehmigung nach § 20 S. 2 LWaldG M-V wurde vom zuständigen Forstamt bestandskräftig abgelehnt.

Der Antragsteller zu 2) begann in der Folgezeit mit der Errichtung der Doppelgarage. Mit Bauordnungsverfügung vom 24. August 2001 ordnete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller zu 2) die Einstellung aller Bauarbeiten zur Errichtung der Doppelgarage an, verfügte die sofortige Vollziehung des Baustopps, drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 DM an und setzte eine Gebühr von 261,60 DM fest.

Die Antragsteller legten gegen diese Verfügung mit Schreiben vom 18. September 2001 Widerspruch ein. Sie begründeten den Widerspruch damit, der Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung sei ein "Bauantrag auf Bestandschutz im Sinne des § 35 Abs. 4 BauGB" gewesen. Die Vorschrift des § 20 LWaldG M-V könne der Baugenehmigung wegen des Bestandschutzes nicht entgegengehalten werden. Über diesen Widerspruch ist bislang nicht entschieden.

Zugleich haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 07. März 2002 den Antrag der Antragstellerin zu 1) mangels Beschwer abgelehnt. Sie sei nicht Adressatin der Bauordnungsverfügung. Zugleich sind ihr die Hälfte der Verfahrenskosten auferlegt worden. Im übrigen hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts liegt zwar ein Verstoß gegen § 20 LWaldG M-V vor, doch habe die Bauaufsichtsbehörde keine Sachkompetenz, diesen Verstoß durch eine Baueinstellungsverfügung zu ahnden. Es gelte der Grundsatz, dass die Sachkompetenz der Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich des Einschreitens wegen Verstößen gegenüber öffentlich-rechtlichen Vorschriften auf die diejenigen Vorschriften beschränkt sei, auf die sich die Prüfungskompetenz im Genehmigungsverfahren beziehe. Diese Genehmigungskompetenz umfasse jedenfalls nicht die Vorschriften des LWaldG M-V.

Der Antragsgegner hat gegen die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs am 20. März 2002 eine begründete Beschwerde eingelegt, die mit Schriftsatz, eingegangen am 28. März 2002 beim Oberverwaltungsgericht, mit Anträgen versehen wurde. Der Antragsgegner ist der näher begründeten Auffassung, die vom Verwaltungsgericht angenommene Beschränkung seiner Kompetenz aus § 79 LBauO M-V sei rechtswidrig. Der Begriff der "öffentlichrechtlichen Vorschriften" in § 79 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V umfasse alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften, nicht nur solche des Baurechts. Die Feststellungswirkung der fiktiven Baugenehmigung reiche nicht weiter als die - begrenzte - Prüfungskompetenz im Baugenehmigungsverfahren. Die Einhaltung des LWaldG M-V werde von der Baugenehmigung nicht erfasst. § 20 LWaldG M-V sei aber im Sinne des § 79 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V eine öffentlich-rechtliche Vorschrift, deren Einhaltung die Bauaufsichtsbehörde zu überwachen habe.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. März 2002 Az: 1 B 1829/01 aufzuheben, soweit darin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers zu 2) gegen die Baueinstellungsverfügung vom 24. August 2001 wieder hergestellt wird.

Der Antragsteller zu 2) verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers zu 2) gegen die Baueinstellungsverfügung zu Unrecht wieder hergestellt.

1. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts fehlte dem Antragsgegner nicht die Zuständigkeit für den angeordneten Baustopp einschließlich der getroffenen weiteren Regelungen. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:

Die in §§ 79 f. LBauO M-V kodifizierten Befugnisse gründen in § 60 Abs. 1 LBauO M-V und sind konkretisierte Ausformungen der dort abstrakt geregelten Aufgaben und Befugnisse. Die Norm regelt die Kompetenzen der Bauaufsichtsbehörde. Die dem Verfahrensrecht zuzuordnende Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde für den Vollzug der ihr nach § 60 Abs. 1 LBauO M-V zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse bestimmt sich nach § 61 Abs. 1 LBauO M-V. Der in der amtlichen Überschrift des § 61 LBauO M-V genannte Begriff der sachlichen Zuständigkeit ist weit zu verstehen; er umfasst nicht nur die Zuständigkeit innerhalb des hierarchischen Behördenaufbaus (instanzielle Zuständigkeit), sondern auch die allgemeine sachliche Zuständigkeit, also die Frage, welche Behörde überhaupt für den Vollzug der in § 60 LBauO M-V zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse zuständig ist. Die LBauO M-V geht dabei von einer grundsätzlich umfassenden Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde aus. Ausgenommen sind die Fälle, in denen etwas anderes bestimmt ist. Diese Einschränkung im letzten Halbsatz des § 61 Abs. 1 LBauO M-V ermöglicht eine auf gesetzlicher Grundlage erfolgende ergänzende oder abweichende Zuständigkeitsbestimmung zugunsten anderer Behörden. Ist die Sonderzuweisung abschließend, handelt es sich um eine die allgemeine Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde verdrängende Zuständigkeitsregelung; ansonsten bleibt es bei einer konkurrierenden Zuständigkeit.

Die Zuständigkeit der Forstbehörde für die Überwachung der Einhaltung des § 20 S. 1 LWaldG M-V ergibt sich aus § 48 Abs. 4 S. 1 LWaldG M-V (vgl. dazu OVG Greifswald Beschl. v. 29.01.2003 - 2 M 179/02 -). Der Senat kann dieser Vorschrift aber keine abschließende, die Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde ausschließende Zuweisung der sachlichen

Zuständigkeit für die Überwachung der Einhaltung des § 20 S. 1 LWaldG entnehmen. Weder der Wortlaut des § 48 Abs. 4 S. 1 LWaldG noch der Sinn und Zweck des § 20 S. 1 LWaldG M-V ergeben dafür Anhaltspunkte. Die letztgenannte Norm bezweckt nicht nur den Schutz des Waldes vor baulichen Anlagen, sondern auch den Schutz von baulichen Anlagen vor Gefahren, die ihnen vom Wald drohen könnten, und hat damit auch einen bauordnungsrechtlichen Regelungsinhalt (vgl. OVG Greifswald Beschl. v. 29.01.2003 - 2 M 179/02 -). Die Durchsetzung bauordnungsrechtlicher Vorschriften - mögen sie auch außerhalb der LBauO M-V normiert sein - rechtfertigt die Vollzugszuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde, wenn nicht ausdrücklich spezialgesetzlich etwas anderes angeordnet ist.

2. Die angegriffene Ordnungsverfügung erweist sich bei der gebotenen summarischen Betrachtung als voraussichtlich rechtmäßig.

Sie scheitert nicht an der den Antragstellern fiktiv erteilten Baugenehmigung. Diese enthält keine Ausnahmegenehmigung nach § 20 S. 2 LWaldG M-V. Für die Erteilung dieser Ausnahmegenehmigung ist ausschließlich die Forstbehörde zuständig. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm. Die Baugenehmigungsbehörde hat insoweit keine Entscheidungszuständigkeit; die Baugenehmigung hat keine Konzentrationswirkung (so auch OVG Greifswald Beschl. v. 29.01.2003 - 2 M 179/02 -). Sie ersetzt die fehlende waldrechtliche Genehmigung mithin nicht. Die Ordnungsverfügung ist daher nicht als eine verkappte Rücknahme der Baugenehmigung zu verstehen; sie ist daher nicht an den dafür geltenden Vorschriften zu messen.

Die angegriffene Ordnungsverfügung ist - bei der gebotenen summarischen Betrachtung - auch nicht ermessensfehlerhaft ergangen. Die Behörde hat ausweislich der Begründung der Ordnung s Verfügung das ihr nach § 79 LBauO M-V zustehende Ermessen ausgeübt. Der vom Antragsteller zu 2) in den Mittelpunkt seiner Argumentation gestellte Bestandsschutz wird in der Begründung der Ordnungsverfügung zwar nicht angesprochen, doch ist dies unschädlich. Aus dem Vortrag der Antragsteller im Verwaltungsverfahren und dem sonstigen Akteninhalt ergeben sich keine substantiierten Hinweise darauf, dass unter dem rechtlichen Aspekt des Bestandsschutzes das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 20 Satz 2 LWaldG M-V auch nur in Betracht kommen könnte. Die von den Antragstellern für sich in Anspruch genommene Vorschrift des § 35 Abs. 4 BauGB betrifft nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens, um die es in dem hier zu entscheidenden Streit nach dem LWaldG M-V nicht geht. Wenn der Antragsgegner sich bei der Ermessensausübung mit § 35 Abs. 4 BauGB nicht befasst hat, ist das rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO.

Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. Im Eilverfahren entspricht es der ständigen Praxis des Senats, den voraussichtlichen Streitwert der Hauptsache zu halbieren.

Ende der Entscheidung

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