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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: 4 M 301/04
Rechtsgebiete: VwGO, KV M-V


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 6
KV M-V § 125
1. Wird infolge der Auflösung eines Amtes die Zuordnung einer Gemeinde zu einem anderen Amt erforderlich, begründen die Folgen der Übertragung der Amtsgeschäfte auf das andere Amt für die Gemeinde keinen schweren Nachteil oder einen anderen wichtigen Grund i.S.v. § 47 Ab. 6 VwGO, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung dringen geboten erscheinen lässt. Es handelt sich vielmehr um die regelmäßigen Folgen einer die Zuordnung von Gemeinden ändernden Rechtsvorschrift.

2. Die Schaffung von Ausführungs- und Übergangsvorschriften bwz. -regelungen im Falle der Unwirksamkeitserklärung einer Rechtsvorschrift fällt nicht in die Entscheidungsbefugnis des Oberverwaltungsgerichts im Verfahren nach § 47 VwGO.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 4 M 301/04

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Normenkontrolle - Kommunalrecht -

hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 22. Dezember 2004 in Greifswald durch

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die antragstellende Gemeinde begehrt im Zusammenhang mit dem Normenkontrollverfahren 4 K 28/04 den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO mit dem Ziel der vorläufigen Aussetzung des Vollzugs von Verordnungen zur Ämterneubildung.

Die Antragstellerin ist amtsangehörige Gemeinde des Amtes G. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 31.03.2004 stellte der Amtsausschuss des Amtes G. fest, dass das Amt aller Voraussicht nach nicht weiter bestehen werde. Die Gemeindevertretung der Antragstellerin beschloss auf ihrer Sitzung am 19.05.2004 (Beschluss Nr. 2-3/2004), die Gemeinde mit Ablauf des 31.12.2004 als amtsangehörige Gemeinde dem Amt G.-L. und damit der Verwaltungsgemeinschaft G.-L./S. anzuschließen.

Der Antragsgegner hörte mit Schreiben vom 02.07.2004 die betroffenen Gemeinden und Ämter sowie den Landkreis zur beabsichtigten Auflösung des Amtes G. mit Wirkung zum 01.01.2005, zur Rechtsnachfolge sowie zur Zuordnung der bislang zum Amt G. gehörenden Gemeinden zu anderen Ämtern, darunter die Zuordnung der Antragstellerin zum neu zu bildenden Amt Dorf M.-B.K., an.

Auf der Sitzung am 20.07.2004 beschloss die Gemeindevertretung der Antragstellerin, an ihrem Beschluss vom 19.05.2004 über die Zuordnung zum Amt G.-L. festzuhalten. Zuvor hätten das Amt Dorf M. unter dem 24.02.2004 und das Amt B.K. unter dem 26.02.2004 erklärt, die Antragstellerin nicht aufnehmen zu wollen, während das Amt G.-L. Aufnahmebereitschaft bekundet habe. Der Amtsausschuss des Amtes G. stimmte auf seiner Sitzung vom 10.08.2004 (Beschluss Nr. 8-5/2004) der Zuordnung der Antragstellerin zum neu zu bildenden Amt Dorf M.-B.K. nicht zu; er schloss sich dem Willen der Gemeinde im Beschluss vom 19.05.2004 an. Der Kreistag des Landkreises Nordwestmecklenburg befürwortete durch Beschluss vom 23.09.2004 (Nr. 36-2/04) unter Beachtung des Willens des Amtsausschusses und der Gemeinden des Amtes G. die Zuordnung der Antragstellerin zum Amt G.-L.

Nach Beschlussfassungen durch die jeweiligen Vertretungen schlossen die betroffenen Ämter G., Dorf M., B.K., K. und G.-L. sowie die Stadt Gr. unter dem 29.09.2004 einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Regelung des Übergangs der Gemeinden des Amtes G. auf die beteiligten Ämter sowie zur Rechtsnachfolge des Amtes G. Im Einzelnen wurde u.a. festgelegt, dass die Antragstellerin dem Amt G.-L. zugeordnet werden soll. Mit dem Vertrag sollte der Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung mit Wirkung zum 01.01.2005 durch den Antragsgegner beantragt werden.

Mit Verordnung des Innenministeriums M-V vom 06.10.2004 (GVOBl. M-V S. 486), in Kraft getreten am 15.10.2004, wurden die Ämter B.K. und Dorf M. aufgelöst und das neue Amt Dorf M.-B.K. mit Sitz in Dorf M. gegründet. Durch Erste Änderungsverordnung vom 08.10.2004 zur o.g. Verordnung (GVOBl. M-V S.499) wurden die (bislang zum Amt G.) gehörende Antragstellerin und die Gemeinde Ba. mit Wirkung zum 01.01.2005 dem neu gegründeten Amt Dorf M.-B.K. zugeordnet und dieses zum Rechtsnachfolger des Amtes G. bestimmt. Gleichzeitig wurde durch Art. 1 Nr. 2 der Vierzehnten Verordnung zur Änderung der Ersten Landesverordnung zur Bildung von Ämtern und zur Bestimmung der amtsfreien Gemeinden vom 08.10.2004 (GVOBl. M-V S. 499) das Amt G. mit Wirkung zum 01.01.2005 aufgelöst.

Entsprechend dieser Verordnungslage erging unter dem 11.10.2003 eine Verfügung des Innenministeriums M-V, nach der die Auflösung der Ämter Dorf M. und B.K. und der Zusammenschluss der diesen Ämtern angehörenden Gemeinden zum neuen Amt Dorf M.-B.K. auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vom 26.03.2004 gemäß § 125 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Kommunalverfassung M-V (KV M-V) umgesetzt wurde. Gleichfalls ist ausgeführt, dass nach § 125 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KV M-V das Amt G. auf der Grundlage des Prinzips der Freiwilligkeit mit Wirkung zum 01.01.2005 im Verordnungswege aufgelöst, die Antragstellerin und die Gemeinde Ba. dem neu zu bildenden Amt Dorf M.-B.K. und die Gemeinden Gr. und Z. dem Amt K. zugeordnet und das Amt Dorf M.-B.K. zum Rechtsnachfolger des Amtes G. bestimmt werde. Zur Begründung wurde u.a. angeführt, dass entgegen dem öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 29.09.2004 nach Abwägung aller Gründe des öffentlichen Wohls eine Zuordnung der Antragstellerin und der Gemeinde Ba. nur zu dem an die Hansestadt W. angrenzenden Amt Dorf M.-B.K. in Betracht komme.

Unter dem 17.11.2004 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag zum Az. 4 K 28/04 mit dem Ziel der Feststellung der Nichtigkeit der Verordnungen vom 08.10.2004 sowie den vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Die Antragstellerin macht geltend, sie sei nach § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, da sie die angefochtenen Rechtsvorschriften in ihrem Recht beeinträchtigen würden, bis zum 31.12.2004 auf freiwilliger Basis über ihre Amtszugehörigkeit ab dem 01.01.2005 zu entscheiden. Die Zuordnung einer Gemeinde zu einem Amt berühre die schützenswerten Belange im Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei erforderlich, da sonst vollendete Tatsachen geschaffen würden, die bei einer abweichenden Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr oder nur schwer rückgängig gemacht werden könnten, zumal mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Erfolg des Normenkontrollantrages gerechnet werden könne und grundrechtlich geschützte Interessen in besonderem Maße betroffen seien. Bei der Interessenabwägung hätten die Belange der Antragstellerin Vorrang, weil entgegenstehende Gemeinwohlbelange nicht vorlägen und der Antragsgegner nicht zu einer willkürlichen Abänderung der freiwilligen Entscheidung der Antragstellerin über die Zuordnung zu einem bestimmten Amt berechtigt gewesen sei.

Die angefochtenen Rechtsverordnungen seien verfahrensfehlerhaft, da das neu gebildete Amt Dorf M.-B.K. vom Verordnungsgeber nicht gemäß § 125 Abs. 6 KV M-V angehört worden sei. Die Verordnungen seien auch materiell rechtsfehlerhaft. Der Verordnungsgeber habe die freiwillige, unter Berücksichtigung des Gemeinwohlziels getroffene (Zuordnungs-)Entscheidung nicht berücksichtigt und die Begründung des Antragsgegners zu einer anderen Zuordnung sei weder stichhaltig noch überzeugend. Die Antragstellerin habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass die von ihr freiwillig getroffene Entscheidung durch den Verordnungsgeber bestätigt werde und dieser nur im Ausnahmefall eine Abänderung vornehme. Der maßgebliche Sachverhalt sei vom Verordnungsgeber nicht ermittelt worden, insbesondere fehle es an einer tragfähigen Abwägung der Gründe und Gegengründe (für die Zuordnungsentscheidung).

Die Antragstellerin beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung

1. den Vollzug der Vierzehnten Verordnung zur Änderung der Ersten Landesverordnung zur Bildung von Ämtern und zur Bestimmung der amtsfreien Gemeinden vom 08.10.2004 (GVOBl. M-V vom 27.10.2004) vorläufig, bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag, auszusetzen,

2. den Vollzug der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Auflösung der Ämter B.K. und Dorf M. und zur Neubildung des Amtes Dorf M.-B.K. vom 08.10.2004 (GVOBl. M-V vom 27.10.2004) vorläufig, bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag, auszusetzen,

3. der Antragstellerin zu gestatten, dass die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises mit Wirkung vom 01.01.2005 über das Amt G.-L. wahrgenommen werden,

hilfsweise

der Antragstellerin zu gestatten, dass auch nach dem 31.12.2004 bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises weiter über das Amt G. wahrgenommen werden.

Der Antragsgegner tritt den Anträgen entgegen. Zwar sei die Antragstellerin nach § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Der zu 3. gestellte Antrag sei jedoch unzulässig, weil es der Antragstellerin am Rechtsschutzbedürfnis fehle und er über das Begehren in der Hauptsache hinausgehe. Die Anträge zu 1. und 2. seien unbegründet. Der Erlass der Anordnungen sei im vorliegenden Fall schon deswegen nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten, weil die Normenkontrollanträge im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben würden. Darüber hinaus würde der Erlass der Anordnungen dazu führen, dass das Amt G., obwohl es den gesetzlichen Vorgaben zur Mindesteinwohnerzahl nach § 125 Abs. 3 KV M-V nicht entspreche, mindestens noch bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren weiterbestünde. Die angegriffenen Rechtsverordnungen seien sowohl formell als auch materiell rechtmäßig, so dass der Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich unbegründet sei.

Die betroffenen Ämter wurden angehört.

Die Stadt Gr. und das Amt G.-L. schließen sich den Ausführungen der Antragstellerin an. Die streitgegenständlichen Verordnungen seien mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und deshalb nichtig. Den Ämtern und Gemeinden stehe in der so genannten Freiwilligkeitsphase ein Recht auf freiwillige Strukturveränderungen zu, wovon alle Beteiligten durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 29.09.2004 Gebrauch gemacht hätten. Der Antragsgegner habe nunmehr nicht mehr die uneingeschränkte (Verordnungs-)Kompetenz gemäß § 125 Abs. 6 KV M-V; er dürfe nur noch prüfen, ob eine von der freiwilligen Vereinbarung der Beteiligten abweichende administrative Entscheidung erforderlich sei. Einstweiliger Rechtsschutz sei erforderlich, damit die beteiligten Ämter die so genannte Hochzeitsprämie erhielten.

Das Amt K. hält jedenfalls die 1. Änderungsverordnung vom 08.10.2004 für unwirksam, soweit dort die Antragstellerin und die Gemeinde Ba. dem Amt Dorf M.-B.K. zugeordnet werden. Der Antragsgegner habe von der Verordnungsermächtigung nach § 4 der 2. Landesverordnung zur Bildung von Ämtern vom 03.06.1992 unter Missachtung der auferlegten Maßgaben und Beschränkungen Gebrauch gemacht, indem er von dem auf freiwilliger Basis abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 29.09.2004 abgewichen sei.

II.

Die Anträge haben keinen Erfolg.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann eine einstweilige Anordnung nur erlassen werden, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Dabei sind an den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Normenkontrollverfahren entsprechend § 32 Abs. 1 Bundesverfassungserichtsgesetz - BVerfGG - hohe Anforderungen zu stellen (Beschluss des Senats vom 17.10.2000 - 4 M 74/00 -). Wegen der weitreichenden Folgen, die die Aussetzung des Vollzugs einer Rechtsnorm für eine unbestimmte Anzahl von Personen und Behörden hat, ist an die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. zusammenfassend: OVG Greifswald, Beschluss vom 30.12.1993 - 4 M 5/93 - m.w.N.). Dies gilt vorliegend, weil im Falle der Aussetzung des Vollzugs der angegriffenen Verordnungen nicht nur die Zuordnung der Antragstellerin sondern auch der übrigen, bislang dem Amt G. angehörigen Gemeinden sowie die Auflösung des Amtes G. selbst und auch dessen Rechtsnachfolge ausgesetzt wäre.

Die Normenkontrollklage erweist sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand weder als offensichtlich unzulässig oder unbegründet noch als offensichtlich begründet (1.). Bei insoweit offenem Ausgang der Hauptsache ergibt die zu treffende Folgenabwägung, dass die Anwendung der angegriffenen Rechtsvorschrift in der Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache für die Antragstellerin keinen schweren Nachteil begründet und der Erlass der einstweiligen Anordnung(en) aus anderen wichtigen Gründen nicht dringend geboten erscheint (2.).

1.

Der Normenkontrollantrag in der Hauptsache erweist sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand und nach der auch im Eilverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO grundsätzlich - und vorliegend insbesondere wegen des Inkrafttretens der angefochtenen Verordnungen zum 01.01.2005 - allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage durch das Gericht weder als offensichtlich unzulässig noch als offensichtlich unbegründet. Bestehen lediglich Zweifel, ob der Normenkontrollantrag zulässig ist, liegt keine offensichtliche Unzulässigkeit vor. Eine offensichtliche Unbegründetheit liegt nicht vor, wenn im Hauptsacheverfahren schwierige Rechtsfragen zu prüfen sind (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rn. 613 f).

So liegt der Fall hier. Die Beteiligten bezweifeln nicht, dass die Antragstellerin durch die mit den angegriffenen Verordnungen entgegen ihrem bekundeten Willen verfügte Zuordnung zum Amt Dorf M.-B.K. als Folge der Auflösung des Amtes G. möglicherweise in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28. Abs. 2 GG, Art. 72 Abs. 1 Verf M-V verletzt wird und damit antragsbefugt i.S.v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist. Ob ein Anspruch der Antragstellerin auf Zuordnung zu einem Amt entsprechend ihrem bekundeten Willen und den Festlegungen im öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 29.09.2004 besteht, in dem sie durch die angegriffenen Verordnungen verletzt ist (verneinend insoweit: BbgVerfG, Urteil vom 29.08.2002 - VfGBbg 34/01 -, LKV 2002, 573 <574>), ist nicht zuletzt unter Berücksichtigung der so genannten, auf Grundlage von § 10 Abs. 3 des Finanzausgleichgesetzes - FAG - vom 12.01.2000 (GVOBl. M-V, S.2) und der Landesverordnung über die Gewährung von Zuweisungen bei der Aufhebung von Gemeinden und der Neubildung von Ämtern und Verwaltungsgemeinschaften vom 20.04.2000 (GVOBl. M-V, S.195) geschaffenen "Freiwilligkeitsphase" bis zum 31.12.2004 im Eilverfahren nicht abschließend zu beantworten (vgl. zur - dort verneinten - Antragsbefugnis eines aufzulösenden Amtes: Beschluss des Senats vom heutigen Tage - 4 M 300/04 -). Jedenfalls handelt es sich insoweit um eine schwierige Rechtsfrage, die insbesondere auch für die Frage der Begründetheit des Normenkontrollantrages maßgeblich sein wird. Daher ist der Normenkontrollantrag auch nicht offensichtlich begründet.

2.

Ist der Normenkontrollantrag danach weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet bzw. begründet, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob die Anwendung der angegriffenen Verordnung in der Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache für die Antragstellerin einen schweren Nachteil begründet. Ein schwerer Nachteil liegt dann vor, wenn durch diese Folgen Rechte oder rechtlich geschützte Interessen in besonderem Maße beeinträchtigt oder von ihr außergewöhnliche Opfer abverlangt werden. Es muss sich um einen endgültigen und nicht wiedergutzumachenden Schaden handeln (BVerfG, Beschluss vom 29.04.1969 - 1 BvR 47/69 -, BVerfGE 25, 367 <370>). Dies ist anhand der Folgen zu ermitteln, die voraussichtlich eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte. Ergibt sich danach ein schwerer Nachteil, sind dem die Nachteile gegenüber zu stellen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg bliebe.

Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Berücksichtigung der eingangs dargelegten strengen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Antragstellerin durch die im Hauptsacheverfahren angegriffenen Verordnungen oder deren Vollzug ein schwerer Nachteil zugefügt wird oder andere wichtige Gründe vorliegen, die den Erlass der einstweiligen Anordnung(en) als dringend geboten erscheinen lassen.

Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Rechtsvorschrift angeführt werden, haben dabei ebenso außer Betracht zu bleiben (vgl. Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rn. 615 m.w.N.) wie diejenigen Nachteile, die sich regelmäßig mit dem Vollzug eines kommunalen Neugliederungsgesetzs für die betroffenen Gemeinden ergeben, falls sich die Normenkontrollklage in der Hauptsache als begründet erweisen sollte. Sie können nicht als "besondere" und damit schwere Nachteile angesehen werden. Wenn - wie hier - die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren nicht berücksichtigt werden können, würde gerade in kommunalen Neugliederungsverfahren die Berücksichtigung solcher regelmäßig auftretender Nachteile dazu führen, dass bereits eine wesentliche Voraussetzung zum Erlass einer einstweiligen Anordnung erfüllt wäre und damit die Aussetzung zur Regel werden könnte (vgl. auch HessStGH, Beschluss vom 02.08.1972 - PSt 692, 693 -, ESVGH 22, 215 <218> und VerfG NRW, Beschluss vom 30.07.1969 - VGH 12/96 -, DVBl. 1969, 810). Dies hat hier deswegen zu gelten, weil das Amt, dem die Antragstellerin bis zum 31.12.2004 angehört, aufgelöst wird und damit die Zuordnung der Antragstellerin zu einem anderen Amt mangels Amtsfreiheit (vgl. § 125 Abs. 3 und 4 KV M-V) erforderlich wird. Die Auflösung des Amtes erfolgt dabei auf freiwilliger Basis entsprechend dem Willen der betroffenen Gemeinden und Ämter. Die Folgen einer Zuordnung zu einem anderen Amt zum 01.01.2005 treten also in jedem Fall ein. Eine Außervollzugsetzung der Verordnungen und eine Zuordnung der Antragstellerin entsprechend dem öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 29.09.2004 zum Amt G.-L. würde daher dann, wenn der Normenkontrollantrag in der Hauptsache ohne Erfolg bliebe, zu einer erneuten Änderung der Zuordnung (dann zum Amt Dorf M.-B.K.) führen (zu diesem Gesichtspunkt des "Hin und Her" bei kommunalen Neugliederungsgesetzen: BVerfG, Urteil vom 10.07.1990 - 2 BvR 470/90 -, NVwZ 1991, 259 mit Anmerkung von Kronisch, S. 244). Maßgebend können daher nur solche Nachteile sein, die über das hinausgehen, was ohnehin mit dem - vorläufigen - Vollzug einer Verordnung an Folgen für die Antragstellerin verbunden ist, durch die eine Gemeinde einem anderen Amt zugeordnet wird.

Hiervon ausgehend begründet etwa der Aufwand bei der Rückgängigmachung der Übertragung einer Verwaltung ebenso wenig einen schweren Nachteil wie die Notwendigkeit der Einarbeitung der Bediensteten des anderen Amtes in die Verwaltungsangelegenheiten der Antragstellerin. Denn hierbei handelt es sich um die regelmäßige Folge einer die Zuordnung von Gemeinden ändernden Rechtsvorschrift. Die Abgabe der Akten für die einzelnen Verwaltungsvorgänge an das Amt ist ebenfalls eine normale Vollzugsfolge und überdies rückgängig zu machen. Gleiches gilt für die Trennung der sachlichen Mittel. Im Rahmen der Interessenabwägung ist letztlich auch zu berücksichtigen, dass die Aussetzung des Vollzugs der Verordnungen nicht nur Folgen für das Verhältnis der Antragstellerin zum Amt sondern auch für die übrigen amtsgehörigen Gemeinden zum Amt hätte. Jedenfalls wären die Auswirkungen einer Aussetzung des Vollzugs der Verordnungen mit einer Zuordnung der Antragstellerin zum Amt G.-L. gleichzusetzen mit den Auswirkungen im Falle des - vorläufigen -Vollzugs mit der Zuordnung zum Amt Dorf M.-B.K. Mit anderen Worten würden sich die Auswirkungen gleichermaßen bei einer (grundsätzlich erforderlichen) Zuordnung der Antragstellerin zu dem einen oder dem anderen Amt und der Rückgängigmachung je nach Ausgang des Hauptsacheverfahrens darstellen, so dass sich im Rahmen der (Folgen)Interessenabwägung kein überwiegendes Interesse im Sinne der von der Antragstellerin begehrten Anordnung und damit kein wichtiger Grund i.S.v. § 47 Abs. 6 VwGO feststellen lässt, der die Anordnung(en) als dringend geboten erscheinen lässt.

3.

Der auf die - vorläufige - Übertragung der Amtsgeschäfte auf das Amt G.-L. ab dem 01.01.2005 gerichtete Antrag zu 3. hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil es nicht in die Entscheidungsbefugnis des Oberverwaltungsgerichts im Verfahren nach § 47 VwGO fällt, mit der Unwirksamkeitserklärung einer Rechtsvorschrift Ausführungs- und Übergangsvorschriften bzw. -regelungen zu schaffen; das Gericht bleibt vielmehr grundsätzlich auf die Erklärung der Unwirksamkeit der angegriffenen Norm beschränkt (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 47 Rn. 123). Damit können derartige, über die mit der Unwirksamkeitserklärung im Hauptsacheverfahren bzw. der damit im Eilverfahren korrespondierenden vorläufigen Aussetzung des Vollzugs hinausgehende gestaltende Regelungen auch nicht im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO getroffen werden. Zudem darf der Antrag im Eilverfahren nicht über das Rechtsschutzziel im Hauptsacheverfahren hinausgehen. Da im Hauptsacheverfahren nur die Erklärung der Unwirksamkeit einer Norm in Betracht kommt, kann mit der einstweiligen Anordnung nur die Anwendung dieser Norm (vorläufig) verhindert bzw. deren Vollzug ausgesetzt werden (Beschluss des Senats vom 13.03.2003 - 4 M 22/03 -). Gleiches gilt für den auf Gestattung der Wahrnehmung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises durch das Amt G. für die Zeit nach dem 31.12.2004 gerichteten Hilfsantrag. Hinzu kommt, dass das Amt G. mit Wirkung zum 01.01.2005 gemäß den genannten Verordnungen aufgelöst wird. Der auf vorläufige Aussetzung des Vollzugs der Verordnungen gerichtete Eilantrag des Amtes G. hatte keinen Erfolg (Beschluss des Senats vom heutigen Tage - 4 M 300/04 -). Ein nicht mehr existierendes Amt kann keine Aufgaben wahrnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Im Hinblick auf die von der Antragstellerin betonten Auswirkungen der von der freiwilligen Vereinbarung abweichenden Zuordnung und - vorläufigen - Übertragung der Amtsgeschäfte auf ein anderes Amt erscheint dem Senat ein Streitwert von 20.000,- Euro für das Hauptsacheverfahren angemessen. Dieser war für das Eilverfahren auf die Hälfte zu reduzieren.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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