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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 08.10.2009
Aktenzeichen: 8 L 193/08
Rechtsgebiete: BPersVG, PersVG M-V


Vorschriften:

BPersVG § 83 Abs. 1 Nr. 4
PersVG M-V § 66
PersVG M-V § 87 Abs. 1 Nr. 6
Zu der Frage, ob die Auslegung einer Dienstvereinbarung Gegenstand eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens sein kann.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

8 L 193/08

In der Personalvertretungssache

wegen Personalrecht der Länder

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 08. Oktober 2009 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 7. Kammer - vom 15.08.2008 geändert.

Es wird festgestellt, dass zwischen dem Antragsteller und der Beteiligten eine Dienstvereinbarung im Sinne von § 66 PersVG M-V besteht, wonach die Mitarbeiterjournale nicht den Amtsleitern zu überlassen sind.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt und die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Zwischen der Beteiligten und dem bei ihr gebildeten Personalrat, dem Antragsteller, besteht die Dienstvereinbarung 01/2004 zur gleitenden Arbeitszeit... in der Fassung vom 13.06.2005 - DV -(Bl. 16 ff. GA).

In § 18 DV ist die Nutzung des Zeiterfassungssystems für Auswertungen geregelt. Abs. 1 lautet: Es können nachfolgende Auswertungen getätigt werden:

a) Abweichungsliste (Buchungsfolgefehler, unbegründetes Fehlen, Unterschreitung Mindestanwesenheit)

b) Monatsübersichten für die Beschäftigten (Mitarbeiterjournal)

c) Urlaubslisten

d) Arbeitsrückstände von über 20 Stunden

e) variable Listen (in anonymisierter Form über mindestens 10 Beschäftigte).

Gemäß § 18 Abs. 2 DV erhält jeder Amtsleiter nach Ablauf des Monats eine Abweichungsliste, sofern in seinem Verantwortungsbereich Abweichungen (Buchungsfolgefehler, unbegründetes Fehlen, Unterschreitung Mindestanwesenheit) vorgekommen sind.

Aus Anlass eines konkreten personalrechtlichen Vorgangs, bei dem eine Amtsleiterin ersichtlich Einblick in das Mitarbeiterjournal einer in ihrem Verantwortungsbereich tätigen Beschäftigten genommen hatte, hat der Antragsteller am 24.08.2007 ein personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren eingeleitet.

Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 15.08.2008 festgestellt, dass die Überlassung der Mitarbeiterjournale gegen die DV verstoße.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten. Er hält den Antrag bereits für unzulässig, zumindest aber für unbegründet. Es gehe vorliegend nicht um eine Streitigkeit über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Dienstvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 PersVG M-V, sondern lediglich um die Auslegung der bestehenden DV. Die Überlassung von Mitarbeiterjournalen an die Amtsleiter betreffe die Mitarbeiter selbst, nicht aber Rechtspositionen des Antragstellers. Die Praxis, die Mitarbeiterjournale den Amtsleitern zur Verfügung zu stellen, bestehe schon seit 1998 und habe sich auch mit der DV nicht geändert. Der Antragsteller habe dies geduldet, sein Vorsitzender habe für ein freigestelltes Mitglied und eine Sekretärin ebenfalls Mitarbeiterjournale erhalten. Die Dienstvereinbarung sei außerdem im Lichte von § 38 Abs. 2 KV M-V auszulegen, worin die Verantwortlichkeit der Beteiligten sowie der von ihr beauftragten Beschäftigten u.a. für den ordnungsgemäßen Gang der Verwaltung geregelt sei.

Die Beteiligte beantragt sinngemäß,

die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern und den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, sein Rügerecht sei nicht verwirkt; es komme nur auf die im Juni 2005 in Kraft getretene DV an. Dass davon abgewichen worden sei, habe er erst 2007 bemerkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden ist, (vgl. Beschl. des Senats v. 29.12.2008 - 8 L 129/07 -) hat nur zum Teil Erfolg.

Soweit der Antragsteller einen Verstoß des Beteiligten gegen die DV rügt, ist der Antrag unzulässig. Insoweit ist der Auffassung der Beteiligten zu folgen. Denn es geht nicht um das Bestehen oder Nichtbestehen einer Dienstvereinbarung, sondern um deren Anwendung im konkreten Einzelfall. Den Anspruch auf korrekte Anwendung hat aber nicht der Personalrat, sondern der betroffene Beschäftigte, dem insoweit der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht bzw. Arbeitsgericht offen steht (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 28.02.2000 - 8 Bf 334/99 PVL -, zit. nach juris).

Dem Antrag ist dagegen stattzugeben, soweit es um das Bestehen einer Dienstvereinbarung mit einem bestimmten Regelungsinhalt geht.

Dieses Begehren ist als Weniger in dem ausdrücklich gestellten Antrag enthalten, sodass es insoweit keiner Antragsänderung bedarf. Um festzustellen, ob die Beteiligte gegen eine Regelung in der DV verstoßen hat, muss zuvor geprüft werden, ob eine Dienstvereinbarung mit der fraglichen Regelung überhaupt besteht. Davon gehen die Beteiligten in ihren Schriftsätzen ersichtlich aus. Auch das Verwaltungsgericht hat das Bestehen einer Dienstvereinbarung mit einem bestimmten Regelungsinhalt geprüft (und bejaht).

Das Begehren, festzustellen, dass zwischen dem Antragsteller und der Beteiligten eine Dienstvereinbarung im Sinne von § 66 PersVG M-V besteht, wonach die Mitarbeiterjournale nicht den Amtsleitern zu überlassen sind, erweist sich als zulässig.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 PersVG M-V entscheiden die Verwaltungsgerichte über das "Bestehen oder Nichtbestehen von Dienstvereinbarungen". Die Regelung, die sich erkennbar an § 83 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG orientiert, ist weit auszulegen. Sie begründet die Zuständigkeit der Fachkammern nicht nur bei Streit über den ordnungsgemäßen Abschluss einer Dienstvereinbarung, sondern auch bei Streit über die Auslegung einzelner Bestimmungen (vgl. OVG Hamburg, a.a.O., m.w.N.; Fischer-Goeres, GKÖD Bd. V K § 380 Rn. 24; aM: Grabendorff u.a., BPersVG 9. Aufl. Rn. 17 m.w.N.). Zumindest für die hier maßgebliche landesrechtliche Regelung ist der weiten Auslegung der Norm der Vorzug zu geben (vgl. Vogelgesang u.a. Landespersonalvertretungsrecht M-V § 87 Rn. 36 m.w.N.). Aus dem Wort "insbesondere" in § 87 Abs. 1 PersVG M-V ergibt sich eine großzügige Handhabung der verwaltungsgerichtlichen Kontrollmöglichkeiten (vgl. Donalies/Neumann, Personalvertretungsrecht M-V § 87 Anm. 2).

Soweit der Antrag zulässig ist, ist er auch begründet.

Die zwischen den Beteiligten geschlossene DV regelt, dass die Mitarbeiterjournale den Amtsleitern nicht zu überlassen sind. Dies folgt, wie das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend angenommen hat, aus § 18 Abs. 1 und 2 DV.

Aus § 18 Abs. 1 Buchst. 6 BV ergibt sich, dass es sich im "Mitarbeiterjournal" um Arbeitsübersichten "für" die Beschäftigten handelt. Die Regelung ist als Definition gestaltet, wobei der definierte Begriff "Mitarbeiterjournal" in Klammern gesetzt ist. Die Mitarbeiterjournale werden danach eigens "für" die Beschäftigten erstellt, womit ersichtlich bezweckt wird, ihnen einen Überblick darüber zu verschaffen, was im Hinblick auf ihre Person im Rahmen der elektronischen Zeiterfassung in dem betreffenden Monat registriert worden ist. Zugleich geht es darum, festzustellen, ob bei der Zeiterfassung Fehler vorgekommen sind, dies ergibt sich aus § 12 Abs. 6 Satz 1 DV, wonach der Beschäftige nach Ablauf des Kalendermonats einen Arbeitszeitnachweis in Form eines Mitarbeiterjournals erhält. Dies ist durch den Beschäftigten auf Korrektheit der ausgewiesenen Zeiten zu prüfen, gegenzuzeichnen und für die Dauer von fünf Jahren aufzubewahren (§ 12 Abs. 6 Satz 2 DV).

Danach bedarf es nicht unbedingt - worauf das Verwaltungsgericht abgestellt hat - eines Umkehrschlusses aus § 18 Abs. 2 DV, der regelt, unter welchen Voraussetzungen Amtsleiter "eine Abweichungsliste" erhalten. Dem Verwaltungsgericht ist jedoch zumindest insoweit beizupflichten, als auch aus § 18 Abs. 2 DV abzuleiten ist, dass Amtsleiter nur die Liste erhalten sollen, die Abweichungen (Buchungsfolgefehler, unbegründetes Fehlen, Unterschreitung Mindestanwesenheit) in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich betreffen.

Dieses Verständnis der DV kollidiert nicht mit der der Beteiligten bzw. den von ihr beauftragten Beschäftigten nach der Kommunalverfassung obliegenden Verantwortung in personellen Angelegenheiten (vgl. etwa § 38 Abs. 2 KV M-V). Die Beteiligte hat zwar (zuletzt mit Schriftsatz v. 20.03.2009) darauf hingewiesen, welche Erkenntnisse die Amtsleiter anhand der Mitarbeiterjournale gewinnen und welche organisatorischen Maßnahmen daraufhin getroffen werden können. Daraus ergibt sich aber nicht, dass es unumgänglich ist, dass den Amtsleitern die Mitarbeiterjournale überlassen werden. Soweit es darum geht, zu erkennen, ob bei bestimmten Mitarbeitern häufige "Mehrarbeitszeiten" oder "Minusarbeitszeiten" auftreten, ist nicht dargelegt oder sonst zu erkennen, dass derartige Erkenntnisse nicht auch anders zu gewinnen wären, sei es über die betroffenen Mitarbeiter oder das Hauptverwaltungsamt, sei es durch Aufnahme von auffälligen Minus- bzw. Mehrarbeitszeiten in eigene Listen, wobei auch eine entsprechende Änderung der DV in Betracht zu ziehen sein könnte.

Die Beteiligte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Antragsteller habe seine -vermeintlichen - Rechte aus der DV verwirkt. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 13.02.2009 vorgetragen, erst im Jahre 2007 bemerkt zu haben, dass die DV nicht eingehalten worden sei. Diesem Vortrag ist die Beteiligte nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne von §§ 87 Abs. 2 PersVG M-V, 92 Abs. 1 Satz 1, 72 Abs. 2 ArbGG vorliegen.

Einer Kostenentscheidung bedarf es in personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht (vgl. Beschl. des Senats v. 29.11.2006 - 8 L 426/05 -, m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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