Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 20.09.2002
Aktenzeichen: 1 A 1061/01.PVB
Rechtsgebiete: BPersVG, LPZV


Vorschriften:

BPersVG § 67 Abs. 1
BPersVG § 68 Abs. 1 Nr. 2
BPersVG § 68 Abs. 2 Satz 1
BPersVG § 68 Abs. 2 Satz 2
LPZV § 2 Abs. 1 Satz 2
Zum Umfang des Informationsanspruchs der Personalvertretung bei der Vergabe von Leistungsprämien und Leistungszulagen.
Tatbestand:

Die Verfahrensbeteiligten stritten über den Umfang des Unterrichtungsrechts der Personalvertretung und das Vorliegen von Beteiligungstatbeständen im Zusammenhang mit der Vergabe von Leistungszulagen und Leistungsprämien im Geschäftsbereich des beteiligten Dienststellenleiters einer Dienststelle der Bundeswehr. Der Antrag des Antragstellers hatte in erster Instanz teilweise Erfolg. In der Beschwerdeinstanz gab der Fachsenat einem weiteren Teil der - neugefassten - Anträge statt.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und in Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss ebenso begründete Beschwerde hat in dem aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Umfang Erfolg. Soweit der Antragsteller schon in erster Instanz obsiegt hat, war die Entscheidung des VG auf der Grundlage des neu gefassten Antrags erster Instanz neu zu fassen und - zugleich - abzuändern, soweit die Beschwerde Erfolg hat.

Der neugefasste Antrag zu 1. hat in vollem Umfang Erfolg. Der mit ihm geltend gemachte Anspruch findet seine Rechtsgrundlage in § 68 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BPersVG. Nach diesen Bestimmungen ist die Personalvertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten (Satz 1) und sind ihr die hierfür erforderlichen Unterlagen vorzulegen (Satz 2).

Der Inhalt, namentlich der - sachliche wie zeitliche - Umfang dieses Anspruchs richten sich nach dem aus dem Wortlaut der Norm ersichtlichen Zweck, dem diese Vorschrift dient: Sie soll es der Personalvertretung ermöglichen, die ihr obliegenden Aufgaben effektiv zu bewältigen. Inhalt und Zeitpunkt der Pflicht zur Unterrichtung richten sich dementsprechend an der jeweiligen Aufgabenstellung aus und sind generell bestimmt durch dasjenige, was durch die effektive Aufgabenbewältigung erfordert ist. Der Anspruch auf rechtzeitige und umfassende Information ist also nach seinem sachlichen und zeitlichen Umfang sowie seiner Ausgestaltung am Maßstab der Erforderlichkeit ausgerichtet.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4.9.1990 - 6 P 28.87 -, ZfPR 1990, 179 ff. (181), vom 29.8.1990 - 6 P 30.87 -, PersR 1990, 301 ff. (302), vom 27.2.1985 - 6 P 9.84 -, Buchholz 238.3 A § 67 BPersVG Nr. 5, vom 22.12.1993 - 6 P 15.92 -, ZfPR 1994, 41 ff. (42), und vom 23.1.2002 - 6 P 5.01 -, ZfPR 2002, 73 = PersR 2002, 201; OVG NRW, Urteil vom 21.3.1991 - 12 A 642/90 -, ZfPR 1991, 112 ff. (113), sowie Beschluss vom 24.1.2001 - 1 A 1538/99.PVB -, PersV 2001, 454 = PersR 2001, 391 = ZfPR 2001, 331.

In diesem Zusammenhang stehen die verschiedenen Aufgaben prinzipiell gleichwertig nebeneinander, so dass nicht etwa der Umfang des Unterrichtungsanspruchs nach einem vermeintlich unterschiedlichen Gewicht der verschiedenen Aufgabenstellungen variiert und etwa abnimmt, soweit nicht Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrechte, sondern "nur" Anhörungs- oder - wie hier - Überwachungsrechte in Rede stehen.

Vgl. Grabendorff/Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 9. Aufl. 1999, Rn. 12 vor § 66 BPersVG.

Entgegen dem von der Fachkammer insoweit vertretenen Ansatz lässt sich eine Einschränkung für das, was als notwendige Unterrichtung zu erachten ist, nicht im Wege der systematischen Reduktion des in Rede stehenden Unterrichtungsanspruchs daraus herleiten, dass es sich bei der übertragenen Überwachungsaufgabe nicht um eine Materie handelt, die z. B. dem Anhörungsrecht unterliegt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.12.1993, a.a.O., sowie Hamb. OVG, Beschluss vom 13.5.1992 - OVG BsPB 4/91 -, PersR 1992, 414 ff.

Die systematische Stellung von § 68 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BPersVG legt es vielmehr nahe, die danach dem Dienststellenleiter obliegende Unterrichtung als eine Art der nicht förmlichen Beteiligung zu verstehen, die sich hier auf generalklauselartig formulierte Überwachungstatbestände bezieht, wie sie in § 67 Abs. 1 Satz 1 und § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG enthalten sind. Der Umstand, dass das bei der Unterrichtung in diesem Zusammenhang in Betracht kommende Verfahren anders als bei der - förmlichen - Beteiligung durch Mitbestimmung, Mitwirkung und Anhörung nicht auch nur im Ansatz geregelt ist, rechtfertigt nicht etwa die Folgerung, dass hier ein rechtsfreier Raum bestünde. Das Maß des Erforderlichen stellt vielmehr in jedem Falle einen rechtlichen Ausgangspunkt für Art und Umfang der Unterrichtung dar, der seine Konturen im Einzelnen durch die Verpflichtung der Dienststellenleitung und der Personalvertretung zur wechselseitig vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BPersVG erhält. Aus der Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich im gegebenen Fall für den Umfang des geltend gemachten Informationsrechtes das Folgende:

Soweit Leistungszulagen oder Leistungsprämien in Rede stehen, erstreckt sich das Überwachungsrecht auf der Grundlage der §§ 67 Abs. 1 Satz 1, 68 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 68 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BPersVG darauf, schon vor der Vergabe der leistungsbezogenen Lohnbestandteile über die Anzahl, die Arten, die Stufen und die Empfänger der zu gewährenden Leistungen unterrichtet zu werden, um entsprechend dem in Rede stehenden allgemeinen Überwachungsauftrag vor Schaffung vollendeter Tatsachen tätig werden zu können, sich hierzu äußern zu können und ggf. bei nur durch die Dienststellenleitung aufklärbaren Unklarheiten oder bei Einwänden substantiierter Art eine Erklärung bzw. Begründung der beabsichtigten Maßnahme durch die Dienststellenleitung zu erhalten und sich auch nach Abgabe dieser Begründung erneut äußern zu können.

Der Zeitpunkt der Information vor Vergabe der Leistungen als derjenige rechtzeitiger Unterrichtung folgt aus der Aufgabe, im Rahmen der Überwachung möglichst im Vorfeld bereits darauf achten zu können, ob mit der beabsichtigten Leistungsvergabe den Grundsätzen der Billigkeit genügt und der Betriebsfrieden gewahrt wird sowie etwaige Vorgaben für die Verteilung der Mittel aus den gesetzlichen oder verordnungsrechtlichen Grundlagen wie hier betreffend die Leistungsprämien- und -zulagenverordnung (LPZV) beachtet worden sind. Eine nachträgliche Unterrichtung kann dem insbesondere - bezogen auf dann nur noch regelbare zukünftige Verteilungsentscheidungen - dann nicht genügen, wenn wie hier die vergebenen Mittel in aller Regel nicht rückholbar sind, weil die Auswahlentscheidung auf der Grundlage weitesten Ermessens und mit Blick auf den ausdrücklichen Ausschluss eines Anspruchs in § 2 Abs. 1 Satz 2 LPZV sowohl in der einen oder der anderen Richtung rechtmäßig sein wird. Die vorhergehende Unterrichtung erscheint aber darüber hinaus gerade dann erforderlich, wenn wie hier verbindliche Vergaberichtlinien bzw. Auswahlkriterien verbindlicher Art nicht existieren, deren Einhaltung bei nachträglicher Unterrichtung jedenfalls für die Zukunft eingefordert werden könnte.

Die Vermeidung von Konflikten und damit die Erhaltung des Friedens in der Dienststelle erfordern es darüber hinaus, der Personalvertretung die Möglichkeit einzuräumen, sich ggf. vor der Vergabe der Mittel äußern zu können und bei Unklarheiten Aufklärung dazu verlangen zu können, was den Dienststellenleiter im Einzelnen bewogen hat, die Mittel in der Höhe und Anzahl gerade denjenigen Empfängern zukommen zu lassen, die er vorgesehen hat. Im Rahmen vertrauensvoller Zusammenarbeit handelt es sich bei dieser Art und diesem Umfang der Unterrichtung um den notwendigen aber auch ausreichenden Standard, dessen Gewährleistung der Personalvertretung die im gegebenen Zusammenhang besonders bedeutsame vorbeugende Überwachung der beabsichtigten Maßnahmen der Dienststelle ermöglicht.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27.2.1985, a.a.O., S. 5, und vom 22.12.1993, a.a.O., S. 43/44.

Der so umschriebene und begründete Unterrichtungsanspruch ist ausreichend anlassbezogen und entspricht dem im gegebenen Zusammenhang der Personalvertretung eingeräumten allgemeinen Initiativrecht.

Vgl. zu diesem: BVerwG, Beschlüsse vom 26.2.1960 - VII P 4.59 -, BVerwGE 10, 196 ff. (197), und vom 31.10.1995 - 6 P 30.93 -, PersV 1996, 321; Grabendorff/Ilbertz/Widmaier, a.a.O., § 68 BPersVG, Rn. 6.

Der Unterrichtungsanspruch ist in seinem Bestand nicht davon abhängig, dass die Besorgnis einer Rechtsverletzung geltend gemacht wird.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.12.1993, a.a.O.

Soweit das Begehren des Antragstellers im Antrag zu 1. erster Instanz hierüber hinaus ging, war es nicht von § 68 Abs. 2 Sätze 1 und 2 i.V.m. §§ 67 Abs. 1 Satz 1, 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG gedeckt: Das Begehren auf monatliche Unterrichtung lässt einen Bezug zur Notwendigkeit nicht hervortreten, weil die Vergabe ggf. in einem anderen zeitlichen Abstand erfolgt. Bezug des geltend gemachten Anspruchs kann deswegen immer nur die jeweils gegebene Veranlassung und damit die konkret beabsichtigte Vergabe sein. Die Unterrichtung vor der Vergabeentscheidung ist von dem Überwachungsrecht nicht gedeckt. Hier wie sonst regelmäßig ist die Personalvertretung auf die Abgabe einer Stellungnahme zu einer Maßnahme beschränkt, die von der Verwaltung ausgeht. Ihre Aufgabenwahrnehmung ist wie dargelegt ausreichend gesichert, wenn die Unterrichtung nach getroffener Vergabeentscheidung, aber vor Vergabe der Mittel selbst erfolgt. Auch eine "jeweilige" Erläuterung der Auswahlgründe lässt die Anbindung an eine Notwendigkeit vermissen. Der Dienststellenleiter ist der Personalvertretung insoweit nicht generell eine Begründung schuldig, sondern darauf angewiesen, etwaige Einwände oder Aufklärungsbedarf von der Personalvertretung zu erfahren, um sodann darauf reagieren zu können. Dies liegt einerseits darin begründet, dass die Personalvertretung kein allgemeines Kontrollorgan der Dienststellenleitung ist, insoweit aber auch nur anlassbezogen Rechte und Pflichten bestehen. Andererseits liegt es darin begründet, dass gerade hier die vertrauensvolle Zusammenarbeit sich durch angemessene Frage und Antwort realisieren kann.

Schließlich kann die Personalvertretung nicht verlangen, dass die Vergabe-(Entscheidung) erst nach ermessensfehlerfreier Berücksichtigung der Stellungnahme der Personalvertretung erfolgt. Denn die Verwaltung hat ihre Entscheidung bereits mit dem Anspruch getroffen, eine ermessensfehlerfreie Verteilung der Zulagen vorzunehmen. Sie schuldet der Personalvertretung keine rechtsrichtige Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben, weshalb die Personalvertretung aus ihrer Überwachungsaufgabe heraus nicht verlangen kann, dass der Dienststellenleiter die einzelnen Rechtsvorschriften tatsächlich einhält und durchführt.

Vgl. Grabendorff/Ilbertz/Widmaier, a.a.O., zu § 68 BPersVG Rn. 13, m.w.N.

Die Personalvertretung kann insoweit lediglich verlangen, dass ihre Stellungnahme zur Kenntnis genommen wird. Das ist aber nicht strittig und bedarf deswegen keiner Feststellung durch den beschließenden Senat.

Aus diesen Gründen hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren sein Begehren so beschränkt, wie es aus dem neugefassten Antrag zu 1. erster Instanz ersichtlich ist.

Der § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG betreffende Antrag zu 2. hat auch im Beschwerdeverfahren keinen Erfolg, weil dieser Antrag auf eine in der Zukunft liegende Eventualität gerichtet ist und damit keinen feststehenden Sachverhalt betrifft. Er ist insoweit unzulässig. Seine Unzulässigkeit folgt im Übrigen daraus, dass der Vertreter des Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Fachsenat mehrfach versichert hat, dass der Antragsteller förmlich beteiligt würde, wenn Auswahlkriterien über den Einzelfall hinaus festgelegt oder angewendet würden. Insoweit fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis.

Soweit der Antrag zu 2. sich auf die Vergabegrundsätze bezieht, die in der mündlichen Verhandlung vor dem VG vorgelegt worden sind, handelt es sich aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht um eine mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie. Eine solche ist nur dann gegeben, wenn im Einzelnen geregelt ist, in welcher Weise auf der Grundlage der allgemeinen Auswahlgesichtspunkte, die festgelegt worden sein müssen, eine Rangfolge unter den Bewerbern zu bilden ist. Einen derartigen Inhalt hat das in Rede stehende Merkblatt nicht.

Der Antrag zu 3. ist unbegründet, weil nach § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG die Vergabe über- oder außertariflicher leistungsbezogener Vergütungen an Angestellte oder Arbeiter nicht als mitbestimmungspflichtige Maßnahme erfasst ist. Denn diese Vorschrift gewährt der Personalvertretung nicht das Recht, bei der Festsetzung leistungsbezogener Entgelte im Einzelfall mitzuwirken, worum es im gegebenen Fall aber ausschließlich geht. Sie berechtigt zur Mitbestimmung nur bei der abstrakt (kollektiv) generellen Regelung solcher Entgelte, d. h. das Mitbestimmungsrecht besteht lediglich bei der Schaffung abstrakt genereller Grundsätze zur Entgeltfindung.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27.2.1985 - 6 P 9.84 -, a.a.O., S. 4, vom 22.4.1998 - 6 P 4.97 -, ZfPR 1999, 10 ff. (15), zu § 80 Abs. 3 Nr. 4 Sächs. Personalvertretungsgesetz, und vom 9.12.1998 - 6 P 6.87 -, ZfPR 1999, 80 ff. (84).

Derartige Regelungen hat der Beteiligte indes nicht erlassen, so dass eine Mitbestimmung auf der Grundlage von § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG hier sachlich nicht in Frage kommt.

Ende der Entscheidung

Zurück