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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.06.2006
Aktenzeichen: 1 A 1732/04
Rechtsgebiete: BeamtVG, GG


Vorschriften:

BeamtVG § 5 Abs 3
GG Art 33
1. Die funktionsgerechte Bewertung eines Dienstpostens und seine Zuordnung zu einer angemessenen Besoldungsgruppe können auch bei der insoweit Dienstherrenfunktion wahrnehmenden Deutschen Telekom AG nicht durch die Beförderung des Stelleninhabers ersetzt werden, sondern erfordern einen von dem Beförderungsakt losgelösten Organisationsakt. Dieser kann sich, soweit eine Zuordnung des Dienstpostens zu einem höheren statusrechtlichen Amt im Rahmen zum Beispiel eines Stellen- oder Geschäftsverteilungsplanes - wie bei der Deutschen Telekom AG - nicht möglich ist, auch in sonstigen Organisationsmaßnahmen manifestieren, denen sich bei objektiver Betrachtung die entsprechende Stellenbewertung entnehmen lässt.

2. Die Beförderungsauswahl allein aufgrund des Kriteriums "Standzeit" ist auch bei "insichbeurlaubten" und bei der Deutschen Telekom AG angestellten Beamten rechtswidrig.


Tatbestand:

Die Klägerinnen sind die Hinterbliebenen eines seit Mitte der 90er Jahre gemäß § 13 Abs. 1 Sonderurlaubsverordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Postpersonalrechtsgesetz (PostPersRG) für eine Tätigkeit bei der Deutschen Telekom AG beurlaubten Beamten der Deutschen Bundespost. Sie begehren die Berechnung ihrer Witwen- und Waisenbezüge aus der von dem Verstorbenen zuletzt innegehabten Besoldungsgruppe. Der Verstorbene bekleidete bis zu seinem Tod ununterbrochen und bei im Wesentlichen gleicher Aufgabenstellung - seit seiner Insichbeurlaubung als außertariflich Angestellter - den Dienstposten des Großkunden-Managers.

Ein halbes Jahr vor seinem Tod wurde der Verstorbene befördert. Nach seinem Tod wurde das Witwen- und Waisengeld auf der Grundlage der dem vorherigen Statusamt des Verstorbenen entsprechenden niedrigeren Besoldungsgruppe festgesetzt. Die dagegen gerichtete Klage wurde abgewiesen, die Berufung hatte Erfolg.

Gründe:

Die Klägerinnen haben den geltend gemachten Anspruch auf die Festsetzung der Versorgungsbezüge nach dem von dem Verstorbenen zuletzt innegehabten Amt.

Nach §§ 20 Abs. 1 und 24 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) ist für die Berechnung des aufgrund §§ 19 und 23 BeamtVG zu zahlenden Witwen- bzw. Waisengeldes das Ruhegehalt maßgeblich, welches der Verstorbene erhalten hätte, wäre er am Tage seines Todes in den Ruhestand getreten.

Die für die Berechnung des Ruhegehaltes maßgeblichen Bezüge bestimmen sich vorliegend gemäß § 69c Abs. 2 BeamtVG nach § 5 Abs. 3 Satz 1 in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung dieser Vorschrift (nachfolgend: BeamtVG a.F.). Danach sind die Bezüge des Beförderungsamtes nur dann ruhegehaltfähig, wenn der Beamte diese mindestens zwei Jahre erhalten hat, anderenfalls sind nur die Bezüge des vorher bekleideten Amtes ruhegehaltfähig.

In diese Zweijahresfrist sind allerdings gemäß § 5 Abs. 3 Satz 4 1. Halbsatz BeamtVG a.F. Zeiten einzurechnen, in denen der Beamte vor der Amtsübertragung die höherwertigen Funktionen des ihm später übertragenen Amtes tatsächlich wahrgenommen hat. Das Gleiche gilt gemäß dem 2. Halbsatz dieser Bestimmung für Zeiten, in denen der Beamte ohne Dienstbezüge beurlaubt worden war, soweit diese Zeiten als ruhegehaltfähig berücksichtigt worden sind.

Die Voraussetzungen dieser Anrechnungsbestimmung sind vorliegend offensichtlich erfüllt: Der Verstorbene hat die (höherwertigen) Funktionen des ihm später übertragenen Statusamtes längst vor seiner Beförderung tatsächlich wahrgenommen und vor und nach der zwei Jahre vor seinem Tod erfolgten Bewertungsüberprüfung gerade seiner Stelle durch die Beklagte, ein und dieselbe Tätigkeit ausgeübt. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten im Berufungsverfahren abgegebenen Stellungnahme. Mit der vorstehenden Beurteilung setzt der Senat daher nicht unzulässigerweise seine eigene Dienstpostenbewertung an die Stelle derjenigen des Dienstherrn.

Der Anrechenbarkeit dieses Zeitraums steht auch nicht die Rechtsprechung des BVerwG entgegen. Danach setzt die ausnahmsweise Anrechnung einer vor der Beförderung liegenden Tätigkeit gemäß § 5 Abs. 3 Satz 4 1. Halbsatz BeamtVG a.F. voraus, dass der von dem betroffenen Beamten wahrgenommene Dienstposten im fraglichen Zeitraum durch den Gesetzgeber oder im gesetzlichen Rahmen aufgrund sachgerechter Dienstpostenbewertung durch die Verwaltung dem höheren statusrechtlichen Amt zugeordnet und dadurch gegenüber den Funktionen des bisherigen Amtes als höherwertig herausgehoben ist. Bei der Zuordnung durch die Verwaltung handelt es sich um eine organisatorische Maßnahme des Dienstherrn; sie kann nicht durch die Gerichte vorgenommen oder ersetzt werden. Erforderlich ist eine den konkreten Dienstposten betreffende organisatorische Entscheidung des Dienstherrn über die Zuordnung zu dem höheren statusrechtlichen Amt, z.B. im Rahmen eines Organisations- und Stellenplanes, eines die Bewertung der Dienstposten enthaltenden Geschäftsverteilungsplanes oder Ähnlichem. Der Erlass allgemeiner Grundsätze für die Dienstpostenbewertung, die noch der konkretisierenden Umsetzung im Einzelfall bedürfen, genügt dagegen nicht. Solange eine konkrete Zuordnung des Dienstpostens zum höheren Amt nicht ausgesprochen ist, ist es ohne Belang, wenn die dienstliche Tätigkeit des Beamten vor der Beförderung derjenigen danach tatsächlich entsprochen haben sollte. Ebenso ist es unerheblich, ob eine höhere Bewertung des Dienstpostens durch die Verwaltung schon zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Die höhere Bewertung des Dienstpostens im dargelegten Sinne, also seine Zuordnung zu dem Beförderungsamt - unmittelbar durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber oder, wie meistens, im gesetzlichen Rahmen durch eine organisatorische Maßnahme des Dienstherrn - ist nach dieser Rechtsprechung eine der vom Gesetzgeber für die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG a.F. ausdrücklich geforderten Voraussetzungen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 12.9.1994 - 2 C 22.93 -, BVerwGE 96, 347, m.w.N., vom 19.1.1989 - 2 C 42.86 -, BVerwGE 81, 175 ff., und vom 22.2.1990 - 2 C 27.89 -, DVBl. 1990, 869 ff. = Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 8.

Diese konkrete Bewertung des Dienstpostens durch den Dienstherrn ist schon deshalb erforderlich, weil nach den überkommenen Grundlagen des Berufsbeamtentums mit der Übertragung eines höheren Amtes in aller Regel auch höhere Dienstbezüge verbunden sind, da sich die dem Beamten zustehenden Bezüge nach dem Inhalt des ihm übertragenen Amtes und der damit verbundenen Verantwortung richten. Unter Beachtung des weiteren beamtenrechtlichen Grundsatzes, dass eine Besoldung nur auf gesetzlicher Grundlage erfolgen kann (§ 2 Bundesbesoldungsgesetz), ermöglicht nur die organisatorische Maßnahme der Bewertung der einzelnen Dienstposten durch den Dienstherrn eine eindeutige Zuordnung der Funktionsstelle zu der amtsgemäßen Besoldung.

Fehlt es für den fraglichen Zeitraum an einer solchen Zuordnung oder lässt sie sich nicht eindeutig feststellen, so verbleibt es bei der Regel des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG a.F., wonach die Versorgung aus einem Beförderungsamt den mindestens zweijährigen Erhalt der Bezüge aus diesem Amt voraussetzt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 12.9.1994 - 2 C 22.93 -, vom 19.1.1989 - 2 C 42.86 - und vom 22.2.1990 - 2 C 27.89 -, jeweils a.a.O.

Aufgrund der privatrechtlich organisierten Unternehmensstruktur der Beklagten ist eine Zuordnung in der von der Rechtsprechung des BVerwG vorausgesetzten Form in dem hier streitgegenständlichen Bereich nie erfolgt. Die von der Beklagten im Rahmen ihrer Widerspruchsbegründung und Klageerwiderung dargestellte Praxis, die besoldungsrechtliche Zuordnung des Dienstpostens allein durch die Beförderungsentscheidung zu treffen, kann in diesem Zusammenhang nicht herangezogen werden. Sie führt nämlich dazu, dass die hier einschlägige Bestimmung des § 5 Abs. 3 Satz 4 1. Halbsatz BeamtVG a.F. leer laufen würde, da der Beamte vor der Übertragung des höherwertigen Amtes nie in die Situation kommen könnte, dessen Funktion bereits auszuüben, sodass die Notwendigkeit einer Anrechnung nach § 5 Abs. 3 BeamtVG a.F. nicht entstehen könnte. Dies verstößt gegen den in den Bestimmungen des § 5 BeamtVG a.F. zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, die amtsgemäße Versorgung als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG umzusetzen. Aus dem engen Zusammenhang von Besoldung und Versorgung, die dem - in der Regel auf Lebenszeit angelegten - Beamtenverhältnis und der sich daraus ergebenden umfassenden Pflicht zur Dienstleistung entsprechen, folgt, dass sich die in einer dem Leistungsgrundsatz entsprechenden Beförderung liegende Anerkennung nicht auf die Zeit beschränkt, in der sich der Beamte im Dienst befindet, sondern sich auch auf sein Ruhegehalt auswirken muss. Seit je wurden daher die Versorgungsbezüge des Beamten auf der Grundlage der Dienstbezüge seines letzten Amtes festgesetzt. Bei dieser überkommenen Bemessungsgrundlage der Beamtenversorgung handelt es sich um einen jener Grundsätze, auf denen die Einrichtung des Berufsbeamtentums ruht. Durch § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG a.F., der eine Anknüpfung der Versorgungsbezüge an das letzte Amt ausschließt, wenn der Beamte die Dienstbezüge dieses Amtes nicht mindestens zwei Jahre erhalten hat, wird der Grundsatz der amtsgemäßen Versorgung eingeschränkt. [Wird ausgeführt]

Zur historischen Entwicklung der Fristenregelungen in § 5 BeamtVG und ihrer Motivation vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.7.1982 - 2 BvL 14/78, 2 BvL 2/79, 2 BvL 7/82 -, BVerfGE 61, 43, m.w.N..

Die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG a.F. dient der Vermeidung unbilliger Ergebnisse dieser notwendig pauschalierenden Einschränkung und soll Nachteile ausgleichen, die dadurch entstehen, dass dem Beamten aus dienstlichen Erfordernissen die Obliegenheiten des neuen Amtes schon übertragen wurden, die gebotene Ernennung aber aus Gründen, die nicht in der Sphäre des zu Befördernden liegen und von ihm nicht beeinflusst werden können, unterbleibt. Es erscheint durchaus plausibel, den Zeitraum, um den sich insoweit die Amtsübertragung verzögert hat, nicht dem Bediensteten zum Nachteil gereichen zu lassen.

Vgl. Schütz / Schachel, BeamtR, § 5 BeamtVG Rn. 51; BVerfG, Beschluss vom 7.7.1982, a.a.O.

Vor diesem Hintergrund ist den besonderen Verhältnissen der im Bereich der insichbeurlaubten Beamten bei der Deutschen Telekom AG und ihren Töchtern dadurch Rechnung zu tragen, dass zu prüfen ist, ob die Beklagte - abgesehen von den tatsächlichen Beförderungsakten - organisatorische Maßnahmen getroffen hat, die geeignet sind, die oben dargestellte und notwendige Funktion einer konkreten Zuordnung des Dienstpostens zu einer besoldungsrechtlichen Wertigkeit in vergleichbarer Weise herzustellen. Denn insoweit ist grundlegend zu berücksichtigen, dass der Verstorbene sich durch die Insichbeurlaubung in keiner Weise seiner beamtenrechtlichen Ansprüche aus dem Versorgungsrecht begeben hat bzw. begeben konnte.

Eine solche Vergleichbarkeit ist hier gegeben. Die Beklagte hat organisatorische Maßnahmen getroffen, die in hinreichender Deutlichkeit klarstellen, dass sie bestimmten - auch von Beamten wahrgenommenen - Funktionen eine höhere Bewertung als zuvor zukommen lassen wollte. So auch im Fall des Verstorbenen. Zunächst hat die Deutsche Telekom AG die Bewertung und Besetzung der Großkunden-Manager-Stellen Mitte der 90er Jahre dahingehend geändert, dass diese Positionen grundsätzlich nur noch mit außertariflich Angestellten besetzt wurden, um die Bezahlung der Großkunden-Manager anhand von variablen Bestandteilen zu ermöglichen. Mit welchen Zielen diese Umstrukturierung verfolgt wurde, kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls lässt sich aus dieser Maßnahme folgern, dass diesen Funktionsposten seitens der Beklagten eine Bewertung zugesprochen wurde, denen die bisherige Besoldung der auf diesen Positionen tätigen Beamten nicht mehr entsprach, sie also höher bewertet wurden. Dies genügt den Anforderungen an die Publikation und verlässliche Festschreibung der Zuordnung einer Funktion zu einem höherwertigen Amt im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des BVewG im Bereich des "reinen" Beamtenrechts. Sie sind deswegen einer förmlichen Zuordnung der durch den Verstorbenen ausgeübten Funktion durch die Beklagte, wie sie ohne die Insichbeurlaubung z.B. im Rahmen eines Organisations- und Stellenplanes, eines die Bewertung der Dienstposten enthaltenden Geschäftsverteilungsplanes oder Ähnlichem hätte erfolgen können, gleichwertig.

Der Verstorbene erfüllte in dem hier fraglichen Zeitraum vor der Übertragung des höherwertigen Amtes auch die von der Rechtsprechung bei Anwendung des § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG a.F. weiter aufgestellte, ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung der "Beförderungsreife" des Beamten. Mit diesem Begriff werden die in der Person des Beamten liegenden Voraussetzungen für die Übertragung eines höherwertigen Amtes zusammengefasst. Die erforderliche "Beförderungsreife" im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG a.F. bezieht sich aber nur darauf, dass der Beförderung keine gesetzlichen bzw. im Leistungsprinzip begründete Hindernisse entgegenstehen. Verwaltungsübungen und Verwaltungsvorschriften für die Beförderung von Beamten schließen die "Beförderungsreife" nicht aus. Sie beruhen in der Regel - zumindest auch - auf fiskalischen Erwägungen, etwa im Zusammenhang mit der begrenzten Anzahl der zur Verfügung stehenden Planstellen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.1989 - 2 C 42.86 -, a.a.O., und Beschluss vom 11.11.1998 - 2 B 108.98 -, Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 15.

Nach dem Vortrag der Beklagten erfolgte bereits zwei Jahre nach dessen Insichbeurlaubung eine Überprüfung der Beförderungsmöglichkeit des Verstorbenen. Zu einer Beförderung sei es damals aber nicht gekommen, weil er die subjektive Beförderungsvoraussetzung der nach einer internen "Verwaltungsanweisung zur Beförderung der aus dienstlichem Interesse beurlaubten und insichbeurlaubten Beamten" notwendigen Wartezeit von seinerzeit sechs Jahren und einem Monat nicht erfüllt habe.

Diese Einschätzung der "Beförderungsreife" des Verstorbenen durch die Beklagte hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Sie bezeichnet keine gesetzlichen bzw. im Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG) begründeten Hindernisse für die Beförderung des Verstorbenen. [Wird ausgeführt] Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, können bei der Bewerberauswahl zur Besetzung öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen außerhalb von Art. 33 Abs. 2 GG Verfassungsrang eingeräumt ist. Soweit es nicht um die Abwendung einer unmittelbar drohenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung geht, also etwa um Fragen des optimierenden Ausgleichs mit anderen verfassungsgeschützten Interessen, bedarf es zudem einer gesetzlichen Grundlage. Diese muss ihrerseits dem Zweck des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung tragen, d.h. ernsthaften Gefährdungen der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes vorbeugen. Danach gibt Art. 33 Abs. 2 GG die entscheidenden Beurteilungsgesichtspunkte für die Bewerberauswahl zur Besetzung von öffentlichen Ämtern abschließend vor. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt. Dienst- und Lebensalter gehören nicht zu den unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten, die der Bewerberauswahl für eine Beförderungsstelle zugrunde zu legen sind. [Wird ausgeführt] Dementsprechend ist die Berücksichtigung des Dienstalters bei der Besetzung von Beförderungsstellen nur im Falle eines Leistungsgleichstands mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar. Der Leistungsvergleich muss anhand von aussagekräftigen, d.h. hinreichend differenzierten und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhenden dienstlichen Beurteilungen vorgenommen werden. Erst wenn feststeht, dass ein solcher Vergleich nicht zu einem Ergebnis führt, weil zwei oder mehr Bewerber nach Leistungsgesichtspunkten als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen sind, kann die Auswahlentscheidung auf das Dienstalter gestützt werden. Eine Beförderungspraxis oder Regelungen über das Beförderungsverfahren, die - wie die vorgenannte Verwaltungsanweisung der Beklagten - Beförderungsaussichten von einem Mindestdienstalter abhängig machen, stehen nur dann mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang, wenn sie der sachgerechten Anwendung des Leistungsgrundsatzes zu dienen bestimmt sind. Die Wartezeit, die mit dem Erfordernis des Mindestdienstalters zwangsläufig verbunden ist, muss geeignet und erforderlich sein, um eine zuverlässige Beurteilung des Leistungsvermögens und eine fundierte Prognose über die voraussichtliche Bewährung in einem höheren Amt zu ermöglichen. Dieser Zweck als "Bewährungszeit" setzt dem Umfang von Wartezeiten Grenzen. Sie dürfen nicht länger bemessen sein, als es typischerweise erforderlich ist, um die tatsächlichen Grundlagen für Beurteilung und Prognose zu schaffen. Danach hängt die Dauer von Wartezeiten entscheidend vom Inhalt der Ämter der jeweiligen Laufbahn ab. Der für eine Regelbeurteilung vorgesehene Zeitraum wird in aller Regel die Obergrenze darstellen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 2 C 23.03 -, BVerwGE 122, 147 ff., mit umfangreichen weiteren Nachweisen.

Diese Grundsätze gelten auch für die von der Beklagten vorgenommenen und vorzunehmenden Beförderungen insichbeurlaubter und bei der Deutschen Telekom AG bzw. ihren Töchtern angestellten Beamten. Deren Beamtenverhältnis besteht während der dienstlichen Interessen dienenden (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 PostPersRG) Insichbeurlaubung fort. Allein der Umstand, dass diese Beamten während ihrer Beurlaubung in einem privatwirtschaftlich geprägten Angestelltenverhältnis tätig sind, führt nicht dazu, dass die verfassungsrechtlich garantierten beamtenrechtlichen Grundsätze bei beamtenrechtlichen Entscheidungen des Dienstherrn, wie etwa Beförderungen, außer Acht gelassen werden dürfen. Diese Bindung der Deutschen Telekom AG ist, abgesehen von rechtsgrundsätzlichen Erwägungen, zwingend erforderlich, um dem oben dargestellten Prinzip des sich im Versorgungsrecht fortsetzenden Leistungsgrundsatzes gerecht zu werden. Denn die Pensionsansprüche der insichbeurlaubten Beamten richten sich nach ihrem zuletzt innegehabten statusrechtlichen Amt und nicht nach dem - sozialversicherungsfrei - gezahlten Gehalt aus dem Angestelltenverhältnis während der Insichbeurlaubung.

Die von der Beklagten zur Beförderung der insichbeurlaubten und bei Tochterunternehmen beschäftigten Beamten gebildete Verwaltungspraxis stellt offensichtlich allein auf das Dienstalter der Beamten in ihrem derzeitigen Amt (die sogenannte Standzeit) ab, ohne in irgendeiner Weise bei der Auswahl der zu befördernden Beamten an den Leistungsgrundsatz anzuknüpfen. Sie verstößt - und verstieß schon im hier maßgeblichen Zeitraum - daher gegen die aus Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitenden und bei der Beförderung von Beamten zu beachtenden Grundsätze, ohne dass es darauf ankäme, ob der vorliegend einzuhaltende Zeitraum von sechs Jahren und einem Monat den oben dargestellten Grundsätzen noch genügt, was ebenfalls nicht der Fall sein dürfte.

Ob diese rechtswidrige Auswahlpraxis zu einer früheren Beförderungsmöglichkeit für den Verstorbenen geführt hätte, kann vorliegend offen gelassen werden, denn diese Frage ist für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der gleichwertigen Tätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 4 1. Halbsatz BeamtVG a.F. nicht von Belang.

Daraus folgt, dass trotz funktionsangemessener Bewertung der Stelle die Beförderung des Verstorbenen allein aus Gründen unterblieben ist, die nicht in seiner Sphäre lagen, sodass die bestehende Situation genau derjenigen entspricht, die der Gesetzgeber bei der Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG a.F. in den Blick genommen hat. Es wäre daher unbillig und würde dem in § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG a.F. auch konkretisierten Fürsorgegedanken nicht entsprechen, wenn die Anwendung der Vorschrift allein deshalb ausgeschlossen würde, weil die privatwirtschaftlich orientierte Beklagte keinen Stellen- bzw. Organisationsplan im von der Rechtsprechung des BverwG geforderten Sinne aufstellt.

Die Tätigkeit des Verstorbenen im Rahmen des während der Insichbeurlaubung bestehenden Angestelltenverhältnisses kann auch gemäß § 5 Abs. 3 Satz 4 2. Halbsatz BeamtVG a.F. angerechnet werden. Der Verstorbene wurde nach Übertragung der Funktion als Großkunden-Manager ohne Bezüge beurlaubt; die Zeit dieser Beurlaubung ist gemäß § 4 Abs. 3 Satz 5 PostPersRG ruhegehaltfähig und deswegen über § 5 Abs. 3 Satz 4 2. Halbsatz BeamtVG a.F. anzurechnen.

A.A. Bauer, in: Stegmüller u.a., BeamtVG, Stand: Oktober 2005, Ergänzungsband I, Erläuterung 9a zu § 5 F. 1997.

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