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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 15.10.2003
Aktenzeichen: 1 A 2338/01
Rechtsgebiete: LRiG NRW, GG, LBG NRW


Vorschriften:

LRiG NRW § 4
GG Art. 3
GG Art. 33 Abs. 2
LBG NRW § 104
1. Die Erklärung des Dienstherrn, dass einer bestimmten streitigen Beurteilung bei künftigen Personalauswahlentscheidungen keine Bedeutung mehr zukommen werde, führt für sich nicht schon zum Verlust der rechtlichen Zweckbestimmung der Beurteilung. Jene Erklärung lässt das Rechtsschutzinteresse einer anhängigen Klage gegen die Beurteilung nicht entfallen, nachdem in der neueren Rechtsprechung des BVerwG (vgl. Urteile vom 19.12.2002 - 2 C 31.01 -, DÖD 2003, 200 und vom 27.2.2003 - 2 C 16.02 -, DÖD 2003, 202) geklärt ist, dass in Personalauswahlverfahren bei Leistungsgleichstand der Bewerber ein Rückgriff auf voran gegangene Beurteilungen der Heranziehung von Hilfskriterien zwingend vorgeht.

2. Zur Bewertung der Regelbeurteilung eines Richters auf Lebenszeit als rechtswidrig, die unter fehlerhafter Auswahl und Gewichtung beigezogener Akten, in Anwendung ungleicher Maßstäbe, aufgrund rechtlich und tatsächlich unzutreffender Annahmen hinsichtlich der richterlichen Arbeitsweise und unter Missachtung der richterlichen Unabhängigkeit abgegeben worden ist.

3. Zum rechtlichen Maßstab und zu einzelnen Fehlern bei der Auswahl und Gewichtung von im Beurteilungszeitraum bearbeiteten Akten, die der Beurteiler zur Grundlage der dienstlichen Beurteilung machen will (Fortführung von OVG NRW, Urteil vom 12.12.1991 - 12 A 1975/88 -, NWVBl. 1992, 171).

4. Die Verwaltungsgerichte sind befugt, im Rahmen der Überprüfung einer dienstlichen Beurteilung auch etwaige Verstöße gegen die richterliche Unabhängigkeit zu berücksichtigen. Insoweit liegt ein unteilbarer Streitgegenstand vor. Die Behauptung (und Darlegung) eines Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit ist als ein tatsächliches und rechtliches Begründungselement des Streitgegenstandes zu bewerten und deswegen in die umfassende gerichtliche Prüfung der beanstandeten Beurteilung einzubeziehen.

5. Die dienstliche Beurteilung ist nicht grundsätzlich als Maßnahme der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 DRiG zu bewerten, sodass hinsichtlich der in der Beurteilung enthaltenen etwaigen Eingriffe in die richterliche Unabhängigkeit eine alleinige Zuständigkeit der Richterdienstgerichte nicht ohne weiteres anzunehmen ist. Enthält die Beurteilung jedoch direkte oder mittelbare Aufforderungen an den Richter, sich künftig in bestimmter Weise zu verhalten, kann dies als unzulässige Einwirkung auf die Verfahrensführung und Entscheidungsfindung zu bewerten sein, sodass gegebenenfalls der Rechtsweg sowohl zu den Verwaltungsgerichten als auch zu den Richterdienstgerichten eröffnet ist.


Tatbestand:

Der Kläger ist Richter am FG. Der Präsident des FG erstellte über den Kläger unter anderem unter Verwendung einer schriftlichen Äußerung des Senatsvorsitzenden zum Stichtag 1.1.1997 für die vorvergangenen vier Jahre eine dienstliche Regelbeurteilung. Der Kläger erhob gegen die Beurteilung Einwendungen und legte später förmlich Widerspruch ein. Zur Begründung führte er unter anderem aus, er sei in Verkennung der atypischen schlechten Rahmenbedingungen und aufgrund unzureichender Tatsachengrundlage beurteilt worden. Der Vorsitzende habe einen in fachlicher und persönlicher Hinsicht auch dem Präsidenten seit Jahren bekannten unzumutbaren Umgangsstil gepflegt. Diese Besonderheiten seien bei der Beurteilung nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt worden. Der Präsident des FG wies den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die gegen das Arbeitsklima im Senat und gegen den Vorsitzenden erhobenen Einwände seien unzutreffend. Aus im Widerspruchsverfahren beigezogenen, vom Kläger bearbeiteten Akten ergäben sich zudem Mängel und Fehler, die einer besseren Beurteilung entgegen stünden.

In der mündlichen Verhandlung des sich anschließenden erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gab der Präsident des FG die Erklärung ab, die angegriffene Beurteilung werde bei künftigen, den Kläger betreffenden Personalmaßnahmen - insbesondere bei Beförderungen - keine Berücksichtigung finden. Künftigen Beförderungsentscheidungen werde ausschließlich eine aktuelle Bedarfsbeurteilung zugrunde gelegt.

Das VG hat die mit dem Ziel einer erneuten Beurteilung geführte Klage als unzulässig abgewiesen, weil es mit Blick auf die Erklärung des Präsidenten an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse fehle. Die Berufung des Klägers hatte Erfolg.

Gründe:

Die Klage ist nicht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem VG abgegebenen sinngemäßen Erklärung des Präsidenten des FG, die streitige Beurteilung werde bei künftigen Personalauswahlentscheidungen keine Verwendung mehr finden, vielmehr werde erforderlichenfalls anlassbezogen eine neue Beurteilung erstellt, lässt das schutzwürdige Interesse an der begehrten gerichtlichen Sachentscheidung nicht entfallen. Der Kläger erstrebt mit seiner (Leistungs-) Klage eine erneute Regelbeurteilung zum Stichtag 1.1.1997 für den Zeitraum vom 1.1.1993 bis zum 31.12.1996 mit dem Ziel der Verbesserung seiner Gesamtbeurteilung. Durch die für den Dienstherrn abgegebene Erklärung des Präsidenten des FG hat der Kläger sein so umschriebenes Klageziel nicht erreicht. Jene Erklärung enthält namentlich keine Regelung, welche die Durchsetzung des Rechts auf fehlerfreie Beurteilung mit Hilfe des Gerichts als nunmehr nicht weiter nötig erscheinen lassen könnte. Sie ist insbesondere nicht geeignet, die erstrebte (Neu-) Beurteilung als überflüssig, weil zwecklos, erscheinen zu lassen. Die von dem Kläger in diesem Verfahren erstrebte verbesserte Beurteilung wäre - sollte sie allein noch nicht hinreichen, aussichtsreich mit dem Ziel der Beförderung an einem künftigen Personalauswahlverfahren teilzunehmen - zumindest der Ansatz und die Grundlage für die Plausibilisierung einer Leistungsentwicklung sowie einer denkbaren weiteren Leistungssteigerung, auch wenn für ein künftig anstehendes Auswahlverfahren nach der Erklärung des Präsidenten eine Bedarfsbeurteilung erstellt werden sollte. Denn im Beurteilungswesen der Justiz stellt das Überspringen einzelner Noten und Notenstufen noch mehr als in anderen Geschäftsbereichen und Ressorts eine Ausnahme dar, sodass der denkbaren Abänderung einer einzelnen Beurteilung, sei es gegebenenfalls auch nur um eine Zwischenstufe, Bedeutung zukommt. Mit Blick auf die zuletzt erreichte Bewertung - "erheblich über dem Durchschnitt" - steht nämlich grundsätzlich nicht die im Verfahren wiederholt genannte Spitzenbeurteilung - "hervorragend" -, sondern die Bewertung "erheblich über dem Durchschnitt (obere Grenze)" in Rede. Eine Spitzenbeurteilung käme auch als Anlassbeurteilung in aller Regel erst dann in Betracht, wenn die zuvor genannte Bewertungsstufe bereits erreicht wäre; daran fehlt es bisher. Zudem bestand im Geschäftsbereich der Justiz seit geraumer Zeit die vereinbarungsgemäße Übung, bei Leistungsgleichstand von Bewerbern um ein Beförderungsamt der bisherigen Leistungsentwicklung vorrangig vor anderen Hilfskriterien den Ausschlag gebende Bedeutung beizumessen. Dazu waren in erster Linie die bisherigen dienstlichen Beurteilungen heran zu ziehen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.2.1994 - 12 B 2650/93 - m.w.N.

Darüber hinaus ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des BVerwG, vgl. Urteile vom 19.12.2002 - 2 C 31.01 -, DÖD 2003, 200 und vom 27.2.2003 - 2 C 16.02 -, DÖD 2003, 202, dass frühere dienstliche Beurteilungen auch für künftige Verwendungs- und Auswahlentscheidungen von Rechts wegen von Belang bleiben, selbst wenn die entgegen stehende (rechtswidrige) Verwaltungspraxis des Dienstherrn dahin gehen sollte, vorangegangene frühere Beurteilungen bei anstehenden Verwendungs- und Auswahlentscheidungen generell nicht mehr heranzuziehen. Daran vermag auch, wie das BVerwG zur entgegen stehenden Verwaltungspraxis ausdrücklich ausgeführt hat, der Dienstherr nichts zu ändern. Frühere Beurteilungen stellen insbesondere nicht bloße Hilfskriterien für eine zu treffende Auswahlentscheidung dar und sind jedenfalls bei aktuellem Leistungsgleichstand von Bewerbern zwingend vor etwaigen Hilfskriterien heranzuziehen. Diese Grundsätze sind, wie das BVerwG in seinem Urteil vom 27.2.2003, vgl. BVerwG - 2 C 16.02 - a.a.O., nochmals unterstrichen hat, für den Dienstherrn nicht disponibel, sodass die Heranziehung früherer Beurteilungen im Rahmen des tatsächlich und rechtlich Möglichen vor der Anwendung von etwaigen Hilfskriterien geboten ist.

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung der über ihn abgegebenen dienstlichen Beurteilung. Er braucht sie nicht hinzunehmen, weil sie in mehreren Teilen rechtswidrig ist und sich nicht ausschließen lässt, dass sich jeder dieser Rechtsfehler auf das Beurteilungsergebnis ausgewirkt hat.

Vgl. zum rechtlichen Maßstab nur beispielhaft: OVG NRW, Urteil vom 13.2.2001 - 6 A 3438/00 -; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 19.1.2001 - 2 A 11320/00.OVG -, RiA 2001, 258 (sich der Beurteilungsfehler "auf das festgestellte Gesamtergebnis der Leistungsbeurteilung ausgewirkt haben kann.").

Demgemäß ist das angefochtene Urteil zu ändern, der Widerspruchsbescheid aufzuheben und der Beklagte zur Aufhebung der dienstlichen Beurteilung sowie zur erneuten Beurteilung zu verurteilen.

Rechtsgrundlage der dienstlichen Beurteilung sind § 4 Abs. 1 LRiG NRW und § 104 Abs. 1 LBG NRW. Danach dienen Beurteilungen - ebenso wie bei Beamten - dem Zweck, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Richter festzustellen. Nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung sollen allein der Dienstherr oder der für ihn handelnde Vorgesetzte ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob der Richter den vielfältigen - ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden - fachlichen und persönlichen Anforderungen des ihm übertragenen Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem ein Beurteilungsspielraum zu, sodass dienstliche Beurteilungen verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich auf die Klärung der Fragen zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.8.2002 - 2 BvR 2357/00 -, ZBR 2003, 31; Beschluss vom 29.5.2002 - 2 BvR 723/99 -, DÖD 2003, 82; BVerwG, Urteile vom 19.12.2002 - 2 C 31.01 -, DÖD 2003, 200 und vom 27.2.2003 - 2 C 16.02 - DÖD 2003, 202; OVG NRW, Urteil vom 11.6.2003 - 1 A 482/01 -.

Soweit der Dienstherr Richtlinien - hier die Allgemeine Verfügung - AV - des Justizministeriums NRW vom 20.1.1972 - JMBl. NRW S. 38 - in der Fassung der Verfügung vom 8.11.1974 - JMBl. NRW S. 278 - für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie ihrerseits mit den gesetzlichen Regelungen in Einklang stehen.

Gemessen an diesen Maßstäben entspricht die über den Kläger zum 1.1.1997 abgegebene Regelbeurteilung den formellen Erfordernissen. Im Übrigen enthält die über den Kläger zum 1.1.1997 abgegebene Regelbeurteilung, welche in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zur Überprüfung ansteht, im Ergebnis mehrere Verletzungen des Rechts des Klägers auf fehlerfreie Regelbeurteilung, von denen jede für sich allein eine Aufhebung der Beurteilung und die Verurteilung zur erneuten Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts rechtfertigt.

1. Die angegriffene Beurteilung beruht auf unzureichenden tatsächlichen Grundlagen und ist durch eine fehlerhafte Gewichtung der Beanstandungen gekennzeichnet, die sich aus der Aktenprüfung des Präsidenten des FG ergeben haben.

Es liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn zu entscheiden, worauf er im einzelnen sein Gesamturteil stützt. Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen. Der Dienstherr kann - und im Bestreitensfall: muss - die von ihm abgegebenen Werturteile bei der Eröffnung und Besprechung der dienstlichen Beurteilung, im Widerspruchsverfahren und grundsätzlich auch noch im Verwaltungsstreitverfahren näher erörtern und konkretisieren. Der Präsident des FG ist jedoch nicht so vorgegangen. Er hat die von ihm abgegebenen Werturteile ausweislich seiner Erwägungen im Widerspruchsbescheid nicht allein auf Wertungen mit nur beispielhaften und nur illustrierend aufgegriffenen Tatsachen gestützt. Er hat die Beurteilung vielmehr unter anderem tragend damit begründet, dass die Durchsicht verschiedener von dem Kläger bearbeiteter Verfahren Beanstandungen ergeben habe, und hat daraus die von ihm vorgenommenen Wertungen abgeleitet. So hieß es sinngemäß, der Kläger könne wegen der in drei bestimmten Verfahren festgestellten Mängel seiner Arbeitsweise schwierigere Fälle häufig nicht zufriedenstellend bearbeiten, wie es auch der Vorsitzende angenommen habe. Die Mängel böten bereits eine ausreichende Tatsachengrundlage, die die Versagung einer besseren Beurteilung als "erheblich über dem Durchschnitt" rechtfertige.

Eine so begründete Beurteilung ist bereits rechtsfehlerhaft, wenn die betreffenden Tatsachenfeststellungen - nicht notwendig alle - gemessen am Beurteilungszweck unzureichend oder ihrerseits sogar unzutreffend sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Präsident hat die von dem Kläger bearbeiteten und in der Beurteilung verwerteten Akten bereits fehlerhaft ausgesucht und gewichtet. Er durfte in Übereinstimmung mit dem Gebot, dass die Beurteilung möglichst auf eigenen Eindrücken des Beurteilers beruhen soll (vgl. Abschnitt III Nr. 2 der AV), Akten beiziehen und sich die für eine Beurteilung notwendigen Kenntnisse über den zu beurteilenden Richter selbst verschaffen. Es ist in diesem Zusammenhang schon wegen der Vielzahl der von einem Richter im maßgebenden vierjährigen Zeitraum bearbeiteten Verfahren - in Rede stehen hier rund 850 Erledigungen, womit der Kläger jedenfalls mengenmäßig über Jahre hinweg zu den Spitzenkräften des FG gehörte - nicht grundsätzlich zu beanstanden, wenn nur ein geringer Teil dieser Akten beigezogen und für die Beurteilung verwertet wird. Die Festlegung der Anzahl und die Auswahl der Akten liegt grundsätzlich im Beurteilungsspielraum des Beurteilers.

Vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18.8.1992 - 1 WB 106.91 -, BVerwGE 93, 281; OVG NRW, Urteil vom 12.12.1991 - 12 A 1975/88 -, NWVBl. 1992, 171.

Allerdings darf die Auswahl nicht bereits von Beginn an ungeeignet sein, dem Zweck der Akten als Erkenntnisquelle genügen zu können. Die Beurteilung darf sich, auch wenn Verfahren mit besonderen Eigenschaften - etwa wegen ihres Schwierigkeitsgrades - ausgesucht werden, namentlich nicht nur auf einen Teil des Aufgabengebietes beschränken. Sie darf außerdem nicht nur über einen Teil des zu beurteilenden Sachverhaltes Auskunft geben. Der Beurteiler muss vielmehr den gesamten Tätigkeitsbereich des zu Beurteilenden in den Blick nehmen, wobei es seiner Bewertung obliegt, ob bereits die festgestellten Befunde hinreichend umfassend und aussagekräftig sind oder ob etwa die ausgesuchten Akten erst durch eine auch die übrige Tätigkeit des Richters in den Blick nehmende Gesamtschau und eine ausgleichende Gewichtung verwertbar sind. Dieser Akt der Beurteilung und Gewichtung muss in der abgegebenen dienstlichen Beurteilung oder in den im Verwaltungsverfahren ergangenen, die Beurteilung modifizierenden oder ergänzenden Bescheiden nachvollziehbar dargestellt sein.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.12.1991 - 12 A 1975/88 -, a.a.O.

An alledem fehlt es.

Die Aktenauswahl ist rechtswidrig und macht ihrerseits die Sammlung von Beanstandungen und das darauf gegründete Werturteil seinerseits rechtswidrig, weil sie entgegen den dargelegten Grundsätzen nicht den gesamten Tätigkeitsbereich des zu beurteilenden Richters in den Blick nimmt und bereits im Ansatz keine abwägende Bewertung erkennbar ist, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen die beigezogenen Akten aussagekräftig und repräsentativ für Leistung und Befähigung des Klägers sein könnten. Sollte die Benennung der eingesehenen Akten bewusst nur Teilaspekte im Leistungsbild des zu Beurteilenden aufzeigen, fehlte es an Feststellungen, aus welchen Gründen die ausgesuchten Akten im Rahmen der Gesamtbeurteilung das ihnen beigemessene Gewicht erhalten haben. Dies hätte insbesondere Darlegungen dazu erfordert, in welchem gewichtenden Verhältnis die beanstandeten Bearbeitungen zu denjenigen stehen, die unbeanstandet geblieben sind. Ohne Ausführungen hierzu ist die vorgenommene "Deckelung" des Gesamturteils nicht nachvollziehbar; insbesondere reicht es insoweit nicht aus, der Gesamtmenge der Erledigungen pauschal relativ geringe sachliche Mängel tragend gegenüber zu stellen, wie dies hier geschehen ist. Es ist deswegen davon auszugehen, dass die Auswahl im Sinne einer Mängelliste unzulässig negativ selektierend mit dem Ziel erfolgt ist, dem Kläger beanstandungswürdige Fehlleistungen vorhalten zu können, die einer besseren Beurteilung entgegen stehen sollen. Bestätigt wird dies durch das Vorbringen des Präsidenten des FG bzw. des Personaldezernenten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, man hätte die Liste der Fehlleistungen des Klägers unschwer fortsetzen können und sich auf eine Auswahl an kritikwürdigen Leistungen beschränkt. Eine Auswahl im Sinne der Abarbeitung einer Mängelliste oder eines Suchens von weiteren Fehlern, um das bereits gefundene Beurteilungsergebnis "halten" zu können, wird den aufgezeigten Anforderungen jedoch in keiner Weise gerecht und ist ihrerseits fehlerhaft. Sie ist unzulässig auf das Beurteilungsergebnis zielgerichtet und zeichnet eine negative Bewertung bereits vor. Umgekehrt unterläge es den gleichen Bedenken, sich etwa allein auf besonders gelungene Bearbeitungen zu stützen und die gebotene Gesamtschau des Leistungsbildes auf diese Weise einzuschränken. Unbeschadet dessen fehlt es jedenfalls auch vollständig an einer Benennung des Auswahlmaßstabes sowie einer Gewichtung und Wertung der beigezogenen Akten in Bezug auf die im Beurteilungszeitraum insgesamt bearbeiteten sonstigen Verfahren (wird ausgeführt).

2. Die Beurteilung ist aus einem weiteren Grunde rechtswidrig. Der Präsident des FG durfte sich mit Blick auf die Arbeitsbedingungen des Klägers im Beurteilungszeitraum nicht auf die schriftliche und mündliche Stellungnahme des Vorsitzenden als für ihn maßgebende Erkenntnisquelle stützen. Er hat die von dem Kläger substantiiert dargelegten damaligen Verhältnisse im Senat nicht hinreichend gewürdigt, indem er die dort herrschenden (Arbeits-)Bedingungen trotz entgegen stehender deutlicher Anhaltspunkte ohne die gebotene nähere eigene Aufklärung als im Wesentlichen normal bewertet hat. Die von dem Kläger substantiiert dargelegten Verhältnisse im Senat, die im hier maßgeblichen Zeitraum hinsichtlich der durch den damaligen Vorsitzenden geprägten (Arbeits-)Atmosphäre herrschten, hätte er insbesondere nicht mit der sinngemäßen Begründung übergehen dürfen, ihm - dem Präsidenten - sei von erschwerten Arbeitsbedingungen und von schikanösem, ungerechtem Verhalten des Vorsitzenden nichts bekannt. Der Präsident hat insoweit einen Teil des beurteilungserheblichen Sachverhaltes bewusst oder unbewusst unbeachtet gelassen und damit darüber hinaus gegen den verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsatz, dass gleiche Beurteilungsmaßstäbe anzulegen sind (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG), verstoßen. Denn er hat es ausdrücklich abgelehnt, in seine Bewertungen einzustellen, dass im Beurteilungszeitraum für den Kläger ungewöhnliche und belastende Arbeitsbedingungen geherrscht haben, obwohl dies gerichtsbekannt der Fall war.

Mit Blick auf das durch den Kläger insgesamt umfassend, nachvollziehbar und lebensnah Vorgetragene bedarf es keiner weiteren Aufklärung, ob sich einzelne der geschilderten und von dem Präsidenten hinreichend bestrittenen Besonderheiten tatsächlich zugetragen haben. Denn der Kläger hat unter Benennung einer Vielzahl von Einzelheiten und unter Bezugnahme auf konkret dargestellte Vorgänge sowie unter Benennung von Namen betroffener Richterkollegen und von Vertretern verschiedener Behörden dargelegt, dass der Vorsitzende Richter nicht nur auf die Person des Klägers bezogen, sondern allgemein und bereits seit Jahren bestimmte Eigenarten im Umgang gezeigt hat, die von einer nicht ganz unbedeutenden Anzahl von Personen als sachlich und persönlich unangemessene Belastung oder gar als Zumutung empfunden worden sind. Der Kläger hat zudem plausibel und unter Beschreibung von Einzelheiten geschildert, dass und aus welchen Gründen diese Besonderheiten in der Person des Vorsitzenden im FG verschiedenen Richterkollegen, einem Teil des Präsidiums und insbesondere auch dem damaligen Präsidenten und dem jetzigen Präsidenten selbst bekannt gewesen sind.

Der Präsident des FG hat dem so umrissenen und substantiierten, hier nur auszugsweise wieder gegebenen Vorbringen des Klägers seinerseits nichts Erhebliches entgegen gesetzt und sich im Wesentlichen auf nicht näher begründetes Bestreiten des klägerischen Vorbringens und nicht den Aussagegehalt treffendes Vorbringen beschränkt. Das wesentliche Vorbringen des Klägers gilt damit als unbestritten, sodass es insbesondere auch keiner von dem Beklagten anscheinend allein aufgrund seines bloßen Bestreitens oder nicht näher substantiierten Vorbringens für erforderlich gehaltenen umfangreichen Beweisaufnahme bedurfte, hier durch die angebotene zeugenschaftliche Vernehmung verschiedener Richter (wird ausgeführt).

Das von dem Kläger dargelegte unsachliche, angeblich auch schikanöse Verhalten des Vorsitzenden Richters wird durch die Einsichtnahme in Anmerkungen zu Voten, die aus Sicht des Präsidenten keinen Grund zu Beanstandungen gegeben haben sollen, in keiner Weise infrage gestellt. Voten oder Entscheidungsentwürfe dienen innerhalb eines gerichtlichen Spruchkörpers zum Teil als Lösungsvorschlag oder sind etwa auch vorläufig gemeinte Gutachten aus richterlicher Sicht, die eine geplante anschließende Beratung vorbereiten sollen. Sie dienen zum Teil aber auch als Vorschlag einer ohne weitere Beratung der beteiligten Richter in Aussicht genommenen Entscheidung, die im Falle des allgemeinen Einverständnisses gegebenenfalls auch im sogenannten Umlaufverfahren getroffen werden kann. Diese richterlichen Arbeitsergebnisse werden naturgemäß mit Korrekturen, Ergänzungen und sonstigen Anmerkungen der anderen Mitglieder des Spruchkörpers bis hin zur gesonderten schriftlichen Stellungnahme der Mitberichterstatter oder mit einem sogenannten Gegenvotum versehen, das mit Ausnahme der im verfassungsgerichtlichen Verfahren vorgesehenen Besonderheiten (vgl. § 30 Abs. 2 BVerfGG) ausschließlich der internen Willensbildung bzw. der Entscheidungsfindung dient und zwingend ein Internum bleiben muss. Wie und aufgrund welcher Anzeichen in diesem Zusammenhang aus Anmerkungen zu einem Votum auf einen unsachlichen und schikanösen Umgang innerhalb des Spruchkörpers geschlossen werden sollte, ist daher bereits kaum nachvollziehbar. Darauf hinweisende schriftliche Anmerkungen sind objektiv allenfalls in seltenen Ausnahmefällen, jedenfalls nicht im Regelfall ernsthaft zu erwarten. Die Sachverhaltsfeststellungen sind auch in diesem Punkt defizitär, was den Mangel fehlender, aber unter den gegebenen Umständen zwingend gebotener eigener Sachverhaltsfeststellungen des Beurteilers vertieft.

Zu dieser Pflicht allgemein: OVG NRW, Urteil vom 28.8.1980 - 12 A 2169/78 -, DÖD 1980, 277 (278 f) und zur Berücksichtigung von "Spannungslagen" BVerwG, Beschluss vom 18.8.1992 - 1 WB 106.91 -, BVerwGE 93, 281 (283).

Der Präsident hat etwa auch den von dem Kläger näher beschriebenen besonderen Fall eines Proberichters nicht gewürdigt, dessen Behandlung den Vorwurf der Willkür und der mangelnden Selbstbeherrschung des Vorsitzenden als wahrscheinlich berechtigt, zumindest aber nicht als abseitig erscheinen lässt und bereits im Tatsächlichen im Widerspruch zu der behaupteten eigenen Einschätzung des Präsidenten steht. So ist das bereits gebilligte Votum eines von dem Vorsitzenden offenbar geschätzten Berichterstatters von einem später tätig gewordenen Proberichter in der Akte vorgefunden, abgeschrieben und als eigenes Votum vorgelegt, dann aber von dem Vorsitzenden "verrissen" worden, wobei dieser die beschriebenen Hintergründe nicht kannte. Der Proberichter legte diese Hintergründe offen und wurde von dem Vorsitzenden der "Hinterfotzigkeit" bezichtigt. Dass der Vorsitzende diese sprachliche Entgleisung auf Vorhalt nicht als Teil seines Wortschatzes verstanden wissen will, bringt bereits nicht mit der eigentlich zu erwartenden Eindeutigkeit zum Ausdruck, dass er sich nicht wie vom Kläger beschrieben verhalten und geäußert hat. Das entsprechende Vorbringen des Klägers ist darüber hinaus durch schriftliche Äußerungen des betroffenen (Probe-)Richters in vollem Umfang bestätigt worden.

3. Die Beurteilung ist aus weiteren Gründen rechtswidrig. Die ihr zugrunde liegenden Wertungen sind zum Teil nicht plausibel und nachvollziehbar begründet und beruhen auch auf rechtlich nicht vertretbaren oder dem Kläger jedenfalls nicht anzulastenden Bewertungen der richterlichen Arbeit.

Wie oben - unter 1. - bereits ausgeführt, liegt es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, worauf er im einzelnen sein Gesamturteil stützt. Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen. Der Dienstherr kann einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen sowie aus einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke und -beobachtungen während des Beurteilungszeitraums wertende Schlussfolgerungen ziehen, ferner die hierbei abgegebenen Werturteile bei der Eröffnung und Besprechung der dienstlichen Beurteilung, im Widerspruchsverfahren und grundsätzlich auch noch im Verwaltungsstreitverfahren näher erörtern und konkretisieren. Dabei kommt es in der Regel bei der Beurteilung eines Beamten nicht darauf an, ob - entsprechend der neueren Rechtsprechung zur gerichtlichen Prüfungsdichte bei Prüfungsentscheidungen - die zu bewertende dienstliche Arbeit und deren Ergebnisse auf vertretbaren Ansichten des zu Beurteilenden beruhen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.7.1998 - 2 B 87.97 -, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 19; Urteil vom 26.6.1980 - 2 C 8.78 -, BVerwGE 60, 245.

Ob vorliegend mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit anderes gilt und ob die sachlichen Beanstandungen zum Teil auch als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit verstanden werden können und dies ein zusätzlicher - ebenfalls eigenständig tragender - Grund ist, die Beurteilung aufzuheben, kann in diesem Zusammenhang offen bleiben. Denn die eingangs unter 3. erwähnten Beurteilungsfehler treffen auch ohne Beachtung der Frage, in welchem Maße die richterliche Unabhängigkeit gegenüber dem Beurteilenden Entscheidungsfreiräume einräumt, auf zwei der drei von dem Präsidenten des FG als schwerwiegend bewerteten Beanstandungen zu. Damit erweisen sich die Beurteilungsgrundlagen in zwei von drei Fällen als rechtsfehlerhaft (wird ausgeführt).

Der als gravierend beanstandete weitere Mangel, der Kläger habe in einem Verfahren nicht von dem Einverständnis des Beigeladenen mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats ausgehen dürfen und habe damit anstelle des Senats als unzuständiger Richter in der Sache entschieden, ist im Ergebnis zutreffend. (wird ausgeführt)

Der Umstand, dass nach alledem dem Kläger in diesem Zusammenhang im Ergebnis zu Recht als grob einschätzbare Fehler unterlaufen sind, lässt indes die Gesamtwürdigung des Beurteilungsvorgangs nicht in einem anderen Licht erscheinen. Denn gerade auch das Ergebnis dieser Aktenüberprüfung ist nicht erkennbar gewichtend in Beziehung gesetzt worden zu anderen schwierigen Fällen, die der Kläger entsprechend dem ursprünglichen Beurteilungstext auf der Grundlage umfassender Kenntnis des Steuerrechts auch bei umfangreichem Prozessstoff unter Herausstellung des Wesentlichen in zutreffender Anwendung seiner Rechtskenntnisse zu ordnen versteht, was ihm "nicht schwer fällt". Die (Mit-)Gewichtung dieser schwerwiegend fehlerhaften Aktenbearbeitung erschließt sich für die Gesamtbewertung ersichtlich aus dem Umstand, dass die oben bereits behandelten zwei weiteren vermeintlich schwerwiegend fehlerhaft bearbeiteten Aktenbearbeitungen zugrunde gelegt worden sind. Da diese Fehler in Wahrheit aber nicht bestanden, ist nicht auszuschließen, dass der Präsident des FG in Kenntnis der vorliegenden Bewertungsfehler zu einem anderen Beurteilungsergebnis gekommen wäre. Dies gilt auch gerade im Blick auf die zur "Abrundung des Gesamteindrucks" herangezogenen aus der Sicht des Präsidenten des FG vorliegenden "eher geringfügigen Fehler", die durch ihre angebliche "Häufung eine quantitative und qualitative Relevanz bei der Beurteilung erlangen und den Eindruck verstärken, dass dem" Kläger "die berufliche Souveränität fehlt, die für eine Spitzenbeurteilung erforderlich ist". Denn diesen - für sich betrachtet - eher geringfügigen Fehlern fehlt damit nach Wegfall zweier von drei schwerwiegenden Fehlbearbeitungen der angenommene Bezugspunkt, und auch hier gilt, dass ein gewichtendes Verhältnis zu eventuell zahlreichen fehlerfreien Aktenbearbeitungen nicht erkennbar ist. Daran ändert nichts, dass der Präsident des FG insoweit am Ende des Widerspruchsbescheides unter cc) von einem nicht näher erläuterten "Toleranzbereich" von Fehlerquoten ausgeht, welchen die dem Kläger vorgehaltenen Fehlleistungen angeblich überschritten hätten. Die abstrakte Erwähnung eines derartigen Toleranzbereiches bringt keinen Gewinn für die Frage, welche konkreten Bezugspunkte insoweit bestehen, und vermag in einem Fall wie diesem die umfassende In-Bezug-Nahme und Gewichtung des Gesamtleistungsbildes des Klägers nicht zu ersetzen.

4. Die vorgenannten sachlichen Beanstandungen der richterlichen Arbeit des Klägers sind zum Teil als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit zu bewerten.

Nach Abschnitt III Nr. 3 AV sind bei der Beurteilung die sich aus den §§ 25 und 26 DRiG ergebenden Beschränkungen zu beachten. § 25 DRiG besagt in Übereinstimmung mit Art. 97 Abs. 1 GG, dass Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Im Rahmen der Ausübung des Beurteilungsspielraums ist eine der von dem Dienstvorgesetzten zu beachtenden normativen Vorgaben - insoweit anders als im Rahmen der Beurteilung eines (Finanz-)Beamten - die richterliche Unabhängigkeit selbst, die ein hergebrachter Grundsatz des richterlichen Amtsrechts ist und auch im Rahmen der Bewertung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung umfassende Geltung beansprucht. Art. 97 Abs. 1 GG enthält zwar kein Grundrecht der zu beurteilenden Richter; Art. 33 Abs. 5 GG umfasst aber auch die hergebrachte Stellung besonderer Gruppen von Angehörigen des öffentlichen Dienstes und räumt ihnen grundrechtsähnliche Individualrechte ein, soweit sich für sie vom Gesetzgeber zu beachtende hergebrachte Grundsätze des richterlichen Amtsrechts nachweisen lassen, die gerade die persönliche Rechtsstellung des Richters mitgestalten. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Richteramtsrechts zählt insbesondere der Grundsatz der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit. Die hier allein in Rede stehende sachliche Unabhängigkeit ist gewährleistet, wenn der Richter seine Entscheidung frei von Weisungen fällen kann. Sie ist allen Richtern verfassungsrechtlich garantiert und kann auch innerhalb der Gerichtsbarkeit, unter Umständen sogar im Innenverhältnis eines Spruchkörpers Wirkung entfalten. Die sachliche Unabhängigkeit schützt auch vor solchen internen Eingriffen anderer Richter, für die es an einer Ermächtigung zur Wahrnehmung richterlicher Funktionen nach jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt fehlt.

Vgl. zusammenfassend BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.2.1996 - 2 BvR 136/96 -, NJW 1996, 2149.

Die dienstliche Beurteilung, verstanden als Verfahren und als Akt der Bewertung richterlicher Tätigkeit, hat damit die so umschriebene Unabhängigkeit des Richters zu respektieren. Die Verwaltungsgerichte haben bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit dienstlicher Beurteilungen nicht allein bei der Auslegung von Rechtsvorschriften über Richterbeurteilungen Art. 97 Abs. 1 GG in ihre Erwägungen einzubeziehen, sondern sind auch befugt, in dem gegebenen Zusammenhang die Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit in sachlicher und persönlicher Hinsicht unmittelbar selbst zu überprüfen. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 26 Abs. 3 DRiG gegen Maßnahmen der Dienstaufsicht mit der Behauptung, eine solche Aufsichtsmaßnahme beeinträchtige die richterliche Unabhängigkeit, der Rechtsweg zu den Richterdienstgerichten eröffnet ist. Der unter anderem auf § 26 Abs. 3 DRiG sowie die (sinngemäße) Anwendung des § 68 Abs. 3 DRiG gestützten Wertung, über die Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit könne auch in dem gegebenen Zusammenhang, dass nämlich über die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung zu entscheiden ist, allein durch Richterdienstgerichte entschieden werden, vgl. BGH, Urteil vom 25.9.2002 - RiZ (R) 2/01 -, NJW 2003, 382; Urteil vom 10.8.2001 - RiZ (R) 5/00 -, NJW 2002, 359, folgt der Senat nicht uneingeschränkt. Die undifferenzierte Annahme, der Rechtsweg zu den Richterdienstgerichten sei immer dann - den Verwaltungsrechtsweg ausschließend - eröffnet, wenn Streitgegenstand die Behauptung sei, die richterliche Unabhängigkeit werde durch eine dienstliche Beurteilung verletzt, beruht auf der vom Senat nicht geteilten Ansicht, dienstliche Beurteilungen seien grundsätzlich als Maßnahmen der Dienstaufsicht zu bewerten. Dienstaufsicht ist nach der Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes mit Blick auf den Zweck des § 26 Abs. 3 DRiG, den Richtern einen möglichst umfassenden Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Dienstaufsicht zu gewähren, von jeher weit gefasst worden. Es genügt danach jede Einflussnahme, die sich auch nur mittelbar auf die Tätigkeit des Richters auswirken kann.

Vgl. BGH, Urteil vom 25.9.2002 - RiZ (R) 2/01 -, a.a.O., m.w.N.

Entsprechend ist die dienstliche Beurteilung, da sie sich angeblich in jedem Fall kritisch mit der richterlichen Tätigkeit befasst, als Meinungsäußerung der dienstaufsichtsführenden Stelle über den betreffenden Richter bewertet worden. Wenn etwa eine positiv zu wertende oder gar belobigende, in keiner Weise als Manipulation oder als mittelbarer Zwang zu einem bestimmten dienstlichen Verhalten zu verstehende dienstliche Beurteilung in Rede steht, kann jedoch von einer aufsichtlichen Maßnahme auch nach Ansicht des BGH kaum ausgegangen werden. Es soll daher nicht auf die dienst- oder amtsrechtliche Qualifikation des zur Prüfung gestellten Verhaltens, sondern allein auf die mögliche Wirkung der Beurteilung auf die rechtsprechende Tätigkeit des Richters ankommen.

BGH, Urteil vom 10.8.2001 - RiZ(R) 5/00 -, a.a.O.; Urteil vom 27.1.1995 - RiZ(R) 3/94 -, DRiZ 1995, 352.

All dies übersieht jedoch, dass unter Dienstaufsicht im Sinne des öffentlich-rechtlichen Dienstrechts im allgemeinen die personenrechtliche Aufsicht über die Pflichterfüllung des Amtsinhabers im Innenverhältnis zu seinem Dienstherren durch den Dienstvorgesetzten zu verstehen ist. Dieser hat den Richter als Amtswalter im Umfang der dienstaufsichtsrechtlichen Befugnisse zu beobachten und zu korrigieren, wenn dazu Veranlassung besteht. Die dienstliche Beurteilung hat hingegen den Zweck, die eignungs- und leistungsgemäße Verwendung des Beamten oder Richters sicher zu stellen. Sie soll in erster Linie eine Personalauswahl ermöglichen, die den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht wird.

Vgl. Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Teil C, Rnrn. 495, 626.

Die dienstliche Beurteilung des Beamten oder Richters dient vor allem der von Verfassungs wegen gebotenen zuverlässigen Klärung einer "Wettbewerbssituation" der für die Besetzung von Dienstposten oder für Beförderungen in Betracht kommenden Personen unter den Gesichtspunkten der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG).

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - 2 C 16.02 -, DÖD 2003, 202; Beschluss vom 25.9.2002 - 1 WB 27.02 -, BVerwGE 117, 81; Urteil vom 13.7.2000 - 2 C 34.99 -, ZBR 2001, 36.

Ein Zusammenhang mit einer personenrechtlichen Aufsicht über den Richter besteht damit grundsätzlich nicht und hätte, soweit als Aufsichtsmaßnahme zu qualifizierende, in die persönliche oder sachliche Unabhängigkeit eingreifende Elemente in der Beurteilung enthalten sind, zwingend deren Rechtswidrigkeit zur Folge. In diesem Falle bestünde, da Maßnahmen der Dienstaufsicht und eine dienstliche Beurteilung in einer einzelnen Maßnahme des Dienstherrn zusammen gefasst wären, die Möglichkeit, den Verwaltungsrechtsweg und den Rechtsweg zu den Richterdienstgerichten zu beschreiten. Die dienstliche Beurteilung könnte in derartigen Fällen als Maßnahme der Dienstaufsicht gelten, wenn dem Richter etwa (ausnahmsweise) künftiges Verhalten direkt aufgegeben oder auch nur mittelbar nahe gelegt und damit auf die künftige richterliche Verfahrensführung und Entscheidungsfindung eingewirkt wird.

Im Übrigen gilt hinsichtlich der dienstlichen Beurteilung jedoch, dass der Streitgegenstand, über den auf dem Verwaltungsrechtsweg entschieden wird, unteilbar ist. Die verschiedenen Einwendungen, die der Kläger gegen die von ihm angegriffene dienstliche Beurteilung konkret erhoben hat oder die er erheben könnte, dienen nur als verschiedene rechtliche und tatsächliche Begründungselemente des vom Kläger als Streitgegenstand in den Prozess eingeführten einheitlichen Anspruchs auf fehlerfreie Ausübung des dem Beklagten eingeräumten Beurteilungsspielraums. Sie sind indes nicht etwa abtrennbare Teile eines Streitgegenstandes. Das Gesetz fordert die Abgabe eines einheitlichen Gesamturteils über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung, wobei die Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten nach Maßgabe der § 4 Abs. 1 Satz 2 LRiG und § 104 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW gewisse Modifikationen enthält (vgl. Abschnitt III. Nr. 5 AV), die vorliegend an der zusammenfassenden einheitlichen Würdigung im Sinne eines einheitlichen Gesamturteils nichts ändern.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.8.1980 - 12 A 2169/78 -, DÖD 1980, 277.

Dies steht einer Zerlegung des Streitgegenstandes in einzelne fehlerbehaftete bzw. fehlerfreie Teile entgegen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.7.2000 - 2 C 34.99 - a.a.O. (betr. dienstliche Beurteilung); Urteil vom 9.6.1983 - 2 C 34.80 -, BVerwGE 67, 222 (betr. Amtstracht).

Es begründet zugleich die (einheitliche) Zuständigkeit des Senats, die hier strittige Beurteilung umfassend auch daraufhin zu überprüfen, ob sie an einem Mangel unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit leidet.

Der Vorwurf, ein bestimmtes Verfahren nicht in dem gebotenen Maße gefördert zu haben, beruht auf einer Wertung, die die richterliche Unabhängigkeit verletzt. Ob, wann und mit welcher Priorität und Reihenfolge die Bearbeitung von Verfahren, namentlich ganz bestimmter Verfahren erfolgen soll, betrifft Verfahrensfragen, die der richterlichen Unabhängigkeit im engeren Sinne zuzuordnen und der Bewertung durch den Dienstherrn in der Regel entzogen sind. Ausnahmen kommen insoweit in Betracht, wenn es um Fragen der Sicherung des ordnungsgemäßen Geschäftsablaufes des Gerichts geht, sodass der Vorhalt verzögerter Terminierung älterer Sachen oder überdurchschnittlicher Rückstände im Einzelfall noch zulässig sein kann.

Vgl. BGH, Urteil vom 27.1.1995 - RiZ(R) 3/94 -, a.a.O., m.w.N.

Eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit liegt auch nicht etwa schon vor, wenn in der Beurteilung die richterliche Amtsführung und spezifische richterliche Fähigkeiten bewertet werden. Diese Bewertung ist vielmehr gerade Gegenstand einer dienstlichen Beurteilung und Vorfrage des Gesamturteils oder des zusammenfassenden Urteils einer Beurteilung, die der Dienstherr in aller Regel zur Grundlage leistungsorientierter Personalauswahlentscheidungen macht. Sachliche Unabhängigkeit bedeutet in erster Linie Weisungsfreiheit. Daher verletzt die dienstliche Beurteilung eines Richters seine Unabhängigkeit, wenn sie auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter in Zukunft verfahren oder entscheiden soll. Insoweit muss sich die Beurteilung auch jeder psychologischen Einflussnahme enthalten. Sie ist unzulässig, wenn der Richter durch die in ihr enthaltene Kritik veranlasst werden könnte, eine Verfahrens- oder Sachentscheidung in einem anderen Sinne als ohne diese Kritik zu treffen.

Vgl. BGH, Urteil vom 25.9.2002 - RiZ(R) 4/01 -, NJW-RR 2003, 492; Urteil vom 10.8.2001 - RiZ(R) 5/00 -, a.a.O.; Urteil vom 14.4.1997 - RiZ(R) 3/96 -, DRiZ 1998, 20.

Letzteres trifft im gegebenen Zusammenhang hinsichtlich der dem Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit zuzurechnenden Kompetenz des Richters zur alleinigen Entscheidung über die Reihenfolge der Bearbeitung zu: Nachdem das fragliche Verfahren von dem BFH an das FG zurückverwiesen worden war und andererseits gegen diese Entscheidung des BFH eine Verfassungsbeschwerde anhängig gewesen ist, oblag es ausschließlich dem Kläger, im Rahmen seiner richterlichen Unabhängigkeit zu entscheiden, ob das Verfahren in dieser Zeit zu fördern ist. In der vorgefundenen Verfahrenslage kamen im Wesentlichen die Vornahme der aufgegebenen Sachverhaltsaufklärung und das Abwarten der verfassungsgerichtlichen Entscheidung in Betracht. Die weitere Förderung des Verfahrens hätte auch als Verschwendung von Arbeitskraft betrachtet werden können, da die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben und sich die weitere Sachaufklärung als überflüssig erweisen könnte. Der eventuell vergebliche Aufwand hätte sich zudem notwendigerweise zum Nachteil anderer Verfahren ausgewirkt, die in der aufgewendeten Zeit nicht hätten bearbeitet werden können. Darüber hinaus ist der aus den oben genannten Gründen ohnehin sachlich unrichtige Vorhalt, der Kläger hätte über das Ruhen oder die Aussetzung des Verfahrens zu entscheiden gehabt, nicht ohne einen weiteren Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit möglich. Denn ohne den Antrag der Beteiligten konnte über das Ruhen (§ 251 ZPO, § 155 FGO) nicht entschieden werden, und die Beschlussfassung über die Aussetzung steht im Ermessen des Gerichts (§ 74 FGO). Eine Pflicht zur vorrangigen Förderung von in die Vorinstanz zurück verwiesenen Verfahren besteht nicht, insbesondere nicht in dem vorliegenden Zusammenhang.

Die Beurteilung enthält einen weiteren unzulässigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Als eine der gravierenden Beanstandungen ist die Behandlung eines Aussetzungsverfahrens genannt worden, das von dem Kläger nicht hinreichend und erst im Anschluss an eine Geschäftsprüfung durch den Präsidenten gefördert worden sein soll. Der gegen den Kläger erhobene Vorwurf, in dem fraglichen Zeitraum eine erhebliche Sitzungstätigkeit entfaltet und damit falsche Arbeitsschwerpunkte gesetzt zu haben, ist mit Blick auf die oben bereits erörterten Umstände, dass nämlich die Anberaumung und Terminierung von Sitzungen des Spruchkörpers eine originäre Aufgabe des oder der Vorsitzenden ist und das Aussetzungsverfahren eine nicht unerhebliche Komplexität und Schwierigkeit sowie wegen der Höhe der streitigen Forderung auch eine hohe wirtschaftliche Bedeutung aufwies, ferner mangelhaft vorgerichtlich aufgeklärt war, als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit zu bewerten. Denn der Sachverhalt ist schon im Ansatz nicht dahingehend eindeutig zu bewerten, dass in der gegebenen Situation allein die Förderung des Aussetzungsverfahrens im Sinne einer abschließenden Beschlussfassung im Vordergrund stand und dass das Vorgehen des Klägers bzw. des Senats zu beanstanden wäre. Vielmehr war im richterlichen Dezernat eine die Arbeitsorganisation betreffende Gewichtung vorzunehmen und zu entscheiden, in welcher Weise die richterliche Arbeit fortzuführen ist. Dabei ist mit Blick auf die Tatsache, dass der Kläger die ihm obliegenden richterlichen Aufgaben mit - wie es verschiedentlich heißt - anerkennenswertem Fleiß und unter Erzielung einer sehr hohen Anzahl von Verfahrenserledigungen wahrnimmt, davon auszugehen, dass etwa der Vorwurf fehlenden oder deutlich mangelnden Arbeitseinsatzes, den vorzuhalten die richterliche Unabhängigkeit grundsätzlich nicht beeinträchtigen würde, hier als ersichtlich neben der Sache liegend nicht erhoben werden sollte.

Ende der Entscheidung

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