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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 25.08.2003
Aktenzeichen: 1 A 2351/02
Rechtsgebiete: BetrVG, BLV


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 4
BetrVG § 78 Satz 2
BLV § 33 a Abs. 8
BLV § 33 a Abs. 9
Zum Anspruch eines in einer Nachfolgeaktiengesellschaft der Deutschen Bundespost beschäftigten Beamten, wegen seiner langjährigen Betriebsratszugehörigkeit auf der Grundlage von § 24 Abs. 2 Satz 1 PostPersRG i.V.m. § 37 Abs. 4 BetrVG in beamten-, besoldungs- und versorgungsrechtlicher Hinsicht so gestellt zu werden, als sei er befördert worden (hier abgelehnt).
Tatbestand:

Der Kläger stand bis zu seiner Zurruhesetzung - zuletzt als Postoberrat - im Dienst der Beklagten und war beim Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen beschäftigt, später bei der Generaldirektion. Er war langjährig Mitglied des örtlichen Personalrates bzw. des Betriebsrates und in dieser Funktion zeitweilig insgesamt vom Dienst freigestellt. Ende 1991 wurde der Kläger zur Erlangung der Befähigung für die Laufbahn des höheren Dienstes gemäß § 33 a Abs. 8 BLV a.F. zu einer Direktion im sog. Verwendungsgebiet Ost abgeordnet, wo ihm der Dienstposten eines Amtsvorstehervertreters übertragen wurde. Sein Mandat im Personalrat ruhte während der Abordnung. Nach neunmonatiger Einführungszeit stellte die Beklagte zugunsten des Klägers fest, der Kläger habe seine Einführung in die Aufgaben des höheren Postdienstes im Verwendungsbereich "Amtsvorstehervertreter" erfolgreich abgeschlossen; die Befähigung für die Laufbahn des höheren Dienstes der Deutschen Bundespost - Postdienst - gemäß § 33 a BLV werde ihm hiermit im genannten Verwendungsgebiet zuerkannt. Im Anschluss an diese Feststellung kehrte der Kläger an die Generaldirektion zurück und nahm dort sein Amt als freigestelltes Personalratsmitglied wieder auf. In der Folgezeit wurde er zunächst in ein Amt der Besoldungsgruppe A 13 BBesO des höheren Dienstes, später in ein solches der Besoldungsgruppe A 14 BBesO eingewiesen. Im Mai 1998 beantragte der Kläger, ihm die Differenz zwischen der Besoldungsgruppe A 14 und der Besoldungsgruppe A 15 ab dem 1.12.1997 auszuzahlen und ihn bei nächster Gelegenheit in ein Amt der Besoldungsgruppe A 15 einzuweisen und entsprechend zu befördern. Zur Begründung berief er sich auf die Regelungen der §§ 37 Abs. 4, 78 Satz 2 BetrVG. Ohne seine Wahl zum Personalrat/Betriebsrat hätte er seine Tätigkeit im Verwendungsgebiet Ost fortgeführt und wäre bei Berücksichtigung der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung ebenso nach A 15 befördert worden, wie drei weitere Mitarbeiter, die seinerzeit im Verwendungsgebiet Ost eine vergleichbare Qualifikation erreicht hätten, wie er während seiner Abordnung zu der Direktion im sog. Verwendungsgebiet Ost. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab. Nach erfolglosem Widerspruch erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, ihn in beamten- besoldungs- und versorgungsrechtlicher Hinsicht so zu stellen, als ob er am 1.12.1997 befördert worden wäre. Das VG wies die Klage ab. Der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

"Ernstliche Zweifel" i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nur solche, die erwarten lassen, dass die Berufung in einem durchzuführenden Berufungsverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg hätte. Derartige Zweifel lässt das Antragsvorbringen nicht hervortreten.

Das VG hebt bei seiner Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs des Klägers, in beamten-, besoldungs- und versorgungsrechtlicher Hinsicht so gestellt zu werden, als ob er am 1.12.1997 befördert worden wäre, sowie auf Zahlung der Differenz zwischen seiner tatsächlichen und einer Besoldung nach BesGr. A 15 BBesO nebst Zulagen ab diesem Zeitpunkt, darauf ab, dass der Kläger bereits die Voraussetzungen der nach § 24 Abs. 2 Satz 1 PostPersRG einschlägigen Vorschrift des § 37 Abs. 4 BetrVG nicht erfülle. Nach dieser Vorschrift dürfe das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden, als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Vorschrift sei eine besondere Ausprägung und Konkretisierung des allgemeinen Benachteiligungsverbots aus § 78 Satz 2 BetrVG. In den Blick zu nehmen sei die betriebsübliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer. Demgegenüber seien die vom Kläger zur Stützung seines Anspruchs herangezogenen Beamten nicht mit dem Kläger vergleichbar. Denn der Kläger erfülle im Gegensatz zu diesen Beamten nicht unmittelbar die Voraussetzungen für einen Aufstieg in die Besoldungsgruppe A 15 BBesO im Rahmen des Verwendungsaufstieges nach § 33 a Abs. 3 BLV in der maßgeblichen Fassung (a.F.). Auch aus der Regelung des § 33 a Abs. 9 BLV a.F. könne er unmittelbar nichts für sich herleiten, da diese Vorschrift bei einer Rückkehr in das Verwendungsgebiet West nach mindestens fünfjähriger Tätigkeit im Verwendungsgebiet Ost jedenfalls eine Beförderung nur nach A 14 ermögliche. Dies schließe eine Vergleichbarkeit aus. Es komme nämlich nicht allein darauf an, dass der Kläger - wie die von ihm herangezogenen Beamten - sich dem Verwendungsaufstieg nach § 33 a Abs. 8 BLV a. F. unterzogen habe. Die drei genannten Beamten hätten sich im Gegensatz zum Kläger den an diese Regelung geknüpften Erschwernissen gestellt, indem sie ihre berufliche Entwicklung im Verwendungsgebiet Ost fortgesetzt hätten. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er wegen seiner Tätigkeit als freigestelltes Betriebsratsmitglied zu einer Rückkehr in das Verwendungsgebiet West "gezwungen" gewesen sei. Es sei mit Sinn und Zweck des § 33 Abs. 8 BLV a. F. unvereinbar, wenn Beförderungsmöglichkeiten, die seitens des Gesetzgebers im Hinblick auf den "Aufbau Ost" eröffnet worden seien, von Beamten benutzt würden, die - abgesehen von dem auf neun Monate begrenzten Aufstiegsverfahren - nicht im Verwendungsgebiet Ost tätig geworden seien. Daran ändere auch das Benachteiligungsverbot für Betriebsratsmitglieder nichts. Vielmehr wäre eine gleichfalls unzulässige Bevorzugung von Betriebsratsmitgliedern die Folge, wenn ihnen die Vergünstigung des § 33 a Abs. 8 BLV a. F. gewährt würde, ohne dass sie sich den mit der Vergünstigung verbundenen Erschwernissen, die mit einer Verlagerung des Lebensmittelpunkts regelmäßig verbunden seien, gestellt hätten.

Die Richtigkeit dieser tragenden Erwägung des VG wird durch das Antragsvorbringen nicht einmal im Ansatz in Frage gestellt.

Insbesondere erhellt das Antragsvorbringen nicht, warum das VG die Reichweite und die Bedeutung des Schutzzweckes von § 37 Abs. 4 und § 78 Satz 3 BetrVG verkannt haben sollte. Es unterliegt keinen Bedenken, dass der Kläger keinen Anspruch hat, dass seine berufliche Entwicklung und sein Besoldungsanspruch anhand der Entwicklung der von ihm herangezogenen Beamten, die nach dem besonderen Aufstiegsverfahren für eine Verwendung im höheren Dienst im Verwendungsgebiet Ost verblieben sind, nachgezeichnet wird.

Bei der Vergleichsgruppenbildung durfte die Beklagte nämlich in jedem Falle berücksichtigen, dass § 33 a Abs. 8 BLV in der hier - bis 8.7.2002 - unveränderten maßgeblichen Fassung (a.F.) nur für Verwendungsbereiche in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet einen erleichterten Aufstieg eröffnen wollte - mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen und im Übrigen auch im Grunde an eine fünfjährige Verwendungszeit im Verwendungsgebiet Ost knüpfende Sonderregelung für eine Beförderung bis höchstens zu einem Amt der Besoldungsgruppe A 14.

Die Regelung des erleichterten Aufstiegs im Verwendungsgebiet Ost zielte ersichtlich u. a. auf eine Vergünstigung derjenigen Beamten, die die Erschwernisse, wie die Verlagerung bzw. Beibehaltung des Lebensmittelpunktes in den Gebieten des sog. "Aufbau Ost" auf sich genommen haben; sie betrifft also ausschließlich eine Beschäftigungsgruppe, die in räumlich bestimmten Dienststellen innerhalb des Anstellungsbetriebes beschäftigt sind. Für die anderen Beschäftigten blieb es bei den bisherigen erschwerten Aufstiegsvoraussetzungen. Dies rechtfertigt es auch bei der Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung eines Betriebsratsmitgliedes, wie sie auf der Grundlage der einschlägigen Vorschrift des § 37 Abs. 4 BetrVG erforderlich ist, eine entsprechende Unterscheidung im Hinblick darauf vorzunehmen, ob das betreffende Betriebsratsmitglied auch in dieser Hinsicht vergleichbar ist und der entsprechenden, durch § 33 a Abs. 8 BLV a. F. privilegierten Beschäftigungsgruppe - Verwendung bzw. Freistellung als Mitglied eines Betriebsrates einer (Teil-)Dienststelle im entsprechenden Gebiet - angehört.

Gerade auch im unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 37 Abs. 4, 78 Satz 2 BetrVG gilt, dass Mitglieder von Betriebsverfassungsorganen grundsätzlich auch eine Schlechterstellung in Kauf nehmen müssen, wenn diese für alle Arbeitnehmer des Betriebes, der Betriebsabteilung oder der Beschäftigungsgruppe der sie angehören, gilt.

Vgl. Däubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar für die Praxis, § 78 Rn. 24.

Der zutreffende Ansatz des VG verkehrt auch nicht die Relation von spezialgesetzlicher Regelung und allgemeingesetzlicher Regelung. Es bedarf keiner besonderen Hervorhebung, dass für die auch im Rahmen der §§ 37 Abs. 4, 78 Satz 2 BetrVG notwendige Nachzeichnung eines (fiktiven) beruflichen Werdeganges eines (freigestellten) Betriebsratsmitgliedes die einschlägigen dienstrechtlichen Vorgaben, zu denen insbesondere die Regelungen der Laufbahnverordnungen zählen, namentlich zur Ausgrenzung bestimmter Vergleichsgruppen in die Betrachtung einzubeziehen sind. So wird regelmäßig die Nachzeichnung dort enden, wo bestimmte Bewährungen (Erschwernisse) Voraussetzung für eine Beförderung sind. Andernfalls würde aus dem Verbot der Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs für (freigestellte) Betriebsratsmitglieder eine - unzulässige -Begünstigung hergeleitet.

Vgl. zum LPVG NRW: OVG NRW, Urteil vom 24.6.1980 - 6 A 292/78 -, PersV 1982, 75.

Die Notwendigkeit der Einbeziehung laufbahnrechtlicher Vorschriften erhellt sich schließlich auch daraus, dass es im Falle des Klägers unbeschadet seiner Beschäftigung in einem privatrechtlich organisierten Unternehmen im Kern nicht um eine Erhöhung eines "Arbeitsentgelts" geht, sondern um einen Ausgleich in Bezug auf eine Besoldung. Die gesetzlich abschließend geregelte Besoldung und Versorgung von Beamten richtet sich aber grundsätzlich nach dem derzeitigen und zuletzt innegehabten statusrechtlichen Amt oder Dienstgrad (§§ 16, 19 BBesG). Dies gilt auch für Beamte, die in den Aktiengesellschaften beschäftigt sind, die die Nachfolge der Deutschen Bundespost angetreten haben (vgl. § 2 Abs. 3 PostPersRG). Aus § 24 Abs. 2 Satz 1 PostPersRG, wonach Beamte Arbeitnehmer im Sinne des - für die übrigen Beschäftigten der Nachfolgegesellschaften der Deutschen Bundespost unmittelbar anwendbaren - Betriebsverfassungsgesetzes sind, ergibt sich insoweit keine Modifizierung. Es wird nur sichergestellt, dass es eine betriebsverfassungsrechtlich einheitliche Betriebsvertretung gibt. Entscheidend wird deshalb ein Anspruch eines Beamten auf der Grundlage der §§ 37 Abs. 4, 78 Satz 2 BetrVG davon abhängen, ob dieser bei gebotener fiktiver Fortschreibung der beruflichen Entwicklung ohne seine Betriebsratstätigkeit voraussichtlich entsprechend zu befördern gewesen wäre. Eine solche Feststellung lässt sich hier für den Kläger - wie ausgeführt - schon in Ansehung der Regelung des § 33 a Abs. 8 BLV a. F. nicht treffen; die Regelung schließt es aus, ihn in Vergleich zu denjenigen zu setzen, die nach der Aufstiegsbewährung im Verwendungsgebiet Ost dort beschäftigt blieben oder dort als Betriebsratsmitglied freigestellt waren.

Die Überlegungen des Klägers zur Frage der Kausalität rechtfertigen keine andere Beurteilung. Zum einen kommt es auf die Frage der Kausalität der Betriebsratstätigkeit des Klägers nicht an, wenn seine berufliche Entwicklung aus anderen Gründen im Rahmen des § 37 Abs. 4 BetrVG nicht mit derjenigen eines Beschäftigten aus dem Verwendungsgebiet Ost zu vergleichen ist. Im Übrigen trifft es nicht, wenn der Kläger darauf abstellt, er habe wegen der Mitgliedschaft im Betriebsrat das Verwendungsgebiet Ost verlassen müssen. Er hat das Verwendungsgebiet Ost verlassen, weil er nur dorthin abgeordnet war und für sich eine Versetzung nach dort nicht in Betracht zog. Dies mag mit seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat in der Generaldirektion Bonn verbunden gewesen sein; hier lässt sich indes verlässlich allein sagen, dass die Entscheidung nur anlässlich seiner Betriebsratsmitgliedschaft und nicht wegen seiner Betriebsratsmitgliedschaft erfolgt ist. Insbesondere erscheint es offen, ob der Kläger, seine Betriebsratsmitgliedschaft hinweggedacht, im Verwendungsgebiet Ost verblieben wäre. Gerade mit Blick auf die zu erwartenden zusätzlichen Erschwernisse, die mit einer Verlagerung des Lebensmittelpunkts in das Verwendungsgebiet Ost seinerzeit verbunden waren, erscheint eine entsprechende Entscheidung - einen auf die Wahrung seiner Interessen bedachten Beamten unterstellt - nicht zwingend.

Ende der Entscheidung

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