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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.06.2006
Aktenzeichen: 1 A 2526/04
Rechtsgebiete: BVO NRW


Vorschriften:

BVO NRW § 13 Abs. 8
BVO NRW § 6 Abs. 2
Zu den Voraussetzungen des § 13 Abs. 8 Satz 1 Beihilfenverordnung NRW, unter denen das Fehlen der notwendigen vorherigen Anerkennung eines Sanatoriumsaufenthaltes als beihilfefähig dem Anspruch auf Beihilfe nicht entgegensteht.
Tatbestand:

Der Kläger leidet an einer Bechterewschen Erkrankung mit typischen Begleiterkrankungen. Er begehrte die Gewährung von Beihilfe im Zusammenhang mit einem Aufenthalt im Kur-Sport-Hotel B in Bad I / Österreich im Frühjahr 1999.

Der Kläger führte im vorgenannten Hotel seit 1979 mehr als 36 Sanatoriumsaufenthalte von durchschnittlich jeweils drei bis vier Wochen Dauer durch. Die Aufenthalte in den Jahren 1979 bis 1996 wurden von der Beklagten in voller Höhe als beihilfefähig anerkannt, hinsichtlich weiterer Aufenthalte kam es bereits zu Rechtstreitigkeiten, in denen es unter anderem um die auf fehlende fachliche Kompetenz gestützte Ablehnung des zuständigen Amtsarztes durch den Kläger ging.

Nach Abschluss des Sanatoriumsaufenthalts beantragte der Kläger entsprechende Beihilfeleistungen. Die Beklagte gewährte Beihilfen für die Behandlungen, lehnte jedoch im Übrigen die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der für Unterkunft, Verpflegung, Kurtaxe sowie Beförderung zum Kurort geltend gemachten Aufwendungen insgesamt ab.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren wies das VG die Klage ab. Die geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Verpflegung in einem Sanatorium sowie die Auslagen für Kurtaxe und Fahrtkosten seien vorliegend nicht beihilfefähig, weil die Festsetzungsstelle die dringende Notwendigkeit der Sanatoriumsbehandlung nicht aufgrund eines amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens vor Antritt der Maßnahme genehmigt habe. In diesem Zusammenhang sei ohne Belang, ob die Verweigerung der Anerkennung rechtmäßig gewesen sei, sie sei sachlich-rechtliche Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen. Die Beihilfe könne auch nicht aufgrund der Bestimmung des § 13 Abs. 8 BVO NRW ausnahmsweise dennoch erfolgen, da es an der erforderlichen Bestätigung durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten fehle. Daneben beruhe die Ablehnung der vorherigen Anerkennung auch auf einem Verschulden des Klägers, da dieser nicht dazu berechtigt gewesen sei, die erforderliche Untersuchung unter Hinweis auf eine vermeintliche Inkompetenz bzw. Voreingenommenheit des Gutachters abzulehnen. Es sei ihm auch angesichts seiner schweren Erkrankung zumutbar gewesen, sich in einem ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahren - gegebenenfalls unter Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes - vor Antritt der Reise um die erforderliche Anerkennung zu bemühen.

Der Berufung des Klägers setzte die Beklagte ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen entgegen, dass das Kur-Sport-Hotel B nicht den Anforderungen an ein Sanatorium nach den einschlägigen Bestimmungen entspreche. Die Berufung des Klägers hatte Erfolg.

Gründe:

Der Kläger hat einen Anspruch auf weitergehende Bewilligung aus § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 8 BVO NRW in der hier anzuwendenden Fassung vom 19.12.1991 - BVO a.F. - (GVBl. NRW 1992, S. 10 ff.).

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind die Kosten für Unterkunft und Verpflegung in einem Sanatorium sowie die Auslagen für Kurtaxe und die Kosten des ärztlichen Schlussberichts grundsätzlich beihilfefähig. Die Beförderungskosten sind bei Sanatoriumsaufenthalten im Sinne des § 6 BVO a.F. gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 BVO a.F. auch dann erstattungsfähig, wenn der Aufenthalt im Ausland durchgeführt wurde. Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit ist jedoch, dass die Festsetzungsstelle aufgrund des Gutachtens des zuständigen Amtsarztes oder eines Vertrauensarztes vorher die dringende Notwendigkeit der Sanatoriumsbehandlung und die fehlende Ersetzbarkeit durch eine Behandlung mit gleicher Erfolgsaussicht in einer anderen Krankenanstalt oder durch eine Heilkur nach § 7 BVO a.F. festgestellt hat (6 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.). Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BVO a.F. ist die Anerkennung der Beihilfefähigkeit nicht zulässig, wenn im laufenden oder in den beiden vorangegangenen Kalenderjahren bereits eine als beihilfefähig anerkannte Sanatoriumsbehandlung oder Heilkur durchgeführt worden ist. Von der Einhaltung der Frist darf u.a. gemäß Satz 3 Nr. 2 abgesehen werden, wenn nach dem Gutachten des zuständigen Amtsarztes oder eines Vertrauensarztes aus zwingenden medizinischen Gründen (z.B. in schweren Fällen von Morbus Bechterew) eine Sanatoriumsbehandlung in einem kürzeren Zeitabstand nötig ist.

Der Kläger hatte innerhalb der beiden vorangegangenen Kalenderjahre Sanatoriumsbehandlungen in Bad I durchgeführt. Deshalb war grundsätzlich eine vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit des Aufenthalts auf der Grundlage eines amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens erforderlich, das sowohl die Notwendigkeit einer Behandlung aus zwingenden medizinischen Gründen als auch die dringende medizinische Notwendigkeit der Behandlung in kürzeren Abständen bejahte.

Bei dem Erfordernis einer solchen vorherigen behördlichen Anerkennung, gegen das nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG keine rechtlichen Bedenken bestehen, vgl. BVerwG, Urteile vom 13.11.1997 - 2 A 7.96 -, Buchholz 270 § 7 BhV Nr. 4, und vom 5.11.1998 - 2 A 6.97 -, Dok. Berichte B 1999, S. 59, handelt es sich um ein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal. Der Rechtsanspruch auf Beihilfen zu medizinisch notwendigen Maßnahmen wird dadurch nicht angetastet, seine Verwirklichung jedoch regelmäßig von der Einhaltung eines bestimmten Verfahrens abhängig gemacht, das dem Beamten unter Berücksichtigung der gegenseitigen Treuepflicht regelmäßig zumutbar ist. Über dieses Anerkenntniserfordernis darf sich der Beihilfeberechtigte auch dann nicht hinwegsetzen, wenn sein Antrag abgelehnt worden ist, sondern muss in der Regel notfalls um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen. Das Erfordernis der vorherigen Prüfung der Beihilfefähigkeit der in Aussicht genommenen medizinischen Maßnahmen liegt nicht zuletzt auch im Interesse des Beamten, der dadurch unter Umständen davor bewahrt wird, nicht erstattungsfähige hohe Aufwendungen zu machen.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 6.4.1995, - 6 A 3689/93 -, m.w.N., Schütz/ Maiwald, Beamtenrecht, Entscheidungssammlung C IV 2 Nr. 94, vom 6.8.1997 - 12 A 81/95 - und vom 26.8.1997 - 6 A 7065/95 - sowie Beschluss vom 23.5.2006 - 6 A 3612/04 -.

Im gegebenen Fall fehlt es an der Durchführung dieses Anerkennungsverfahrens. Die Klage hat dennoch Erfolg, weil es mit Blick auf die besonderen Umstände des Einzelfalls - ausnahmsweise - unschädlich ist, dass eine vorherige Anerkennung durch die Festsetzungsstelle für den hier im Streit stehenden Aufenthalt nicht erfolgt ist. Denn gemäß § 13 Abs. 8 Satz 1 BVO a.F. wird die Beihilfe dennoch gewährt, wenn eine nach dieser Verordnung erforderliche vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit ohne das Verschulden des Antragstellers unterblieben ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Anwendbarkeit des § 13 Abs. 8 Satz 1 BVO a.F. steht zunächst nicht die fehlende amtsärztliche Feststellung der Notwendigkeit des Sanatoriumsaufenthaltes entgegen. § 13 Abs. 8 Satz 1 BVO a.F. erfasst den Fall einer unterbliebenen, aber erforderlichen vorherigen Anerkennung der Beihilfefähigkeit unabhängig von den Gründen, aus denen die Anerkennung seitens der Beihilfestelle unterblieben ist oder abgelehnt worden ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist allein, dass nicht der Antragsteller die fehlende Anerkennung verschuldet hat. Das fehlende Verschulden kann sich dabei auf jedes der Elemente der Anerkennung beziehen, nämlich auf Feststellung der Notwendigkeit der Sanatoriumsbehandlung als solcher und auf die Notwendigkeit kürzerer als der in der Beihilfenverordnung vorgesehenen Abstände. Ein Verschulden im Sinne des § 13 Abs. 8 Satz 1 BVO a.F. liegt immer dann vor, wenn sich der Beihilfeberechtigte über das Erfordernis der vorherigen Anerkennung vorsätzlich hinwegsetzt, obwohl ihm die Einhaltung des Verfahrens zugemutet werden konnte. Eine - die Unzumutbarkeit der Einhaltung jenes Verfahrens begründende - Ausnahme gilt z.B. für Fälle, in denen mit Rücksicht auf die Art der Erkrankung die Entscheidung der Festsetzungsstelle bzw. der Ausgang eines Rechtsbehelfsverfahrens nicht abgewartet werden kann. Eine derartige Eilbedürftigkeit ergibt sich allerdings weder aus der - bereits für die Beihilfefähigkeit als solche unabdingbaren - Notwendigkeit der Behandlung als solcher noch z.B. aus dem drohenden Verfallen eines vorsorglich reservierten Sanatoriumsplatzes.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 5.11.1998 - 2 A 6.97 -, a.a.O., und vom 13.11.1997 - 2 A 7.96 -, a.a.O.; OVG NRW, Urteile vom 6.4.1995 - 6 A 3689/93 - und vom 6.8.1997 - 12 A 81/95 -, a.a.O.

Ist die vorherige Anerkennung z.B. wegen fehlender oder fehlerhafter Einschätzung der Notwendigkeit der Sanatoriumsbehandlung abgelehnt worden und stellt sich die Notwendigkeit der Behandlung bei einer späteren (gerichtlichen) Überprüfung heraus, so ist die Anerkennung ebenfalls ohne Verschulden des Betroffenen unterblieben. Die von der Beklagten und im angefochtenen Urteil herangezogene Rechtsprechung des BVerwG zu § 17 Abs. 8 BhV, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen jener Bestimmung nur die fehlende vorherige Anerkennung unbeachtlich ist, nicht jedoch die fehlende Bestätigung durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, vgl. BVerwG, Urteile vom 13.11.1997 - 2 A 7.96 - und vom 5.11.1998 - 2 A 6.97 -, a.a.O., betrifft nicht die hier maßgebliche Rechtslage. Die Tatbestandsvoraussetzungen der diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Beihilfevorschriften des Bundes sind enger gefasst als die einschlägigen Bestimmungen der Beihilfenverordnung NRW in der hier maßgeblichen Fassung. Nach § 17 Abs. 8 BhV wird eine Beihilfe bei unterbliebener vorheriger Anerkennung nur dann gewährt, wenn das Versäumnis entschuldbar ist und die sachlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung der Beihilfefähigkeit nachgewiesen sind. Demgegenüber stellt § 13 Abs. 8 Satz 1 BVO a.F. allein darauf ab, dass die erforderliche vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit ohne Verschulden des Antragstellers unterblieben ist.

Dass sich der Kläger vorsätzlich über die ausdrückliche Ablehnung der Vorabanerkennung der Beklagten hinweggesetzt hat, steht zwar außer Zweifel. Ihm war jedoch ein weiteres Abwarten sowie die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Beklagte ausnahmsweise aufgrund der Umstände des Einzelfalls nicht zuzumuten.

Dem Kläger kann für den vorliegenden Fall nicht entgegengehalten werden, dass er jede Untersuchung durch den vom Amtsarzt hinzugezogenen Gutachter Dr. H. verweigert hat. Allerdings kann der Umstand, dass ein Beihilfeberechtigter den von der Beihilfestelle bestimmten Arzt ablehnt, regelmäßig ein Verschulden im Sinne des § 13 Abs. 8 BVO a.F. nicht entfallen lassen. Es ist grundsätzlich allein Sache der Beihilfestelle, den Arzt zu bestimmen, der die für die Entscheidung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. erforderliche gutachterliche Stellungnahme abgeben soll.

Ebenso Mohr/Sabolewski, Beihilfenrecht NRW, B I § 6 Anm. 3.

Der Fall des Klägers ist jedoch von Besonderheiten geprägt. Der Kläger hatte sich bereits in vorherigen Jahren substantiiert und unter Vorlage einer fachärztlicher Bescheinigung des Prof. Dr. Q. mit dem Ergebnis des seinerzeit vorliegenden amtsärztlichen Gutachtens zur Notwendigkeit einer Kur in Bad I auseinandergesetzt und die mangelnde Überzeugungskraft des Gutachtens dargetan. Dessen fachliche Fragwürdigkeit hatte er erneut in seinem Antrag auf Anerkennung des beabsichtigten streitgegenständlichen Sanatoriumsaufenthalts substantiiert geltend gemacht und sich dazu auf die weitere fachärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. R. bezogen, um seinen Standpunkt zu erhärten. Gleichzeitig hat der Kläger ausdrücklich die Zuziehung eines mit den Besonderheiten der Bechterewschen Erkrankung vertrauten Rheumatologen angeregt, um eine hinreichend fundierte Aussage zu der Notwendigkeit des Sanatoriumsaufenthaltes erhalten zu können.

Die Einschätzung des Klägers, dass eine Begutachtung seiner Person durch einen Facharzt für Orthopädie und Chirurgie nicht sachgerecht und insbesondere der hinzugezogene Gutachter Dr. H. aufgrund seiner Weiterbildung und formalen Qualifikation mit der ihm abverlangten Stellungnahme überfordert war, ist von dem herangezogenen Sachverständigen überzeugend bestätigt worden. Der Richtigkeit dieser Einschätzung ist die Beklagte nicht entgegengetreten; sie hätte sich ihr im Gesamtzusammenhang der lange bekannten Erkrankungen des Klägers und aus den Äußerungen des Dr. H. aber auch aufdrängen müssen. Deswegen wäre auf Seiten der Beklagten geboten gewesen, sich bei der erneuten Vorgabe dieses Gutachters mit den Einwänden des Klägers auseinanderzusetzen. Angesichts dieser Umstände und wegen der tiefgreifenden und trotz sachgerechter Einwände des Klägers nicht überwindbaren Meinungsunterschiede zwischen den Beteiligten war es für den Kläger nicht zumutbar, sich der ihm abverlangten Untersuchung zu unterziehen.

Dem Kläger war mit Rücksicht auf die Art seiner Erkrankung und der Komplexität der im Raum stehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch nicht zuzumuten, den Ausgang eines Rechtsbehelfsverfahrens über die Anerkennungsfähigkeit abzuwarten. Ausnahmsweise gilt dies hier auch für die im Regelfall zumutbare Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes. [wird ausgeführt] Bei dieser Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass die "vorläufige" Anerkennung der Maßnahme hier aufgrund der eintretenden Bindungswirkungen einer solchen Vorabanerkennung nicht möglich ist, sodass der Kläger eine Vorwegnahme der Hauptsache hätte begehren und das Vorliegen der Voraussetzungen dafür hätte glaubhaft machen müssen, was wegen der Abhängigkeit des Anspruchs von sachverständiger Beurteilung kaum zum Erfolg geführt hätte.

Die Sanatoriumsbehandlung des Klägers war nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme auch dringend erforderlich und konnte nicht durch eine erweiterte ambulante Physiotherapie ersetzt werden, da diese für die Behandlung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen nach dem Ergebnis des eingeholten Gutachtens eher weniger geeignet bis ungeeignet ist.

Die bloße Möglichkeit einer Behandlung in Nordrhein-Westfalen steht der Behandlung im EU - Ausland nicht entgegen. Eine dahingehende Auslegung der Beihilfenverordnung würde gegen die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs gemäß Art. 49 Abs. 1 EU verstoßen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.5.2002 - 2 C 35.00 -, BVerwGE 116, 269.

§ 10 Abs. 2 Satz 1 BVO a.F., der eine derartige Beschränkung vorsah, war insoweit aufgrund der unmittelbaren Geltung des europäischen Rechts nicht anzuwenden.

Die übrigen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. liegen vor. Auch die Eigenschaft des von dem Kläger ausgesuchten Kur-Sport-Hotels B als Sanatorium im Sinne des § 6 Abs. 2 b) BVO a.F. ist nicht zu bezweifeln. Für die Frage, ob es sich um ein Sanatorium handelt, kommt es nicht auf die Bezeichnung als "Sanatorium" an, sondern darauf, dass dort überwiegend kurmäßige Behandlungen vorgenommen werden.

Vgl. Mohr/Sabolewski, Beihilfenrecht NRW, B I § 6 Anm. 4.

Soweit die Beklagte geltend macht, bei dem Kur-Sport-Hotel B handele es sich um ein Wellness-Hotel und nicht um ein Sanatorium im Sinne der Beihilfenverordnung, ist zutreffend, dass das seit 2002 verwendete Werbematerial (Prospekte und Internet-Auftritt) in der Tat den gehobenen Hotel-Charakter mit eingeschlossenen Wellnessangeboten in den Vordergrund rückt. Es ist aber eine offenkundige Tatsache (§ 291 ZPO), dass im Gefolge der in Deutschland durchgeführten Gesundheitsreformen die Bewilligungen von Kur- bzw. Sanatoriumsbehandlungen generell zurückgegangen sind. Dies hatte zur Folge, dass die Kurbetriebe nicht nur in Deutschland, sondern auch in den klassischen Kurorten des angrenzenden Auslands verstärkt darauf angewiesen sind, neben den "klassischen" Kurgästen andere Kundenkreise zu erschließen und deshalb sowohl bei der Ausstattung ihrer Gebäude als auch in der Außendarstellung die Wünsche ihrer potenziellen Zielgruppen zu berücksichtigen und stärker zu betonen als den (die Allgemeinheit weniger ansprechenden) Sanatoriums- und Kurbetrieb. Aus der Auskunft des Landes T. ergibt sich eindeutig, dass das Kur-Sport-Hotel B in Bad I eine nach den maßgeblichen Bestimmungen des Landes T. anerkannte Kuranstalt ist [wird ausgeführt]. Die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Anerkennung entsprechen denjenigen des § 6 Abs. 2 a) Nrn. 1 - 3 und b) BVO a.F.

Der Kläger hat ferner Anspruch auf Erstattung der Beförderungskosten. Dieser Anspruch folgt aus § 10 Abs. 2 Satz 2 BVO a.F. und wird nicht durch Nr. 13.5 der Verwaltungsverordnung zur Ausführung der BVO NRW in der seinerzeit gültigen Fassung (VwV a.F.) ausgeschlossen. Danach konnten, wenn der gewünschte Heilerfolg durch eine Sanatoriumsbehandlung innerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen erzielt werden kann, Beförderungskosten höchstens bis zu der Höhe als beihilfefähig anerkannt werden, die bei Durchführung der Sanatoriumsbehandlung in Nordrhein-Westfalen entstanden wären. Zwar ist eine Beschränkung dieses Anspruchs grundsätzlich zulässig, denn die Beihilfeverordnung a.F. verpflichtet in § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 zur Bestimmung des "angemessenen Umfangs" der beihilfefähigen Aufwendungen nach einem inländischen Maßstab. Die Prüfung der Angemessenheit schließt die Möglichkeit einer Begrenzung der beihilfefähigen Beträge ein. In der Bestimmung des Angemessenen durch die Zugrundelegung inländischer Vorschriften liegt auch keine gemeinschaftsrechtswidrige Erschwerung der Inanspruchnahme ausländischer Einrichtungen im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG, vgl. Urteil vom 23. Mai 2002 a.a.O., sondern eine bloße Gleichstellung mit den Verhältnissen bei einem Sanatoriumsaufenthalt in Deutschland; eine Bevorzugung ausländischer Sanatorien ist gemeinschaftsrechtlich nicht geboten.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.7.2005 - 1 A 3565/03 -.

Eine solche Begrenzung des Beihilfeanspruchs aufgrund der Anwendung inländischen Rechts, z.B. bei der Orientierung der Bewertung der Beihilfefähigkeit an den Höchstsätzen des Leistungsverzeichnisses, steht vorliegend aber nicht im Streit. Die in Nr. 13.5 VwV a.F. geregelte Beschränkung knüpft nicht an sachliche Gründe der Angemessenheit sondern allein an die Entfernung der gewählten Behandlungsstätte an. Eine solche Anknüpfung schränkt die durch Art. 49 Abs. 1 EU gewährte Dienstleistungsfreiheit ein. Da die Begrenzung des Beförderungskostenanspruchs aus § 10 Abs. 1 BVO a.F. aufgrund des § 10 Abs. 2 Satz 2 BVO a.F. nicht anzuwenden ist und die Einschränkung des § 10 Abs. 2 Satz 1 BVO a.F. durch die Dienstleistungsfreiheit nach dem unmittelbar geltenden Art. 49 Abs. 1 EU ausgeschlossen wird, sind die Beförderungskosten einschließlich der Gepäckbeförderungskosten ebenfalls in voller Höhe beihilfefähig. Anhaltspunkte dafür, dass die Aufwendungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BVO a.F. nicht angemessen gewesen wären, bestehen nicht.[wird ausgeführt]

Der Zinsanspruch in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EG BGB. In der Rechtsprechung des BVerwG und des Senats ist geklärt, dass § 291 Satz 1 BGB im öffentlichen Recht entsprechende Anwendung findet, wenn die streitige Geldleistung der Höhe nach feststeht und das einschlägige Fachgesetz keine abweichende Regelung trifft, welche die Anwendung des § 291 BGB ausschließt.

Vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 25.1.2006 - 2 B 36.05 -, NVwZ 2006, 605, sowie Urteile vom 28.5.1998 - 2 C 28.97 -, NJW 1998, 3368, vom 28.6.1995 - 11 C 22.94 -, BVerwGE 99, 53, und vom 24.9.1987 - 2 C 27.84 -, ZBR 1988, 170.

Eine dem Prozesszinsanspruch entgegenstehende Bestimmung im Beihilferecht besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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