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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 30.07.2003
Aktenzeichen: 1 A 2575/02.PVL
Rechtsgebiete: LPVG NRW


Vorschriften:

LPVG NRW § 66 Abs. 3 Satz 4
LPVG NRW § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Die Einstellung eines Lehrers, der nicht über die Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik, sondern lediglich über eine solche für das Lehramt für die Primarstufe oder die Sekundarstufe I verfügt, an eine Schule für Erziehungshilfe (Sonderschule) gilt nicht gemäß § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW als gebilligt, wenn der Personalrat seine Zustimmungsverweigerung u.a. damit begründet, dass die Maßnahme dauerhaft zu erheblichen Mehrbelastungen der bereits an der Schule tätigen Lehrer führe, da es an Sonderschulen eine Reihe von Tätigkeiten gebe, die nur von Lehrkräften mit einer Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik wahrgenommen werden könnten.
Gründe:

Die Einstellung eines Lehrers, der nicht über die Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik, sondern lediglich über eine solche für das Lehramt für die Primarstufe oder die Sekundarstufe I verfügt, an eine Schule für Erziehungshilfe (Sonderschule) gilt nicht gemäß § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW als gebilligt, wenn der Antragsteller seine Zustimmungsverweigerung u.a. damit begründet, dass die Maßnahme dauerhaft zu erheblichen Mehrbelastungen der bereits an der Schule tätigen Lehrer führe, da es an Sonderschulen eine Reihe von Tätigkeiten gebe, die nur von Lehrkräften mit einer Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik wahrgenommen werden könnten.

Die Weigerung der Personalvertretung, einer vom Dienststellenleiter beabsichtigten Maßnahme zuzustimmen, ist nur dann beachtlich, wenn es sich bei den zur Begründung der Ablehnung geltend gemachten Gründen um solche i.S.v. § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW handelt. Denn nach der genannten Bestimmung hängt die Beachtlichkeit der für die Zustimmungsverweigerung gegebenen Begründung nicht allein von ihrer fristgerechten Anbringung ab. Das Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen kennt zwar keine gesetzlich festgelegten Gründe für die Verweigerung der Zustimmung des Personalrats zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG, vgl. Beschlüsse vom 27.9.1993 - 6 P 4.93 -, BVerwGE 84, 178 = Buchholz 251.2 § 79 BlnPersVG Nr. 5 = PersR 1993, 495 = PersV 1994, 508 = ZBR 1993, 370, vom 30.11.1994 - 6 P 11.93 -, BVerwGE 97, 154 = Buchholz 251.2 § 87 BlnPersVG Nr. 3 = DVBl 1995, 204 = DÖV 1995, 284 = NVwZ 1996, 187 = PersR 1995, 130 = PersV 1995, 181 = ZfPR 1995, 44, vom 6.9.1995 - 6 P 41.93 -, BVerwGE 99, 201 = Buchholz 251.5, § 77 HePersVG Nr. 5 = NVwZ 1997, 76 = RiA 1996, 307 = PersR 1996, 24 = PersV 1996, 265 = ZfPR 1996, 42 = ZTR 1996, 331, und vom 30.4.2001 - 6 P 9.00 -, IÖD 2001, 175 = PersV 2001, 411 = ZTR 2001, 433 = ZfPR 2001, 261 = PersR 2001, 382 = Schütz/Maiwald, BeamtR ES/D IV 1 Nr. 128, der sich der Fachsenat angeschlossen hat, vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26.2.1996 - 1 A 4265/92.PVL -, ZfPR 1996, 156 = ZBR 1996, 404, und vom 29.1.1997 - 1 A 3150/93.PVL -, NWVBl. 1997, 351 = PersR 1998, 72 = RiA 1997, 254 = Schütz, Beamtenrecht ES/D IV 1 Nr. 90 = ZTR 1997, 335, ist eine derartige Verweigerung aber auch ohne gesetzliche Bestimmung der dafür zugelassenen Gründe nur beachtlich, wenn die von der Personalvertretung angegebenen Gründe möglicherweise noch innerhalb der eingeräumten Mitbestimmung liegen. Ist dies offensichtlich nicht der Fall, fehlt es der gegebenen Begründung an ihrer Beachtlichkeit mit der Folge, dass sie wie eine nicht gegebene Begründung zur Fiktion der Billigung der Maßnahme nach § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NW führt. Dem Personalrat ist es nicht gestattet, von einer Mitbestimmungsbefugnis ohne inhaltlichen Bezug zu einem von der Maßnahme berührten gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand Gebrauch zu machen. An einem solchen Bezug fehlt es, wenn die vom Personalrat angeführten Gründe sich dem gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand, dessen Inhalt sowie insbesondere dem Sinn und Zweck des gesetzlichen Mitbestimmungserfordernisses nicht mehr zuordnen lassen. Ist eine Zuordnung in diesem Sinne offensichtlich nicht möglich, so lässt das erkennen, dass die Personalvertretung keine Regelung auf der Grundlage eines Mitbestimmungsrechts anstrebt, sondern die Zustimmung ohne einen vom Gesetz gebilligten Grund verweigert. Ein solches Verhalten wird durch das Recht nicht geschützt. Es löst deshalb keine Rechtsfolgen aus. Eine derart unbeachtliche Zustimmungsverweigerung kann insbesondere nicht die Verpflichtung der Dienststelle begründen, das Einigungsverfahren einzuleiten.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4.6.1993 - 6 P 32.91 -, Buchholz 251.2 § 86 BlnPersVG Nr. 2, vom 27.9.1993 - 6 P 4.93 -, a.a.O., und vom 6.9.1995 - 6 P 41.93 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschlüsse vom 26.2.1996 - 1 A 4265/92.PVL -, a.a.O., und vom 29.1.1997 - 1 A 3150/93.PVL -, a.a.O.

Das Merkmal der Offensichtlichkeit stellt sicher, dass sich der Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens durch den Dienststellenleiter trotz rechtzeitiger formgerechter Zustimmungsverweigerung des Personalrats auf Fälle beschränkt, in denen der Personalrat seine durch den jeweiligen Mitbestimmungstatbestand begrenzten Kompetenzen eindeutig überschreitet.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.4.2001 - 6 P 9.00 -, a.a.O.

Ausgehend davon ist die Verweigerung einer Zustimmung des Antragstellers zur Einstellung eines Lehrers, der nicht über die Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik, sondern lediglich über eine solche für das Lehramt für die Primarstufe oder die Sekundarstufe I verfügt, an eine Schule für Erziehungshilfe (Sonderschule) beachtlich, wenn sie damit begründet wird, dass sie dauerhaft zu erheblichen Mehrbelastungen der bereits an der Schule tätigen Lehrer führe, da es an Sonderschulen eine Reihe von Tätigkeiten gebe, die nur von Lehrkräften mit einer Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik wahrgenommen werden könnten. Dieser Einwand liegt nicht offensichtlich außerhalb des eingeräumten Mitbestimmungsrechts.

Da unter Einstellung im personalvertretungsrechtlichen Sinne die Eingliederung eines neuen Beschäftigten in die Dienststelle zu verstehen ist, dient die Mitbestimmungsbefugnis aus § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW der Wahrnehmung der kollektiven Interessen der vom Personalrat repräsentierten Beschäftigten. Angesichts dessen liegt eine Zustimmungsverweigerung, die - wie hier - auf eine mit einer Einstellung verbundene erhebliche Belastung der bereits vorhandenen Beschäftigten gestützt wird, inmitten des Mitbestimmungstatbestands.

Allerdings genügt nicht jede Belastung, die mit einer Einstellung und der dadurch bedingten Notwendigkeit einer Einarbeitung des neu Eingestellten verbunden ist, um die Zustimmung verweigern zu können. Denn anderenfalls könnte der Personalrat, jede von der Dienststelle beabsichtigte Einstellung verhindern, um so seine Personalvorstellungen durchzusetzen. Vielmehr muss es sich um eine über den Normalfall hinausgehende, spürbare, die Zumutbarkeitsgrenze überschreitende Benachteiligung der vorhandenen Beschäftigten über die Einarbeitungsbelastung hinaus handeln.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.9.1995 - 6 P 41.93 -, BVerwGE 99, 201 = Buchholz 251.5 § 77 HePersVG Nr. 5 = NVwZ 1997, 76 = PersR 1996, 24 = PersV 1996, 265 = RiA 1996, 307 = ZfPR 1996, 42 = ZTR 1996, 331; OVG NRW, Beschluss vom 29.9.1999 - 1 A 2363/98.PVB -.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Antragsteller stützt sich für seine Zustimmungsverweigerung nicht lediglich auf Belastungen, die mit der Einarbeitung der neuen Lehrkräfte verbunden sind. Seine Bedenken gehen vielmehr dahin, dass mit der Einstellung von Lehrkräften ohne die Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik auf Dauer negative Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung und die Arbeitsbedingungen der vorhandenen, über eine derartige Lehrbefähigung verfügenden Lehrkräfte zukommen. Diese Bedenken hat der Antragsteller auch nicht bloß pauschal geltend, wenn er zugleich - wie im Antrag vorausgesetzt - darauf hinweist, dass es in den Sonderschulen eine Reihe von Tätigkeiten gibt, die allein von Lehrkräften wahrgenommen werden können, die die Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik inne haben.

Der Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung steht nicht entgegen, dass sie in einer Vielzahl von Mitbestimmungsverfahren zum Tragen kommt. Denn die Frage, ob die vom Personalrat für eine Zustimmungsverweigerung angeführten Gründe einen inhaltlichen Bezug zu einem von der Maßnahme berührten gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand aufweisen, kann nicht von der Anzahl der betroffenen Mitbestimmungsverfahren abhängig sein. Insbesondere kann der Beteiligte nicht mit Erfolg einwenden, in Anbetracht der Vielzahl von Mitbestimmungsverfahren fehle es der Begründung an einem hinreichenden Bezug zum konkreten Einzelfall. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang nämlich allein, ob die gegebene Begründung auch in dem jeweiligen konkreten Fall einen Bezug zu dem in Rede stehenden Mitbestimmungstatbestand aufweist. Wenn dies für eine Vielzahl von Mitbestimmungsverfahren zu bejahen ist, hat der Beteiligte dies hinzunehmen. Ein solcher Umstand berechtigt ihn nicht, die Mitbestimmungsverfahren unter Hinweis auf eine gleichförmige Begründung der Zustimmungsverweigerung abzubrechen.

Ob die Einwendungen des Antragstellers im Konkreten schlüssig sind, insbesondere gegenüber den Erwiderungen des Beteiligten letztlich zu überzeugen vermögen, und ob der Beteiligte die Einwendungen für begründet hält mit der Folge, dass er von der Maßnahme in der beabsichtigten Form Abstand nimmt, ist unerheblich. Hinsichtlich der Frage der Berechtigung des Abbruchs eines Mitbestimmungsverfahrens durch einen Dienststellenleiter kommt es nur darauf an, ob die mit der Zustimmungsverweigerung genannten Gründe "möglich" sind. Allein im Verfahren vor der Einigungsstelle sind die vorgebrachten Gründe auf ihre Stichhaltigkeit und auf ihr abwägungserhebliches Gewicht zu prüfen. In diesem Verfahren hat der Dienststellenleiter Gelegenheit, seine eigene Entscheidung - wenn er an ihr festhält - unter Berücksichtigung der vom Personalrat aufgezeigten Gesichtspunkte ergänzend zu begründen. Hingegen berechtigt ihn eine vermeintliche Unschlüssigkeit der vom Personalrat vorgebrachten Gründe nicht bereits zum Abbruch des Verfahrens. Das würde nämlich bedeuten, dass er trotz grundsätzlicher Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerungsgründe das gesetzlich vorgesehene Einigungsverfahren verhindern könnte, nur weil er den Bedenken im Ergebnis nicht folgen mag, er sie also insofern lediglich für unbegründet hält. Der Abbruch des Verfahrens lässt sich aber erst - wovon hier keine Rede sein kann - im Falle einer missbräuchlichen Ausübung des Mitbestimmungsrechts rechtfertigen.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4.6.1993 - 6 P 33.91 -, Buchholz 251.2 § 86 BlnPersVG Nr. 3 = NVwZ 1994, 1223 = PersV 1994, 467 = ZTR 1994, 123, und vom 6.9.1995 - 6 P 41.93 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 29.9.1999 - 1 A 2363/ 98.PVB -.

Dem kann der Beteiligte nicht mit Erfolg entgegen halten, eine Zustimmungsverweigerung mit der in Rede stehenden Begründung sei missbräuchlich, weil der Antragsteller sich widersprüchlich verhalte, da sich durch sein Verhalten die derzeitige Mehrbelastung der vorhandenen Beschäftigten infolge der Unterbesetzung fortsetze. Mit diesem Einwand verkennt der Beteiligte, dass die mit einer Unterbesetzung verbundenen Mehrbelastungen vom Grundsatz her lediglich für eine absehbare Zeit bestehen, die vom Antragsteller geltend gemachten Belastungen hingegen auf Dauer angelegt ist.

Soweit der Beteiligte eine Mehrbelastung der vorhandenen Lehrkräfte infolge der Einstellung von Lehrkräfte ohne die Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik als vollständig ausgeschlossen ansieht, weil ausschließlich der Zustand, der vor der beabsichtigten Maßnahme geherrscht habe, mit demjenigen zu vergleichen sei, der nach Durchführung der Maßnahme eintrete, verkennt er den maßgeblichen Vergleichsmaßstab. Denn für die Frage der Belastung der Beschäftigten relevant kann in diesem Zusammenhang nur der Zustand sein, der für den Regelfall in der Dienststelle besteht. Der Regelfall ist aber, dass die Lehrkräfte an einer Schule für Erziehungshilfe die Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik besitzen. Will der Beteiligte Lehrkräfte einstellen, die nicht über eine derartige Lehrbefähigung verfügen, kann deshalb als Vergleichsmaßstab allein auf die Situation abgestellt werden, die bestehen würde, wenn Lehrkräfte mit einer Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik eingestellt würden.

Dass die beim Ministerium gebildete Einigungsstelle in einem anderen Mitbestimmungsverfahren der Landesregierung empfohlen hat, der Durchführung der sonderpädagogischen Sockelqualifikation für Lehrkräfte ohne die Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik an Schulen für Lernbehinderte und Erziehungshilfe zuzustimmen, und dass die Landesregierung daraufhin die fehlende Zustimmung des Hauptpersonalrats ersetzt hat, ist für das vorliegende Verfahren ohne Belang. Der Hinweis des Beteiligten auf diese Umstände geht deshalb ins Leere. Insbesondere fehlt jeder Anhalt dafür, dass der Antragsteller die Zustimmung zu den Einstellungen allein deshalb verweigert, weil er die Durchführung der die Sockelqualifikation betreffende - andere - Maßnahme verhindern will.

Der Einwand des Beteiligten, mit seiner Verweigerung der Zustimmung greife der Antragsteller in den "staatlichen Ermessens- und Beurteilungsspielraum" ein und beschränke unzulässigerweise das "Direktions- und Organisationsrecht des Landes", geht fehl, da vorliegend allein die Frage der Beachtlichkeit einer Zustimmungsverweigerung Gegenstand des Verfahrens ist. Die Tatsache, dass eine Zustimmungsverweigerung als beachtlich anzusehen ist, bedeutet noch nicht, dass die Maßnahme endgültig nicht durchgeführt werden kann. Über diese Frage ist vielmehr - wie bereits dargestellt - erst im weiteren Verlauf des sich anschließenden Stufen- und Einigungsstellenverfahrens zu entscheiden. Von einem Eingriff in einen "staatlichen Ermessens- und Beurteilungsspielraum" oder in ein "Direktions- und Organisationsrecht des Landes" kann deshalb keine Rede sein.

Ende der Entscheidung

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