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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 11.08.2006
Aktenzeichen: 1 A 2650/05
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 4 Abs. 1
GG Art. 4 Abs. 2
Weder unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG noch aus dem unter Beachtung der Ausstrahlungswirkung dieser Grundrechte auszulegenden Fürsorgeprinzip ergibt sich ein Anspruch auf Dienstbefreiung an religiösen Feiertagen (hier bezogen auf den von einem Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten geltend gemachten biblischen Sabbat von Freitag Sonnenuntergang bis Samstag Sonnenuntergang).
Tatbestand:

Der Kläger, getauftes Mitglied der "Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten", steht als auf Lebenszeit verbeamteter Brandmeister im Dienst der Beklagten und wird im feuerwehrtechnischen Einsatzdienst der städtischen Berufsfeuerwehr verwendet.

Der Kläger stellte gegenüber der Beklagten den Antrag, seine Diensteinteilung in der Weise zu ändern, dass er künftig regelmäßig in der Zeit "von Sonnenuntergang am Freitag bis zum Sonnenuntergang am Samstag" keinen Dienst mehr zu verrichten habe, hilfsweise ihn auf einen Dienstposten der Berufsfeuerwehr, für den kein "24-Stunden-Alarmdienst" bestehe, umzusetzen. Die Dienstpflicht an Wochenenden hindere ihn daran, den Sabbat zu heiligen. Seit seiner Taufe praktiziere er eine Übergangslösung, indem er mit Arbeitskollegen den Dienst an Wochenenden tausche. Dies stelle aber keinen auf Dauer einhaltbaren Zustand dar, er leide aufgrund der Situation, am Sabbat arbeiten zu müssen, bereits an psychischen Problemen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, kam aber Wünschen des Klägers nach Urlaub, Freizeitausgleich oder Diensttausch am Sabbat möglichst nach, soweit die dienstlichen Erfordernisse dies zuließen.

Widerspruch und Klage blieben, ebenso wie die Berufung, erfolglos.

Gründe:

Die Klage hat im Einklang mit der Entscheidung des VG keinen Erfolg. Sie ist als (allgemeine) Leistungsklage zulässig. Bei der streitgegenständlichen Änderung des Dienstplans handelt es sich um einen Realakt, sodass die Leistungsklage statthaft ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.8.2005 - 1 A 2722/04 -, Schütz, BeamtR ES/E III 2 Nr. 15.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte individuelle Änderung seiner Diensteinteilung derart, dass er regelmäßig in der Zeit von Freitagabend (Sonnenuntergang) bis Samstagabend (Sonnenuntergang) - dieser Zeitraum erfasst zwei Schichten - keinen Dienst zu leisten hat.

Die Diensteinteilung (24 Stunden "Alarmbereitschaft"/48 Stunden Freizeit) bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten entspricht der AZVOFeu (SGV. NRW. 20302) und verstößt, mit der aus Art. 2 Nr. 1 und Art. 6 b) der Richtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003 (ABl. L 299, S. 9) folgenden Maßgabe, dass die wöchentliche Dienst- und Bereitschaftszeit (mit Anwesenheitspflicht) 48 Stunden nicht übersteigen darf, vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.8.2005, a.a.O., insbesondere nicht zu Lasten des Klägers gegen höherrangiges Recht.

Mit seinem Begehren verfolgt der Kläger nicht das Unterlassen eines staatlichen Eingriffs in seinen durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützten Bereich der Religions-, Glaubens- oder Bekenntnisfreiheit, sondern einen Leistungsanspruch.

Der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG umfasst auch den Anspruch, nach eigenen religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen leben und handeln zu dürfen. Dabei sind nicht nur Ansichten, die auf imperativen Glaubenssätzen beruhen, durch Art. 4 GG geschützt. Vielmehr umspannt diese Freiheit auch religiöse Überzeugungen, die für eine konkrete Lebenssituation eine religiöse Reaktion zwar nicht zwingend fordern, diese aber für das beste und adäquate Mittel halten, um die Lebenslage nach der Glaubenshaltung zu bewältigen. Andernfalls würde das Grundrecht der Glaubensfreiheit sich nicht voll entfalten können.

Vgl. BVerfG, Entscheidung vom 19.10.1971 - 1 BvR 387/65 -, BVerfGE 32, 98.

Dass der Kläger sich an die Pflicht zur Einhaltung der Sabbat-Ruhe gebunden fühlt und von ihr nicht abweichen könnte, ohne unzumutbare Beeinträchtigungen - wie beispielsweise die von ihm geltend gemachte und möglicherweise seine Dienstfähigkeit beeinträchtigende psychische Belastung - in Kauf zu nehmen, hat er im Verlaufe des Verfahrens überzeugend dargelegt. Das Einhalten des biblischen Sabbats von Freitagabend bis Samstagabend stellt eine der zentralen Glaubensüberzeugungen der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten dar.

Vgl. Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, www.adventisten.de; Baer (Hrsg.), Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, S. 1210; Reller, Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, 5. Auflage, S. 195.

Ob die von dem Kläger vertretene möglichst ausnahmslose Einhaltung des Sabbatgebots tatsächlich in dieser Strenge mit der Glaubensüberzeugung und -ausübung der anderen Mitglieder der Religionsgemeinschaft übereinstimmt, oder aber auf der alleinigen Überzeugung des Klägers beruht, kann in diesem Zusammenhang ebenso offen gelassen werden, wie die Frage, ob eine solche "Einzelüberzeugung" dem Schutzbereich des Art. 4 GG unterfällt. Denn selbst wenn dies unterstellt wird, stellt die Dienstplaneinteilung bereits keinen "klassischen" staatlichen Eingriff in die Religions(ausübungs)freiheit dar, weil sie in ihrem Regelungsgehalt nicht auf die Beschränkung der religiösen Überzeugungen oder Betätigungen des Klägers zielt, sondern auf die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr. Sie greift nicht geplant in die durch Art. 4 GG geschützte Religions- Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Klägers ein und führt auch nicht unmittelbar dazu, dass der Kläger durch sie in jedem Fall und vollständig gehindert ist, den Sabbat zu begehen. Die von dem Kläger angeführten Auswirkungen der Dienstplangestaltung auf seine Religionsausübung am Sabbat sind lediglich mittelbarer Natur und resultieren einzig daraus, dass der von ihm als religiöser Feiertag angesehene Zeitraum für ihn nicht (ständig) arbeitsfrei ist. Dies stellt jedoch keinen staatlichen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, sondern ist Folge der - bei Wahrung der Institutsgarantie - verfassungsrechtlich unbedenklichen Befugnis des Gesetzgebers, zu regeln, ob und in welchem Umfang religiöse Feiertage staatlich geschützt werden sollen.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.9.1995 - 1 BvR 1456/95 -, NJW 1995, 3378; Berl. VerfGH, Beschluss vom 16.8.1995 - 1/95 -, NJW 1995, 3379.

Hieraus mögen sich Erschwernisse für die Orientierung der Lebensweise des Klägers an seinen Glaubensgrundsätzen ergeben. Diese stellen jedoch keinen staatlichen Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung dar, sondern haben ihren Grund allenfalls darin, dass der hier in Rede stehende religiöse Feiertag nicht zu den gesetzlichen Feiertagen zählt und damit ein Werktag ist. Vor solchen Beeinträchtigungen, die Folge des sozialen Zusammenlebens der Menschen sind, schützt Art. 4 GG nicht. Die vom Grundgesetz anerkannte Gemeinschaftsbindung des Individuums macht nämlich auch vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte gewissen äußersten Grenzziehungen zugänglich.

Vgl. BVerfGE, Entscheidung vom 5.3.1968 - 1 BvR 579/67 -, BVerfGE 23, 127, Beschluss vom 18.4.1984 - 1 BvL 43/81 -, BVerfGE 67, 26, Entscheidung vom 19.10.1971, a.a.O., Kammerbeschluss vom 18.9.1995, a.a.O.

Mit dem Klagebegehren verfolgt der Kläger bei objektiver Betrachtung einen auf die Änderung des bestehenden Dienstplans gerichteten Leistungsanspruch. Sein Begehren ist zumindest auf eine Veränderung, wenn nicht sogar Erweiterung seines Rechtskreises durch die Beklagte, mithin auf eine (hier organisatorische) staatliche Leistung gerichtet.

Ein derartiger Leistungsanspruch des Klägers folgt namentlich nicht aus dem durch Art. 4 GG geschützten Bereich der Religions-, Glaubens- oder Bekenntnisfreiheit, und zwar weder unmittelbar noch als (denkbare) Kehrseite eines etwaigen Anspruchs auf Unterlassung eines verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriffs in dieses Grundrecht. Das BVerfG hat insoweit in ständiger Rechtsprechung eindeutig entschieden, dass aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG kein Anspruch des Einzelnen gegen den Staat folgt, die Rechtsordnung nach seinen Glaubens- und Gewissensvorstellungen zu gestalten und zu verlangen, dass seine Überzeugung zum Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen oder ihrer Anwendung gemacht wird. Insbesondere kann niemand aus diesem Grundrecht den Anspruch herleiten, den Gesetzgeber zu verpflichten, bestimmte religiöse Feiertage ganztägig als Tag der Arbeitsruhe auszuweisen und Beamte oder Arbeitnehmer von ihrer aus dem Beamtenverhältnis oder ihrem Arbeitsvertrag folgenden Verpflichtung zur Dienstleistung freizustellen.

Vgl. BVerfG Entscheidung vom 19.10.1971, a.a.O. und Kammerbeschluss vom 18.9.1995, a.a.O.; Berl. VerfGH, Beschluss vom 16.8.1995, a.a.O.; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 42 zu Art. 4 GG, und Sachs, Grundgesetz-Kommentar, Art. 140 GG Rn. 4.

Dem entspricht die über Art. 140 GG zum Bestandteil des Grundgesetzes gewordene Regel des Art. 139 WRV, nach welcher der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung gesetzlich geschützt bleiben. Einen gleichwertig hervorgehobenen Schutz für die nicht staatlich anerkannten Feier- und Ruhetage der Religionsgemeinschaften im Übrigen gibt es nicht.

Die Beklagte ist zu der individuellen Änderung der begehrten Diensteinteilung des Klägers auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Ausstrahlungswirkung von Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG auf das als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG, § 85 LBG NRW vom Dienstherrn zu beachtende Fürsorgegebot verpflichtet. Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantierten Freiheitsrechte sind zugleich eine wertentscheidende Grundsatznorm, und zwar höchsten verfassungsrechtlichen Ranges, die bei Staatstätigkeit jeder Art ihre Wertmaßstäbe setzende Kraft entfaltet und Beachtung verlangt.

Ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. zuletzt Kammerbeschluss vom 31.5.2006 - 2 BvR 1693/04 -, juris, m.w.N.

Die sich daraus ergebende Schutzpflicht des Staates, die ihren Ausdruck in einem allgemeinen staatlichen "Wohlwollensgebot" gegenüber demjenigen findet, der sich auf Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beruft , ist aber ebensowenig wie die Religions- bzw. Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG selbst grenzen- bzw. schrankenlos gewährleistet. Zwar sind Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht durch einen Gesetzesvorbehalt eingeschränkt, aber dennoch Einschränkungen zugänglich, die sich aus der Verfassung selbst ergeben.

Vgl. BVerfGE, Entscheidungen vom 5.3.1968 und vom 19.10.1971, a.a.O., Beschluss vom 18.4. 1984, a.a.O., Kammerbeschlüsse vom 15.8.1989 - 1 BvR 881/89 -, NJW 89, 3269; und vom 18.9.1995, a.a.O.

Dass ein Anspruch auf Schutz durch die begehrte Änderung der Diensteinteilung für den Kläger nicht besteht, folgt darüber hinaus im Besonderen aus dem Umstand, dass er Beamter der Beklagten ist. Es unterliegt zwar keinen Zweifeln, dass die Grundrechte prinzipiell auch innerhalb des Beamtenverhältnisses Geltung beanspruchen. Andererseits sind die rechtlichen Möglichkeiten des Beamten, von den ihm zustehenden Grundrechten Gebrauch zu machen, durch seinen Pflichtenkreis begrenzt. Dieser erlaubt es dem Dienstherrn, der Grundrechtsausübung des Beamten im Dienst durch gesetzlich ausgestaltete Dienstpflichten Grenzen zu setzen, die sich aus den allgemeinen Anforderungen an den öffentlichen Dienst oder aus den besonderen Erfordernissen des jeweiligen öffentlichen Amtes ergeben.

Vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl., Rdnr. 210; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/ Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, § 2 BBG Rdnr. 12, jeweils m.w.N.

Dies gilt auch für die wie hier vorbehaltlos, nicht aber "schrankenlos" gewährten Grundrechte, wie die Religionsfreiheit im weiteren Sinne, sofern sie mit einem der in Art. 33 Abs. 5 GG mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsätze des Berufsbeamtentums kollidieren.

Vgl. Schnellenbach, a.a.O.; Lemhöfer, a.a.O., jeweils m.w.N.

In einem solchen "Kollisionsfall" sind die dienstliche Stellung und der Aufgaben- und Pflichtenkreis des Beamten einerseits und das Grundrecht andererseits unter Beachtung des Wesensgehalts des Grundrechts nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses grundrechtlichen Wertsystems situationsgebunden nach dem Grundsatz des schonendsten Ausgleichs in eine sinnvolle Balance zu bringen. Nur wenn ein solcher Ausgleich nicht möglich ist, muss geprüft werden, welches Grundrecht nach den Umständen des Einzelfalls das größere Gewicht hat.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 31.5.2006, a.a.O., m.w.N., Entscheidung vom 19.10.1971, a.a.O., Urteil vom 5.6.1973 - 1 BvR 536/72 -, BVerfGE 35, 202 ff.; BVerwG, Urteil vom 15.3.1973 - II C 7.71 -, BVerwGE 42, 79; Schnellenbach, a.a.O., Rdnr. 211.

In diesem Zusammenhang kann weder eine "Ausgangsvermutung" für die volle Geltung aller Grundrechte auch für den Beamten angenommen werden noch ein regelmäßiger Vorrang der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Jede dieser Sichtweisen würde dem Prinzip der Einheit der Verfassung widersprechen, als dessen Konsequenz sich die Notwendigkeit praktischer Konkordanz darstellt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.3.1973, a.a.O.; Schnellenbach, a.a.O., Rdnr. 211.

Es ist deshalb in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sich aus dem den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums entsprechenden Dienst- und Treueverhältnis Pflichten ergeben, denen gegenüber dem betreffenden Grundrecht das höhere Gewicht zukommt.

Vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., § 2 BBG Rdnr. 14.

Hier kollidiert das durch die - nicht schrankenlos - gewährte Religions- bzw. Religionsausübungsfreiheit geschützte Recht des Klägers, sein Leben an seiner religiösen Überzeugung auszurichten, indem er am Sabbat nicht arbeitet, mit der durch den Dienstherrn vorgegebenen Arbeitszeitregelung. Diese ist als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankert. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört der Grundsatz, dass der Beamte sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen hat, der u. a. in § 36 Satz 1 BRRG und § 57 LBG NRW Ausdruck gefunden hat. Dieser Grundsatz schließt bei den Beamten, die ihren Dienst innerhalb bestimmter Dienststunden abzuleisten haben, die Pflicht ein, während der Dienststunden an dem vorgesehenen Dienstplatz anwesend zu sein. Die öffentliche Verwaltung kann nämlich im Interesse der Allgemeinheit nur dann zuverlässig arbeiten, wenn sichergestellt ist, dass die Beamten zur jeweils bestimmten regelmäßigen Dienstzeit die ihnen obliegenden dienstlichen Verrichtungen auch tatsächlich wahrnehmen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 29.6.1999 - 1 D 104.97 -, BVerwGE 113, 361, und vom 15.3. 1973, a.a.O.

Dies gilt in besonderem Maße für den feuerwehrtechnischen Dienst. Das überragende öffentliche Interesse an dessen Funktionsfähigkeit ist offensichtlich und bedarf keiner näheren Erläuterung.

Da sich diese Beschränkung der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleisteten Grundrechte ebenfalls auf eine Verfassungsbestimmung, nämlich Art. 33 Abs. 5 GG zurückführen lässt, kann vorliegend offen gelassen werden, ob Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 1 WRV die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG unter den Vorbehalt der allgemeinen Gesetze stellt.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23.11.2000 - 3 C 40.99 -, BVerwGE 112, 227, m.w.N.

Diesem hiernach jedenfalls verfassungsrechtlich bedeutsamen Belang des Dienstherrn steht das auf seine religiöse Überzeugung gestützte Verlangen des Klägers gegenüber, ohne Einschränkungen unbedingt von der Dienstleistung in der Zeit von Freitagabend bis Samstagabend freigestellt zu werden.

Unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten [wird ausgeführt], die bereits für eine tatsächliche Unmöglichkeit der von dem Kläger begehrten Umstellung des Dienstplans sprechen, ist die Beklagte aus Rechtsgründen daran gehindert, dem Begehren des Klägers nachzukommen. Es ist keine alternative allgemeine Dienstzeitregelung ersichtlich, welche auf gleiche Weise die ständige Einsatzfähigkeit der Feuerwehr sicherstellen würde, ohne dabei auf Schichtdienstmodelle zurückgreifen zu müssen. Ein solcher Schichtdienst könnte aber nicht so gestaltet werden, dass der Kläger regelmäßig von der Dienstleistung während des Sabbats befreit wäre. Jedes denkbare Arbeitszeitmodell hat nämlich - auch unter dem Aspekt der allgemeinen Gleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. Abs. 1 GG - auf eine gleichmäßige Belastung der Beamten zu achten. Dazu gehört insbesondere auch eine gleichmäßige Verteilung des Dienstes zu "ungünstigen" Zeiten, wie an Wochenenden oder Feiertagen. Eine einseitige Berücksichtigung der religiösen Belange des Klägers durch die Beklagte im Rahmen der Dienstzeiteinteilung stünde auch in Widerspruch zu Art. 33 Abs. 3 Satz 2 und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Sie würde nämlich eine Bevorzugung des Klägers aufgrund seiner Religion gegenüber den anderen Beamten darstellen, die an Sonn- und kirchlichen Feiertagen ihren Dienst versehen und dadurch gegebenenfalls auch in ihrer Religionsfreiheit berührt werden. Eine Gleichbehandlung der Beamten dahingehend, dass die jeweiligen konfessionellen Ruhe- und Feiertage bei der Diensteinteilung generell berücksichtigt würden, führt offensichtlich dazu, dass die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr an diesen Tagen nicht mehr gewährleistet wäre. Das deswegen in dem Begehren des Klägers liegende einseitige Bestreben, sich auf Kosten der Kollegen kompromisslos durchzusetzen, ist von Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht gedeckt, vgl. dazu allgemein: Schmidt-Bleibtreu/Klein, a.a.O., und kann deshalb auch im Rahmen der im Licht des Art. 4 GG auszugestaltenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn kein zu berücksichtigender Belang sein.

Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass es dem Kläger über einen erheblichen Zeitraum hinweg gelungen ist, durch das "Tauschen" von Schichten und unter Inanspruchnahme seines Erholungsurlaubs regelmäßig am Sabbat dienstfrei zu haben. Der freiwillige Tausch von Schichten oder auch Teilschichten kann nicht mit einer durch den Dienstherrn angeordneten Dienstaufteilung verglichen werden. Der freiwillige Tausch unterliegt nach der Verwaltungspraxis der Beklagten der Eigenorganisation der Beamten. Die von hoher Hand angeordnete Schichteinteilung ist dagegen den dargelegten rechtlichen Einschränkungen unterworfen, welche für eine auf freiwilliger Übereinkunft der beteiligten Beamten beruhenden Einzelfallregelung nicht gelten.

Eine praktische Konkordanz der widerstreitenden Verfassungsrechte kann nach alledem vorliegend nur durch eine Umsetzung des Klägers auf einen Dienstposten außerhalb des schichtabhängigen Einsatzdienstes erreicht werden. Die Beklagte hat sich grundsätzlich zu einer solchen Lösung bereit erklärt, soweit ihr dies dienstrechtlich und tatsächlich möglich sei. Einen über den Inhalt dieser Erklärung hinausgehenden Anspruch hat der Kläger weder unmittelbar aus Art. 4 GG noch aus der den Dienstherrn treffenden und durch Art. 4 GG beeinflussten Fürsorgepflicht. Dies gilt namentlich etwa für eine sofortige Umsetzung oder die Einrichtung einer entsprechenden Planstelle. Das Organisationsermessen der Beklagten wird weder durch die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützten Grundrechte des Klägers noch durch das allgemeine beamtenrechtliche Fürsorgeprinzip dahingehend eingeschränkt, dass sie dazu verpflichtet wäre, eine entsprechende Stelle zu schaffen, sei es durch Ausweisung einer zusätzlichen Planstelle oder im Wege der Unterbesetzung eines höherwertigen Dienstpostens. Es ist allgemein anerkannt, dass einem Beamten grundsätzlich kein Anspruch auf Beförderung zusteht und die Zuweisung eines Dienstpostens, sei es durch Beförderung oder im Wege der Umsetzung, unter dem haushaltsrechtlichen Vorbehalt (hier aus § 74 Abs. 2 Satz 1 GO i.V.m. § 8 GemHVO NRW) steht, dass eine besetzungsfähige Planstelle überhaupt zur Verfügung steht.

vgl. für den Fall der Beförderung BVerwG, Gerichtsbescheid vom 21.9.2005 - 2 A 5.04 -, juris, m.w.N.

Anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, denn der Schutzbereich dieses Grundrechts gewährt - wie dargelegt - keinen Anspruch auf eine bestimmte Gestaltung der Rechtsordnung oder ihrer Anwendung. Vorliegend steht dieser Erwägung nicht entgegen, dass der Kläger bereits eine Planstelle bei der Beklagten innehat und diese im Falle seiner Umsetzung lediglich organisatorisch aus dem Bereich der Einsatzkräfte in einen anderen, nicht im Schichtbetrieb arbeitenden Bereich der Feuerwehr verlagert werden müsste. Diese Sichtweise berücksichtigt nämlich nicht die Notwendigkeit, im Einsatzbereich einen Ersatz für den Kläger zu schaffen.

Stellt sich somit ein Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsgrundsätze im Wege der praktischen Konkordanz zum jetzigen Zeitpunkt als unmöglich und in der Zukunft zwar als möglich, aber jedenfalls hinsichtlich des Zeitpunkts der Umsetzung als ungewiss dar, sind die betroffenen Belange gegeneinander abzuwägen. Die Abwägung, welchem der betroffenen Verfassungsrechte der Vorrang einzuräumen ist, geht zu Lasten der Religions(ausübungs)freiheit des Klägers aus.

Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass sowohl die Erfüllung des aus Art. 28 Abs. 2 GG folgenden Verfassungsauftrags an die Gemeinden, im Rahmen der Daseinsvorsorge die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, als auch die Funktionsfähigkeit jeglicher staatlicher Verwaltung ernstlich bedroht wären, falls ein Beamter sich unter bloßer Berufung auf seine Glaubensgrundsätze oder sein Gewissen einer dienstlichen Weisung (wie z.B. der Festlegung des Dienstplans) entziehen könnte. Daher muss es der Beamte grundsätzlich hinnehmen, dass ihm Verhaltensweisen oder Verrichtungen angesonnen werden - vorausgesetzt, dass diese weder gegen gesetzliche Verbote noch gegen die guten Sitten verstoßen -, die dem durch seine von ihm nach seinem freien Willensentschluss gewählte Laufbahn geprägten Berufsbild wesensgemäß sind.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.9.1978 - 2 B 31.78 -, BVerwGE 56, 227.

Der Schichtdienst auch an Sonn- und (religiösen) Feiertagen gehört zum Berufsbild des Brandmeisters und ist daher eine typische und von dem Beamten hinzunehmende Folge dieses Berufsbildes. Die Arbeit an Sonn- und Feiertagen stellt sich grundsätzlich auch nicht als sittenwidrig dar. Hierbei ist nicht auf die subjektive Sicht des Klägers abzustellen, sondern auf die Sozialgeltung sittlicher Regeln, die sich aus dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden ergibt. Diese Sichtweise schließt es aus, dass das Sittlichkeitsempfinden des Einzelnen zum Maßstab gemacht wird.

Vgl. z.B. Staudinger - Dilcher, BGB, Kommentar, § 138 Rdnr. 7 f.

Diesem öffentlichen Belang steht die religiöse Überzeugung des Klägers gegenüber. Angesichts der durch den Sozialbezug der Grundrechte bestehenden und bereits ausführlich dargestellten grundrechtsimmanenten Schranken des Art. 4 Abs. 1 und insbesondere Abs. 2 GG betreffen die durch die Dienstzeitregelung verursachten Erschwernisse lediglich den Randbereich der durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützten Rechte des Klägers. Misst der Kläger diesem Bereich seiner Grundrechtssphäre persönlich dennoch eine zentrale Bedeutung zu, steht es ihm frei, sich dem Konflikt durch einen Antrag auf seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zu entziehen, um sich damit von den seinen Glaubensüberzeugungen widersprechenden Pflichten zu lösen, die er mit seinem - auch in Bezug auf die Laufbahn, der er angehört - freiwilligen Eintritt in das Beamtenverhältnis übernommen hat. Diese Alternative stellt sich für den Betroffenen - insbesondere dann, wenn er wie der Kläger bereits seit langer Zeit dem öffentlichen Dienst angehört - sicherlich als gravierend dar. Sie steht jedoch nicht im Widerspruch zu der verfassungsrechtlichen Wertordnung. Art. 33 Abs. 2 und 3 und Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 2 WRV eröffnen jedem Deutschen ungeachtet seiner Religion den Zugang zum öffentlichen Dienst. Diese Verfassungsgarantie umfasst jedoch nur den öffentlichen Dienst in seiner bestehenden Form, mit den ihm eigenen und oben dargestellten laufbahntypischen Einschränkungen auch einzelner Grundrechte des Beamten. Ein über die Eröffnung dieses Zugangs hinausgehender Anspruch des Einzelnen auch auf die inhaltliche Ausgestaltung des Dienstverhältnisses folgt daraus nicht.

Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung der Arbeits- und Sozialgerichte.

Vgl. z.B. BSG, Urteil vom 10.12.1980 - 7 Rar 93/79 -; OVG NRW, Beschluss vom 7.8.1984 - 5 B 1257/84 -; LAG Schl.-H., Urteil vom 22.6.2005 - 4 Sa 120/05 -: SG Berlin, Urteil vom 25.1.1989 - S 60 Ar 76/88 -.

Gegenstand dieser Entscheidungen ist - wie hier - die einzelfallbezogene Abwägung miteinander kollidierender Grundrechte unter Anwendung der oben dargestellten in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Grundsätze. Diesen Entscheidungen lässt sich keine über das oben Dargestellte hinausgehende verallgemeinerungsfähige und auf den hier zu entscheidenden Fall zu übertragende Aussage entnehmen.

Aus alledem folgt zugleich, dass sich ein Anspruch des Klägers auf eine Änderung des Dienstplans auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergibt. Ein solcher Anspruch ist mit Blick auf die dem Kläger ärztlicherseits bescheinigte Möglichkeit einer durch die Dienstpflicht am Sabbat ausgelösten Erkrankung in Betracht zu ziehen. Er besteht jedoch nicht, denn diese denkbare Rechtsgrundlage gewährt keinen gegenüber Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG und dem Fürsorgeprinzip weitergehenden Schutz. Dies folgt schon daraus, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG einen namentlich die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit umfassenden Vorbehalt der Einschränkung durch einfaches Gesetz, hier z.B. die Arbeitszeitverordnung und die erwähnten aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Rechtsgrundsätze, enthält. Abgesehen davon ist die mögliche Gesundheitsbeeinträchtigung des Klägers im Kern auf seinen religiös bedingten Wertekonflikt zurückzuführen, so dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn hier nicht weiter gehen kann, als bei der Lösung des eigentlichen Grundrechtskonflikts. Es kann dem Kläger daher auch zur Vermeidung einer durch seinen religiös bedingten Gewissenskonflikt ausgelösten Gesundheitsbeeinträchtigung zugemutet werden, gegebenenfalls seine Entlassung aus dem Dienst zu beantragen.

Ende der Entscheidung

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