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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 27.02.2008
Aktenzeichen: 1 A 30/07
Rechtsgebiete: WoGG, BSHG, SGB XII


Vorschriften:

WoGG § 39
BSHG § 21 Abs. 1a
BSHG § 22
SGB XII § 28
SGB XII § 28 Abs. 1 Satz 1
SGB XII § 28 Abs. 2
SGB XII § 28 Abs. 3
SGB XII § 28 Abs. 4
SGB XII § 30
SGB XII § 31
SGB XII § 31 Abs. 1 Nr. 3
SGB XII § 32
SGB XII § 33
SGB XII § 34
1. Die Vollstreckungsanordnung des BVerfG im Beschluss vom 24.11.1998 - 2 BvL 26/91 u. a. -, BVerfGE 99, 300 ff., gilt auch im Jahr 2005 fort und ist nicht wegen Änderungen bei den maßgeblichen Berechnungsgrundlagen gegenstandslos geworden. Insbesondere steht ihrer weiteren Anwendbarkeit das Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes mit Ablauf des 31.12.2004 nicht entgegen.

2. Seit dem 1.1.2005 ist nach Maßgabe der Gründe zu C.III.3. in der Entscheidung des BVerfG vom 24.11.1998, a. a. O., der durchschnittliche sozialhilferechtliche Gesamtbedarf eines Kindes auf der Grundlage des SGB XII zu berechnen.


Tatbestand:

Der Kläger steht als Beamter in Diensten der Beklagten und ist für seine drei Kinder kindergeldberechtigt. Er begehrte u. a. für das Jahr 2005 die Zahlung eines erhöhten Familienzuschlags für sein drittes Kind. Das VG hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Der geltend gemachte Anspruch für das Jahr 2005 auf Zahlung eines höheren als des gesetzlich festgelegten Familienzuschlags, also eines Besoldungsbestandteils (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BBesG), ergibt sich unmittelbar aus dem Tenor der Entscheidung des BVerfG vom 24.11.1998.

BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 - 2 BvL 26/91 u. a. -, BVerfGE 99, 300, 314 ff.

Die Entscheidungsformel zu 2. enthält zwei voneinander unabhängige Aussprüche. Im ersten Teil wird der Gesetzgeber verpflichtet, innerhalb einer bestimmten Frist die im Tenor zu 1. als verfassungswidrig beanstandete Rechtslage neu zu ordnen. Der zweite Teil begründet darüber hinausgehend auf der Grundlage einer sog. Vollstreckungsanordnung (§ 35 BVerfGG) Leistungsansprüche jenseits gesetzgeberischer Maßnahmen, sofern der Gesetzgeber den zuvor ausgesprochenen legislatorischen Verpflichtungen nicht nachkommt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.6.2004 - 2 C 34.02 -, BVerwGE 121, 91, 93; OVG NRW, Urteil vom 15.1.2007 - 1 A 3433/05 -, NWVBl. 2007, 265.

Dieser Teil der Entscheidungsformel ist nach der Auffassung des BVerwG, welcher der Senat folgt, unmittelbar anspruchsbegründend. Der Dienstherr ist daraus verpflichtet, dem Beamten oder Richter für sein drittes und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 v. H. des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes zu zahlen. Ob und in welcher Höhe ein Besoldungsdefizit besteht, ergibt sich nach Maßgabe der Entscheidungsgründe zu C.III.3. aus einem Vergleich von 115 v. H. des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes mit dem monatlichen Mehrbetrag des pauschalierend und typisierend ermittelten Nettoeinkommens, den ein Beamter oder Richter der jeweiligen Besoldungsgruppe mit drei bzw. mehr Kindern gegenüber einem solchen mit zwei Kindern erzielt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998, a. a. O, S. 321 ff.; BVerwG, Urteil vom 17.6.2004, a. a. O., S. 93, 98 ff.

Ausgehend hiervon hat der Kläger für das Jahr 2005 Anspruch auf weitere familienbezogene Besoldungsbestandteile, da die gesetzlich bestimmte Besoldung nicht den Vorgaben des vorzierten Beschlusses des BVerfG entsprochen hat.

An dieser Feststellung und einem entsprechenden Zahlungsausspruch zu Lasten der Beklagten ist der Senat weder durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 BBesG noch durch eine Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 1 GG gehindert. Vielmehr sind die Fachgerichte auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG, vgl. Beschluss vom 24.11.1998, Entscheidungsformel zu Nr. 2, a. a. O., S. 304 und 332, befugt, eine den dortigen Vorgaben nicht genügende, nämlich mit Blick auf das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind zu niedrige Besoldung festzustellen, die Differenz nach Maßgabe der Gründe des vorgenannten Beschlusses zu C.III.3. (a. a. O., S. 321 ff.) selbst zu berechnen und dem Besoldungsempfänger zusätzliche familienbezogene Gehaltsbestandteile unmittelbar zuzusprechen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.6.2004, a. a. O.; OVG NRW, Urteil vom 6.10.2006 - 1 A 1927/05 -, juris, und vom 15.1.2007, a. a. O.

Diese Befugnis gilt auch für das Jahr 2005, weil die Vollstreckungsanordnung des BVerfG sich bis zu diesem Zeitpunkt - anders als die Beklagte meint - nicht allgemein erledigt hat. Eine solche Erledigung hätte entweder dadurch eintreten können, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich aus eigener Kompetenz Maßstäbe gebildet und Parameter festgelegt hätte, nach denen die Besoldung der kinderreichen Beamten (ausreichend) bemessen und der Bedarf eines dritten und jedes weiteren Kindes ermittelt wird, vgl. dazu dass in diesem Fall das Verwerfungsmonopol des BVerfG wieder den Vorrang gewinnt: BVerwG, Urteil vom 17.6.2004, a. a. O, Leitsatz und S. 97 f., oder aber dadurch, dass infolge einer Änderung der maßgeblichen Berechnungsgrundlagen die Berechnungsmethode des BVerfG nicht oder nicht mehr sinnvoll angewendet werden könnte. Beides ist jedoch nicht der Fall.

So auch Saarl. OVG, Urteil vom 23.3.2007 - 1 R 25/06 -, LKRZ 2007, 230; OVG S.-A., Urteil vom 13.12.2007 - 1 L 137/06 -, juris.

Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 15.1.2007, a. a. O., eingehend dargelegt, dass eine den vorbezeichneten Anforderungen genügende Gesetzgebung bislang nicht erfolgt ist. Die seitens der Beklagten im vorliegenden Verfahren thematisierten Änderungen des Besoldungs-, Kindergeld- und Steuerrechts halten sich innerhalb jenes Alimentationssystems, das der Entscheidung des BVerfG zugrunde gelegen hat. Insoweit besteht kein Anlass, die Nichtanwendung des in Rede stehenden Entscheidungsausspruchs zu 2. zu erwägen. Diese Bewertung, die unmittelbar den Zeitraum 1999 bis 2004 betraf, beansprucht uneingeschränkt auch für das Jahr 2005 Geltung. Das Vorbringen der Beklagten zeigt in diesem Zusammenhang keinerlei neue, bislang nicht berücksichtigte Gesichtspunkte auf. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann daher auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 15.1.2007 (S. 13 ff. des amtlichen Abdrucks) Bezug genommen werden.

Auch ist die Vollstreckungsanordnung des BVerfG in Ansehung zwischenzeitlicher Änderungen bei den Berechnungsgrundlagen nicht gegenstandslos geworden. Die Vollstreckungsanordnung gilt solange, wie die darin in Bezug genommene Berechnungsmethode des BVerfG unbeschadet etwa notwendiger Anpassungen einzelner Berechnungsparameter (sinnvoll) angewendet werden kann.

Die Fachgerichte sind an die in der Entscheidung des BVerfG vom 24.11.1998 unter C.III.3. vorgegebene Berechnungsmethode strikt gebunden, wobei ihnen auch in Einzelheiten eine Abweichung von den Vorgaben des BVerfG verwehrt ist.

So ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 17.6.2004, a. a. O., S. 99.

Hieraus folgt allerdings nicht, dass jede Änderung tatsächlicher oder rechtlicher Art gleichsam automatisch die Befugnis der Fachgerichte entfallen lässt, allein auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG erhöhte familienbezogene Besoldungsbestandteile zuzusprechen. Vielmehr sind diese gehalten, im Wege einer sachgerechten Umsetzung der - zukunftsgerichteten - Vollstreckungsanordnung die vom BVerfG seinerzeit zugrunde gelegten Berechnungsparameter an in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht geänderte Verhältnisse anzupassen, wenn und soweit die in den Gründen zu C.III.3. vorgegebene Berechnungsmethode und die dieser zugrunde liegenden Maßstäbe als solche nicht der Modifizierung bedürfen, um auch weiterhin noch sinnvoll angewendet werden zu können. Jedenfalls solange eine solche Anpassung in einer sinn- und maßstabserhaltenden Weise ohne weiteres möglich ist, bleiben die Verwaltungsgerichte im Interesse einer effektiven Rechtsschutzgewährung befugt und verpflichtet, die Vollstreckungsanordnung anzuwenden. Erst wenn Letzteres nicht mehr der Fall ist, etwa infolge systemverändernder, der Berechnungsmethode des BVerfG die sie tragende Grundlage entziehender Neuregelungen, endet diese Befugnis mit der Folge einer etwaigen Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG.

In diesem Sinne bereits OVG NRW, Urteile vom 6.10.2006, a. a. O., und vom 15.1.2007, a. a. O.; ebenso Hess. VGH, Beschluss vom 28.8.2006 - 1 UZ 1270/06 -, DRiZ 2007, 80 (= juris Rn. 13); Saarl. OVG, Urteil vom 23.3.2007, a. a. O. (= juris Rn. 118 ff.); OVG S.-A., Urteil vom 13.12.2007, a. a. O. Rn. 34 ff.; VG Magdeburg, Urteil vom 16.5.2006 - 5 A 279/05 -, juris Rn. 45.

Gemessen hieran sind weder in Bezug auf die Einkommensermittlung noch hinsichtlich der Bedarfsberechnung relevante, die Fortgeltung der Vollstreckungsanordnung berührende Änderungen tatsächlicher oder rechtlicher Art erkennbar.

Was die Einkommensseite betrifft, steht der weiteren Anwendung der Vollstreckungsanordnung zunächst nicht entgegen, dass die jährlichen Sonderzahlungen seit dem Jahr 2003 im Bund und in den Ländern potentiell unterschiedlich geregelt sind, nachdem der Bund mit dem BBVAnpG 2003/2004 (BGBl. I 2003 S. 1798) das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1998 (BGBl. I S. 3642) und das Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.5.2002 (BGBl. I S. 1780) aufgehoben und bestimmt hat, dass diese Gesetze (lediglich) bis zum Inkrafttreten bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen zur Gewährung von jährlichen Sonderzahlungen weiter anzuwenden sind. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 24.11.1998, a. a. O., unter C.III.2. lediglich vorgegeben, dass hinsichtlich der erforderlichen Einkommensberechnung von den jährlichen Nettoeinkommen der Beamten auszugehen ist. Dass diese Berechnung notwendigerweise eine bundeseinheitlich geregelte Besoldung der Beamten voraussetzt, ergibt sich aus der Entscheidung nicht. Soweit mittlerweile unterschiedliche Regelungen vorliegen, ist das anzusetzende Nettoeinkommen daher bei der in diesem Zusammenhang gebotenen realitätsnahen, wenn auch typisierenden Betrachtung aufgrund der für den jeweiligen Beamten geltenden Vorschriften zu ermitteln. Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit den maßgeblichen Vorgaben des BVerfG.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.1.2007, a. a. O.; Hess. VGH, Beschluss vom 28.8.2006, a. a. O. (juris Rn. 14); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.2.2007 - 4 S 2289/05 -, VBlBW 2007, 466 (= juris Rn. 41); Saarl. OVG, Urteil vom 23.3.2007, a. a. O. (= juris Rn. 122); OVG S.-A., Urteil vom 13.12.2007, a. a. O., Rn. 35.

Weiterhin kann eine auf der Einkommensseite beachtliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht daraus hergeleitet werden, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen - einschließlich der Frauen mit drei und mehr Kindern - seit dem Jahr 1998 gestiegen ist. Soweit hieraus gefolgert wird, auch der kinderreiche Beamte sei in der Regel nicht mehr Alleinverdiener und es sei deswegen nicht mehr erforderlich, die Kinderzuschläge in einer Höhe festzusetzen, dass der Beamte damit den Unterhalt seiner Kinder allein abdecken könne, wird übersehen, dass im Einzelfall etwa bestehende zivilrechtliche Unterhaltsansprüche gegen den Ehegatten des Beamten grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben.

Vgl. dazu bereits OVG NRW, Urteil vom 15.1.2007, a. a. O.

Das BVerfG hat in der Entscheidung vom 24.11.1998, a. a. O., die Untergrenze einer der Alimentationspflicht noch entsprechenden Besoldung im Hinblick auf den Mehrbedarf dritter und weiterer Kinder im Rahmen einer pauschalierenden und typisierenden Berechnung verbindlich definiert. In der sich hiernach ergebenden Höhe hat der Beamte mit mehr als zwei Kindern unmittelbar einen Anspruch auf einen entsprechend bemessenen familienbezogenen Besoldungsbestandteil. Wird dieser nicht erreicht, verletzt der Dienstherr seine Alimentationspflicht. Dem kann er sich nicht dadurch entziehen, dass er den Beamten auf zivilrechtliche Unterhaltsansprüche verweist.

So auch Hess. VGH, Beschluss vom 28.8.2006, a. a. O. (= juris Rn. 16); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.2.2007, a. a. O. (= juris Rn. 43); Saarl. OVG, Urteil vom 23.3.2007, a. a. O. (= juris Rn. 141).

Auf der Bedarfsseite wird die sinnvolle Umsetzung der Vollstreckungsanordnung zunächst nicht dadurch beeinträchtigt, dass das BVerfG bei der Berechnung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes hinsichtlich der Unterkunftskosten von dem im Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung abgedruckten Mietindex des Statistischen Bundesamtes ausgegangen ist, dieser Bericht aber seit dem Jahr 2004 infolge der Änderung des § 39 WoGG nicht mehr in einem zweijährigen, sondern nunmehr in einem vierjährigen Turnus erstellt wird. Dem Beschluss des BVerfG vom 24.11.1998, a. a. O., kann nicht entnommen werden, dass der Wohngeld- und Mietenbericht jährlich oder alle zwei Jahre vorgelegt werden muss, um die Unterkunftskosten berechnen zu können. Im Gegenteil hat auch das BVerfG die anzusetzende Durchschnittsmiete anhand des im Wohngeld- und Mietenbericht 1997 abgedruckten Mietindexes ausdrücklich "zurückgerechnet und fortgeschrieben" (dort unter C.III.3.). Entsprechend lässt sich nach wie vor vorgehen, wobei hinsichtlich des vom BVerfG vorgegebenen Maßstabs ohne Belang ist, ob im Einzelfall - soweit erforderlich - eine Zurückrechnung oder eine Fortschreibung anhand des vom Statistischen Bundesamt ermittelten einschlägigen Verbraucherpreisindexes erfolgt.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 15.1.2007, a. a. O., und vom 6.10.2006, a. a. O.; Hess. VGH, Beschluss vom 28.8.2006, a. a. O. (juris Rn. 15); VGH Bad.-Württ., a. a. O. (= juris Rn. 42); Saarl. OVG, Urteil vom 23.3.2007, a. a. O. (= juris Rn. 137 ff.); OVG S.-A., Urteil vom 13.12.2007, a. a. O., Rn. 36.

Im Übrigen bedarf es vorliegend weder einer Zurückrechnung noch der Fortschreibung, da inzwischen der Wohngeld- und Mietenbericht 2006 vorliegt, dem sich die durchschnittliche Bruttokaltmiete in den alten Bundesländern betreffend das Jahr 2005 exakt entnehmen lässt.

Schließlich ist eine Bedarfsmittlung nach Maßgabe der Vollstreckungsanordnung des BVerfG seit dem 1.1.2005 nicht deswegen ausgeschlossen, weil mit Ablauf des 31.12.2004 das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) - weitgehend - außer Kraft getreten und an dessen Stelle das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe - in Kraft getreten ist.

Art. 1, 68 und 70 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl. I S. 3022.

Das Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes bedingt keine über die systemkonforme Anpassung einzelner Berechnungsparameter hinausgehende und damit nicht (mehr) in der Befugnis der Verwaltungsgerichte stehende Modifizierung der seitens des BVerfG vorgegebenen Berechnungsmethode.

A. A. soweit ersichtlich lediglich VG Mainz, Urteil vom 21.11.2005 - 6 K 185/05.MZ -, juris.

Allerdings ist zur Ermittlung des Gesamtsbedarfs eines Kindes ab dem 1.1.2005 nicht mehr - auch nicht im Wege der Fortschreibung - auf das Regelsatzsystem des § 22 BSHG zurückzugreifen. Die Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes sind - anders als vom BVerfG zugrunde gelegt - mit dessen Außerkrafttreten nicht mehr Bestandteil der geltenden Rechtsordnung, die als solche die Bemessung des äußersten Mindestbedarfs eines Kindes ermöglichen und von daher zur Ermittlung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs herangezogen werden können.

Im Ergebnis ebenso Saarl. OVG, Urteil vom 23.2.2007, a. a. O. (= juris Rn. 131); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 2.5.2007 - 1 K 249/06 -, juris Rn. 43.

Vielmehr ist ab dem Jahr 2005 als Berechnungsgrundlage auf das SGB XII als das nunmehr geltende Leistungsgesetz für die "Sozialhilfe" (vgl. insoweit die Überschrift des Gesetzes) abzustellen.

Nach Maßgabe der Gründe des Beschlusses des BVerfG vom 24.11.1998, a. a. O., zu C.III.3. beurteilt sich die Frage, ob der Gesetzgeber mit den zur Prüfung stehenden Besoldungsregelungen eine ausreichende Alimentation von Beamten (oder Richtern) mit mehr als zwei Kindern sichergestellt hat, auf der Basis des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes. Dazu war in einem ersten Rechenschritt ein Durchschnittsregelsatz nach § 22 BSHG für das alte Bundesgebiet zu bilden; hinzuzurechnen waren ein Zuschlag von 20 v. H. zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt, ferner Zuschläge für anteilige, auf ein Kind entfallende Unterkunfts- und Energiekosten. Das BVerfG hat sich dabei in dem gedanklichen Ausgangspunkt der vorgenommenen Maßstabsbildung erkennbar von der Erwägung leiten lassen, dass der Gesetzgeber sich bei der - primär ihm obliegenden - Bemessung des alimentativen Mehrbedarfs von Beamten bzw. Richtern mit mehr als zwei Kindern an den sozialhilferechtlichen Regelsätzen für den Kindesunterhalt orientieren kann, weil die Rechtsordnung insoweit Bestimmungen zur Verfügung stellt, die am äußersten Mindestbedarf eines Kindes ausgerichtet sind. Zugleich hat es, weil die geschuldete amtsangemessene Alimentation qualitativ etwas anderes ist als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und eines sozialen Standards für alle, einen Zuschlag von 15 v. H. auf den von ihm im einzelnen definierten sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf für erforderlich erachtet, um den von Verfassungs wegen gebotenen Unterschied zwischen der der Sozialhilfe allein obliegenden Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfs und dem dem Beamten bzw. Richter und seiner Familie geschuldeten Unterhalt hinreichend deutlich werden zu lassen.

Ausgehend hiervon stehen mit den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs XII - soweit hier von Interesse - auch nach Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes in der Rechtsordnung Regelungen zur Verfügung, die den vom BVerfG vorgegebenen Maßstab in vergleichbarer Weise ausfüllen können. Der Leistungskatalog des Sozialgesetzbuchs XII umfasst ebenso wie zuvor der des Bundessozialhilfegesetzes u.a. "Hilfe zum Lebensunterhalt" (§§ 8 Nr. 1, 27 bis 40 SGB XII und §§ 1 Abs. 1, 11 bis 26 BSHG), die nach wie vor nach Regelsätzen erbracht wird. Die vom BVerfG als Ausgangspunkt der Bedarfsermittlung herangezogenen Regelsätze nach § 22 BSHG finden sich demgemäß in § 28 SGB XII wieder. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB XII wird der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 nach Regelsätzen erbracht, die von den Ländern unter Berücksichtigung von § 28 Abs. 3 und 4 SGB XII i. V. m. der Regelsatzverordnung vom 3.6.2004 (BGBl. I S. 1067) festgesetzt werden. Zwar hat das Sozialgesetzbuch XII damit die bisherige systematische Unterscheidung in laufende Leistungen und einmalige Beihilfen aufgegeben. Während nach dem Bundessozialhilfegesetz neben den nach Regelsätzen gewährten laufenden Leistungen und den Leistungen für Unterkunft und Heizung in erheblichem Umfang einmalige Beihilfen - etwa für die Beschaffung von Bekleidung und Hausrat, vgl. die nicht abschließende Aufzählung in § 21 Abs. 1a BSHG - vorgesehen waren, sind diese nunmehr nahezu vollständig in die Regelsätze eingeflossen, die zum Ausgleich dementsprechend deutlich angehoben worden sind. Diese Neuordnung der Systematik der Bedarfe im Sozialhilferecht führt jedoch in dem hier interessierenden Zusammenhang, nämlich für die Frage, ob die Rechtsordnung nach wie vor (vergleichbare) Bestimmungen vorgibt, welche es dem Besoldungsgesetzgeber bzw. den Fachgerichten erlauben, in einem ersten Berechnungsschritt den äußersten Mindestbedarf eines Kindes zu ermitteln, nicht auf einen grundlegenden Systemwechsel. Die Berechnungsmethode des BVerfG als solche und der ihr zugrunde gelegte Maßstab bleiben hiervon unberührt. Vielmehr bedürfen allein die vom BVerfG vorgegebenen Berechnungsparameter insoweit der Anpassung, als der dem gewichteten sozialhilferechtlichen Durchschnittsbedarf hinzuzurechnende Zuschlag von 20 v. H. zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt ab dem 1.1.2005 entfällt, da die Regelsätze mit Ausnahmen der Sonderbedarfe pauschal den gesamten notwendigen Lebensunterhalt abdecken und somit bei Kindern regelmäßig nur noch Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII in Betracht kommen werden, die in der Summe aber kaum ins Gewicht fallen und mithin vernachlässigbar sind.

So auch Saarl. OVG, Urteil vom 23.2.2007, a. a. O. (= juris Rn. 135); OVG S.-A., Urteil vom 13.12.2007, a. a. O. (= juris Rn. 42); VG Magdeburg, Urteil vom 16.5.2006, a. a. O., Rn. 48; VG Gelsenkirchen, a. a. O., Rn. 46 f.

Nur zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass der Senat damit weiterhin nicht einer Bezugnahme auf sozialhilferechtliche Maßstäbe zur Festlegung amtsangemessener Besoldung das Wort redet. Insoweit gilt vielmehr das, was der Senat im Urteil vom 10.9.2007 - 1 A 4955/05 -, NWVBl. 2007, 478, zur fehlenden Bedeutung des sozialhilferechtlichen Leistungsniveaus als Bezugspunkt zur Festlegung amtsangemessener Alimentation entschieden hat, auch für die Regelungen im Sozialgesetzbuch XII. Diese können nur für Ausnahmefälle und ausschließlich für bedarfsdeckende Bestandteile der Alimentation maßstabsbildende Funktion haben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.2.2004 - 2 C 12.03 -, RiA 2004, 282, 284.

Fehlt es vorliegend nach alledem an systemverändernden Neuregelungen ebenso wie an einer anderweitigen entscheidungserheblichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, so kann sich die Vollstreckungsanordnung nur durch Erfüllung erledigen. Dabei erweisen sich die von der Beklagten unter Hinweis auf die zahlreichen gesetzlichen Änderungen des Besoldungs-, Kindergeld- und Steuerrechts behaupteten Bemühungen um eine Verbesserung der finanziellen Situation kinderreicher Beamter und Richter solange als unzureichend, wie ein verfassungswidriges Besoldungsdefizit verbleibt. Dies ist, solange das Alimentationssystem mit seinen überkommenen Elementen fortgeschrieben wird, allein durch Anwendung des vom BVerfG bindend vorgegebenen Rechenganges zu entscheiden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.1.2007, a. a. O.

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich, dass der Gesetzgeber der ihm auferlegten Verpflichtung, verfassungskonforme Verhältnisse herzustellen, auch für das hier maßgebliche Jahr 2005 letztlich nicht nachgekommen ist. Beim Kläger verbleibt nach wie vor ein nicht gedeckter Bedarf für den Unterhalt seines dritten Kindes (wird ausgeführt).

Ende der Entscheidung

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