Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 1 A 3443/06
Rechtsgebiete: BBG, BDG


Vorschriften:

BBG § 9 Abs. 2
BBG § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BDG § 13
Ein Beamter auf Probe hat keinen Anspruch auf Umwandlung seines Beamtenverhältnisses in ein solches auf Lebenszeit, wenn er nach Ablauf der 5-Jahresfrist des § 9 Abs. 2 BBG und Erfüllung der übrigen Ernennungsvoraussetzungen ein Dienstvergehen begangen hat, das bei einem Lebenszeitbeamten die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zur Folge hätte (Fall wiederholten vorsätzlichen sowie fahrlässigen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst).
Tatbestand:

Die Klägerin steht als Beamtin auf Probe in den Diensten der Beklagten. Nach Ablauf der 5-Jahresfrist des § 9 Abs. 2 BBG und Erfüllung der übrigen Ernennungsvoraussetzungen kam es in den Jahren 2003 bis 2005 wiederholt zu Fehlzeiten, die Anlass für mehrere, zwischenzeitlich rechts- bzw. bestandskräftig zu Lasten der Klägerin abgeschlossene Verfahren auf Feststellung des Verlustes der Besoldung nach § 9 BBesG waren. Die auf Verpflichtung der Beklagten, sie zur Beamtin auf Lebenszeit zu ernennen, gerichtete Klage blieb vor diesem Hintergrund in zweiter Instanz ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 9 Abs. 2 Satz 1 BBG auf die Verpflichtung der Beklagten, sie zur Beamtin auf Lebenszeit zu ernennen.

Das Klagebegehren scheitert daran, dass der Klägerin ein Dienstvergehen zur Last zu legen ist, das bei einem Beamten auf Lebenszeit mit hinreichender Sicherheit die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zur Folge hätte.

Begeht der Beamte noch im Probebeamtenverhältnis, aber - wie vorliegend - erst nach Ablauf der fünfjährigen Statusdienstzeit und Erfüllung der weiteren Voraussetzungen für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit ein Dienstvergehen, kann seine Entlassung nicht mehr allein unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG erfolgen, wonach erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte. Vielmehr ist das Ermessen des Dienstherrn dann dergestalt eingeschränkt, dass er die Entlassung nur noch aussprechen darf, wenn es sich um ein so schwerwiegendes Dienstvergehen handelt, dass seine Begehung bei einem Beamten auf Lebenszeit die Entfernung aus dem Dienst (bzw. nunmehr: dem Beamtenverhältnis) zur Folge hätte. Denn (allein) in diesem Falle wäre es reiner, mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu vereinbarender Formalismus, einen Beamten in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu berufen, um ihn anschließend durch gerichtliche Entscheidung hieraus wieder zu entfernen. Die vorstehend genannte Beschränkung ergibt sich zwar nicht bereits aus dem Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG, der allein an die Rechtsstellung als Beamter auf Probe anknüpft, welche solange fortbesteht, bis die Ernennung auf Lebenszeit tatsächlich vollzogen ist. Sie folgt jedoch aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen über das Probebeamtenverhältnis und seine Umwandlung in ein solches auf Lebenszeit. Da gemäß § 9 Abs. 2 BBG der Beamte auf Probe, sofern die allgemeinen Ernennungsvoraussetzungen gegeben sind, nach Ablauf der 5-Jahresfrist seine Ernennung auf Lebenszeit verlangen kann, muss er zugleich in diesem Zeitpunkt auch von dem Risiko einer Entlassung unter erleichterten Bedingungen befreit sein.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 23.2.1967 - II C 29.65 -, BVerwGE 26, 228 (= juris Rn. 40), und vom 12.10.1989 - 2 C 22.87 -, BVerwGE 82, 356 (= juris Rn. 19); BGH, Urteil vom 30.3.1987 - RiZ (R) 6/86 -, BGHZ 100, 287 (= juris Rn. 22 f.); Nds. OVG, Urteil vom 14.11.1967 - V OVG A 62/67 -, ZBR 1968, 112; OVG NRW, Urteil vom 11.3.1982 - 6 A 1551/80 -, ZBR 1984, 17; Battis, BBG, 4. Aufl. 2004, § 9 Rn. 9; GKÖD, Stand: November 2007, § 9 BBG Rn. 15 und § 31 BBG Rn. 22a; Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum BBG, Stand: Dezember 2007, § 9 Rn. 21 und § 31 Rn. 9; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2005, Rn. 163.

Im Hinblick hierauf kann dem Anspruch der Klägerin auf Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit die Verletzung ihrer Dienstpflichten nur dann durchgreifend entgegengehalten werden, wenn - gemessen an der insoweit einschlägigen disziplinar- bzw. verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung - mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, dass die der Klägerin seitens der Beklagten vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen bei einem Beamten auf Lebenszeit die gerichtliche Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zur Folge hätten.

Bei der gerichtlichen Überprüfung einer auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG gestützten Entlassungsverfügung sind für die Beurteilung der Frage, welche Disziplinarmaßnahme für ein Dienstvergehen bei einem Beamten auf Lebenszeit verhängt worden wäre, disziplinarrechtliche Grundsätze maßgebend. Es ist daher festzustellen, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Dienstpflichtverletzung vorliegen und ob diese bei einem Lebenszeitbeamten mit der erforderlichen Sicherheit zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geführt hätten; es genügt nicht, dass bei einem Beamten auf Lebenszeit mit einer derartigen Maßnahme lediglich "zu rechnen" gewesen oder sie nur möglicherweise verhängt worden wäre.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 23.2.1967, a. a. O. (= juris Rn. 45), vom 9.6.1981 - 2 C 24.79 -, BVerwGE 62, 280 (= juris Rn. 24), und vom 22.6.1982 - 2 C 44.80 -, BVerwGE 66, 19 (= juris Rn. 16).

Diese Maßstäbe gelten auch für das vorliegende Verfahren, in dem im Rahmen der Prüfung des auf Ernennung gerichteten Anspruchs inzidenter die Frage zu klären ist, ob die Klägerin mit der erforderlichen Sicherheit aus einem (gedachten) Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu entfernen wäre.

Es ist deswegen vorrangig der gegen die Klägerin erhobene Vorwurf des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst in den Blick zu nehmen und einschlägig zu bewerten.

Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG setzt voraus, dass der Beamte nicht zum Dienst erscheint, obwohl er dienstfähig ist. Das Erfordernis der Dienstfähigkeit während der Abwesenheit stellt ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG dar. Solange ein Beamter nicht dienstfähig ist, ist er von der Dienstleistungspflicht entbunden, weil er sie nicht erfüllen kann.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 12.10.2006 - 1 D 2.05 -, juris Rn. 32, und vom 25.1.2007 - 2 A 3.05 -, NVwZ 2007, 960 (= juris Rn. 33).

Dienstunfähigkeit im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG liegt vor, wenn der Beamte aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustandes außer Stande ist, den ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben nachzukommen. Der Nachweis der Dienstfähigkeit des abwesenden Beamten und damit der Nachweis eines Verstoßes gegen § 73 Abs. 1 Satz 1 BBG obliegt dem Dienstherrn. Legt der Beamte zum Beleg seines Unvermögens, Dienst zu tun, Dienstunfähigkeitsbescheinigungen behandelnder Privatärzte vor, so kann der Nachweis seiner Dienstfähigkeit regelmäßig nur durch die Einschaltung eines Amtsarztes geführt werden. Amtsärztliche Stellungnahmen, denen nach der Rechtsprechung solche von Betriebs- bzw. Vertragsärzten gleich stehen, kommt gegenüber privatärztlichen Attesten bezüglich der Beurteilung der Dienstfähigkeit eines Beamten grundsätzlich größerer Beweiswert zu. Hierfür sind die in der Regel im Vergleich zu einem Privatarzt besseren Kenntnisse eines beamteten Arztes bzw. Vertragsarztes bezüglich der Belange der Verwaltung und der von dem Beamten zu verrichtenden Tätigkeit sowie seine größere Erfahrung bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit maßgebend. Zudem nehmen Amts- oder Betriebs- bzw. Vertragsärzte im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, ihre Beurteilung von ihrer Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Diese Vorrangstellung setzt allerdings voraus, dass keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bestehen dürfen. Die medizinische Beurteilung muss auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen sowie in sich stimmig und nachvollziehbar sein. Hat der Privatarzt seinen medizinischen Befund näher erläutert, so muss der Amtsarzt auf diese Erwägungen eingehen und nachvollziehbar darlegen, warum er ihnen nicht folgt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.10.2006, a. a. O. (= juris Rn. 33 f.) und Beschluss vom 27.5.1997 - 1 DB 6.97 -, DokBer. B 1997, 207 (= juris Rn. 18), jeweils m. w. N.

Danach ergibt sich in Würdigung des Sachverhaltes, wie er zur Überzeugung des Senats nach Lage der Akten, namentlich den tragenden, grundsätzlich als bindend zugrundezulegenden (vgl. § 57 Abs. 1 BDG) tatsächlichen Feststellungen des VG in den Verfahren ... und ... betreffend den Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst feststeht, Folgendes:

Die Klägerin hat ihre Dienstpflichten dadurch verletzt, dass sie in den Zeiträumen vom 16.9. bis zum 12.10.2003 und vom 21.4. bis zum 21.5.2005 vorsätzlich sowie vom 3. bis zum 27.4.2004 fahrlässig unerlaubt dem Dienst ferngeblieben ist (§§ 73 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 1 Satz 1 BBG). Für die Zeiten vom 13. bis zum 28.10.2003 sowie vom 5.10. bis zum 2.11.2005 liegt ein unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst hingegen nicht vor.

Was zunächst den Zeitraum vom 16.9. bis zum 28.10.2003 betrifft, ist die Klägerin dem Dienst bis zum 12.10.2003 vorsätzlich unerlaubt ferngeblieben. (wird ausgeführt)

Die Klägerin ist weiterhin in dem Zeitraum vom 3. bis zum 27.4.2004, in dem sie ebenfalls keinen Dienst verrichtet hat, dem Dienst schuldhaft unerlaubt, nämlich fahrlässig, ferngeblieben. Ungeachtet anders lautender privatärztlicher Bescheinigungen lag auch insoweit nach der Überzeugung des Senats eine die Pflicht zur Dienstleistung ausschließende Erkrankung der Klägerin nicht vor. (wird ausgeführt)

Hinsichtlich des danach feststehenden unerlaubten Fernbleibens vom Dienst fällt der Klägerin Fahrlässigkeit zur Last. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Dienstleistungspflicht kann ihr in diesem Zusammenhang nicht nachgewiesen werden.

Bewusste Fahrlässigkeit und bedingter Vorsatz sind insoweit deckungsgleich, als der Handelnde die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes weder anstrebt noch für sicher hält. Er hält sie nur für möglich. Sie unterscheiden sich jedoch darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb ernsthaft und nicht nur vage auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Erfolges in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihm abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 9.4.2002 - 1 D 17.01 -, Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 25 (= juris Rn. 57), und vom 12.10.2006, a. a. O. (= juris Rn. 41).

Gemessen hieran kann der Klägerin nicht mit der erforderlichen Gewissheit widerlegt werden, dass sie ungeachtet der Feststellungen des Dr. L. weiter darauf vertraut hat, dienstfähig zu sein. (wird ausgeführt)

Schließlich ist die Klägerin in dem Zeitraum vom 21.4. bis zum 21.5.2005 dem Dienst unerlaubt - vorsätzlich - ferngeblieben. Der Senat folgt auch insoweit den Darlegungen des Vertragsarztes Dr. L. , wie sie sich aus den Feststellungen des Urteils des VG in dem Verfahren ... und seinen ergänzenden Ausführungen im Rahmen der dort stattgefundenen mündlichen Verhandlung ergeben. (wird ausgeführt)

Hinsichtlich des Zeitraums 5.10. bis 2.11.2005 erweist sich der Vorwurf des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst hingegen als nicht berechtigt (wird ausgeführt).

Nach alledem steht fest, dass die Klägerin dem Dienst vorsätzlich über einen Zeitraum von zum einen etwa dreieinhalb Wochen (= 18 Arbeitstage) und zum anderen etwa viereinhalb Wochen (= 20 Arbeitstage) sowie fahrlässig von nochmals etwa dreieinhalb Wochen (= 15 Arbeitstage) unerlaubt ferngeblieben ist.

Das nach den vorliegenden Ausführungen gegebene dienstliche Fehlverhalten der Klägerin wiegt unter Würdigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte so schwer, dass bei einem Beamten auf Lebenszeit die Entfernung aus dem Dienst nach § 10 i. V. m. § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG erfolgen müsste.

Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung zu bestimmen. Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG ist (im Ausgangspunkt) die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens.

Das Bemessungskriterium "Persönlichkeitsbild des Beamten" gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tat. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten entspricht oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht.

Das Bemessungskriterium "Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit" gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 BDG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde. Ist das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn unwiederbringlich und restlos zerstört, so ist er - im Sinne der Höchstmaßnahme - aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. All dies unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn besteht nicht.

Als maßgebendes Bemessungskriterium ist - wie dargelegt - die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Das festgestellte Dienstvergehen muss zunächst nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen sein. Dabei erlangen die vom Disziplinarsenat des BVerwG für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen Bedeutung. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme letztlich darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte (Regel-)Disziplinarmaßnahme geboten ist.

Vgl. zum Vorstehenden grundlegend BVerwG, Urteile vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252 (juris Rn. 34 ff.), vom 3.5.2007 -2 C 30.05 -, NVwZ 2007, 1196 (= juris Rn. 22 ff.), und vom 24.5.2007 - 2 C 25.06 -, DokBer. B 2007, 295 (= juris Rn. 12 ff.).

Das Gebot, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, betrifft eine Grundpflicht eines jeden Beamten. Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung, das dienstliche Vertrauen in die Mitarbeiter und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit der Verwaltung hängen von der pünktlichen Dienstanwesenheit ab. Deshalb kann einem Beamten, der ohne triftigen Grund nicht zum vorgeschriebenen Dienst erscheint, regelmäßig nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für eine gedeihliche Zusammenarbeit unerlässlich ist. Verweigert ein Beamter den Dienst für einen längeren Zeitraum oder wiederholt - auch für kürzere Zeitspannen -, so wird die Notwendigkeit, das Beamtenverhältnis einseitig zu lösen, gegebenenfalls schon durch die Gesamtdauer der Dienstverweigerung selbst sowie den Umstand, dass das Erfordernis der Dienstleistung und damit die Bedeutung ihrer Unterlassung für jedermann leicht zu erkennen ist, indiziert. Setzt sich der Beamte gleichwohl über diese Erkenntnis hinweg, offenbart er ein so hohes Maß an Pflichtvergessenheit und an fehlender Einsicht in die Notwendigkeit eines geordneten Dienstbetriebs, dass in diesen Fällen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Ausgangspunkt der Überlegungen zur Bestimmung der angemessen Disziplinarmaßnahme sein muss. Hiervon ausgehend ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst stets ausgesprochen worden in Fällen, in denen der Beamte ununterbrochen oder in Teilschritten annähernd vier Monate oder länger unerlaubt vorsätzlich dem Dienst ferngeblieben war. Schon bei einem schuldhaft ungenehmigten Fernbleiben vom Dienst von ununterbrochen ca. sieben Wochen bewegt sich die zu verhängende Maßnahme - je nach den Umständen des Einzelfalls - im Grenzbereich zwischen Dienstentfernung und Degradierung zumindest dann, wenn der Beamte vorsätzlich gehandelt hat.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 22.4.1991 - 1 D 62.90 -, BVerwGE 93, 78 (= juris Rn. 97 ff.): Entfernung bei ununterbrochenem Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von sieben Wochen, vom 31.8.1999 - 1 D 12.98 -, BVerwGE 111, 1 (= juris Rn. 40 ff.): Entfernung bei siebenmaligem Fernbleiben vom Dienst innerhalb von eineinhalb Jahren an insgesamt 31 Tagen, vom 6.5.2003 - 1 D 26.02 -, juris Rn. 54, und vom 23.2.2005 - 1 D 1.04 -, NVwZ-RR 2005, 253 (= juris Rn. 113 f.); siehe auch BVerwG, Urteil vom 25.1.2007, a. a. O. (= juris Rn. 41 f.).

Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich vorliegend nicht mehr um einen Fall, bei dem die zu verhängende Maßnahme noch im Grenzbereich zwischen Degradierung und Entfernung anzusiedeln wäre. Denn die Klägerin ist dem Dienst für einen Zeitraum von zusammengenommen etwa acht Wochen oder 38 Arbeitstagen unerlaubt vorsätzlich ferngeblieben. Hinzu kommen weitere dreieinhalb Wochen oder 15 Arbeitstage, an denen sie fahrlässig unentschuldigt keinen Dienst geleistet hat. Letzteres ist zwar im Hinblick auf die Schuldform für sich genommen als weniger schwerwiegend einzustufen, muss aber gleichwohl im Rahmen der notwendigen Gesamtschau in die Bewertung des ihr zur Last zu legenden unerlaubten schuldhaften Fernbleibens vom Dienst mit einfließen. Bereits die knapp achtwöchige vorsätzlich ungenehmigte Abwesenheit vom Dienst trotz festgestellter Dienstfähigkeit offenbart ein erstaunlich hohes Maß an Pflichtvergessenheit, das geeignet ist, das Vertrauen des Dienstherrn in die Klägerin nachhaltig zu zerstören. Dass die etwa acht Wochen vorsätzlicher Dienstsäumnis sich aus zwei Teilzeiträumen zusammensetzen, von denen der längere viereinhalb Wochen oder 20 Arbeitstage und der kürzere dreieinhalb Wochen oder 18 Arbeitstage beträgt, wirkt sich insoweit nicht zu Gunsten der Klägerin aus, sondern belastet sie vielmehr zusätzlich. Wenngleich einer über einen längeren Zeitraum ununterbrochen währenden schuldhaft ungenehmigten Abwesenheit gegenüber mehreren kürzeren Zeitspannen, die erst in der Summe die vergleichbare Länge erreichen, regelmäßig ein höheres Gewicht zukommen mag, kann dies jedoch nicht ausnahmslos gelten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihrer Pflicht zur Dienstleistung vom 21.4. bis zum 21.5.2005 zum wiederholten Male vorsätzlich zu einem Zeitpunkt nicht nachgekommen ist, als ihr durch eine Vielzahl von Maßnahmen der Beklagten - darunter wiederholte Dienstantrittsaufforderungen und Warnungen ihrer Vorgesetzten vor den dienstrechtlichen Folgen ihres Verhaltens, mehrere Belehrungen über die Vorrangstellung vertrauensärztlicher Begutachtungen, zwei (noch nicht bestandskräftige) Feststellungsbescheide über den Verlust ihrer Dienstbezüge sowie die Einleitung und nachfolgende Ausdehnung disziplinarrechtlicher Ermittlungen - die Verpflichtung zur Dienstverrichtung bereits in übergroßer Deutlichkeit vor Augen geführt worden war. In der Folge kommt gerade dem Umstand, dass sie gleichwohl ein zweites Mal für einen längeren Zeitraum dem Dienst vorsätzlich unerlaubt ferngeblieben ist, besondere Bedeutung zu im Hinblick auf das erhebliche Maß an Pflichtvergessenheit und fehlender Einsichtsfähigkeit der Klägerin, also bezogen auf Gesichtspunkte, die sich ansonsten gerade in der Dauer ununterbrochener Abwesenheitszeiten widerspiegeln. Die Klägerin hat sich in diesem Zusammenhang hinsichtlich der Befolgung ihrer Dienstleistungspflicht als völlig unbelehrbar und damit letztlich als eindeutig nicht mehr vertrauenswürdig erwiesen. Es ist nicht ersichtlich, was der Dienstherr noch hätte tun können, um sie zu einem pflichtgemäßen Verhalten zu veranlassen. Ein Beamter auf Lebenszeit in vergleichbarer Situation könnte daher im Hinblick auf die Indizwirkung, die von der Schwere des von der Klägerin gezeigten Fehlverhaltens ausgeht, nur dann im Dienst belassen werden, wenn im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für gewichtige Entlastungsgründe vorlägen.

Solche die Klägerin durchgreifend entlastenden Gesichtspunkte sind vorliegend indes auch unter Berücksichtigung aller insoweit maßgeblichen Umstände, insbesondere ihres Persönlichkeitsbildes und der dadurch geprägten Prognose ihres zukünftigen Verhaltens, nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat zunächst keine zumindest in ihrer Situation nachvollziehbaren und insofern "anerkennenswerten" Beweggründe für ihr Fehlverhalten anführen können. Kann ihr hinsichtlich des ersten Teilzeitraums unerlaubten vorsätzlichen Fernbleibens vom Dienst das Bestehen die Dienstfähigkeit beeinträchtigender Erkrankungen oder Verletzungen schon nicht geglaubt werden, ergeben sich für den zweiten Teilzeitraum weder aus der Art der damals gegebenen gesundheitlichen Beeinträchtigung (Asthma bronchiale) noch aus sonstigen erkennbaren Umständen entlastende Gründe dafür, dass sie dem Dienst ferngeblieben ist. Soweit sie geltend gemacht hat, sie sei nach Marokko gefahren, um sich dort wegen des Morbus Crohn von einem bestimmten Arzt behandeln zu lassen, ergibt sich auch daraus nichts Beachtliches zu ihren Gunsten. Beim, wie hier, Fehlen aktueller Dienstunfähigkeit hätte sie sich insoweit - wie jeder andere dies auch tun müsste - um die Gewährung von Erholungsurlaub bemühen müssen und durfte sich diesen nicht gleichsam selbst "gewähren".

Entlastungsgründe von Gewicht ergeben sich weiterhin auch nicht aufgrund des Persönlichkeitsbildes der Klägerin. Das ihr vorzuwerfende Fehlverhalten stellt sich nicht etwa als ein einmaliges persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder psychischen Ausnahmesituation dar, so dass die Aussicht auf künftiges pflichtgemäßes Verhalten deshalb begründet wäre. Anhaltspunkte für bestimmte äußere Ereignisse oder Einwirkungen, die (mit) ursächlich für das Fernbleiben vom Dienst innerhalb der Jahre 2003 bis 2005 geworden sein könnten, sind nicht zu erkennen. Solche ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem vom Verwaltungsgericht beigezogenen Bericht der Diplom-Psychologin S. vom 6.6.2005, in deren psychotherapeutischer Behandlung sich die Klägerin vom 5.8.2004 bis zum Abbruch der Behandlung am 6.6.2005 befand. Die dortigen Ausführungen bieten für das Bestehen einer etwaigen psychischen Ausnahmesituation und einer daraus resultierenden verminderten Einsichts- und Steuerungsfähigkeit, die gegebenenfalls eine verminderte Schuldfähigkeit begründen könnte, keinerlei Anhalt. Aber auch losgelöst von einem solchen möglichen Milderungsgrund lässt sich daraus nichts zur Entlastung der Klägerin gewinnen. Vor dem Hintergrund des Bestehens rein privater Konflikte und einer diesen zugrunde liegenden Abhängigkeitsstörung fehlt es bereits an einem erkennbaren Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten. Dies gilt auch, wenn man zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie zeitweise - wohl ausgelöst durch von ihr im Verfahren nicht näher dargelegte Ereignisse in Marokko - unter einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten haben mag. Dass diese Erkrankung die Klägerin daran gehindert haben sollte, die ihr jeweils wiederholt eindringlich vor Augen geführte Kernpflicht zur Dienstverrichtung, die als solche selbstverständlich und von daher ohne weiteres einsehbar ist, zu erkennen und danach zu handeln, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Vielmehr ist festzustellen, dass die Klägerin vor dem Hintergrund der seit vielen Jahren bestehenden schwerwiegenden chronischen gesundheitlichen Belastungen (Morbus Crohn) offensichtlich die bedenkliche Neigung entwickelt hat, ihre eigenen gesundheitlichen Interessen, so wie sie von ihr selbst definiert werden, über das berechtigte Interesse des Dienstherrn an der Erbringung ihrer Dienstleistung zu stellen. Hierfür spricht nachdrücklich auch der von ihr genannte Beweggrund dafür, ungeachtet der bestehenden Pflicht zur Dienstleistung mit einem Freund bzw. Bekannten für längere Zeit nach Marokko zu fahren. Handelt es sich damit letztlich aber um einen persönlichkeitsimmanenten Umstand, der sie in der Vergangenheit daran gehindert hat, sich pflichtgemäß zu verhalten, erweist sich auch die Zukunftsprognose für ein dienstlich einwandfreies Verhalten eindeutig als ungünstig. Gegen eine günstige Zukunftsprognose spricht insbesondere auch, dass die Klägerin ihr Verhalten während des gesamten hier interessierenden Zeitraums nicht grundlegend geändert, sondern bis zuletzt im gerichtlichen Verfahren ein eigenes Fehlverhalten in Abrede gestellt hat, worin sich ein gravierender Mangel an Einsicht zeigt. Nach allem lässt sich nichts dafür ersehen, dass die von der Klägerin begangenen Dienstpflichtverletzungen lediglich Ausdruck einer inzwischen abgeschlossenen schwierigen Lebensphase sind, so dass das notwendige Vertrauen des Dienstherrn dahingehend, dass die Klägerin sich zukünftig etwa bei erneutem Vorliegen divergierender privat- und vertrauensärztlicher Bewertungen hinsichtlich der Frage ihrer Dienstfähigkeit ordnungsgemäß verhalten werde, objektiv als vollständig und endgültig zerstört angesehen werden muss.

Kann danach mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass aufgrund des festgestellten schuldhaften ungenehmigten Fernbleibens vom Dienst ein Lebenszeitbeamter in vergleichbarer Situation aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen wäre, besteht kein Anspruch der Klägerin auf Umwandlung ihres derzeitigen Beamtenverhältnisses auf Probe in ein solches auf Lebenszeit. Auf die Frage, ob die Klägerin gegebenenfalls weitere Dienstpflichtverletzungen begangen hat, kommt es nicht mehr an.

Ende der Entscheidung

Zurück