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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 11.06.2003
Aktenzeichen: 1 A 358/01
Rechtsgebiete: BhV, GOZ, GOÄ


Vorschriften:

BhV § 5 Abs. 1
GOZ § 3
GOZ § 4 Abs. 1
GOZ § 4 Abs. 3 Satz 1
GOZ § 6
GOZ § 8
GOZ § 9
GOÄ § 10
Die wegen einer Implantatbehandlung dem Beihilfeberechtigten in Rechnung gestellten Kosten für Bohrer und Fräsen sind nicht beihilfefähig.

Die Rechtsprechung des BVerwG (vgl. Urteil vom 30.5.1996 - 2 C 10.95 -, NVwZ 1997, 75), nach der Beihilfefähigkeit u. a. dann angenommen werden kann, wenn die von dem Zahnarzt vorgenommene Auslegung der Gebührenordnung zumindest vertretbar ist, steht dem nicht entgegen. Es fehlt insoweit an einem Auslagen- oder Gebührentatbestand, der von dem Zahnarzt (vertretbar) ausgelegt werden könnte.


Tatbestand:

Die Ehefrau des beihilfeberechtigten Klägers unterzog sich einer zahnärztlichen Behandlung, in deren Verlauf ihr Implantate eingesetzt wurden. Die Beklagte erkannte von den angefallenen Aufwendungen nur einen Teilbetrag als beihilfefähig an. Nicht anerkannt wurden u.a. die Aufwendungen für so genannte Einmalfräsen, die für die Einbringung der Implantate in den Kieferknochen benutzt worden waren.

Das VG entsprach der nach erfolglosem Vorverfahren fristgerecht erhobenen Klage, mit der der Kläger die Anerkennung seiner Aufwendungen für die Einmalfräsen als beihilfefähig begehrte, weil die von dem Zahnarzt in Rechnung gestellten Implantatfräsen zu den notwendigen und angemessenen Aufwendungen zu rechnen und daher beihilfefähig seien. Es entspreche einer vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung für Zahnärzte, dass sie als Einmalinstrumente von der Ausschlussregelung des § 4 Abs. 3 GOZ nicht erfasst würden.

Die von dem Senat zugelassene Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Gründe:

Grundlage für die Gewährung von Beihilfen zu den Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit ist § 31 des Soldatengesetzes i.V.m. der allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der Fassung vom 9.6.1993 (GMBl. S. 370). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV sind die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang beihilfefähig. § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV bestimmt weiter, dass sich die Angemessenheit der Aufwendungen für zahnärztliche Hilfe ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) beurteilt. Damit setzt die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen des Beihilfeberechtigten voraus, dass der Zahnarzt die Liquidation entsprechend der Gebührenordnung vom 22.10.1987 (BGBl. I S. 2316) gefasst und die Rechnungsposten zu Recht in Ansatz gebracht hat. In diesem Fall handelt es sich im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV um notwendige Aufwendungen in angemessenem Umfang.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.1.1995 - 12 A 841/92 -, NWVBl. 1995, 347.

Die fragliche Zahnarztrechnung wird diesen Anforderungen in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang nicht gerecht. Unbeschadet der im Verwaltungsverfahren bereits erfolgten und von dem Kläger nicht angegriffenen Abzüge vom Rechnungsbetrag durfte auch die in diesem Verfahren streitige Gebührenposition "2x §4GOZ F2 Einmalfräsen für Implantate" nicht in Ansatz gebracht werden. Dieser Einzelposten der Liquidation ist durch die Gebührenordnung für Zahnärzte nicht gedeckt.

Die Vergütung des Zahnarztes bestimmt sich nach der zahnärztlichen Gebührenordnung, § 1 Abs. 1 GOZ. Diese sieht als Vergütung grundsätzlich die Gebühren, das Wegegeld und den Auslagenersatz vor, § 3 GOZ. Für die Gebühren nach Maßgabe des Gebührenverzeichnisses (§ 4 Abs. 1 GOZ), das Wegegeld (§ 8 GOZ) und für den Auslagenersatz (§ 9 GOZ) enthält die Gebührenordnung jeweils Tatbestände, deren Voraussetzungen insgesamt nicht erfüllt sind.

Als Wegegeld im Sinne des § 8 GOZ sind die Aufwendungen ersichtlich nicht abzurechnen.

Die Aufwendungen für Fräsen sind auch nicht als Auslagen im Sinne des § 9 GOZ anzusehen. Diese Vorschrift erfasst ausdrücklich nur die Auslagen für zahntechnische Leistungen und meint damit Kosten, die bei der Inanspruchnahme des praxiseigenen Labors oder eines gewerblichen Fremdlabors anfallen. Zahntechnische Leistungen betreffen Werkstücke einschließlich der bei ihrer Anfertigung benötigten Materialien, ferner die bei der Herstellung der Werkstücke erforderlichen Arbeitsgänge und die sonstigen, unumgängliche Nebenkosten hervorrufenden Arbeitsschritte.

Vgl. Meurer, Gebührenordnung für Zahnärzte, § 9 GOZ, Anm. 1; Tiemann/Grosse, Kommentar zur Gebührenordnung für Zahnärzte, § 9 GOZ, Anm. 1.

Bei der Implantatbehandlung benutzte Fräsen oder Bohrer sind davon nicht umfasst.

Scheiden damit die §§ 8 und 9 GOZ als Berechnungsgrundlage aus, können nach § 3 GOZ zahnärztliche Vergütungen nur noch aufgrund des § 4 GOZ anfallen. Die Voraussetzungen des § 4 GOZ sind jedoch ebenfalls nicht erfüllt. Gebühren sind die Vergütung für die im Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung genannten zahnärztlichen Leistungen, § 4 Abs. 1 GOZ. Das Gebührenverzeichnis sieht in seinem Abschnitt K für die hier erbrachte implantologische (Haupt-) Leistung, in deren Rahmen die Fräsen zum Einsatz kamen, die Gebührenziffern 901 bis 909 vor. Diese Gebührenziffern treffen Bestimmungen für die verwendeten Implantate und Implantatteile sowie für den Vorgang des Einbringens dieser Teile in den Knochen. Die Fräsen sind, auch wenn sie mit den Implantaten vom Hersteller zugleich angeliefert werden, selbst kein Implantat, sondern dienen der Vorbereitung, um die eigentlichen Implantate oder Implantatbestandteile passgenau einbringen zu können. Sie sind also Werkzeuge, die bei dem gebührenrechtlich erfassten Vorgang benötigt werden, für die in dem Gebührenverzeichnis aber kein eigener Gebührentatbestand vorgesehen ist.

Die vorgenannten Abrechnungsmöglichkeiten des Zahnarztes werden durch § 6 Abs. 1 GOZ erweitert, wenn nämlich eine der dort aufgezählten Leistungen erbracht wird. Ist dies der Fall, findet § 10 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) mit der Folge Anwendung, dass der Zahnarzt die in § 10 GOÄ genannten Auslagen berechnen darf, etwa seine Aufwendungen für die in § 10 Nr. 1 GOÄ beschriebenen Verbrauchsmaterialien. Diese Ergänzung oder Öffnung der Gebührenordnung für Zahnärzte setzt jedoch insgesamt voraus, dass von dem Zahnarzt Leistungen im Sinne des § 6 Abs. 1 GOZ erbracht werden; implantologische Leistungen sind in dem dortigen Leistungskatalog jedoch nicht enthalten, so dass § 10 GOÄ auch nicht (ergänzend) herangezogen werden kann.

Die Fräsen gehören damit zu den Instrumenten bzw. Apparaten, bei deren Anwendung keine gesonderte Berechnung erlaubt ist. Nach § 4 Abs. 4 Satz 1 GOZ dürfen Kosten, die nach § 4 Abs. 3 GOZ mit der Gebühr bereits abgegolten sind, nicht gesondert berechnet werden. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 GOZ sind mit den Gebühren die Praxiskosten einschließlich der Kosten für Füllungsmaterial, für den Sprechstundenbedarf sowie für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten abgegolten, soweit nicht im Gebührenverzeichnis etwas anderes bestimmt ist. Nachdem entsprechend den vorangehenden Ausführungen im Gebührenverzeichnis für die Fräsen keine Bestimmung getroffen ist und es damit keinen einschlägigen Gebührentatbestand gibt, es sich aber auch nicht um Wegegeld oder Auslagenersatz handelt, sind die Voraussetzungen des § 3 GOZ nicht erfüllt. Die nicht berechnungsfähigen Fräsen unterfallen damit dem Grundsatz der Kostenabgeltung mit den Gebühren, wie er in § 4 Abs. 3 GOZ zum Ausdruck kommt. Die Gebühren enthalten neben einem für die Leistung des Zahnarztes gedachten Anteil auch kalkulatorische Anteile für weitere Kosten. Diese dienen unter anderem zur Deckung der Praxiskosten und der durch die Anwendung von Instrumenten und Apparaten entstehenden Kosten. Wie es in der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zu § 4 Abs. 3 GOZ dazu weiter heißt, sollten von dem Ausschluss nach § 4 Abs. 3 GOZ nur die Kosten nicht erfasst sein, deren Berechnungsfähigkeit neben den Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis ausdrücklich zugelassen wird, etwa für bestimmte Verankerungselemente oder die Kosten für die eigentlichen Implantate oder Implantatteile.

Vgl. hierzu die Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zu BR-Drucks. 276/87 vom 26.6.1987.

Vor dem Hintergrund dieser an Wortlaut und Systematik der Gebührenordnung orientierten Auslegung besteht kein Raum für die Annahme, dass etwa die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 1 GOZ nicht eindeutig sei und es allein auf eine vertretbare Auslegung des Gebührenrechts ankomme. Das BVerwG hat zwar - jedenfalls für Ausnahmefälle - den Grundsatz aufgestellt, dass Aufwendungen für ärztliche oder zahnärztliche Leistungen, deren Berechnung auf einer zweifelhaften Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung beruht, beihilferechtlich schon dann als angemessen anzusehen sind, wenn der vom Arzt oder Zahnarzt in Rechnung gestellte Betrag einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht für rechtzeitige Klarheit über die von ihm vertretene Auslegung gesorgt hat.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 17.2.1994 - 2 C 10.92 -, BVerwGE 95, 117; - 2 C 17.92 -, ZBR 1994 S. 227; - 2 C 25.92 -, ZBR 1994 S. 228 und Urteil vom 30.5.1996 - 2 C 10.95 -, NVwZ 1997, 75.

Selbst wenn man - was die Auslegung der oben erwähnten Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 3 Satz 1 GOZ betrifft - derartige Unklarheiten entgegen der Auffassung des Senats annehmen wollte, fehlte es indes an der Möglichkeit, zumindest vertretbar eine Rechtsgrundlage für die Berechnung der Fräsen in Erwägung zu ziehen. Die Gebührenordnung für Zahnärzte sieht den Ansatz der Kosten für ihre Anschaffung als Gebühren, Auslagen oder Wegegeld (vgl. § 3 GOZ) eben nicht vor; § 4 Abs. 3 Satz 1 GOZ ersetzt keinen gegebenenfalls einschlägigen Gebührentatbestand, was dem letzten Halbsatz dieser Bestimmung eindeutig zu entnehmen ist. Auch der Rückgriff auf § 10 GOÄ ist nach dem Wortlaut der §§ 6 und 9 GOZ nur beschränkt möglich, wegen des Ersatzes von Kosten für Fräsen oder Bohrer aber ausgeschlossen.

Vgl. auch Schl.-H. OVG, Beschluss vom 26.1.1999 - 5 L 6206/96 -.

Aus demselben Grunde ist es auch ohne Bedeutung, ob Bohrer und Fräsen, wie der Kläger behauptet, nur einmal verwendet worden oder einer mehrfachen Verwendung zugänglich sind, wie die Beklagte meint. Auch eine nur sehr eingeschränkte Verwendbarkeit könnte nichts daran ändern, dass der behandelnde Zahnarzt Instrumente bzw. Apparate eingesetzt hat, deren gesonderte Geltendmachung nach der hier einschlägigen Bestimmung ausgeschlossen bzw. nicht vorgesehen ist.

Vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.4.1999 - 4 S 3178/98 -, Schütz, ES/C IV 2 Nr. 135; ähnlich OVG NRW, Beschlüsse vom 6.3.1998 - 6 A 5710/97 -, und vom 14.2.2002 - 6 A 2978/99 -.

Ende der Entscheidung

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