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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 30.07.2008
Aktenzeichen: 1 A 3762/06
Rechtsgebiete: BBG, GG, PostPersRG


Vorschriften:

BBG § 45 Abs. 2
GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 143b Abs. 3
PostPersRG § 1 Abs. 1
PostPersRG § 2 Abs. 3
PostPersRG § 4 Abs. 1
Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "zwingende dienstliche Gründe" in § 45 Abs. 2 BBG betreffend den Reaktivierungsanspruch einer bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt gewesenen Bundesbeamtin, dem als Ablehnungsgrund im Kern fehlender Personalbedarf entgegengehalten wird (im Anschluss an das Senatsurteil vom 10.11.2006 - 1 A 777/05 -, juris, zum entsprechenden nordrhein-westfälischen Landesbeamtenrecht).
Tatbestand:

Die Klägerin war bis zu ihrer vorzeitigen Zurruhesetzung im Jahre 2001 als Bundesbeamtin bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt. Im Jahre 2002 beantragte sie ihre Reaktivierung. Die Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit wurde ärztlich festgestellt. Mit Bescheid vom 26. März 2006 lehnte die Deutsche Telekom AG den Reaktivierungsantrag gleichwohl ab, weil der Wiederberufung in das Beamtenverhältnis zwingende dienstliche Gründe entgegenstünden. Mit Blick auf bereits bestehende Personalüberhänge bzw. noch weiter geplante Personalreduzierungen werde eine Einsatzmöglichkeit für die Klägerin nicht gesehen. Eine sinnvolle Verwendung sei auf absehbare Zeit nicht möglich. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin beim VG Klage, welche ebenfalls abgewiesen wurde. Der Berufung der Klägerin hatte vor dem OVG Erfolg.

Gründe:

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Die zulässige Klage ist begründet, denn die Klägerin hat einen Anspruch auf ihre erneute Berufung in das Beamtenverhältnis.

Maßgebliche Beurteilungsgrundlage hierfür ist der bis heute mit unverändertem Inhalt geltende § 45 Abs. 2 BBG in der Fassung der Bekanntmachung des Gesetzes vom 31.3.1999 (BGBl. I S. 675). Nach dieser Vorschrift ist einem nach Wiederherstellung der Dienstfähigkeit und vor Ablauf von fünf Jahren seit dem Eintritt in den Ruhestand gestellten Antrag eines (Bundes-)Beamten, ihn erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen, stattzugeben, falls nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. Im Falle der Klägerin sind das Antragserfordernis und der dafür gesetzlich bestimmte Zeitrahmen gewahrt; auch steht nicht im Streit, dass die Klägerin ihre Dienstfähigkeit wiedererlangt hat. Streitentscheidend kommt es deshalb allein darauf an, ob dem Reaktivierungsverlangen ein zwingender dienstlicher Grund entgegensteht. Das ist im Ergebnis zu verneinen.

Bei der genannten Anspruchsvoraussetzung handelt es sich um ein negatives Tatbestandsmerkmal, welches uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt und dessen Vorliegen vom Dienstherrn darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ist.

Wann zwingende dienstliche Gründe vorliegen, kann dem Gesetz nicht ohne weiteres entnommen werden. Es bedarf mithin einer Auslegung, welche unter Orientierung namentlich am Wortlaut ("zwingend"), am systematischen Zusammenhang (u.a. strikte zeitliche Begrenzung des Rechtsanspruchs des Betroffenen) sowie an der Zweck- und Zielsetzung der Regelung (Verstärkung des Grundsatzes "Rehabilitation und Versorgung" unter Vermeidung von Versorgungslasten, Ausrichtung am beamtenrechtlichen Lebenszeitprinzip sowie an der Alimentations- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem wieder dienstfähig gewordenen Beamten) im Ergebnis dazu führt, dass das Merkmal eher eng, d.h. einschränkend zu Lasten des Dienstherrn auszulegen ist. Hiervon ausgehend stehen der Reaktivierung - jedenfalls soweit es um sog. objektive Gründe aus dem Bereich der Verwaltung des Dienstherrn geht - nur dann dienstliche Gründe entgegen, wenn in den Erfordernissen des Dienstbetriebs liegende Gründe, deren Beachtung wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Aufrechterhaltung und/oder Ordnung des Dienstbetriebes alternativlos ist, die Wiederberufung des Beamten ausschließen.

Vgl. zu der inhaltlich entsprechenden Norm des § 48 Abs. 3 Satz 1 LBG NRW mit ausführlicher Begründung: OVG NRW, Urteil vom 10.11.2006 - 1 A 777/05 -, juris, Rn. 38 ff., 56.

Danach ist namentlich der Umstand, dass es im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bzw. -zeitraum an einer für den Beamten passenden und auf Dauer besetzbaren Planstelle fehlt, weil etwa alle planmäßig vorhandenen Stellen zurzeit besetzt sind oder mit Blick auf einzelne freie Stellen deren Wegfall bevorsteht, jedenfalls für sich genommen kein Grund, der sich gemessen an diesem Maßstab als zwingend erweist. Zum einen hinge es nämlich von reinen Zufälligkeiten ab, die Prüfung darauf zu beschränken, ob gerade im Zeitpunkt des konkreten Reaktivierungsverlangens eine besetzungsfähige Stelle tatsächlich zur Verfügung steht. Denn mit dem Ausscheiden eines Beamten aus dem aktiven Dienst wird die innegehabte Stelle regelmäßig neu besetzt oder sie fällt weg. Wäre der die Reaktivierung erstrebende Beamte infolgedessen darauf beschränkt, dass just zum Zeitpunkt seines Antrages eine (andere) Stelle unbesetzt wäre, so ließe sich unter den tatsächlichen Bedingungen heutiger Personalwirtschaft sein grundsätzlich bestehender Rechtsanspruch auf Wiederberufung realistischerweise überhaupt nicht oder höchstens in ganz seltenen Fällen durchsetzen. Zum anderen ist auch das Instrument des Stellenplans selbst geeignet, den gesetzlichen Reaktivierungsanspruch durchgreifend zu konterkarieren, und steht deswegen ebenfalls mit zur Überprüfung, nämlich darauf, ob sich die dortigen Festlegungen inhaltlich im Rahmen des dem Dienstherrn eingeräumten Organisationsermessens halten. Könnte der Dienstherr nämlich völlig frei darüber bestimmen, wie viele Stellen er in einen Stellenplan aufnimmt, um auf diese Weise beispielsweise bestimmte "vorgegebene" Sparziele einzuhalten, könnte hierdurch das mit dem Rechtsanspruch nach § 45 Abs. 2 BBG verfolgte Ziel, vorzeitig zur Ruhe gesetzten Beamten innerhalb eines eng bemessenen Zeitfensters die Rückkehr in den aktiven Dienst im Falle einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit grundsätzlich (auch effektiv) zu ermöglichen, für längere Zeiträume, wenn nicht auf unabsehbare Zeit, vollständig unterlaufen werden. Deswegen kann nicht nur das Fehlen einer Planstelle, sondern können auch haushaltrechtliche Erwägungen und Sparziele nicht generell, sondern allenfalls in sehr engen Grenzen als "zwingend" im Sinne des § 45 Abs. 2 BBG anerkannt werden. Sie können im vorliegenden Zusammenhang nur dann erfolgreich ins Feld geführt werden, wenn der Dienstherr den angeführten Sachzwängen aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen auch wirklich folgen muss, will er den Dienstbetrieb sinnvoll aufrechterhalten. Ist hingegen der angebliche Sachzwang dem Grunde nach steuerbar - und das Ergebnis der Entscheidung insofern nicht alternativlos -, so hat dagegen das Reaktivierungsverlangen des Beamten grundsätzlich Vorrang.

Ebenso bereits OVG NRW, Urteil vom 10.11.2006 - 1 A 777/05 -, a.a.O., Rn. 59.

Der jeweilige Dienstherr kann diesen Erwägungen innerhalb des überschaubaren Zeitraums von fünf Jahren nach dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand grundsätzlich auch in zumutbarer Weise Rechnung tragen. Er kann nämlich im Rahmen seiner Haushalts- und Personalplanung die mögliche Rückkehr des Beamten in das aktive Dienstverhältnis in irgendeiner Weise berücksichtigen, z.B. durch die Vorhaltung einer gewissen Anzahl von Leerstellen als Teil der Beamtenplanstellen. Trifft er nicht in solcher oder ähnlicher Weise Vorsorge, muss er gegebenenfalls in Kauf nehmen, bei konkretem Bedarf eine zusätzliche (außerplanmäßige) Stelle für einen reaktivierungswilligen Beamten einzurichten, um damit der gesetzlichen Regelung des § 45 Abs. 2 BBG gebührend nachzukommen.

Die vorstehenden Grundsätze finden im Wesentlichen auch auf die früheren Beamten der Deutschen Bundespost Anwendung, die nunmehr bei den Aktiengesellschaften im Sinne des § 1 PostPersRG - darunter der Deutschen Telekom AG - beschäftigt werden, deren Dienstherr und Adressat diesbezüglicher Ansprüche aber der Bund geblieben ist (vgl. § 2 Abs. 3 Sätze 1 und 3 PostPersRG). Einfachgesetzlich ist in § 2 Abs. 3 Satz 2 PostPersRG die Anwendung der für Bundesbeamte allgemein geltenden Vorschriften auf diese Beamten vorgesehen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Eine solche anderweitige Bestimmung gibt es für die hier interessierenden Fälle der Reaktivierung auf Antrag des Beamten nicht. Auch aus den von der Beklagten in ihrer Berufungserwiderung herangezogenen Verfassungsbestimmungen ergibt sich nicht, dass die aufgrund der allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften geltenden Grundsätze für die genannte Beamtengruppe wesentlich zu modifizieren wären. Das gilt weder allgemein noch konkret bezogen auf die Vorschriften über die Reaktivierung solcher Beamter.

Gemäß Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG werden die bei der Deutschen Bundespost tätigen Bundesbeamten, zu denen die Klägerin gehört hat, unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und der Verantwortung des Dienstherrn bei den privaten Unternehmen beschäftigt, wobei dem Satz 3 der Vorschrift zufolge das Nähere durch Bundesgesetz bestimmt wird. Fehlt es wie vorliegend in dem einschlägigen Sachzusammenhang an einem solchen (Sonder-)Gesetz, so ergibt sich die Rechtsstellung der betroffenen Beamtinnen und Beamten nach wie vor aus den hierfür bestehenden allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften. Dieser Schutz des Beamtenstatus in seiner bisherigen Ausprägung soll dabei gerade auch dem Umstand Rechnung tragen, dass von den Betroffenen im Rahmen ihrer Beschäftigung bei den privaten Unternehmen kein "Amt" mehr wahrgenommen wird, diese vielmehr Arbeit verrichten, welche nur kraft gesetzlicher Fiktion ("gilt") als Dienst bewertet wird (§ 4 Abs. 1 PostPersRG). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der vorgenannte Aspekt mithin kein durchgreifendes Argument sein, einer unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus Sicht der Unternehmen sicherlich wünschenswerten stärkeren Flexibilisierung des Rechtssystems, wie sie bei der Schaffung des Art. 143b GG auch mit im Blick stand, einen generellen Vorrang vor den davon unberührten Rechtswahrungsinteressen der betroffenen Beamten einzuräumen. In dieser Hinsicht etwaige Modifizierungen des bestehenden Rechts vorzunehmen wäre mit Blick auf Art. 143b Abs. 3 Satz 3 GG im Übrigen Aufgabe des Gesetzgebers. Die Gerichte sind ihrerseits nicht befugt, im Rahmen der Auslegung des geltenden Beamtenrechts (hier mit Blick auf § 45 Abs. 2 BBG) die sonst üblichen Anforderungen zu senken, wenn es in dem betreffenden Verfahren um den Status eines bei einem Postnachfolgeunternehmen beschäftigten oder beschäftigt gewesenen Beamten geht.

Vgl. zur Auslegung des Art. 143b Abs. 3 GG näher OVG NRW, Beschluss vom 27.10.2004 - 1 B 1329/04 -, DVBl. 2005, 325 = ZBR 2005, 97; im Kern damit übereinstimmend: BVerwG, Urteil vom 22.6.2006 - 2 C 26.05 -, BVerwGE 126, 182 ("Vivento").

Der von der Beklagten weiter angesprochene Art. 14 Abs. 1 GG kann für die Auslegung und Anwendung der streitentscheidenden Norm des § 45 Abs. 2 BBG keine maßgebliche Bedeutung erlangen. Gestritten wird hier um eine dem öffentlichen Recht zugehörige Rechtsbeziehung, und zwar diejenige einer Bundesbeamtin zu ihrem Dienstherrn. Soweit in diesem Zusammenhang die Deutsche Telekom AG kraft gesetzlicher Vorgabe für den Dienstherrn Bundesrepublik Deutschland bestimmte Pflichten zu erfüllen hat, die sich aus dem Beamtenverhältnis ergeben, handelt sie dabei nicht als Privatrechtssubjekt, sondern - als Beliehene - in Wahrnehmung einer öffentlich-rechtlichen Kompetenz. Das aber schließt es aus, dass sie in dem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zu dem jeweils betroffenen Beamten Träger eigener Grundrechte wie etwa aus Art. 14 Abs. 1 GG sein kann.

Vgl. etwa Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 19 Rn. 111; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2006, Art. 19 Rn. 18.

Die Beklagte kann sich infolgedessen den aus der Dienstherrneigenschaft im Verhältnis zu den Beamten folgenden Rechtsverpflichtungen nicht unter Berufung auf das Eigentumsgrundrecht derjenigen privaten Postnachfolgeunternehmen entziehen, welche für die Bundesrepublik Deutschland die betreffenden Rechtsverpflichtungen nach dem verfassungsgesetzlich bestimmten "Beleihungsmodell" (lediglich) wahrnehmen. Das trifft grundsätzlich auf alle Beamten zu, welche - wie die Klägerin - gesetzlich einem der Nachfolgeunternehmen zur Dienstleistung zugewiesen sind. Andernfalls drohte im Übrigen der oben behandelte Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG mit seiner Schutzklausel leerzulaufen. Was "zwingende" Gründe im Sinne des § 45 Abs. 2 BBG sind, kann sich demzufolge nicht ausschließlich oder generell vorrangig danach bestimmen, welche Entscheidung das private Nachfolgeunternehmen als Eigentümer in personalpolitischer Hinsicht trifft, um seine Stellung am Markt zu behaupten oder zu verbessern. Anderes mag gegebenenfalls dann gelten, wenn durch den Ausgang des jeweiligen Reaktivierungsverfahrens der Bestand des Unternehmens "Deutsche Telekom AG" als solcher in existenzielle Gefahr geriete. Solches hier anzunehmen ist allerdings fernliegend und auch dem Beklagtenvorbringen nicht zu entnehmen. Im Übrigen käme in einer solchen Extremsituation die prinzipiell beim Dienstherrn Bundesrepublik verbliebene Verantwortung für die Wahrung der Rechtsstellung der Bundesbeamten wohl wieder unmittelbar zum Tragen.

Aus alledem ergibt sich für den vorliegenden Fall:

Die für die fehlende Einsatzmöglichkeit der Klägerin von der Beklagten im Widerspruchsbescheid und im gerichtlichen Verfahren angeführten Gründe haben nur zum Teil mit dem Fehlen planmäßig ausgewiesener Stellen an für die Klägerin in Betracht kommenden Einsatzorten zu tun. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge hat es nämlich zumindest für bestimmte Zeiträume und Einsatzbereiche "personalbuchführungsmäßig" als frei ausgewiesene Posten gegeben. Dass diese Posten gleichwohl für eine dauerhafte (Wieder-)Besetzung tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden haben sollen, hängt nach dem Vorbringen der Beklagten und den von ihr im Verwaltungsverfahren eingeholten Stellungnahmen vor allem mit gestalterischen Festlegungen des Vorstandes der Deutschen Telekom AG zum aktuellen und künftigen Personalbedarf im Allgemeinen sowie - etwa bezogen auf durch Umstrukturierungen und sog. Clearing-Verfahren betroffene Organisationseinheiten - im Besonderen zusammen. Diese Umstände verschärfen nachvollziehbar die bestehende Personalsituation dahingehend, dass von der Beklagten große Schwierigkeiten geklagt werden, ihren aktiven Personalbestand auf absehbare Zeit überhaupt noch vollständig und (amts-)angemessen beschäftigen zu können.

Diese problembehaftete Beschäftigungssituation, unter welcher insbesondere die noch aktiven Beamten zu leiden hatten bzw. zum Teil noch haben (Stichwort: Vivento), kann die Beklagte aber letztlich nicht als "zwingenden dienstlichen Grund" im Sinne des § 45 Abs. 2 BBG durchgreifend ins Feld führen. Denn zum einen hat sie diese Situation, soweit sie nämlich auf in der Vergangenheit vorgekommene Versäumnisse zurückzuführen ist, maßgeblich selbst zu verantworten. Zum anderen war und ist auch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ein Punkt erreicht, in welchem sich die bestehenden personalwirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten der Beklagten als in Richtung auf eine Ablehnung des Reaktivierungsantrages "alternativlos" darstellen.

Die hier in Rede stehende Situation eines bei der Deutschen Telekom AG den Personalbestand deutlich unterschreitenden Personalbedarfs ist letztlich "hausgemacht". Dabei ist allgemein nichts dagegen zu erinnnern, dass ein am Markt agierendes großes Unternehmen, um seine Stellung im Wettbewerb zu verbessern bzw. langfristig zu sichern, auch die Personalkosten als Faktor für eine erstrebte Senkung der Gesamtkosten in den Blick nimmt sowie in anstehende unternehmerische Planungen und Entscheidungen einbezieht. Soweit von den Entscheidungen (auch) Beamte betroffen sind, sind allerdings wesentliche rechtliche Besonderheiten zu beachten. Es geht in diesem Zusammenhang darum, dass die Postnachfolgeunternehmen wie die Deutsche Telekom AG, indem sie die dem Dienstherrn Bundesrepublik Deutschland obliegenden Rechte und Pflichten gegenüber den bei ihnen beschäftigten Beamten wahrzunehmen haben (vgl. § 1 Abs. 1 PostPersRG), im Verhältnis zu diesen Beamten in einer besonderen rechtlichen Verantwortung stehen. Es handelt sich dabei um die Wahrnehmung der "Verantwortung des Dienstherrn" bei der durch die Verfassung den Unternehmen zugewiesenen Ausübung von Dienstherrnbefugnissen (Art. 143b Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 GG). An dieser Verantwortung muss sich die Deutsche Telekom AG unter einer möglichst anzustrebenden Harmonisierung mit den durch ihre unternehmerische Tätigkeit am Markt und den dortigen Wettbewerb beeinflussten Zielsetzungen bei ihrem realen Handeln messen lassen. Hierbei hat es augenscheinlich in der Vergangenheit vermeidbare Versäumnisse gegeben. Insbesondere ist versäumt worden, im Rahmen der jeweiligen organisationsrechtlichen und personalwirtschaftlichen Entscheidungen/Festlegungen zu den verbreitet vorgenommenen Umstrukturierungsmaßnahmen wie auch zusätzlich bei der Zahl von Neueinstellungen von Beschäftigten im Angestelltenverhältnis den tatsächlichen Bestand der auf der Grundlage der gesetzlichen Zuweisung in § 2 Abs. 1 PostPersRG bei dem privaten Unternehmen Deutsche Telekom AG beschäftigten Beamten und deren Anspruch auf eine gemessen an ihrem Statusamt angemessene Beschäftigung in hinreichendem Maße zu berücksichtigen.

Diese Versäumnisse können nicht vollständig zu Lasten der Rechtsstellung einer anderen Gruppe von Beamten gehen, nämlich der Ruhestandsbeamten, welche wie die Klägerin ihren grundsätzlich gegebenen Rechtsanspruch auf Reaktivierung innerhalb der in § 45 Abs. 2 BBG bestimmten Frist gegenüber der Beklagten durchsetzen möchten.

Ebenso sinngemäß bereits OVG NRW, Beschluss vom 7.5.2007 - 1 B 385/07 -, juris, Rn. 12 bis 14, betreffend den dortigen Vortrag, bei der Deutschen Bahn AG sei für viele der zugewiesenen Beamten keine amtsangemessene Beschäftigung vorhanden.

Vielmehr war und ist die Beklagte, vertreten durch die Deutsche Telekom AG, in der Pflicht, schlüssige Konzepte zu entwickeln und zur Anwendung zu bringen, welche in angemessener Weise sowohl den selbstverständlichen Beschäftigungsinteressen der aktiven Beamten Rechnung tragen als auch potenziellen Reaktivierungswilligen eine realistische Chance belassen, in den aktiven Beamtendienst zurückzukehren. Beispielsweise könnte daran gedacht werden, dass - unter dem Gesichtspunkt der schon an anderer Stelle angesprochenen "Vorsorge" - ein gewisser (Mindest-)Anteil der Planstellen, die durch vorzeitige Zurruhesetzungen dienstunfähiger Beamter frei werden, für eine Zeitdauer von etwa fünf Jahren als "Reserve" für mögliche Reaktivierungsfälle (z.B. als Leerstelle) weiter vorgehalten wird, der übrig bleibende Anteil der durch Dienstunfähigkeit vorzeitig frei gewordenen Stellen hingegen bei Bedarf mit aktiven Beamten besetzt wird, die etwa infolge von Umorganisationen aktuell eine neue Stelle benötigen, weil ihre alte Stelle eingespart wurde. Den betreffenden Planstellen muss dann freilich auch eine genügende Anzahl von tatsächlich besetzbaren Dienst-/ Arbeitsposten mit einem für Beamte grundsätzlich geeigneten Tätigkeitsprofil zur Seite gestellt werden.

Derartige - nach den Erkenntnissen im vorliegenden Verfahren bisher fehlende - Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, ist auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch Raum. Dass aus der Sicht der Unternehmensführung der Deutschen Telekom AG der Personalabbau fortgeschrieben und sogar noch weiter verstärkt werden soll, könnte die Situation in Zukunft zwar noch weiter verschärfen, ändert aber prinzipiell nichts daran, dass neben dem Beschäftigungsanspruch des aktuell vorhandenen Personals zumindest in gewissem Umfang weiterhin auch auf die Rechte und Interessen der im Sinne des § 45 Abs. 2 BBG Reaktivierungswilligen abwägend Rücksicht genommen werden muss. Gerade mit Blick darauf, dass Neueinstellungen von Beamten bei der Deutschen Telekom AG aus Rechtsgründen nicht erfolgen können, der Bestand der Beamten bei diesem Unternehmen damit ohnehin durch das Erreichen der normalen Altersgrenze nach und nach absinkt, erscheint es nicht nachvollziehbar, dass schon die eine oder andere Reaktivierung für das Unternehmen derzeit wirtschaftlich nicht mehr verkraftbar wäre, d.h. gravierende wirtschaftliche Folgen hätte. Dafür, dass es im Gesamtbereich der Deutschen Telekom AG keine für die Klägerin geeigneten Aufgaben mehr geben würde, fehlt ebenfalls ein schlüssiger Vortrag und erst recht ein Beleg.

Der zeitlich beschränkte Anspruch eines Reaktivierungsbewerbers nach § 45 Abs. 2 BBG darf schließlich auch nicht verwechselt werden mit dem (grundsätzlich nicht bestehenden) Anspruch eines externen Bewerbers, der erstmals bei der Deutschen Telekom AG eingestellt werden möchte. Abgesehen davon, dass im Verhältnis zu Angestellten/Arbeitnehmern ohnehin die sich etwa aus dem Beamtenrecht ergebenden Besonderheiten beachtet werden müssen, kommt deswegen dem vom Vorstand der Deutschen Telekom AG beschlossenen "Einstellungsstopp" (hier beschränkt auf Externe) jedenfalls keine unmittelbare Bedeutung für die Beantwortung der Frage zu, ob zwingende dienstliche Gründe einer von dem Betroffenen beantragten Wiederberufung in das Beamtenverhältnis entgegenstehen. Denn der Reaktivierungsbewerber steht einem internen Stellenbewerber deutlich näher als einem externen Einstellungsbewerber. Anders als der Externe hatte er nämlich schon zuvor zu seinem Dienstherrn in einem grundsätzlich auf Lebenszeit angelegten Dienst- und Treueverhältnis gestanden, welches sich letztlich nur wegen der eingetretenen Dienstunfähigkeit vorzeitig in ein Ruhestandsbeamtenverhältnis umgewandelt hat. Fällt dieser Grund - zumal wie hier bei einem noch jüngeren Menschen - nachträglich weg, so liegt es nicht nur im Interesse des betroffenen Beamten, sondern grundsätzlich auch im öffentlichen Interesse, dem - neben den Verpflichtungen aus § 42 Abs. 3, § 42a BBG u.a. auch durch die Vorschriften über die Reaktivierung gestützten - Grundsatz "Rehabilitation vor Versorgung" auch in der Praxis möglichst wirkungsvoll Geltung zu verschaffen. Systemgerecht ist es in solchen Fällen, dass der Beamte wieder Dienst verrichtet und ihm statt Versorgung wieder Besoldung gewährt wird, soweit dem nicht im Einzelfall ganz schwerwiegende Umstände entgegenstehen.

Könnte sich der Dienstherr dem aus nicht wirklich zwingenden Gründen entziehen, so wäre im Übrigen die Folge, dass die wirtschaftlichen Lasten einer sachlich nicht mehr gerechtfertigten (Früh-)Pensionierung systemwidrig weiterhin auf den Versorgungsträger und zum Teil auch den Beamten selbst verlagert werden, anstatt den Träger der Besoldungsleistungen zu treffen. Dies würde sich vorliegend auch konkret auswirken, denn zu den Versorgungslasten trägt die Deutsche Telekom AG durch Finanzierung der Postbeamtenversorgungskasse nur in bestimmtem, näher festgelegtem Umfang bei, wohingegen sie die Besoldungsleistungen gegenüber den ehemaligen Beamten der Deutschen Bundespost selbst voll zu erbringen hat (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 5, §§ 14 bis 16 PostPersRG).

In der Person der Klägerin begründete zwingende dienstliche Gründe wie z.B. gravierende Eignungsmängel, welche dem streitgegenständlichen Reaktivierungsverlangen zusätzlich entgegenstehen könnten, sind von der Beklagten weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.

Nach allem mangelt es an unabweisbaren Sachgründen für die Ablehnung des Antrags der Klägerin, welche hinreichend plausibel sind. Dann aber setzt sich im Streitfall der Anspruch des Betroffenen aus § 45 Abs. 2 BBG durch. Der Klägerin steht daher im Ergebnis ein Anspruch auf Wiederberufung in das (aktive) Beamtenverhältnis zu. Dies bedeutet, dass ihr bei der Beklagten im Zuge der (erneuten) Ernennung entweder das vor der Versetzung in den Ruhestand innegehabte Amt einer Fernmeldeobersekretärin der Besoldungsgruppe A 7 oder ein sonstiges Amt derselben oder einer anderen Laufbahn mit mindestens demselben Endgrundgehalt neu zu übertragen ist. Mit Blick darauf, dass die Klägerin ihren Antrag in dieser Hinsicht nicht eingeschränkt hat, ergibt sich diese Rechtsfolge entsprechend aus der Regelung über die Reaktivierung von Amts wegen in § 45 Abs. 1 Satz 1 BBG. Die Reaktivierung schließt die Einweisung in eine freie oder - für den Fall unzureichender Vorsorge - außerplanmäßig bereitzustellende Planstelle der betroffenen Besoldungsgruppe,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.11.2006 - 1 A 777/05 -, a.a.O., Rn. 83,

sowie - zumindest auf einer weiteren Stufe - die (erforderlichenfalls gerichtlich eigenständig durchzusetzende) Zuweisung einer dem Amt angemessenen Tätigkeit ein.

Vgl. zum Verhältnis des Reaktivierungsanspruchs zum Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung auch OVG NRW, Beschluss vom 7.5.2007 - 1 B 385/07 -, juris, Rn. 12 bis 14.

Der Reaktivierungsanspruch führt dabei allerdings - wie schon in diesem Verfahren klarstellend bemerkt werden soll - nicht notwendig auf die Übertragung ganz bestimmter Aufgaben, beispielsweise der vor der Zurruhesetzung ausgeübten Tätigkeit, und damit auch nicht auf die Übertragung eines bestimmten Dienst- oder Arbeitspostens. Über den konkreten Einsatz eines reaktivierten Beamten kann der Dienstherr vielmehr grundsätzlich nach seinem Ermessen näher entscheiden, soweit er dabei den Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung hinreichend beachtet. Soweit durch materiell-rechtliche Sonderregelungen der vorgenannte Anspruch ausnahmsweise und vorübergehend selbst für aktive Beamte eingeschränkt ist (vgl. etwa § 6 PostPersRG), findet dies nach der Reaktivierung freilich auch auf die Klägerin Anwendung. Denn durch die Reaktivierung erlangt die Klägerin wieder den Status einer aktiven Beamtin mit allen darauf bezogenen Rechten und Pflichten.



Ende der Entscheidung

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