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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 19.05.2004
Aktenzeichen: 1 A 4557/02.PVL
Rechtsgebiete: LPVG NRW


Vorschriften:

LPVG NRW § 66 Abs. 3 Satz 4
Die Begründung für die Zustimmungsverweigerung des Personalrats ist auch dann unbeachtlich, wenn sie keine hinreichende Verbindung zu der vom Dienststellenleiter zur Mitbestimmung gestellten Maßnahme aufweist.

Welche Maßnahme der Dienststellenleiter zur Mitbestimmung des Personalrats gestellt hat, bestimmt sich nicht nach dem Wortlaut des Antrags aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten. Vielmehr kommt es allein darauf an, wie der Personalrat als Adressat der Erklärung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls den Antrag objektiv verstehen musste (objektiver Empfängerhorizont).


Tatbestand:

Der Beschäftigte T. war als Fahrdienstkoordinator in der Abteilung Produktion tätig. Unter dem 21.11.2001 bat der Beteiligte den Antragsteller um Zustimmung zur Weiterbeschäftigung des Beschäftigten T. als Lagerverwalter unter Beibehaltung der arbeitsvertraglichen Bedingungen. Am 30.1.2002 beschloss der Antragsteller, der beabsichtigten Maßnahme nicht zuzustimmen, und führte zur Begründung im Wesentlichen an, T. werde durch die Maßnahme unzumutbar belastet, da er zusätzlich zu seinen neuen Aufgaben als Lagerverwalter auch seine früheren Aufgaben als Fahrdienstkoordinator wahrnehme. Der Beteiligte sah die Zustimmungsverweigerung als unbeachtlich an und nahm die Umsetzung des Beschäftigte T. vor. Der Antragsteller leitete daraufhin ein personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren mit dem Antrag ein festzustellen, dass die Maßnahme, den Beschäftigten T. mit sofortiger Wirkung als Lagerverwalter unter Beibehaltung der arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen, nicht gemäß § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW als gebilligt gilt. Der Antrag hatte in der zweiten Instanz Erfolg.

Gründe:

Die Weiterbeschäftigung des Beschäftigten T. als Lagerverwalter, die nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 - 2. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW als Umsetzung eine mitbestimmungspflichtige Personalmaßnahme darstellt, gilt nicht gemäß § 66 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW als vom Antragsteller gebilligt, da dessen Zustimmungsverweigerung - entgegen der Auffassung des Beteiligten - beachtlich ist.

...

Die vom Antragsteller zur Begründung seiner Zustimmungsverweigerung angebrachten Gründe sind beachtlich. Sie haben einen hinreichenden Bezug sowohl zu dem in Rede stehenden Mitbestimmungsrecht als auch in tatsächlicher Hinsicht zu der vom Beteiligten zur Mitbestimmung gestellten Maßnahme.

Der Antragsteller weist zutreffend darauf hin, dass die durch § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 - 2. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW eingeräumte Mitbestimmungsbefugnis nicht nur dem kollektiven Schutz, sondern gleichermaßen dem Schutz des von der Umsetzung betroffenen Beschäftigten dient. Der Schutz des Beschäftigten beschränkt sich nicht nur auf den Bereich individueller Rechtsbeeinträchtigungen, sondern erfasst auch nicht in Rechtsansprüche zu fassende Belange des Beschäftigten.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.4.1984 - 6 P 3.83 -, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/A II 4.3 Nr. 3; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 72 Rn. 143.

Zu diesen Belangen gehört namentlich auch der Schutz des Beschäftigten vor einer Überlastung durch die Tätigkeiten des neuen Arbeitsplatzes.

Mit Blick darauf mangelt es der Begründung des Antragstellers für seine Zustimmungsverweigerung nicht an einem hinreichenden Bezug zu dem maßgeblichen Mitbestimmungstatbestand, wenn er - wie hier - u. a. die Befürchtung von mit der Maßnahme verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschäftigten T. geltend gemacht hat, die daraus resultieren, dass es zu einer Überbelastung in dessen Person kommt.

Soweit die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen die Begründung des Antragstellers für seine Zustimmungsverweigerung mit dem Argument als unbeachtlich angesehen hat, dass sie allein auf die den Kern des Organisationsrechts des Dienststellenleiters betreffende und deshalb der Mitbestimmung entzogene Frage gerichtet sei, in welcher Art und in welchem Ausmaß der Beschäftigte belastet werde, kann dem nicht gefolgt werden. Mit diesen Ausführungen trägt die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen dem Umstand nur unzureichend Rechnung, dass nicht schon allein die Tatsache, dass eine Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, das Organisationsrecht des Leiters der Dienststelle beeinträchtigt. Die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Organisationsrechts stellt sich vielmehr erst im Zusammenhang mit der hier nicht in Rede stehenden Frage der Reichweite einer Entscheidung der Einigungsstelle.

Entgegen der Auffassung des Beteiligten weist die Begründung des Antragstellers für die Zustimmungsverweigerung auch in tatsächlicher Hinsicht einen hinreichenden Bezug zu der zur Mitbestimmung gestellten Maßnahme auf.

Welche Maßnahme zur Mitbestimmung des Personalrats gestellt worden ist, bestimmt sich nach dem Zustimmungsantrag des Leiters der Dienststelle. Mit diesem legt der Dienststellenleiter fest, zu welcher Angelegenheit der Personalrat beteiligt werden soll. Dabei ist aber nicht der Wortlaut des Antrags aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten maßgeblich. Vielmehr kommt es allein darauf an, wie der Personalrat als Adressat der Erklärung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls den Antrag objektiv verstehen musste (objektiver Empfängerhorizont). Denn auch in personalvertretungsrechtlichen Sachzusammenhängen ist bei der Auslegung abgegebener Erklärungen wie auch des Erklärungswerts sonstigen Verhaltens in Anlehnung an die Vorschriften der §§ 133 und 157 BGB neben dem tatsächlichen Erklärungswillen maßgeblich zu berücksichtigen, was der (jeweilige) Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.10.2000 - 1 A 4961/98.PVL -, PersR 2001, 158 = PersV 2001, 464 = Schütz/Maiwald, BeamtR ES/D IV 1 Nr. 125.

Ausgehend davon ist festzustellen, dass aus Sicht des Personalrats die ihm zur Mitbestimmung vorgelegte Maßnahme der Übertragung der Tätigkeit des Lagerverwalters auf den Beschäftigten T. jedenfalls für eine nicht unerhebliche Übergangszeit mit der zusätzlichen Wahrnehmung von gewichtigen Aufgaben der Fahrdienstkoordination verbunden war, was zur Folge hat, dass der Antragsteller die Begründung für seine Zustimmungsverweigerung auch auf diesen Umstand stützen konnte.

Zwar sollte der Beschäftigte T. nach den Erklärungen des Beteiligten ausschließlich als Lagerverwalter tätig sein. Denn in dem Zustimmungsantrag ist unter der Überschrift "Art der beabsichtigten Maßnahme" allein von einer Weiterbeschäftigung des Beschäftigten T. als Lagerverwalter die Rede und kein Anhalt dafür ersichtlich, dass diese Tätigkeit zusätzlich zu dem bisher wahrgenommenen Aufgabenbereich ausgeübt werden soll. Im Weiteren hat der Beteiligte in der Zeit nach der Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens erklärt, dass eine gleichzeitige Wahrnehmung beider Aufgabenbereiche nicht beabsichtigt sei. Denn auf einen entsprechenden Einwand des Antragstellers hin hat der Beteiligte mit einem weiteren Schreiben noch vor der Erörterung der Angelegenheit ausdrücklich erklärt, der für die Übertragung auf den Beschäftigten T. vorgesehene Aufgabenbereich umfasse lediglich Lagertätigkeiten und sei nicht mit der Fahrdienstkoordination gekoppelt.

Diese Erklärungen des Beteiligten stellen jedoch nicht in Frage, dass aus der insofern allein maßgeblichen Sicht des Personalrats zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Zustimmungsantrag hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme vorlagen, der Beschäftigte T. werde - jedenfalls für eine nicht unerhebliche Übergangszeit - zusätzlich zu der ihm neu übertragenen Tätigkeit des Lagerverwalters auch weiterhin Aufgaben der Fahrdienstkoordination wahrnehmen. Diese Einschätzung begründet sich aus folgenden Umständen:

Schon vor Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens hatte der Beteiligte den Beschäftigten T. mit den Aufgaben des Lagerverwalters betraut, ohne dass zugleich eine vollständige Entbindung von den Tätigkeiten der Fahrdienstkoordination erfolgt war.

Dies wird durch die Erkenntnisse belegt, die der Antragsteller im Rahmen seiner Bemühungen um eine Sachverhaltsaufklärung gewonnen hat: Schon Anfang Dezember 2001 hat der Antragsteller zusammen mit der Vertrauensperson der Schwerbehinderten festgestellt, dass der Beschäftigte T. "nach wie vor in Praxis beide Tätigkeiten" ausübt. In einem Gespräch am 21.1.2002 hat der Beschäftigte T. erklärt, aufgrund einer Delegation durch den Beschäftigten C. nach wie vor die Aufgaben der Fahrdienstkoordination wahrzunehmen. In einem weiteren Gespräch mit zwei Angehörigen des Antragstellers am 30.1.2002 soll der Beschäftigte T. - wie der Antragsteller in der Begründung für seine Zustimmungsverweigerung dargelegt hat - erneut ausdrücklich bestätigt haben, dass er "Lagerwesen und Fahrdienstkoordination ... gemeinsam macht".

Dieses Ergebnis wird nicht durch das am 30.1.2002 stattgefundene Gespräch zwischen den Beschäftigten T., C. und J. widerlegt. Nach der den Inhalt dieses Gesprächs wiedergebenden E-Mail der Beschäftigten J. an die stellvertretende Dienststellenleiterin vom 1.2.2002 soll der Beschäftigte T. zwar mitgeteilt haben, gegenüber den Angehörigen des Antragstellers nicht bestätigt zu haben, "dass er die Fahrdienstkoordination mache". Gleichzeitig bestätigt die Beschäftigte J. in ihrer E-Mail aber auch ausdrücklich dass, der Beschäftigte T. sich um Termine, die im Zusammenhang mit TÜV, Inspektionen etc. stünden kümmere. Daraufhin habe er Ausarbeitungen wie z.B. eine Checkliste für die Wagenpflege erstellt. Angesichts dessen kann der genaue Inhalt des Gesprächs des Beschäftigten T. mit den Angehörigen des Antragstellers dahinstehen. Jedenfalls ist festzustellen, dass der Beschäftigte T. - auch nach dem Erkenntnisstand der Dienststellenleitung - in einem relevanten Umfang Aufgaben der Fahrdienstkoordination zu einem Zeitpunkt wahrgenommen hat, zu dem ihm bereits die Tätigkeiten des Lagerverwalters übertragen worden waren.

Der Beteiligte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Wahrnehmung der Aufgaben der Fahrdienstkoordination vorübergehend auf den Beschäftigten C. übertragen zu haben. Zwar mag es sein, dass eine solche Übertragung ausgesprochen worden ist. Aus der allein maßgeblichen Sicht des Antragstellers stellte sich diese Übertragung aber lediglich als ein rein formeller Akt dar. Denn nach den vom Antragsteller gewonnenen Erkenntnissen hat der Beschäftigte C. diese Tätigkeiten zu einem erheblichen Teil nicht selbst wahrgenommen, sondern auf den Beschäftigten T. delegiert.

Der Antragsteller musste im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zustimmungsantrag auch davon ausgehen, dass in absehbarer Zukunft keine Veränderung der Situation eintreten und deshalb der Beschäftigte T. auch weiterhin neben seiner Tätigkeit als Lagerverwalter in erheblichen Umfang Aufgaben der Fahrdienstkoordination wahrnehmen werde. Denn die Besetzung der Stelle des Fahrdienstkoordinators war noch nicht geklärt. Zwar hatte sich der Beteiligte schon um einen Nachfolger für den Beschäftigten T. bemüht. Diese Bemühungen war aber noch nicht soweit fortgeschritten, dass mit einer alsbaldigen Neubesetzung der Stelle hätte gerechnet werden können.



Ende der Entscheidung

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