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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.12.2002
Aktenzeichen: 1 A 603/98.PVL
Rechtsgebiete: LPVG NRW, GG


Vorschriften:

LPVG NRW § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
LPVG NRW § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1
LPVG NRW § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3
GG Art. 5 Abs. 3 Satz 1
Ist mit einem Arbeitnehmer ein befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen worden, ohne dass die Zustimmung des Personalrats vorlag, fehlt dem Personalrat das Feststellungsinteresse an der Einleitung und Fortführung eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens, das auf die Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts an der konkreten Befristungsabrede gerichtet ist.

Für die Auslegung des Begriffs des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW ist auf die Begriffsbestimmung zurückzugreifen, die bei der Aufnahme der Vorschrift in das Landespersonalvertretungsgesetz allgemein anerkannt war (historisches Begriffsverständnis). Aufgrund dessen stellt der Tarifvertrag für technische Angestellte mit künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit an Bühnen - Bühnentechniker-Tarifvertrag - BTT - vom 25.5.1961, in der Fassung der Änderung durch den Tarifvertrag vom 23.9.1996, weder derzeit noch nach dem Inkrafttreten des neuen Tarifvertrags "Normalvertrag (NV) Bühne" ein Bühnennormalvertrag i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW dar.

Ein Maskenbildner an einer städtischen Bühne übt regelmäßig eine überwiegend künstlerische Tätigkeit i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW aus, auch wenn er für die Wahrnehmung seiner Aufgaben Vorgaben von der Regie und Ausstattung erhält.


Gründe:

Der Antrag ist unzulässig, soweit er auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Befristung des Arbeitsvertrags von Frau A. der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt.

Für dieses auf den konkreten Streitfall abstellende Begehren besteht kein Feststellungsinteresse, da die in Rede stehende Maßnahme der Befristung des Arbeitsverhältnisses mit Frau A. aufgrund des Abschlusses des Vertrags bereits vollzogen worden ist.

Für einen konkreten Antrag wie hier entfällt grundsätzlich durch den Vollzug der Maßnahme das Feststellungsinteresse an der Einleitung und Fortführung eines Beschlussverfahrens, das auf die Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts an der konkreten Maßnahme gerichtet ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn für die Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens noch Raum ist, weil die Maßnahme fortwirkt und jederzeit geändert oder für die Zukunft rückgängig gemacht werden kann.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4.6.1993 - 6 P 31.91 -, PersV 1994, 414 = Schütz/Maiwald, BeamtR ES/D IV 1 Nr. 61 = ZBR 1993, 373 = ZfPR 1993, 197, und vom 2.6.1993 - 6 P 3.92 -, BVerwGE 92, 295 = Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 61 = NVwZ 1994, 1220 = PersR 1993, 450 = PersV 1994, 126 = RiA 1994, 94 = ZfPR 1993, 190 = ZTR 1993, 525.

Daran fehlt es hier aber.

Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine vereinbarte Befristung eines Arbeitsverhältnisses unwirksam, wenn die nach dem Landespersonalvertretungsgesetz erforderliche Zustimmung des Personalrats dazu nicht vorliegt. Nachdem das BAG zunächst offen gelassen hatte, ob eine fehlende Zustimmung des Personalrats noch nach geholt werden kann, vgl. BAG, Urteil vom 13.4.1994 - 7 AZR 651/93 -, BAGE 76, 234 = DB 1995, 435 = PersR 1994, 382 = PersV 1996, 75 = ZTR 1994, 437, hat es nunmehr entschieden, dass eine ohne vorherige Zustimmung gleichwohl vereinbarte Befristung nicht schwebend, sondern endgültig unwirksam ist.

Vgl. BAG, Urteil vom 20.2.2002 - 7 AZR 707/00 -, BB 2002, 1594 = DB 2002, 1838 = PersR 2002, 355 = ZfPR 2002, 303 = ZTR 2002, 449.

Ausgehend davon ist - unterstellt dem Antragsteller stünde ein Mitbestimmungsrecht zu - für die Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens hinsichtlich der Befristungsabrede kein Raum mehr. Denn mit Blick darauf, dass mit Frau A. bereits ein befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ohne dass zuvor die Zustimmung des Antragstellers eingeholt worden ist, wäre die getroffene Befristungsabrede bei Vorliegen des vom Antragsteller angenommenen Mitbestimmungsrechts endgültig unwirksam. Eine Heilung durch Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens wäre nicht mehr möglich. Aufgrund dessen würde die Maßnahme nicht mehr fortwirken und könnte weder geändert noch für die Zukunft rückgängig gemacht werden.

Soweit der Antrag auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Einstellung von Frau A. der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt, ist er hingegen zulässig.

Insbesondere besteht für den auf den konkreten Streitfall bezogenen Antrag trotz der zwischenzeitlich erfolgten Einstellung der Frau A. ein Feststellungsinteresse. Denn die Maßnahme wirkt noch fort. Die vertraglich vollzogene Einstellung eines Arbeitnehmers zeitigt auch bei Fehlen eines Mitbestimmungsverfahrens oder bei dessen unberechtigtem Abbruch - zumindest vorerst - fortdauernde Rechtswirkungen. Unabhängig davon, ob bei einem Fehlen oder einem unberechtigten Abbruch des die Einstellung betreffenden Mitbestimmungsverfahrens ein Beschäftigungsverbot für den Arbeitgeber oder lediglich ein Gebot zur Beendigung des kündbaren Beschäftigungsverhältnisses angenommen wird, ist davon auszugehen, dass der Arbeitsvertrag vorerst als wirksam anzusehen ist und darüber hinaus auch Raum verbleibt, das unterbliebene bzw. abgebrochene Mitbestimmungsverfahren nachzuholen bzw. fortzusetzen und so die kollektivrechtlichen Grundlagen der Beschäftigung bzw. ihrer möglichen Beendigung zu klären.

Vgl. BVerwG, Beschluß vom 7.12.1994 - 6 P 35.92 -, Buchholz 251.8 § 80 RhPersVG Nr. 10 = DVBl. 1995, 1237 = PersR 1995, 296 = PersV 1995, 399 = RiA 1995, 244 = ZfPR 1995, 121 = ZTR 1996, 136; OVG NRW, Beschluss vom 29.1.1999 - 1 A 6324/96.PVL -, PersR 1999, 538 = PersV 1999, 510 = ZTR 1999, 574.

Der auf die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der Einstellung von Frau A. gerichtete Teil des Antrags ist jedoch unbegründet.

Dass dem Antragsteller bei der Einstellung von Frau A. grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW zusteht, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung und steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Allerdings besteht dieses Mitbestimmungsrecht nicht uneingeschränkt. Es ist vielmehr bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW vollständig ausgeschlossen und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW von einem Antrag des jeweiligen Beschäftigten abhängig. Vorliegend greift zwar der Ausschlusstatbestand des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW nicht ein (1.), indes bedarf es nach § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW für die Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens eines Antrags der Beschäftigten (2.).

1. Die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung gilt § 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW nicht für Beschäftigte an Theatern, die nach dem Bühnennormalvertrag beschäftigt werden.

Das Landespersonalvertretungsgesetz selbst enthält keine Begriffsbestimmung des Bühnennormalvertrags, sondern greift damit auf das Bühnenrecht zurück. Allerdings gibt es auch auf diesem Rechtsgebiet nicht einen ausdrücklich festgelegten Begriff des Bühnennormalvertrags, jedoch zeigt ein Blick in das Recht der Bühnenangehörigen, dass "Bühnennormalvertrag" nicht ein umfassendes Vertragswerk für Bühnenkünstler ist, sondern die Sammelbezeichnung für die drei Normalverträge darstellt, die die einzelnen Sparten der Bühnenkünstler umfassen. Diese sind der Normalvertrag Solo, der Normalvertrag Chor und der Normalvertrag Tanz.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -, Buchholz 238.37 § 72 PersVG NW Nr. 5 = NJW 1982, 900 = PersV 1982, 284; BAG, Urteil vom 10.2.1999 - 7 AZR 733/97 -; Cecior/Vallendar/Lechtermann/ Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 72 Rn. 235.

Frau A. wird nicht aufgrund eines dieser Verträge, die jeweils als Bühnennormalvertrag bezeichnet werden, beschäftigt, sondern aufgrund des Tarifvertrags für technische Angestellte mit künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit an Bühnen - Bühnentechniker-Tarifvertrag - BTT - vom 25.5.1961, in der Fassung der Änderung durch den Tarifvertrag vom 23.9.1996. Dies ergibt sich - was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist - aus dem unterzeichneten Arbeitsvertrag. Dieser ist ausdrücklich als "Dienstvertrag im Sinne des Bühnentechnikertarifvertrages (BTT)" bezeichnet worden, und nach dessen § 8 bestimmt sich das Dienstverhältnis nach dem Bühnentechniker-Tarifvertrag.

Der Bühnentechniker-Tarifvertrag kann nicht unter den Begriff des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW gefasst werden. Dies kann insbesondere nicht daraus hergeleitet werden, dass nach § 4 Abs. 1 BTT auf die diesem Tarifvertrag unterfallenden Arbeitsverhältnisse der Normalvertrag Solo mit Ausnahmen von im Einzelnen bezeichneter Bestimmungen sinngemäß Anwendung findet. Denn mit dieser Regelung wird der vom Bühnentechniker-Tarifvertrag erfasste Personenkreis nicht nach dem genannten Normalvertrag beschäftigt. Vielmehr dient diese Vorschrift lediglich der Vereinfachung, indem sie Bestimmungen eines anderen Vertragswerks übernimmt und nicht selbst inhaltlich wiederholt. Dadurch wird jedoch der rechtliche und tarifliche Charakter des Vertrags nicht geändert.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -, a.a.O.; BAG, Urteil vom 10.2.1999 - 7 AZR 733/97 -.

Auch nach Abschluss des neuen Tarifvertrags "Normalvertrag (NV) Bühne" (Entwurf vom 21.5.2002 - im Folgenden: Normalvertrag Bühne -), der zum 1.1.2003 in Kraft treten soll, kann Frau A. nicht als nach einem Bühnennormalvertrag i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW beschäftigt angesehen werden. Der Tarifvertrag "Normalvertrag Bühne" gilt zwar nach § 1 Abs. 1 für Bühnentechniker, zu denen nach § 1 Abs. 4 Satz 2 auch Maskenbildner zählen, wenn mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass sie überwiegend künstlerisch tätig sind. Dieser Tarifvertrag kann jedoch nicht uneingeschränkt unter den Begriff des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW subsumiert werden. Denn für die Auslegung des Begriffs "Bühnennormalvertrag" ist auf die Begriffsbestimmung zurückzugreifen, die bei der Aufnahme der Vorschrift in das Landespersonalvertretungsgesetz allgemein anerkannt war. Diesem Umstand kommt vorliegend Bedeutung zu, da der neu abgeschlossene Tarifvertrag "Normalvertrag Bühne" nicht nur die vormals vorhandenen Normalverträge Solo, Chor und Tanz zusammenfasst, sondern auch für den Personenkreis gelten soll, der bislang von dem - nicht dem Begriff des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW zugeordneten - Bühnentechniker-Tarifvertrag erfasst wird. Ausgehend von der Maßgeblichkeit des historischen Begriffsverständnisses werden deshalb von dem Begriff des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW trotz des nunmehr auf sie zur Anwendung kommenden Tarifvertrags "Normalvertrag Bühne" diejenigen Personen nicht erfasst, die nicht zu dem Personenkreis zu zählen sind, für den derzeit noch die Normalverträge Solo, Chor und Tanz Geltung haben. Mit Blick darauf greift der Mitbestimmungsausschluss aus § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW auch nach dem Inkrafttreten des Tarifvertrags "Normalvertrag Bühne" für Frau A. nicht, da sie bislang im Falle der Wahrnehmung überwiegend künstlerischer Tätigkeit dem Bühnentechniker-Tarifvertrag und nicht dem Normalvertrag Solo unterfiel.

2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedarf es nach § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW für die Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens eines Antrags des Beschäftigten, der hier nicht vorliegt.

Nach dieser Bestimmung gilt § 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW u.a. für Beschäftigte mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit nur, wenn diese es beantragen. Diese Vorschrift kommt vorliegend zur Anwendung, da Frau A., die nach ihrem Arbeitsvertrag überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben hat, in der Dienststelle als Beschäftigte mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit anzusehen ist und einen Antrag nicht gestellt hat.

Allerdings folgt dies entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht schon daraus, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BTT die in Satz 1 des § 2 Abs. 2 BTT genannten Angestellten, zu denen auch Maskenbildner zählen, als überwiegend künstlerisch tätig gelten, wenn im Dienstvertrag vereinbart ist, dass diese überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben haben. Denn § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW stellt das Erfordernis der "überwiegenden künstlerischen Tätigkeit" selbständig und ohne Bezug auf das Tarifrecht auf, so dass nicht durch Tarifvertrag verbindlich geregelt werden kann, ob diese Voraussetzung der antragsabhängigen Mitbestimmung gegeben ist. Eine solche Bindung würde § 4 LPVG NRW widersprechen, wonach eine vom Gesetz abweichende Regelung des Personalvertretungsrechts durch Tarifvertrag nicht zulässig ist. Die Regelung des Bühnentechniker-Tarifvertrags über die Bewertung der Tätigkeit des von ihm erfassten Personenkreises kann daher keine rechtliche Bedeutung haben.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -, a.a.O.; BAG, Urteil vom 10.2.1999 - 7 AZR 733/97 -.

Bei der somit erforderlichen Prüfung, ob und inwieweit die Maskenbildner, die wie Frau A. nach ihrem Arbeitsvertrag überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben haben, in der Dienststelle tatsächlich eine künstlerische Tätigkeit ausüben, kann die Bewertung der Tarifvertragsparteien und der Parteien des Arbeitsvertrags allerdings nicht außer Betracht bleiben, vielmehr kommt dieser eine indizielle Bedeutung zu. Zwar zählen die Maskenbildner nicht zu den in § 2 Abs. 1 BTT aufgezählten sog. "geborenen Künstlern". Wenn jedoch die Parteien eines Arbeitsvertrags von der durch § 2 Abs. 2 Satz 2 BTT eröffneten Möglichkeit der Fiktion einer künstlerischen Tätigkeit durch die Vereinbarung, dass der Beschäftigte überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben hat, Gebrauch machen, ist dies als Indiz dafür zu bewerten, dass der Beschäftigte überwiegend künstlerisch i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW tätig werden soll.

Vgl. zur Indizwirkung BVerwG, Beschluss vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -, a.a.O., und Beschluss vom 7.12.1994 - 6 P 29.92 -, BVerwGE 97, 159 = Buchholz 251.0 § 95 BaWüPersVG Nr. 1 = NVwZ-RR 1995, 578 = PersR 1995, 293 = PersV 1995, 395 = RiA 1996, 101; BAG, Urteil vom 10.2.1999 - 7 AZR 733/97 -.

Die Prüfung des Vorliegens einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit setzt eine Bestimmung des Kunstbegriffs voraus. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG ist unter Kunst die Gestaltung eines seelisch-geistigen Gehalts durch eine eigenwertige Form nach bestimmten Gesetzen zu verstehen, wobei die Gestaltungsmittel und Gesetze bei jeder Kunst verschieden sind. Es muss auf jeden Fall eine schöpferische Begabung und schöpferische Leistung gegeben sein.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -, a.a.O.

Vorliegend kann dahin stehen, ob dieser - an die frühere Rechtsprechung des BVerwG zum Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG anknüpfenden - Begriffsbestimmung heute noch zu folgen ist oder ob angesichts der neueren Rechtsprechung des BVerwG ein weiterer Kunstbegriff maßgeblich ist. Denn auch in Anwendung des (engeren) Kunstbegriffs nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG ist davon auszugehen, dass Frau A. in der Dienststelle überwiegend künstlerisch tätig i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW ist.

Der künstlerische Gehalt der Tätigkeit eines Maskenbildners, wie sie von Frau A. ausgeübt wird, erschließt sich aus folgenden Erwägungen:

Im Allgemeinen besteht die künstlerische Tätigkeit eines Maskenbildners in der eigenschöpferischen Gestaltung der von ihm zu erstellenden Maske. Zwar hat sich die Herstellung der jeweiligen Maske an der Inszenierungskonzeption und den Richtlinien von Regie und Ausstattung zu orientieren. Die sich daraus ergebenden Vorgaben sind jedoch regelmäßig nicht so eng gefasst, dass für den einzelnen Maskenbildner kein Spielraum für eine eigenschöpferisch-gestaltende Tätigkeit verbliebe. Die Vorgaben beschränken sich vielmehr in der Regel auf das Aufstellen von Richtlinien, innerhalb derer der Maskenbildner sein künstlerisches Vermögen einbringt. Dies wird nachdrücklich durch das eingeholte Gutachten bestätigt. Insbesondere die Ausführungen des Sachverständigen zu den von einem Maskenbildner zu erfüllenden Anforderungen bei der Umsetzung der Regieanweisungen des Autors Carl Zuckmayer zu der Figur der in dem Drama "Des Teufels General" auftretenden Operettendiva Olivia Geiß belegen, dass trotz der vorgegebenen Anweisungen ein weiter Spielraum für eine schöpferische Eigenleistung des Maskenbildners verbleibt.

Auch das in dem Gutachten des Prof. Z. in dem Verfahren des Fachsenats - CL 58/81 - aufgezeigte Berufsbild des Maskenbildners bestätigt die Einschätzung, dass Maskenbildner regelmäßig künstlerisch tätig sind. Dort heißt es insbesondere: Das Arbeitsgebiet des Maskenbildners umfasse alle manuellen und künstlerischen Tätigkeiten der Maskengestaltung. Durch die Arbeitsleistung des Maskenbildners habe dieser wesentlichen Anteil am künstlerischen Wert der Ausstattung und Inszenierung. Nach Aufgabenstellung und Funktion sei der Maskenbildner manuell-künstlerisch schaffend. Dessen Arbeitsleistung bewege sich auf der Basis eigenschöpferischer Tätigkeit, manueller Geschicklichkeit und individueller Gestaltungskraft. Die überwiegenden Anforderungen an den Maskenbildnerberuf seien künstlerischer Art. Beim Maskenschminken müssten die anatomischen Gegebenheiten des Gesichts Berücksichtigung finden. Die Farben seien so zu mischen und aufzutragen, das Licht und Schatten die charakteristischen Züge sichtbar und wirksam machten. Die Skala der Möglichkeiten seien nahezu unbegrenzt. Der Maskenbildner habe Masken aller Art anzufertigen, sei es nach den Abdrücken vom lebenden Modell oder schöpferisch frei in Ton modelliert.

Im Weiteren belegt das Ausbildungsprofil, das im Zusammenhang mit der staatlichen Anerkennung des Berufs des Maskenbildners erstellt worden ist, den künstlerischen Charakter der Tätigkeit eines Maskenbildners. Dort heißt es ausdrücklich, Maskenbildner seien überwiegend künstlerisch tätig. Dazu wird u.a. begründend ausgeführt, sie hätten Gestaltungskonzeptionen für die Erstellung von Maskenbildern zu entwickeln, die für die Maskenbilder notwendigen Bestandteile zu entwerfen und herzustellen, Charaktertypen, historische und zeitgenössische Persönlichkeiten sowie Phantasie- und Tiergestalten zu gestalten, Spezialeffekte wie Hautveränderungen, Aktionsverletzungen und Deformationen zu entwerfen und zu realisieren sowie Skizzen und zeichnerische Entwürfe zu fertigen.

Seine Bestätigung findet diese Bewertung der Tätigkeit eines Maskenbildners als künstlerisch schließlich auch in den Ausführungen des künstlerischen Betriebsdirektors der städtischen Bühnen Dr. H. im Anhörungstermin vor dem Fachsenat. Dort hat dieser überzeugend dargelegt, dass sich der Organisationsprozess bei der Erstellung eines einzelnen Bühnenwerks vom Intendanten ausgehend auf die verschiedenen nachgeordneten Instanzen bricht. Ebenso wie der Regisseur muss neben anderen auch der einzelne Maskenbildner die jeweiligen Vorstellungen zur Verwirklichung des Werks antizipieren. Soweit der Maskenbildner vom Regisseur oder von der Ausstattung gewisse Vorgaben für die Erstellung einer Maske erhält, obliegt es ihm als Akt künstlerischer Betätigung diese Vorgaben im Einzelnen eigenschöpferisch-gestaltend zu interpretieren.

Der künstlerische Gehalt der Tätigkeit von Frau A. überwiegt auch innerhalb deren Gesamttätigkeit.

Eine Tätigkeit ist dann innerhalb der Gesamttätigkeit des Beschäftigten "überwiegend", wenn die anderen dem Beschäftigten übertragenen, nicht künstlerischen Aufgaben dazu lediglich einen unbedeutenden Annex bilden. Soweit also der Beschäftigte innerhalb der Dienststelle auch nicht künstlerische Aufgaben zu erfüllen hat, kommt es nicht entscheidend auf die zeitliche Beanspruchung durch diese Arbeit an, sondern darauf, ob es sich im Verhältnis zu der künstlerischen Tätigkeit lediglich um "Nebenaufgaben" handelt, die für das Beschäftigungsverhältnis nicht prägend sind.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.1.1968 - VII P 8.67 -, BVerwGE 29, 77 = Buchholz 238.34 § 72 HbgPersVG Nr. 1 = PersV 1968, 136 = ZBR 1968, 121, Beschluss vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -, a.a.O., Urteil vom 24.3.1988 - 6 P 18.85 -, Buchholz 251.8 § 80 RhPPersVG Nr. 3 = DÖV 1988, 162 = PersR 1988, 212 = PersV 1989, 264 = ZBR 1988, 257 = ZTR 1968, 362, Urteil vom 7.10.1988 - 6 P 30.85 -, BVerwGE 80, 265 = Buchholz 251.2 § 89 BlnPersVG Nr. 1 = DVBl. 1989, 207 = PersR 1989, 47 = PersV 1989, 276.

Ausgehend davon ist festzustellen, dass der künstlerische Gehalt der von einem Maskenbildner zu erledigenden Aufgaben, wie sie auch von Frau A. wahrgenommen werden, der Tätigkeit ihr entscheidendes Gepräge gibt. Insofern ist dem Antragsteller zwar zuzugestehen, dass die Maskenbildner auch handwerkliche Aufgaben zu erfüllen haben. Diese Aufgaben bilden jedoch nicht den Schwerpunkt der Tätigkeit. Vielmehr sind die Tätigkeiten des Maskenbildners gerade durch die eigenschöpferischen Gestaltungen geprägt, deren Umsetzung entsprechende handwerkliche Fertigkeiten gerade voraussetzt. Erst durch den Einsatz der handwerklichen Fähigkeiten kann der künstlerische Gestaltungsakt verwirklicht werden.

Der Einstufung der Tätigkeit der Maskenbildner als überwiegend künstlerisch kann der Antragsteller nicht mit Erfolg die Entscheidung des BAG vom 28.10.1986 entgegenhalten.

Vgl. BAG, Beschluss vom 28.10.1986 - 1 ABR 16/85 -, BAGE 53, 237 = BB 1987, 2298 = DB 1987, 847 = NJW 1987, 2540.

Im Gegensatz zu dem vorliegenden Verfahren, in dem die Frage zu beantworten ist, ob Maskenbildner in der Dienststelle überwiegend künstlerisch tätig sind, befasst sich der Beschluss des BAG mit der Frage, ob Maskenbildner zu den Arbeitnehmern gehören, die an der Tendenzverwirklichung i.S.v. § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unmittelbar und maßgeblich beteiligt sind und für deren Tätigkeit die geistig-ideelle Zielsetzung des Arbeitgebers prägend ist (sog. Tendenzträger). Insofern hat die Beteiligte zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich um unterschiedliche Voraussetzungen handelt. Für die Annahme einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit bedarf es nämlich nicht derartiger Tätigkeitsmerkmale, die das Aufgabenfeld eines Tendenzträgers i.S.v. § 118 Abs. 1 BetrVG prägen.

Diese im Wesentlichen an dem allgemeinen Berufsbild des Maskenbildners orientierten Erwägungen werden verstärkt durch die Indizwirkung, die der vertraglichen Vereinbarung zukommt, dass Frau A. überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben hat. Diese Indizwirkung belegt mangels gegenteiliger Anhaltspunkte, dass es auch dem Willen der Vertragsparteien entsprach, eine überwiegend künstlerische Tätigkeit als Gegenstand des Arbeitsvertrags festzulegen.

Diese gewichtigen Gesichtspunkte, die für eine überwiegend künstlerische Tätigkeit sprechen, werden - soweit ersichtlich - weder allgemein durch in der Dienststelle vorherrschende Besonderheiten noch im Besonderen durch in der Tätigkeit von Frau A. liegende Umstände in Frage gestellt. Namentlich lässt sich weder dem Vorbringen des Antragstellers noch dem sonstigen Akteninhalt ein hinreichender Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass in der Dienststelle für diejenigen Maskenbildner, die - wie Frau A. - nach ihrem Arbeitsvertrag überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben haben, entgegen der vertraglichen Vereinbarung von dem allgemeinen Berufsbild wesentlich abweichende Verhältnisse vorhanden sein könnten. Insbesondere besteht kein hinreichend substantiierter Anhalt dafür, dass die in Rede stehenden Maskenbildner durch Vorgaben der Regie oder der Ausstattung derart eingeschränkt sein könnten, dass ihnen kein für die Prägung ihrer Tätigkeit als überwiegend künstlerisch maßgeblicher eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum verbleibt. Das diesbezügliche Vorbringen des Antragstellers beschränkt sich auf pauschale Behauptungen, die mangels hinreichender Substantiierung insbesondere auch mit Blick auf die überzeugenden Ausführungen des künstlerischen Betriebsdirektors der städtischen Bühnen im Anhörungstermin vor dem Fachsenat keinen Anlass für weitere Aufklärungsbemühungen zu liefern vermögen.

Ende der Entscheidung

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