Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 29.10.2009
Aktenzeichen: 1 A 67/08
Rechtsgebiete: GG, BLV


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
BLV (Fassung 2002) § 11
BLV (Fassung 2009) § 34
Die Eignungs-/Bewährungsfeststellung betreffend die Wahrnehmung von Aufgaben eines höher bewerteten Dienstpostens nach § 11 BLV a. F. / § 34 BLV n. F. muss nicht aus Gründen höherrangigen Rechts - insbesondere nicht mit Blick auf die Bestenauslesegrundsätze nach Art. 33 Abs. 2 GG - zwingend in den Formen und in Beachtung der Bestimmungen erfolgen, welche für die Erstellung einer dienstlichen (Anlass-)Beurteilung angewendet werden.
Tatbestand:

Die Klägerin absolvierte bei einer Bundesbehörde eine Erprobungszeit auf einem höher bewerteten Dienstposten. Nach deren Abschluss wurde ihre Nichteignung für den Posten festgestellt, und zwar auf der Grundlage einer schriftlichen Stellungnahme des Dienstvorgesetzten, welche ihrerseits im Kern auf einen schriftlichen Bericht des unmittelbar Fachvorgesetzten zurückging. In dem nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit dem Ziel einer Verpflichtung der Beklagten zu einer neuen Entscheidung über die Frage der Eignungs-/Bewährungsfeststellung stritten die Beteiligten u. a. darüber, ob diese Feststellung notwendig auf der Grundlage einer zuvor eingeholten (förmlichen) dienstlichen Beurteilung über die Klägerin hätte getroffen werden müssen.

Das VG hat dies bejaht und auf dieser Grundlage der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der beklagten Bundesrepublik hatte Erfolg.

Gründe:

Nähere Bestimmungen über Form und Verfahren der Bewährungs-/Eignungsfeststellung trifft die Bundeslaufbahnverordnung alter wie neuer Fassung im gegebenen Zusammenhang nicht. § 11 BLV a. F. spricht die betreffenden Fragen gar nicht an; Gleiches gilt für § 34 BLV n. F. Soweit der mit § 34 BLV n. F. in einem systematischen Zusammenhang stehende § 33 BLV n. F. (Überschrift: "Auswahlentscheidungen") in seinem Absatz 1 Satz 1 bestimmt, dass Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung "in der Regel" aufgrund dienstlicher Beurteilungen zu treffen seien, kann offenbleiben, ob dies allein für derartige Feststellungen innerhalb von Auswahlverfahren oder auch für Feststellungen gelten soll, die nach getroffener Auswahl und vor einer Beförderung im Anschluss an die Erprobung die Bewährung/Nichtbewährung auf dem höher bewerteten Dienstposten betreffen. Denn es fehlt jedenfalls schon an einer strikten gesetzlichen Vorgabe in Richtung auf die formelle Abwicklung des Beurteilungs-/Bewertungsvorgangs in allen in Betracht kommenden Fallgruppen. Eine einfach-gesetzliche Festschreibung gibt es damit weder dazu, ob die in Rede stehende Eignungsfeststellung selbst in förmlicher oder formloser Weise erfolgen muss, noch dazu, ob und ggf. inwieweit die erforderlichen Grundlagen für diese Feststellung - also namentlich die Eignungs-/Bewährungsbeurteilung - im Wege förmlicher Beurteilung oder Bewertung zu erheben sind. Es lässt sich insoweit lediglich festhalten, dass dem Dienstherrn in beiden Zusammenhängen eine solche förmliche Feststellung und/oder Erhebung der relevanten Daten bei entsprechender Ausübung seines organisatorischen Ermessens durch das Gesetz sicherlich nicht verwehrt ist.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.1.2007 - 2 A 2.06 -, Buchholz 232.1 § 11 BLV Nr. 4 = RiA 2008, 28, sowie juris (Rn. 10).

Die Klägerin vermag ihren Klageanspruch darüber hinaus auch nicht erfolgreich aus dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit einer bestimmten Verwaltungspraxis des Dienstherrn herzuleiten (sog. Anspruch aus Selbstbindung der Verwaltung). Es ist insoweit zwar anerkannt, dass dann, wenn der Dienstherr Verwaltungsvorschriften - wie etwa Bestimmungen über die Erstellung einer dienstlichen Eignungsbeurteilung - über das Verfahren der Feststellung der Eignungsbewährung auf einem höher bewerteten Dienstposten erlassen hat und in der Praxis gleichmäßig anwendet, sich die gerichtliche Prüfung grundsätzlich auch auf die Einhaltung jener Praxis erstreckt, soweit die auf jene Vorschriften (Richtlinien) gestützte Praxis mit dem Gesetz und sonstigem übergeordneten Recht in Einklang steht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.2.2000 - 2 A 10.98 -, ZBR 2000, 303, sowie juris (Rn. 18).

Eine derartige Bindung durch Verwaltungsvorschriften in Richtung auf die Erforderlichkeit der Einholung einer dienstlichen (Anlass-)Beurteilung lässt sich hier aber nicht feststellen. Besondere Vorschriften für das Verfahren bei den speziellen Eignungsfeststellungen im Sinne des § 11 BLV a. F./§ 34 BLV n. F. existieren im Geschäftsbereich des BMVg nach Angabe der Beklagten nicht; Gegenteiliges hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht. Was die vom VG herangezogenen (allgemeinen) Beurteilungsbestimmungen des BMVg vom 13.4.2004 betrifft, kommt es nicht maßgeblich auf eine (hier im Übrigen in der Sache nicht eindeutige) Auslegung anhand des Wortlauts etwa der Nr. 6 dieser Bestimmungen an (enges oder weites Verständnis des Begriffs "Probe- oder Bewährungszeit"), sondern vielmehr auf die tatsächlich gehandhabte bzw. vom Dienstherrn geduldete Verwaltungspraxis. Diesbezüglich hat die Klägerin zwar unter Beweisantritt das Vorbringen der Beklagten bestritten, es sei in den Fällen des § 11 BLV (a. F.) durchgängig auf die Erstellung förmlicher dienstlicher Beurteilungen verzichtet worden. Aber selbst wenn es in bestimmten Einzelfällen abweichende Entscheidungen von der durch die Beklagte vorgetragene Praxis gegeben haben sollte, was der Senat nicht weiter aufklären muss, ist damit eine jedenfalls im Grundsatz in diese Richtung gehende gleichmäßige Praxis nicht schlüssig in Frage gestellt worden. So hat die Klägerin nicht behauptet, dass in dem betreffenden Geschäftsbereich in aller Regel - und damit gegebenenfalls eine Selbstbindung begründend - in mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellationen vor der Feststellung der Eignung/Nichteignung zunächst ein förmliches Beurteilungsverfahren durchgeführt würde.

Eine Verpflichtung zu förmlicher Beurteilung lässt sich in Bezug auf die Fallgruppe der Eignungsfeststellung für die Wahrnehmung eines höher bewerteten Dienstpostens auch nicht zwingend aus höherrangigem Recht ableiten. Gegenteiliges ergibt sich weder unmittelbar noch mittelbar aus dem vom VG und der Klägerin angesprochenen Bewerbungsverfahrensanspruch bzw. aus den (materiell-rechtlichen) Grundsätzen der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG.

Zwar darf die die Eignungs-/Bewährungsfeststellung nach § 11 BLV a. F. / § 34 BLV n. F. nicht völlig isoliert von ihrer regelmäßigen Einbettung in den Vorgang des beruflichen Aufstiegs eines Beamten in ein höher bewertetes Amt betrachtet werden. Dieser im Endziel auf eine Beförderung gerichtete berufliche Aufstieg ist im Rechtssinne aber kein einheitlicher Vorgang; er lässt sich vielmehr in verschiedene Stufen (Schritte) unterteilen, welche ihrerseits stärkere bzw. weniger starke Berührungspunkte zum Kerngehalt der Gewährleistung der Bestenauslesekriterien aufweisen: Zunächst findet in der Regel ein Besetzungs- und Auswahlverfahren um die Übertragung des höher bewerteten Dienstpostens statt. In aller Regel ist bereits in diesem Verfahren mit zumeist mehreren (potenziellen) Bewerbern die Auswahl nach den Bestenauslesekriterien des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen, weil die vorentscheidende Weichenstellung für eine spätere Beförderung - im Sinne einer weitgehend vorweggenommenen Beförderungsauswahl - zumeist schon in diesem Verfahrensstadium abschichtend erfolgt, die Beförderungsauswahl mithin insofern vorverlagert ist. Der erfolgreiche Bewerber hat sodann auf einer zweiten Stufe noch die Erprobungszeit nach § 11 BLV a. F. / § 34 BLV n. F. erfolgreich zu durchlaufen, bevor er schließlich - nicht immer im sofortigen zeitlichen Anschluss - auf der letzten Stufe in das dem Dienstposten zugeordnete höherwertige Amt befördert wird oder (etwa im Rahmen der sog. "Topfwirtschaft") zumindest eine konkrete Beförderungschance nach Maßgabe zur Verfügung stehender Planstellen erhält. Verstreicht zwischen der Dienstpostenübertragung und der Beförderung längere Zeit, so ist unter den Bewerbern in einer sog. Beförderungsliste nochmals ein aktueller Leistungsvergleich - nunmehr ausgehend von den Leistungen auf dem jeweiligen Förderdienstposten - durchzuführen und nicht etwa (nur) eine nochmalige Stellungnahme des Dienstvorgesetzten zur weiteren Bewährung auf dem Dienstposten einzuholen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.2.2009 - 2 A 7.06 -, NVwZ 2009, 787, sowie juris (Rn. 20).

Die Feststellung nach § 11 BLV a. F. / § 34 BLV n. F. bezweckt in diesem Zusammenhang nicht, die zwischen mehreren Bewerbern nach den Bestenauslesekriterien bereits getroffene (Vor-)Auswahl für eine spätere Beförderung(smöglichkeit) nochmals - also auch unter Einbeziehung der bei der Auswahl unberücksichtigt gebliebenen Bewerber - umfänglich wiederzueröffnen bzw. zur Überprüfung des Dienstherrn zu stellen. Dem stünde schon entgegen, dass nur ein einzelner Beamter, nämlich der bei der Auswahl erfolgreiche Bewerber, die Möglichkeit der Absolvierung der Erprobungszeit auf dem höher bewerteten Dienstposten tatsächlich erhält, die übrigen (früheren) Mitbewerber insoweit also - zunächst einmal - völlig außer Betracht bleiben. Der Sinn und Zweck des Feststellungsverfahrens nach § 11 BLV a. F. / § 34 BLV n. F. geht dementsprechend (nur noch) dahin, durch die zusätzliche (Mindest-)Anforderung einer in der beruflichen Praxis belegten Bewährung die getroffene Auswahl als eine leistungs- und eignungsgerechte Auswahl weiter zu objektivieren, um mit Blick auf den einzelnen Beamten nötigenfalls noch ein Korrektiv in Richtung auf eine Revidierung der Entscheidung zu haben.

Vgl. dazu etwa Lemhöfer, in: Schröder/ Lemhöfer/Krafft, Das Laufbahnrecht der Bundesbeamten (Stand: Februar 2009), § 11 Rn. 2.

In dieser allein auf ihn bezogenen "Bewährungsphase" steht der Betroffene nicht in Konkurrenz zu Mitbewerbern; es geht vielmehr um den praktischen Nachweis, dass mit den eigenen Fähigkeiten in fachlicher und sonstiger Hinsicht die mit dem höher bewerteten Dienstposten verbundenen Aufgabenstellungen leistungsmäßig angemessen bewältigt werden konnten. Dies berührt den Gewährleistungsgehalt des Art. 33 Abs. 2 GG aber nur noch unter einem (freilich nicht unwichtigen) Teilaspekt, hingegen nicht (mehr) in seinem Kern. Denn Art. 33 Abs. 2 GG ist in erster Linie ein spezielles Gleichheitsrecht, welches den gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern nach bestimmten Kriterien, nämlich den sog. Bestenauslesekriterien (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung), gewährleistet und welches insofern insbesondere den Wettbewerb unter verschiedenen in Betracht kommenden Bewerbern um das jeweilige Amt im Auge hat. Der Umstand, dass im Anschluss an eine "fehlgeschlagene" Erprobungszeit des im Auswahlverfahren erfolgreichen Bewerbers unter Umständen - wegen der Alternative der kompletten Neudurchführung des Auswahlverfahrens im Übrigen nicht zwingend - ein anderer, bei der Auswahl noch nachgehender Bewerber seinerseits eine Chance praktischer Bewährung auf dem Dienstposten erhält, ändert an dem zuvor aufgezeigten strukturellen Unterschied zwischen den Verfahrensschritten der Auswahl für den Beförderungsdienstposten und der nachfolgenden bestätigenden praktischen Erprobung auf diesem Dienstposten prinzipiell nichts. Mangels einer hinreichend miteinander vergleichbaren Sachlage sowie Gefährdungslage des in Rede stehenden grundrechtsgleichen Rechts scheidet deswegen entgegen der Auffassung der Klägerin auch ein Erfordernis völlig gleichgerichteter Übertragung derjenigen Grundsätze, die nach Auffassung des BVerfG (vornehmlich aus Gründen effektiven und fairen Rechtsschutzes bei drohenden irreparablen Nachteilen für den im Auswahlverfahren unterlegenen Bewerber) im Bewerberauswahlverfahren um Beförderungsstellen oder Beförderungsdienstposten in Bezug auf die schriftliche Niederlegung der tragenden Auswahlgründe Geltung beanspruchen, vgl. insb. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9.7.2007 - 2 BvR 206/07 -, NVwZ 2007, 1178, sowie juris (Rn. 20), auf das Verfahren der Eignungs-/Bewährungsfeststellung nach § 11 BLV a. F. / § 34 BLV n. F. aus. Im Übrigen geht es bei diesen Grundsätzen nicht um formale Fragen der Beurteilung der einzelnen Bewerber, sondern - zwecks Schaffung von Transparenz zur Abwehr sachlich willkürlicher Entscheidungen - um die schriftliche Dokumentation der tragenden Auswahlerwägungen, welche beispielsweise auch in einem vergleichenden Besetzungsvermerk erfolgen kann. Um vergleichbaren Anforderungen zu genügen, kann im vorliegenden Zusammenhang höchstens daran gedacht werden, dass die tragenden Sachgründe für die Feststellung/Nichtfeststellung der Eignung ebenfalls schriftlich dokumentiert werden müssen; daran fehlt es hier - wie noch dargelegt werden wird - aber nicht. Die betreffende Bewertung zwingend auf einem bestimmten Beurteilungsformular oder nach Maßgabe bestimmter Beurteilungsbestimmungen (etwa der gleichen wie bei dienstlichen Regel- und/oder Anlassbeurteilungen) vornehmen zu müssen, lässt sich dagegen aus Verfassungsrecht nicht ableiten. Der vom VG weiter angeführte Gesichtspunkt stärkerer Richtigkeitsgewähr (abseits von etwaigen subjektiven Befindlichkeiten), wenn Beurteilungen der vorliegenden Art "nicht in die Hand einer Einzelperson gelegt" werden, mag sachlich zutreffen, führt aber ebenfalls nicht auf einen aus Art. 33 Abs. 2 GG herzuleitenden zwingenden Rechtssatz. Ansonsten dürften auch bezogen auf förmliche dienstliche Beurteilungen nur zwei- oder mehrstufige Beurteilungssysteme verfassungskonform sein. Das dem nicht so ist, ist aber längst geklärt und bedarf keiner weiteren Ausführungen. Außerdem hat die Beklagte im konkreten Fallbezug zutreffend darauf hingewiesen, dass die einschätzende Bewertung der Klägerin durch ihre Vorgesetzten auf den verschiedenen Hierarchieebenen des Amtes zumindest im Kern übereingestimmt hat.

Schließlich hätte sich hier ein etwaiger formeller Beurteilungsmangel auf das sachliche Ergebnis der Eignungsfeststellung ersichtlich nicht ausgewirkt. Denn es ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch aus sonstigen, den Akten zu entnehmenden Umständen irgend ein Anhalt in die Richtung, dass eine Eignungsbewertung unter Zugrundelegung einer förmlichen Anlassbeurteilung der Klägerin für diese auch nur die Chance eröffnet hätte, im Ergebnis eine positive Eignungsfeststellung zu erhalten. Dies spricht dafür, dass schon aus diesem Grunde eine mögliche Verletzung der Rechtsstellung der Klägerin als Folge der hier fehlenden förmlichen dienstlichen Beurteilung außer Betracht zu bleiben hat, vgl. entsprechend zum Ausschluss von vorläufigem Konkurrentenrechtsschutz für einen in der Sache objektiv chancenlosen Bewerber BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, ZBR 2002, 427 (428), ohne dass der Senat dies allerdings an dieser Stelle abschließend entscheiden müsste.

Ende der Entscheidung

Zurück