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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 03.07.2002
Aktenzeichen: 1 B 1526/01
Rechtsgebiete: LBG NRW, StGB


Vorschriften:

LBG NRW § 76 Satz 1
StGB § 73 Abs. 1 Satz 1
StGB § 73 Abs. 1 Satz 2
Hat ein Landes- oder Gemeindebeamter für seine dienstliche Tätigkeit "Schmiergelder" (Bestechungslohn) entgegengenommen, so ist er auf der Grundlage des § 76 Satz 1 LBG NRW verpflichtet, das Erlangte an seinen Dienstherrn herauszugeben, wenn und soweit im Strafverfahren nicht dessen Verfall angeordnet worden ist (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 31.1.2001 - 2 C 6.01 -).
Tatbestand:

Der Antragsteller, ein früherer Kommunalbeamter in leitender Funktion, erhielt - was er allerdings für einen Teilbetrag bestritt - von einem Dritten im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge mehrfach Bestechungsgelder in der Gesamthöhe von ca. 1 Million DM. Im Strafverfahren wurde er betreffend den nicht verjährten Zeitraum wegen Bestechlichkeit nach § 332 StGB verurteilt; insoweit wurde der Verfall der empfangenen Gelder angeordnet. Die Antragsgegnerin, seine ehemalige Anstellungskörperschaft, forderte ihrerseits die Herausgabe des Gesamtbetrages, den der Antragsteller nach ihren Erkenntnissen als "Schmiergelder" erhalten hatte, an sie. Insoweit erging unter dem 11.2.1999 ein - für sofort vollziehbar erklärter - Leistungsbescheid; der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Der Antragsteller suchte daraufhin - erfolgreich - beim VG um vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der im Hauptsacheverfahren zugleich erhobenen Anfechtungsklage nach. Der dagegen eingelegten Beschwerde der Antragsgegnerin gab das OVG teilweise statt.

Gründe:

Das VG hat dem im Beschwerdeverfahren aufrechterhaltenen Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der gegen den Leistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 11.2.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.6.2001 erhobenen Anfechtungsklage wiederherzustellen, zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben. In dem Umfang, in welchem in Bezug auf die vom Antragsteller erlangten Bestechungsgelder im strafgerichtlichen Verfahren nicht der Verfall angeordnet wurde, ist der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erfolglos, hingegen bleibt er - überwiegend - erfolgreich, soweit die strafgerichtliche Verfallsanordnung reicht.

Die im Rahmen einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung des privaten Interesses des Antragstellers, vorläufig von einer Vollziehung des angefochtenen Leistungsbescheids verschont zu bleiben, mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Bescheids fällt allein in dem zuvor aufgeführten Umfang zugunsten des Antragstellers aus. Maßgeblich hierfür ist zunächst eine Prognose der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren, welche zum Ergebnis hat, dass der angegriffene Bescheid voraussichtlich nur zum - geringeren - Teil Bestand haben wird. Des Weiteren tritt hinzu, dass - betreffend den voraussichtlich rechtmäßigen Teil - auch bei einer allgemeinen Folgenabwägung das Interesse des Antragstellers bzw. der diesem drohende Schaden nicht als gewichtiger einzuschätzen ist als das Interesse der Antragsgegnerin, durch geeignete Sicherungs- und ggf. auch weiter gehende Vollstreckungsmaßnahmen für die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verhindern, dass zurzeit vorhandene Vermögenswerte des Antragstellers durch "Beiseiteschaffen" oder auf sonstige Weise einer künftigen Vollstreckung entzogen werden und dass zudem der Antragsteller in diesem - erfahrungsgemäß mehrjährigen - Zeitraum weiterhin die Möglichkeit behält, Nutzungen aus den unter Verstoß gegen strafrechtliche und dienstrechtliche Normen pflichtwidrig angenommenen Bestechungsgeldern zu ziehen.

Die summarische Beurteilung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren führt zu dem folgenden Ergebnis:

Entgegen der in dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss des VG vertretenen Rechtsauffassung fehlt es für die in dem Leistungsbescheid enthaltene Zahlungsaufforderung nicht - schlechthin - an einer Rechtsgrundlage. Eine solche besteht hier vielmehr im Grundsatz sowohl für das materiell-rechtliche Begehren als auch für dessen Durchsetzung mittels Verwaltungsakt. Ausgenommen ist indes der Teil der erlangten "Schmiergelder", für den in dem rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren der Verfall angeordnet wurde.

Als materiell-rechtliche Grundlage für den vom Dienstherrn gegenüber dem Antragsteller geltend gemachten Herausgabe- bzw. Erstattungsanspruch kommt § 76 Satz 1 LBG NRW in Betracht. Nach dieser Bestimmung darf der Beamte, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, keine Belohnungen und Geschenke in Bezug auf sein Amt annehmen. Zu der für den Bereich des Rechts der Bundesbeamten wortgleichen Vorschrift des § 70 Satz 1 BBG hat das BVerwG folgendes ausgeführt:

"Das gesetzliche Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken durch einen Beamten in Bezug auf sein Amt (§ 70 Satz 1 BBG) konkretisiert die Treuepflicht und Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung (vgl. Urteil vom 20.1.2000 - BVerwG 2 C 19.99 - Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 9 S. 11). Es dient der Korruptionsbekämpfung und erfasst deswegen jeden wirtschaftlichen Vorteil, der dem Beamten von dritter Seite zugewendet wird (vgl. Urteil vom 20.1.2000, a.a.O. S. 12 m.w.N.). Auf einen Kausalzusammenhang zwischen der Annahme des Vorteils und der Diensthandlung kommt es nicht an. Es genügt, wenn die dienstliche Tätigkeit des Beamten für die Gewährung des Vorteils maßgebend ist (st Rspr; vgl. Urteil vom 20.1.2000, a.a.O. S. 12 m.w.N.). Das gesetzliche Verbot der Annahme jedweder Vorteile in Bezug auf das Amt (§ 70 Satz 1 BBG) umfasst ein 'Behaltensverbot'. Verletzt der Beamte das Verbot der Vorteilsannahme, darf ihm das rechtswidrig Zugewendete nicht verbleiben. Das Annahmeverbot setzt sich vielmehr als Herausgabegebot fort. Um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, der durch die Pflichtverletzung des Beamten eingetreten ist, muss der Beamte all das herausgeben, was er aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens erlangt hat."

Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.1.2002 - 2 C 6.01 -, Dok. Ber., Ausgabe B, 2002, 144 = NJW 2002, 1968; a.A. im Ergebnis aber wohl nach wie vor der BGH in Strafsachen, vgl. etwa Urteil vom 12.7.2000 - 2 StR 43/00 -, NStZ 2000, 379.

Diesen Ausführungen des BVerwG tritt der beschließende Senat für die Parallelvorschrift des § 76 Satz 1 LBG NRW bei. Der Antragsteller hat demzufolge im Ausgangspunkt die von dem Mitverurteilten R. im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit entgegengenommenen "Schmiergelder" grundsätzlich an seinen Dienstherrn - die Antragsgegnerin - herauszugeben.

Der Dienstherr darf seinerseits den korrespondierenden Anspruch, welcher im Beamtenrecht - und damit in einem Über-/Unterordnungsverhältnis - wurzelt, auch, wie geschehen, durch Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) geltend machen.

Vgl. dazu allgemein OVG NRW, Urteile vom 2.8.2001 - 1 A 3262/99 -, sowie vom 21.2.1985 - 12 A 3380/84 -, in: Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/C V 5 Nr. 12, m.w.N.

Als unschädlich erweist sich in diesem Zusammenhang, dass die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 11.2.1999 und auch im Widerspruchsbescheid die zutreffende materielle Rechtsgrundlage nicht herausgefunden und benannt hat. Denn der Inhalt der genannten Bescheide lässt keinen vernünftigen Zweifel daran aufkommen, dass es der Antragsgegnerin daran gelegen war, den geforderten Geldbetrag in jedem Falle und damit - jedenfalls auch - nach Maßgabe der rechtlich dafür in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage geltend zu machen.

Vgl. zu einem vergleichbaren Fall etwa BVerwG, Urteil vom 16.7.1998 - 2 C 12.98 -, DVBl. 1999, 318 = DÖD 1999, 141.

Ausgehend von § 76 Satz 1 LBG NRW sind Zuwendungen von dritter Seite für eine zum Amt gehörende Tätigkeit allerdings nur dann an den Dienstherrn abzuführen, wenn und soweit im Strafverfahren nicht der Verfall des rechtswidrig Erlangten angeordnet worden ist (§§ 73 ff. StGB). Denn gegenüber dem Herausgabeanspruch des Dienstherrn aus § 76 Satz 1 LBG NRW ist der Verfallanspruch des Staates im Strafprozess vorrangig.

In Bezug auf § 70 Satz 1 BBG ebenso: BVerwG, Urteil vom 31.1.2002 - 2 C 6.01 -, a.a.O.

Dieses Ergebnis, welches nicht davon abhängig sein kann, ob die Anordnung des Verfalls der Geltendmachung des Anspruchs aus § 76 Satz 1 LBG NRW auch zeitlich vorausgegangen ist - der Herausgabeanspruch des Dienstherrn steht vielmehr von vornherein unter dem Vorbehalt, dass ein Verfallanspruch des Staates nicht zum Tragen kommt -, erschließt sich für den Senat insbesondere aus Wortlaut und Systematik der Regelungen über den Verfall.

§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bestimmt für die Fälle, in denen der Täter oder Teilnehmer für eine rechtswidrig begangene Tat oder aus ihr etwas erlangt hat, dass das Gericht dessen Verfall anordnet. Diese Anordnung ist - grundsätzlich - zwingend; das Strafgericht kann von ihr nicht nach Ermessen absehen. Eine Ausnahme davon lässt § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB (lediglich) insoweit zu, als dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde; diese Ausnahme ist hier aber nicht einschlägig.

Nimmt ein Beamter Zuwendungen Dritter in Bezug auf sein Amt bzw. eine bestimmte Diensthandlung an, so ist das strafrechtlich je nach den Umständen als Vorteilsannahme (§ 331 StGB) oder Bestechlichkeit (§ 332 StGB) zu qualifizieren. Nach der Rechtsprechung des BGH in Strafsachen, vgl. etwa Urteile vom 20.2.1981 - 2 StR 644/80 -, BGHSt 30, 46 = NJW 1981, 1457, und vom 12 Juli 2000 - 2 StR 43/00 -, a.a.O., jeweils m.w.N.; dazu auch Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 73 Rn. 12; Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 73 Rn. 24 und 26, welcher der beschließende Senat im vorliegenden Zusammenhang folgt, ist der Dienstherr nicht Verletzter i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB, wenn sich ein Amtsträger der Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit schuldig gemacht hat. Maßgeblich hierfür ist, dass "Verletzter" in dem betreffenden Zusammenhang nur derjenige sein kann, dessen Individualinteressen durch das vom Täter übertretene Strafgesetz geschützt werden sollen. Schutzgut der hier in Rede stehenden Straftatbestände ist aber nicht das Vermögensinteresse der Anstellungskörperschaft, sondern das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes.

Im Umkehrschluss folgt aus § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ferner, dass sich der Verfallanspruch des Staates gegen sonstige obligatorische Ansprüche Dritter in Bezug auf das für eine oder aus einer Straftat rechtswidrig Erlangte durchzusetzen vermag. Soweit nach § 73 e Abs. 1 Satz 2 StGB "Rechte Dritter" an dem Gegenstand des Verfalls bestehen bleiben, sind damit allein beschränkt dingliche Rechte gemeint.

Vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 73 e Rn. 4.

Was das Verhältnis der Vorschriften über den Verfall im Strafverfahren zu § 76 Satz 1 LBG NRW betrifft, lässt sich diese Konsequenz mit Sinn und Zweck der angesprochenen beamtenrechtlichen Bestimmung durchaus vereinbaren. Das aus § 76 Satz 1 LBG NRW abzuleitende "Behaltensverbot", welches sich als Herausgabegebot fortsetzt, dient nicht - jedenfalls nicht in erster Linie - dem Ausgleich etwaiger Vermögensschäden, sondern soll vor allem sicherstellen, dass dem Beamten die unter Verstoß gegen ein bestehendes gesetzliches Verbot angenommenen Belohnungen oder Geschenke - auch aus generalpräventiven Gründen - am Ende nicht selbst verbleiben. Einen damit im Kern vergleichbaren Zweck verfolgen aber auch die Verfallvorschriften im Strafrecht.

In Anwendung dieser grundsätzlichen Erwägungen auf den Fall ergibt sich: Der mit dem Leistungsbescheid geltend gemachte Erstattungsanspruch der Antragsgegnerin ist auf der Grundlage des § 76 Satz 1 LBG NRW aller Wahrscheinlichkeit nach nicht begründet, soweit im Strafverfahren gegen den Antragsteller der Verfall des rechtswidrig Erlangten angeordnet wurde. Dies ist betreffend eine Summe von 640.000,00 DM (entspricht 327.226,80 €) der Fall.

Für diesen Teil des geltend gemachten Anspruchs besteht bei summarischer Prüfung auch keine andere Anspruchsgrundlage mit der Konsequenz, dass insoweit ein überwiegendes Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin schon auf der Grundlage einer prognostischen Rechtmäßigkeitsbeurteilung des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht angenommen werden kann.

Auf die bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen über den Auftrag bzw. die (angemaßte) Geschäftsbesorgung kann die Antragsgegnerin den Anspruch entgegen ihrer im Leistungsbescheid und Widerspruchsbescheid (noch) vertretenen Auffassung weder in direkter noch in entsprechender Anwendung stützen, denn § 76 Satz 1 LBG NRW stellt sich insoweit als abschließende Sonderregelung für das Beamtenverhältnis dar.

Ebenso - zumindest im Ergebnis - BVerwG, Urteil vom 31.1.2002 - 2 C 6.01 -, a.a.O.; a.A. etwa OVG Rh.-Pf., Urteil vom 24.11.2000 - 10 A 10513/00 -, DVBl. 2001, 752; Bay. VGH, Beschluss vom 16.7.1992 - 3 CE 92.1143 -, ZBR 1993, 29.

Im Übrigen müsste sich der Verfallanspruch des Staates auch gegenüber den Anspruchsgründen aus Auftrag oder Geschäftsbesorgung durchsetzen.

Ein Schadensersatzanspruch aus § 84 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW bleibt zwar neben dem aus § 76 Satz 1 LBG NRW abzuleitenden Ablieferungsgebot anwendbar. Jedoch fehlt es bisher an hinreichend konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkten dafür, dass der Antragsgegnerin durch die dienstpflichtwidrige Annahme der "Schmiergelder" seitens des Antragstellers ein Schaden in entsprechender Höhe entstanden wäre. Ob der Antragsteller sich durch sein Verhalten in anderem Zusammenhang - z. B. bei der Bemessung der Zahl der Stellplätze bestimmter Bauvorhaben - schadensersatzpflichtig gemacht hat, ist vorliegend nicht von Belang.

Für den nicht vom strafgerichtlich angeordneten Verfall erfassten Teil des geltend gemachten Anspruchs - dies betrifft 437.500,00 DM (entspricht 223.690,19 €) - sind bei summarischer Prüfung die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ablieferungspflicht aus § 76 Satz 1 LBG NRW dagegen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfüllt. Zwar macht der Antragsteller geltend, es fehle bislang an hinreichenden Feststellungen und Beweisen dazu, dass er tatsächlich, wie von der Antragsgegnerin im Leistungsbescheid angenommen, "Schmiergeldzahlungen" in einer Gesamthöhe von 1.077.500,00 DM von R. angenommen habe; mit diesem Vorbringen vermag er jedoch nach dem bisherigen Erkenntnisstand voraussichtlich auch im Hauptsacheverfahren nicht durchzudringen.

Die in dem Leistungsbescheid enthaltenen Annahmen betreffend die Gesamthöhe der Zuwendungen von R. an den Antragsteller basieren im Wesentlichen auf einer spezifizierten Auflistung des Landeskriminalamts NRW, welcher ihrerseits eine - soweit ersichtlich sorgfältige - Auswertung der geständigen Aussage des R. insbesondere bei seiner Beschuldigtenvernehmung, ggf. in Zusammenschau mit sonstigen Beweismitteln aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, zugrundelag. Der Antragsteller hat die Richtigkeit der Aussage des R. bislang nicht nachvollziehbar mit dem nötigen Grad an Wahrscheinlichkeit zu erschüttern vermocht, um hiervon ausgehend einen vollen Erfolg seiner Klage im Hauptsacheverfahren prognostizieren zu können. Soweit der Antragsteller erkennbar bestrebt ist, die Glaubwürdigkeit des R. in Zweifel zu ziehen, vermag dem der Senat auf der Grundlage des derzeitigen Erkenntnisstands nicht zu folgen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass sich der Mitverurteilte R. durch den Umfang der in seiner geständigen Einlassung wiedergegebenen Vorgänge auch selbst belastet hat und dass seine Angaben vom Strafgericht - soweit für das Strafverfahren relevant - als glaubhaft eingestuft worden sind. Die Annahme des Antragstellers, R. habe im Rahmen seiner Aussage etwaige dritte Leistungsempfänger decken wollen, ist bisher nicht durch konkrete Tatsachen erhärtet und daher rein spekulativ.

Wegen der nicht vom Verfallanspruch des Staates betroffenen Bestechungsgelder würde hier im Übrigen aber auch bei als noch "offen" einzuschätzenden Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin den Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Antragstellers verdienen. Denn der Nachteil, welcher der Antragsgegnerin im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage drohen würde, ist höher zu veranschlagen als derjenige, den der Antragsteller zu gewärtigen hätte, falls sein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (teilweise) abgelehnt, er im Hauptsacheverfahren aber voll obsiegen würde.

Das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin hat hier zunächst unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung einer sonst möglichen Vollstreckungsgefährdung ein starkes Gewicht. Die in der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung von der Antragsgegnerin geäußerte Besorgnis, der Antragsteller könne sonst der Versuchung erliegen, vorhandene Vermögenswerte - ggf. auch unter Zuhilfenahme dritter Personen - beiseite zu schaffen oder sie anderweitig einer künftigen Vollstreckung zu entziehen, ist schon angesichts der beträchtlichen Größenordnung der in Rede stehenden Beträge ohne weiteres nachvollziehbar. Zusätzlich begründet aber auch die von der Antragsgegnerin angeführte Schwere des Delikts der Bestechlichkeit ein besonderes öffentliches Interesse (der Allgemeinheit) daran, dass empfangene Bestechungsgelder bzw. aus diesen hervorgegangene Vermögenswerte nach Möglichkeit umgehend abgeschöpft werden und auch nicht für einen vorübergehenden Zeitraum dem Täter verbleiben, der daraus dann weiterhin Nutzungen ziehen könnte. Die zuletzt aufgezeigte Konsequenz wäre für das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes äußerst abträglich.

Der Nachteil, der dadurch entstehen kann, dass Vollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen des Antragstellers betrieben werden, bevor das Bestehen eines korrespondierenden Anspruchs der Antragsgegnerin rechtskräftig gerichtlich festgestellt worden ist, ist im Verhältnis dazu nicht als vergleichbar gewichtig zu bewerten. Während der Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt der Vollstreckungsgefährdung ein dauerhafter Ausfall bis zur vollen Höhe des ihr ggf. zustehenden Betrages drohen kann, steht auf Seiten des Antragstellers ein ähnlich gravierender und zugleich endgültiger Vermögensverlust infolge von Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu erwarten. Das gilt selbst dann, wenn man einkalkuliert, dass etwa bei der Zwangsversteigerung von Grundvermögen der Verkehrswert in der Regel deutlich unterschritten wird. Zum einen gelten für diese Art der Vollstreckung besondere Schutzvorschriften (vgl. § 51 Abs. 2 und 3 VwVG NRW). Zum anderen steht hier immerhin zu erwarten, dass die Antragsgegnerin grundsätzlich in der Lage sein wird, nach einem für sie negativen Abschluss des Hauptsacheverfahrens jedenfalls die Beträge, auf die sie keinen Anspruch hatte, in Bezug auf die sie aber bereits Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet oder durchgeführt hat, dem Antragsteller zurückzuerstatten. Sollte der Antragsteller Bestechungsgelder in der im Leistungsbescheid angegebenen Höhe tatsächlich erhalten haben - wofür nach den oben gemachten Ausführungen Überwiegendes spricht -, so musste er im Übrigen von vornherein damit rechnen, dass er diese Gelder nicht behalten und insbesondere seinem Vermögen nicht endgültig einverleiben durfte. Hat er etwa Teile davon in Grundvermögen angelegt, so würde es dementsprechend in seinen eigenen Risikobereich fallen, wenn er hierdurch gehindert sein sollte, flüssige Geldmittel für die Begleichung der Forderung der Antragsgegnerin zur Verfügung zu haben.

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die Antragsgegnerin ihr Vollziehungsinteresse i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nicht dadurch eingebüßt hat, dass sie außerdem gemäß § 53 VwVG NRW vor dem Amtsgericht - erfolgreich - einen Antrag auf Anordnung des dinglichen Arrests in das Vermögen des Antragstellers gestellt hat, wobei dieser Arrest bis heute fortwirkt. Hierdurch mag zwar de facto eine "Doppelsicherung" eingetreten sein. Beide genannten rechtlichen Wege schließen jedoch einander nicht aus. Dafür spricht bereits der begrenzte Anwendungsbereich des speziellen Sicherungsverfahrens nach § 53 VwVG NRW bei der Vollstreckung von Geldforderungen. Hierdurch soll eine Sicherung gerade schon für die Zeit ermöglicht werden, in welcher der zu sichernde Anspruch zwar bereits entstanden ist, aber - z. B. wegen eines noch fehlenden Titels (Leistungsbescheids) - noch nicht vollstreckt werden kann.

Vgl. dazu auch LG Krefeld, Urteil vom 27.8.1999 - 1 S 124/99 -.

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