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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.01.2003
Aktenzeichen: 1 B 1907/02.PVL
Rechtsgebiete: LPVG NRW, ArbGG


Vorschriften:

LPVG NRW § 66 Abs. 8 Satz 1
LPVG NRW § 79 Abs. 1 Nr. 3
ArbGG § 85 Abs. 2
Zur Frage des Erlasses einer einstweiligen Verfügung im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens, mit der die Feststellung des Fehlens der Voraussetzungen des § 66 Abs. 8 Satz 1 LPVG NRW für eine vorläufige Regelung begehrt wird.
Tatbestand:

Der Beteiligte beabsichtigte, dem Beschäftigten B. die Aufgaben eines Gruppenleiters zu übertragen. Nachdem im Verfahren vor der Einigungsstelle Verzögerungen eingetreten waren, setzte er die beabsichtigte Maßnahme als vorläufige Regelung i.S.v. § 66 Abs. 8 Satz 1 LPVG NRW um. Dagegen wendete sich der Antragsteller mit dem Antrag, im Wege der einstweiligen Verfügung das Fehlen der Voraussetzungen für den Erlass einer vorläufigen Regelung festzustellen. Sein Begehren blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Gründe:

Der im Beschwerdeverfahren weiter verfolgte Antrag, im Wege der einstweiligen Verfügung festzustellen, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer vorläufigen Regelung gemäß § 66 Abs. 8 Satz 1 LPVG NRW betreffend die Übertragung der Aufgaben eines Gruppenleiters auf Herrn B. nicht gegeben sind, ist jedenfalls unbegründet.

Nach den gemäß § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG entsprechend anwendbaren Vorschriften des 8. Buchs der Zivilprozessordnung kann eine einstweilige Verfügung erlassen werden, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts eines Beteiligten vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO), oder wenn die Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 940 ZPO). Die Gefährdung des Rechts bzw. die Notwendigkeit einer Regelung, d. h. der Verfügungsgrund, und der Verfügungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO). Darüber hinaus darf die einstweilige Verfügung grundsätzlich nicht mehr zusprechen, als im Hauptsacheverfahren möglich ist, und die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Allerdings kann es die Effektivität des Rechtsschutzes ausnahmsweise erfordern, durch eine einstweilige Verfügung der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, sofern wirksamer Rechtsschutz im ordentlichen Verfahren nicht erreichbar ist und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Folgen führen würde, insbesondere wenn die Versagung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung zu einem irreparablen Zustand führt. Dabei sind die Belange des Antragstellers und der Beteiligten sorgfältig abzuwägen und strenge Anforderungen an die materiellen Voraussetzungen der einstweiligen Verfügung zu stellen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19.2.2001 - 1 B 1591/00.PVL -, vom 4.8.1997 - 1 B 2954/96.PVL - und vom 19.2.1997 - 1 B 2237/96.PVL -.

Diese Anforderungen sind für das Begehren des Antragstellers einschlägig, weil er mit der begehrten Feststellung die Vorwegnahme des Ergebnisses der Entscheidung zur Hauptsache in dem bereits anhängigen Hauptsacheverfahren anstrebt.

Die genannten Anforderungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der Antragsteller aber nicht glaubhaft gemacht. Denn der Antragsteller kann in weitem Umfang wirksamen Rechtsschutz erreichen, und soweit kein wirksamer Rechtsschutz möglich nicht ist, hat dies für ihn keine schlechthin unzumutbaren Folgen.

So kann der Antragsteller die angestrebten Feststellung des Fehlens der Voraussetzungen des § 66 Abs. 8 Satz 1 LPVG NRW für den Erlass der getroffenen vorläufigen Regelung zum Gegenstand eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens machen, was mit dem bereits anhängigen Hauptsacheverfahren schon geschehen ist. Dass es für den Antragsteller mit unzumutbaren Folgen verbunden wäre, eine etwaige materielle Rechtswidrigkeit der vorläufigen Regelung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in jenem Verfahren hinzunehmen, hat er nicht glaubhaft gemacht. Sein diesbezüglicher Vortrag lässt eine Unzumutbarkeit auch nicht im Ansatz erkennen. So ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass eine vorläufige Regelung an sich schon wegen der mit ihr verbundenen Durchbrechung des Grundsatzes aus § 66 Abs. 1 LPVG NRW, wonach eine der Mitbestimmung des Personalrats unterliegende Maßnahme nur mit dessen Zustimmung getroffen werden kann, für ihre Geltungsdauer zwangsläufig zu einer Einschränkung des Mitbestimmungsrechts führt.

Vgl. OVG Saarl., Beschluss vom 8.3.1993 - 5 W 3/93 -, PersR 1994, 121; OVG Bremen, Beschluss vom 14.11.1985 - PV-B 12/85 -, PersV 1987, 108 = ZBR 1986, 23.

Die Steigerung, die diese Einschränkung des Mitbestimmungsrechts durch eine etwaige materielle Fehlerhaftigkeit der vorläufigen Regelung erfährt, ist jedoch regelmäßig nicht von einem derartigen Gewicht, dass ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung für den betroffenen Personalrat unzumutbar wäre. Etwas anderes mag gelten, wenn der Personalrat schwerwiegend an der Erfüllung seiner Aufgaben gehindert wäre. Dafür ist jedoch vorliegend weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch ansonsten etwas ersichtlich.

Etwas anderes gilt auch nicht dann, wenn sich die getroffene vorläufige Regelung während des Hauptsacheverfahrens infolge Zeitablaufs erledigen würde. Zwar würde dann der bislang an die konkrete Personalmaßnahme anknüpfende Antrag des Hauptsacheverfahrens mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Dem Antragsteller bliebe es aber grundsätzlich unbenommen, den Antrag dergestalt umzustellen, dass eine an die Gegebenheiten des konkreten Falls anknüpfende abstrakte Fragestellung zum Gegenstand des Beschlussverfahrens gemacht wird. Sofern dies mit Blick auf etwaige den vorliegenden Einzelfall in einer eine Wiederholungsgefahr ausschließenden Weise prägende Umstände nicht möglich sein sollte, führt dies an die rechtlichen Grenzen der Überprüfbarkeit von vorläufigen Regelungen des Dienststellenleiters im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren. Diese entsprechen der begrenzten Bedeutung derartiger Maßnahmen für Zuständigkeit und Geschäftsführung der Personalvertretungen i.S.v. § 79 Abs. 1 Nr. 3 LPVG NRW. Denn das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren dient regelmäßig nicht der Verfolgung von Individualansprüchen, sondern der Klärung und Feststellung von personalvertretungsrechtlichen Zuständigkeiten und Befugnissen. Die mit Blick darauf unter Rechtsschutzgesichtspunkten eine Überprüfung erforderlich machende Grenze ist erst dort erreicht, wo die Art und Weise der Inanspruchnahme der Befugnis aus § 66 Abs. 8 Satz 1 LPVG NRW durch den Dienststellenleiter ernstlich besorgen lässt, dass er diese Vorschrift in einer für die Zuständigkeit der Personalrats bedeutsamen Weise zur Umgehung des § 66 Abs. 1 LPVG NRW nutzt.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14.10.1994 - 1 A 622/91.PVL -, NWVBl. 1995, 387 = RiA 1996, 50, sowie vom 24.6.1992 - CL 21/89 - und - CL 51/90 -, NWVBl. 1993, 141 = RiA 1993, 152.

Davon kann hier schon angesichts der besondere Konstellation des Sachverhalts keine Rede sein. Denn der Beteiligte hat sich zum Erlass der vorläufigen Regelung erst entschieden, als abzusehen war, dass eine schnelle Beendigung des Einigungsstellenverfahrens angesichts der Weigerung des Vorsitzenden der Einigungsstelle, den getroffenen Beschluss weiter zu begründen, nicht erfolgen werde. Mit Blick darauf besteht kein Anhalt für die Annahme, der Beteiligte habe die ihm durch § 66 Abs. 8 Satz 1 LPVG NRW eingeräumte Befugnis zur Umgehung des § 66 Abs. 1 LPVG NRW nutzen wollen.

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