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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: 1 B 301/05
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 123
1. Zu den Auswirkungen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wegen eines Aussagedelikts auf die Eignung zur Wahrnehmung eines Beförderungsdienstpostens.

2. Zu den Voraussetzungen für die Voreingenommenheit eines Beurteilers bei der Erstellung einer Anlassbeurteilung.

3. Zur Bedeutung des uneingeschränkten Vertrauens der Führungsspitze des Ressorts in den auszuwählenden Bewerber bei der Besetzung von Dienstposten einer höheren Leitungsebene als (ungeschriebenes) Eignungsmerkmal.


Tatbestand:

Die Beteiligten stritten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über die Besetzung einer Abteilungsleiterstelle in einem Landesministerium. Der Antragsteller, langjähriger Mitarbeiter im Ministerium, griff die Ausgestaltung des Anforderungsprofils an, vor allem aber die aus Anlass seiner Bewerbung über ihn erstellte dienstliche Beurteilung. Er hielt den Beurteiler für befangen, die Sachverhaltsermittlung für unzureichend und einseitig. Formulierungen im Text der Beurteilung, die gewisse Einschränkungen seiner Leistung und Eignung zum Ausdruck brächten, seien fehlerhaft, ferner sei ihm zu Unrecht die Spitzennote im Eignungsurteil versagt worden. Der Antragsgegner berief sich demgegenüber darauf, dass der Antragsteller (inzwischen) nicht mehr das uneingeschränkte Vertrauen genieße und dass in einer anderen Angelegenheit ein noch nicht abgeschlossenes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren u.a. gegen den Antragsteller anhängig sei. Dadurch würden selbstständig Zweifel an der Eignung des Antragstellers für die angestrebte Position begründet, die derzeit berücksichtigt werden dürften.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung blieb sowohl vor dem VG als auch vor dem OVG - mit unterschiedlichen Schwerpunkten in der Begründung - erfolglos.

Gründe:

Im Ausgangspunkt sind keine Bedenken dagegen zu erheben, dass ein Beamter (vorläufig) nicht befördert werden kann, wenn sich während eines Besetzungs- bzw. Beförderungsverfahrens Zweifel an seiner Eignung für das in Rede stehende Beförderungsamt ergeben haben; dies gilt solange, wie die betreffenden Zweifel nicht hinreichend ausgeräumt werden können. Namentlich was die persönliche Eignung für das angestrebte Amt betrifft, können sich derartige Zweifel jedenfalls im Grundsatz auch aus dem Umstand der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen einen der Bewerber ergeben. Allerdings kann es dabei jedenfalls nicht durchweg ausschließlich auf den (bloßen) Umstand der Einleitung des Verfahrens als solchem ankommen. Vielmehr sind zusätzlich die Umstände des jeweiligen Einzelfalles mit in den Blick zu nehmen, die darüber Auskunft geben können, wie und warum es gerade betreffend die in Rede stehende Person zur Einleitung des Verfahrens gekommen ist. Von Bedeutung ist insbesondere die konkrete Verdachtslage in Bezug auf die möglicherweise begangene Straftat. Ist der Verdacht bei objektiver Würdigung des bekannten Sachverhalts offensichtlich unbegründet, vgl. dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 21.2. 2005 - 6 B 1946/04 -, DÖD 2005, 61, m.w.N., so kann das betreffende Verfahren ersichtlich nicht als tragfähiger Grund dafür herhalten, von der Beförderung eines Bewerbers (zunächst) abzusehen und ihn in dem betreffenden Beförderungsauswahlverfahren nicht weiter zu berücksichtigen. Es fragt sich aber darüber hinaus, ob nicht auch schon im Vorfeld eines offensichtlich unbegründeten Verdachts stärker danach differenziert werden muss, in welcher Weise und aufgrund welcher näheren Umstände der betroffene Beamte in den maßgeblichen Verdacht geraten ist. Insbesondere dann, wenn es um Aussagedelikte geht, könnte es zu kurz greifen, schlicht an den objektiven Umstand anzuknüpfen, dass tatsächlich einander widersprechende beeidete Aussagen vorliegen. Denn bei einer solchen Sichtweise würde nicht nur der subjektive Tatbestand des Delikts weitgehend ausgeblendet, sondern geriete praktisch jeder, der seiner staatsbürgerlichen Pflicht nachkommt, als Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren auch zur Sache auszusagen, in die Gefahr, eines Verbrechens verdächtigt zu werden, wenn ein anderer Zeuge nachfolgend eine dieser Aussage widersprechende Aussage macht und beide Aussagen beeidet werden. Daraus sodann die Konsequenz zu ziehen, dass dieser Zeuge, wenn er zugleich Beamter ist, von anstehenden bzw. bereits laufenden Beförderungsverfahren bis zu einer - ggf. schwierigen und langwierigen - abschließenden Klärung eines Meineidverdachts kategorisch ausgeschlossen wird, erschiene je nach den Umständen des betroffenen Einzelfalls nicht durchweg als die im rechtlichen Spannungsfeld zwischen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen und zugleich möglichst raschen Besetzung der freien Stelle einerseits und der in Bezug auf die (aussichtsreichen) Bewerber bestehenden Förderungs- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn andererseits angezeigte angemessene Reaktion. Dabei ist insbesondere zu bedenken, dass Beförderungen in Ämter der Kategorie, wie sie hier in Rede stehen, nicht einfach - etwa im Zuge zeitnah nachfolgender weiterer "Beförderungsrunden" - nachholbar sind, sobald das staatsanwaltliche Ermittlungsergebnis einen hinreichenden Verdacht des Vorliegens des in Rede stehenden Aussagedelikts nicht zu bestätigen vermag. Mit anderen Worten: Wird der Betroffene in solchen Fällen aus dem Kreis der ernsthaft in Betracht kommenden Beförderungskandidaten allein wegen des gegen ihn anhängigen Ermittlungsverfahrens ausgeschlossen, so ist seine Chance auf eine Beförderung in ein entsprechendes Amt häufig endgültig vertan. Das betrifft auch die Fälle mit, in denen sich schließlich die "Unschuld" des Betroffenen herausstellt und in denen der beförderte Konkurrent - klammerte man den in Rede stehenden Verdacht aus - dem ausgesparten Beamten gemessen an den Grundsätzen der Bestenauslese an sich nachging. Auf der anderen Seite hat freilich gerade mit Blick auf die Besetzung von Spitzenämtern auch das Interesse des Dienstherrn Gewicht, dass betreffend den am Ende ausgewählten Bewerber auch nicht der geringste Zweifel an seiner (gerade auch persönlichen) Eignung besteht. Bei einer Gesamtschau all dieser Überlegungen könnte es gleichwohl gerechtfertigt sein, für das Ausscheiden aus dem Bewerberkreis unter Eignungsgesichtspunkten jedenfalls in Bezug auf (z. B.) Aussagedelikte einen konkreteren Verdacht als den vom VG seiner Entscheidung zugrunde gelegten offenen Ausgang der staatsanwaltlichen Ermittlungen zu verlangen. Dies dürfte vor allem dann gelten, wenn der Dienstherr schon allein aus diesem Grund einen bestimmten Beamten von einer Auswahlentscheidung endgültig aussparen und die Stelle schon vor der näheren Klärung der Angelegenheit mit einem Konkurrenten besetzen will. Zur Vermeidung der Übertragung der Beförderungsstelle an einen dafür (möglicherweise) Ungeeigneten hätte der Dienstherr immerhin die Möglichkeit (gehabt), die endgültige Besetzungsentscheidung bzw. die Aushändigung der Beförderungsurkunde vorerst (weiter) zurückzustellen. Soll demgegenüber - wie hier - die Stelle ohne weiteres Zuwarten endgültig besetzt werden, um dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der zeitlichen Eingrenzung der Vakanz einer zentralen Führungsposition Rechnung zu tragen, so spricht unter Einbeziehung des Art. 33 Abs. 2 GG manches dafür, für das Ausscheiden aus dem Kreis der chancenreichen Bewerber einen solchen Verdacht einer Straftat zu fordern, der den Beamten nicht in völlig zufälliger, sondern bereits (in einem Mindestmaß) qualifizierter Weise belastet. Das erfordert indes in aller Regel, dass - über eine rein statistische, abstrakte Wahrscheinlichkeitsbewertung der Tatbegehung hinaus - eine zumindest überschlägige Einschätzung aller bereits vorliegenden und für das jeweilige (Aussage-)Delikt relevanten, namentlich aktenkundigen Sachverhaltselemente erfolgen muss. Hier ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner und auch das VG eine solche Bewertung in Bezug auf den Antragsteller in hinreichend konkreter und schlüssiger Form vorgenommen haben. (...)

Dem Antrag des Antragstellers, kann hier letztlich aber unbeschadet der vorstehenden Erwägungen deshalb nicht entsprochen werden, weil es schon aus anderen Gründen an dem für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch fehlt.

In Fällen der Konkurrenz von Bewerbern um die Besetzung einer höherwertigen Stelle im Wege der Beförderung (Übertragung eines Beförderungsamtes) hat der im Auswahlverfahren unterlegene Beamte einen Anordnungsanspruch für den erstrebten vorläufigen Rechtsschutz, wenn es nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erkennbaren Sach- und Streitstand überwiegend wahrscheinlich ist, dass die vom Dienstherrn getroffene Auswahlentscheidung zu Lasten des Antragstellers rechtsfehlerhaft ist, weil dessen Bewerbungsverfahrensanspruch keine hinreichende Beachtung gefunden hat. Jener Anspruch enthält vor allem das Recht, dass im Falle von Bewerbungskonkurrenzen um Beförderungen die Auswahl durch den Dienstherrn unter Beachtung des durch Art. 33 Abs. 2 GG verfassungskräftig verbürgten Grundsatzes der Bestenauslese (Leistungsgrundsatz) vorgenommen wird. Der Bewerbungsverfahrensanspruch ist grundsätzlich nach § 123 VwGO sicherungsfähig, ohne dass es darauf ankommt, ob der um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchende Bewerber zwingend seinem Konkurrenten hätte vorgezogen werden müssen. Es reicht vielmehr, wenn das Vorliegen einer wegen Verletzung der Grundsätze der Bestenauslese fehlerhaften Auswahlentscheidung glaubhaft gemacht ist, für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes aus, dass die Aussichten des unterlegenen Bewerbers, in einem zweiten, rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. wenn seine Auswahl (zumindest) möglich erscheint.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, ZBR 2002, 427.

Die Berücksichtigung des übergangenen Bewerbers darf allerdings insbesondere nicht schon aus Rechtsgründen außer Betracht bleiben.

Vgl. etwa OVG NRW Beschluss vom 16.12.2003 - 1 B 2117/03 -, ZBR 2004, 277 = NVwZ-RR 2004, 236 = NWVBl. 2004, 258, m.w.N.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Falle der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht verletzt. Der Antragsgegner hat vielmehr seiner nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffenden Auswahlentscheidung - bereits unabhängig von den Erwägungen zu den Auswirkungen des eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens auf die Frage der (fortbestehenden) Eignung - in nicht zu beanstandender Weise einen beachtlichen Vorsprung des Beigeladenen vor dem Antragsteller in Bezug auf das Merkmal der Eignung zugrunde gelegt. Durchgreifende Fehler des Auswahlverfahrens sind weder insoweit noch im Übrigen ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem Beschwerdevorbringen und dem dort in Bezug genommenen Vorbringen des Antragstellers erster Instanz.

Zunächst kann sich eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers nicht (allein) daraus ergeben, dass - wie er meint - das der Stellenausschreibung zugrunde liegende Anforderungsprofil nicht hinreichend an den Grundsätzen der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG orientiert worden, sondern statt dessen - unter bloßer Auswechselung des Kandidaten - erkennbar auf die Person des Beigeladenen zugeschnitten sei. Ein Durchschlagen dieses Gesichtspunktes auf den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers scheitert dabei bereits daran, dass das beanstandete Anforderungsprofil hier von vornherein in keiner Weise dahin verstanden werden kann, dass der Antragsteller schon auf dieser Stufe des Verfahrens - d. h. ohne seine weitere Einbeziehung in einen Bewerbervergleich nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung - aus dem berücksichtigungsfähigen Bewerberfeld auszuscheiden wäre. Darüber hinaus wäre auch der Beigeladene unabhängig davon im Bewerberfeld verblieben, ob in dem aktuellen Anforderungsprofil auf die dort aufgestellte Zusatzqualifikation wünschenswerter Erfahrungen in einer herausgehobenen Position verzichtet worden wäre. Vor diesem Hintergrund ist schon die Rechtserheblichkeit der vom Antragsteller erhobenen Rüge gegen das Anforderungsprofil weder dargetan noch ersichtlich. (wird ausgeführt)

Abgesehen davon bleibt darauf hinzuweisen, dass der Beschluss des Senats vom 16.12.2003 - 1 B 2117/03 - (a.a.O.) zur Frage der Begrenzung des grundsätzlich weiten Organisationsermessens des Dienstherrn bei der näheren Bestimmung des Anforderungsprofils für einen Beförderungsdienstposten allein dahin zu verstehen sind, dass die Festlegungen im Anforderungsprofil nicht die Konsequenz haben dürfen, dass die Grundsätze der Bestenauslese grundlegend unterlaufen werden. Das beschränkt sich naturgemäß auf Ausnahmefälle in Gestalt extremer Fehlgriffe des Dienstherrn bzw. der ausschreibenden Stelle. Im Übrigen hat es auch nach Auffassung des Senats dabei zu verbleiben, dass die nähere Bestimmung des zugelassenen Bewerberfeldes in das grundsätzlich weite Organisationsermessen fällt, welches nur sachgerecht ausgeübt werden muss.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 6.5.2005 - 1 B 4/05 -, m.w.N.

Letzteres steht hier aber nicht in Frage. (wird ausgeführt)

Soweit sich der Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der über ihn erteilten Anlassbeurteilung für die hier in Rede stehende Stelle wendet, welche - namentlich das Eignungsurteil betreffend - wesentliche Bedeutung für den vom Antragsgegner angestellten Bewerbervergleich und letztlich für die zu Gunsten des Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung gehabt hat, greifen die von ihm insoweit erhobenen (wesentlichen) Rügen allesamt nicht durch und vermögen sie darüber hinaus auch in einer Gesamtschau nichts daran zu ändern, dass hier eine Bewertung mit der Eignungshöchstnote ("hervorragend geeignet"), welche der Beigeladene erzielt hat, für den Antragsteller - wie auch eine Besetzung der erstrebten Stelle mit ihm - schon aus Gründen des fehlenden uneingeschränkten Vertrauens seines Dienstherrn im Ergebnis nicht in Betracht kommt.

Was die Rüge betrifft, angeblich gebotene Beurteilungsgespräche seien nicht in ausreichender Weise (zu Ende) geführt worden, vermag der Senat solches schon auf der Grundlage des von den Beteiligten insoweit unterbreiteten Sachverhalts nicht nachzuvollziehen. (wird ausgeführt)

Der Umstand, dass hier nicht der Staatssekretär die maßgeblichen Anlassbeurteilungen abgegeben hat, begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. (wird ausgeführt)

Die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend gemachte Befangenheit des Beurteilers entbehrt in der Sache einer schlüssigen und überzeugenden Begründung. Es kann daher insoweit nicht von einem (durchgreifenden) Fehler im Beurteilungsverfahren ausgegangen werden.

Die dienstliche Beurteilung eines Beamten leidet nicht bereits dann an einem Fehler, wenn aus der subjektiven Sicht eines Beteiligten die Besorgnis einer Befangenheit des Beurteilers besteht. Die Voreingenommenheit muss vielmehr aus der Sicht eines objektiven Dritten tatsächlich feststehen. Tatsächliche Voreingenommenheit in diesem Sinne liegt vor, wenn der Beurteiler nicht willens oder nicht in der Lage ist, den Beamten sachlich und gerecht zu beurteilen. Zu berücksichtigen ist dabei indes, dass die ständige dienstliche Zusammenarbeit und die Führungsaufgaben eines Vorgesetzten naturgemäß auch die Möglichkeit von Konflikten mit sich bringen. Entsprechend können grundsätzlich weder eine kritische Einschätzung der Arbeitsweise und des sonstigen dienstlichen Verhaltens des beurteilten Beamten durch den beurteilenden Vorgesetzten noch das Bestehen dienstlich veranlasster Spannungen bereits Anlass geben, eine Voreingenommenheit des Vorgesetzen anzunehmen. Ebenso wenig reichen gelegentliche emotional gefärbte Reaktionen gegenüber dem betroffenen Beamten bzw. einzelne unangemessene, saloppe, ungeschickte oder missglückte Formulierungen in einer Beurteilung aus, um die Erwartung, der Vorgesetzte könne und wolle seine Pflicht zu einer objektiven, vorurteilsfreien Beurteilung erfüllen, bereits grundsätzlich in Frage zu stellen.

Vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 23.4.1998 - 2 C 16.97 -, BVerwGE 106, 318 = DVBl. 1998, 1076 = NVwZ 1998, 1302 = DÖD 1998, 282 = ZBR 2000, 417.

Geht es wie hier namentlich um das Verhalten des Beurteilers bei der Besprechung eines Beurteilungsentwurfs einschließlich des Eingehens auf Änderungswünsche, der Eröffnung einer dienstlichen Beurteilung, der Abfassung der maßgeblichen Gründe für die Beurteilung und/oder der Abfassung eines Widerspruchsbescheides, so ist zudem die Funktion der Beurteilung und des Beurteilungsverfahrens zu beachten. Das bedeutet vor allem, dass sich der Beurteiler - etwa bei im Verhältnis zu dem Betroffenen unterschiedlicher Einschätzung bestimmter Leistungs-, Befähigungs- oder Eignungsmerkmale - stets bewusst sein muss, dass die Beurteilung nicht eine Selbsteinschätzung des Beamten wiederzugeben hat, sondern vielmehr ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil seines Dienstherrn enthält, für den der zuständige Beurteiler handelt. Auch ist und bleibt der Beurteiler insoweit "Herr des Verfahrens", als es ihm (und nicht dem Betroffenen) obliegt, die benötigten Erkenntnisquellen nach Art und Zahl näher zu bestimmen. Das alles birgt von vornherein einen gewissen Konfliktstoff, weil sich der Betroffene nach seiner Selbsteinschätzung auch dann "ungerecht" behandelt fühlen kann, wenn der Beurteiler unter Anlegung objektiver Maßstäbe und auf der Grundlage einer ausreichenden Erkenntnisgrundlage den Betroffenen durchaus zutreffend beurteilt und ihm dies im Gespräch zu vermitteln versucht.

Dies zugrunde gelegt, vermögen die Ausführungen des Antragstellers, mit denen er die angebliche Befangenheit des Beurteilers herleiten will, eine tragfähige Grundlage für eine tatsächlich vorliegende Befangenheit dieses Beamten nicht hinreichend aufzuzeigen. (wird ausgeführt)

Soweit es für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist, ist die über den Antragsteller aus Anlass der Besetzung der in Rede stehenden Stelle erteilte dienstliche Beurteilung auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Dies gilt namentlich für das Eignungsurteil. (...)

Die Beurteilung der Eignung des Antragstellers beruht auf einer hinreichend gesicherten Grundlage; die Rüge unvollständiger und einseitiger Sachverhaltsermittlung greift insoweit nicht durch. Wie der Antragsgegner ausführlich dargestellt hat, hat der Beurteiler - namentlich durch Gespräche mit Dritten und Einholung schriftlicher Stellungnahmen - eine möglichst breit angelegte Basis von Erkenntnissen über den Antragsteller zusammengetragen und für die Fertigung der Beurteilung ausgewertet. (wird ausgeführt) (...) Dabei folgt der Senat der Bewertung des Antragsgegners darin, dass es hier nicht ausgeschlossen gewesen ist, auch mit auf solche Feststellungen zurückzugreifen, die (teilweise) noch in einen vorangegangenen Beurteilungszeitraum fallen. Dies gilt jedenfalls, soweit diese Feststellungen - wie hier - Umstände betreffen, die im Kern ein bis heute fortdauerndes (Gesamt-)Verhalten des Antragstellers kennzeichnen, die für das Anforderungsprofil der aktuell zu besetzenden Stelle von besonderer Bedeutung sind. (...) Denn auch Erkenntnisse aus zurückliegenden Beurteilungszeiträumen sind jedenfalls zur Vervollständigung des Bildes über die (Gesamt-)Eignung des betroffenen Beamten schon allgemein, namentlich aber mit Blick auf die Besetzung eines Dienstpostens der hier in Rede stehenden höheren Leitungsebene nicht zu vernachlässigen. Dies gilt auch dann, wenn sie in bisher vorliegenden dienstlichen Beurteilungen nicht entsprechend zum Ausdruck gekommen sind; eine Ausschlusswirkung für die Ermittlung einer vollständigen Tatsachen- oder Wertungsgrundlage besteht insoweit nicht.

Was die konkrete Auswahl der vom Beurteiler in diesem Zusammenhang kontaktierten Personen betrifft, so vermittelt diese dem Senat den Eindruck, dass der Beurteiler objektiv bemüht war, gerade eine möglichst breite, von ihm sodann näher zu bewertende Basis zu erlangen, wobei er maßgeblich an die Stellung und Funktion der Befragten angeknüpft hat. Dieses grundsätzlich sachgerechte Vorgehen schließt die Einbeziehung auch solcher (ehemaliger) Funktionsträger bzw. Vorgesetzter, die inzwischen mit dem Antragsteller betreffend andere Stellenbesetzungsverfahren in ein Konkurrenzverhältnis getreten sind, nicht von vornherein aus. Ebenso wenig hat der zu Beurteilende grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Beurteiler die Basis der Informationsgewinnung noch weiter vergrößert, etwa konkret benannte weitere Personen befragt. Anders wäre es nur, wenn die Sachverhaltsermittlung ersichtlich auf einer zu "schmalen" oder einseitig selektierenden Grundlage erfolgt wäre; davon kann hier keine Rede sein.

Auch die vom Antragsteller konkret beanstandeten Formulierungen im Text seiner Beurteilung finden in dem ermittelten Sachverhalt eine tragfähige Grundlage. (...) Dass die vom Beurteiler befragten Personen jedenfalls zum Teil über den Antragsteller Wertungen abgegeben haben, die sich nicht immer auf konkrete Einzelbegebenheiten, sondern mitunter schon ihrerseits auf eine (nicht näher offengelegte) Vielzahl von Einzelwahrnehmungen stützen, kann nicht beanstandet werden. Denn namentlich das Bestehen oder Nichtbestehen eines hinreichenden Vertrauensverhältnisses zwischen verschiedenen Dienststellen und Amtsträgern gründet nicht in einem Inbegriff von exakt feststellbaren (Einzel-)Tatsachen, sondern betrifft im Kern eine Wertungsfrage, in die jedenfalls auch die Sicht der unmittelbar Betroffenen (...) einzubeziehen ist. Aber auch die Frage, ob ein bestimmtes Auftreten/Vorgehen bereits die Grenzen gebotenen Engagements überschreitet und zum Abbau bestehender Konflikte untunlich ist, geht über eine reine Tatsachenfeststellung hinaus und macht grenzziehende Wertungen erforderlich, die letztlich dem Dienstherrn und nicht dem zu Beurteilenden obliegen. Geht es wie bei Letzterem um persönlichkeitsbezogene Eignungsvoraussetzungen, so kann neben dem dienstlich beobachteten Verhalten - jedenfalls das Gesamtbild abrundend - auch ein nicht völlig unbedeutendes außerdienstliches Verhalten des Betroffenen (z. B. ein solches, dem in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit zuteil geworden ist) in die Bewertung einbezogen werden. Liegen hierzu bereits mehrere im Kern übereinstimmende Wahrnehmungen vor, so sind - auch wenn der Betroffene dies anders sieht - vom Beurteiler bzw. Gericht nicht zwingend alle bei der Begebenheit anwesenden Personen zum genauen Ablauf zu hören. Denn bei der in Rede stehenden Funktion handelt es sich um eine derart zentrale und herausgehobene, dass schon begründete Zweifel, der Betroffene werde den an diese Funktion zu stellenden Anforderungen bei der insoweit anzustellenden Prognose nicht voll gerecht, seine Eignung - jedenfalls was das hier in Rede stehende Spitzenprädikat betrifft - beachtlich einzuschränken vermögen.

Das dem Antragsteller in seiner Anlassbeurteilung für die in Rede stehende Stelle erteilte Eignungsgesamturteil ist, jedenfalls soweit das Begehren eines besseren Gesamturteils in Frage steht, auch im Ergebnis plausibel. Es steht weder in einem inneren Widerspruch zu den Einzelfeststellungen der fraglichen Beurteilung noch in einem solchen zu anderen bzw. früheren Beurteilungen.

Das Eignungsurteil in einer Anlassbeurteilung steht in enger Verknüpfung mit dem Anforderungsprofil für die in Rede stehende Beförderungsstelle. Werden - wobei dem Dienstherrn hinsichtlich der Einzelmerkmale ein Gewichtungsspielraum zukommt - wesentliche Elemente des Anforderungsprofils von einem Bewerber nicht oder nicht voll erfüllt, so wird er jedenfalls das Spitzenprädikat in aller Regel auch dann nicht erzielen können, wenn er die verbleibenden Merkmale durchweg herausragend erfüllen sollte. So verhält es sich auch im Fall des Antragstellers. (wird ausgeführt)

Da für den Beigeladenen entsprechende Defizite nicht festgestellt worden sind, kann aus dessen Beurteilung nicht auf die Anlegung unterschiedlicher Beurteilungsmaßstäbe geschlossen werden. Auch ein ggf. unterschiedlicher Umfang der Ermittlungen, der zwischen den Beteiligten u. a. mit Blick auf die angebliche zwischenzeitliche Vernichtung von Unterlagen streitig ist, wäre in diesem Zusammenhang kein eindeutiges Indiz dafür, dass im Ergebnis gleichheitswidrige Maßstäbe an die Beurteilung der beiden hier in Rede stehenden Konkurrenten angelegt worden sind. Denn ein hinreichend klares Bild für die Einschätzung der mit Blick auf eine Auswahlentscheidung beurteilungsrelevanten Merkmale kann sich in einem Falle ziemlich schnell, in einem anderen aber erst nach umfangreicheren Ermittlungen ergeben. (...)

Dass das Leistungsurteil über den Antragsteller noch auf die Note "sehr gut" lautet, lässt trotz des grundsätzlichen Ableitungsgebotes der Eignungsbeurteilung aus der Leistungsbeurteilung das Nichterreichen des Spitzenprädikats bei der Eignung nicht widersprüchlich bzw. systemwidrig erscheinen. Denn es erscheint plausibel, dass die in Rede stehenden Kritikpunkte in erster Linie solche sind, die - namentlich mit Blick auf die zu besetzende Stelle - einen Bezug zu den persönlichen und charakterlichen Eignungsmerkmalen aufweisen, wohingegen die gleichzeitige Minderung der erbrachten Leistungen des Antragstellers dahinter zurücktritt.

(...)

Schließlich lässt sich betreffend das Ergebnis der Beurteilung des Antragstellers für die angestrebte Stelle auch nicht feststellen, dass sie in einem unauflöslichen Widerspruch zu seiner bisher über viele Jahre gezeigten Leistungs- und Eignungsentwicklung stünde. Auch insoweit ist nämlich zunächst zu berücksichtigen, dass die Eignungsanforderungen für die angestrebte Stelle besondere sind. Sie gehen bezogen auf die zentralen Koordinierungsaufgaben über die Anforderungen an die vom Antragsteller bisher angestrebten Positionen hinaus bzw. sind von jenen verschieden. Außerdem lässt sich nicht feststellen, dass bei der Ermittlung des Sachverhalts die Zeit vor dem Wechsel des Antragstellers in die Abteilung, der er jetzt angehört, gewissermaßen ausgeblendet worden wäre. (wird ausgeführt) Die nunmehrige "Absenkung" des Eignungsurteils ist (...) zu einem großen Teil dem besonderen Anforderungsprofil der erstrebten Stelle geschuldet und vor diesem Hintergrund auch in Ansehung der zuvor angesprochenen bisherigen Leistungs- und Eignungsentwicklung einerseits, des Beurteilungsspielraums des Dienstherrn andererseits nicht zu beanstanden.

Ergänzend weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Selbst wenn man hier betreffend das Beurteilungsverfahren und/oder das bisherige Auswahlverfahren zu einem beachtlichen Rechtsfehler gelangen würde, wäre bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren ein Anordnungsanspruch für die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung zu verneinen und die Beschwerde zurückzuweisen. Der Antragsteller ist nämlich für den Fall einer neuerlichen Auswahlentscheidung als chancenlos anzusehen; die erforderliche "Möglichkeit" einer Besetzung der Stelle mit ihm besteht (zurzeit) nicht.

In Rede steht nämlich nicht irgendeine beliebige Beförderungsstelle, sondern eine solche auf der Abteilungsleiterebene eines Ministeriums. Dabei ist gerade die konkret zu besetzende Stelle von herausgehoben wichtiger, nämlich zentraler Bedeutung für die Erfüllung der Aufgaben des Ministeriums. (wird ausgeführt ) Der betroffene Aufgabenbereich macht dabei nicht nur vielfältige Abstimmungen mit den Leitern der Mittelbehörden bzw. sonstigen nachgeordneten Bereichen nötig, sondern ist vor allem auch sehr eng mit der Ressortspitze und der Durchsetzung von deren politischen Zielsetzungen verzahnt. Dies wiederum bedingt unabhängig davon, dass die zu besetzende Stelle nicht in den gesetzlich bestimmten Katalog der sog. politischen Beamten fällt (vgl. § 31 Abs. 1 BRRG, § 38 Abs. 1 LBG), auch hier jedenfalls im Kern das Vorhandensein eines uneingeschränkten Vertrauens der Führungsspitze in den für die in Rede stehende Funktion in Frage kommenden Bewerber.

Vgl. insoweit zur Fallkonstellation der Besetzung der Planstelle eines politischen Beamten: OVG NRW, Beschluss vom 20.11.1998 - 12 B 2446/98 -, Juris.

Es handelt sich dabei um ein ungeschriebenes, also auch ohne seine ausdrückliche Benennung im Text der Ausschreibung selbstverständlich mit vorausgesetztes Merkmal des Anforderungsprofils für die Wahrnehmung einer solch zentralen und wichtigen Position, wie sie hier in Rede steht. Dass dies vom Antragsgegner ebenso gesehen wird, hat er namentlich in seiner Beschwerdeerwiderung betont. ... Damit angesprochen ist eine Vertrauensbasis namentlich zu dem das Ressort leitenden Minister und zum Staatssekretär, jedenfalls in einem Mindestmaß aber auch zu den anderen Abteilungsleitern.

Eine derartige Vertrauensbasis ist hier sowohl von Seiten der Spitze(n) des Ministeriums gegenüber dem Antragsteller als auch - was noch hinzu kommt - im umgekehrten Verhältnis nicht (mehr), jedenfalls nicht in dem erforderlichen Maße, vorhanden. Dies ist im Kern unstreitig, denn die Beteiligten haben sich jeweils in entsprechender Weise geäußert. Auf die näheren Gründe für die Entstehung des Vertrauensmangels bzw. -verlustes kommt es dabei grundsätzlich nicht an. Dass die Geltendmachung einer fehlenden Vertrauensbasis hier durch den Antragsgegner lediglich vorgeschoben wäre oder auf Gründen beruht, die von dem Verhalten des Antragstellers gänzlich unbeeinflusst sind, kann nach der Aktenlage ausgeschlossen werden.

Soweit der Antragsteller betreffend die Frage der Vertrauensbasis anklingen lässt, dass der Termin zur Neuwahl des Landtags kurz bevorstehe und je nach Neubildung der Landesregierung die betreffende Argumentation ggf. hinfällig werde, vermag dem der Senat nicht zu folgen: Es kommt für die Beurteilung des Senats im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung an. Darüber hinaus handelt es sich um ein Besetzungsverfahren aus der laufenden Legislaturperiode auf der Grundlage der insoweit gegebenen Konstellationen. Schließlich lässt das Vorbringen des Antragstellers auch nicht ansatzweise erkennen, wieso er meint, ggf. das Vertrauen der jetzigen Oppositionsparteien für die Zusammenarbeit in einer Spitzenposition innerhalb eines Ministeriums zu genießen, zumal die Gründe, aus denen das uneingeschränkte Vertrauen fehlt, über den Wahltag hinaus Bestand haben.

Ende der Entscheidung

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