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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 26.05.2009
Aktenzeichen: 1 B 653/09
Rechtsgebiete: LRIG NRW, LBG NRW


Vorschriften:

LRIG NRW § 3 Abs. 3
LRIG NRW § 4 Abs. 1
LBG NRW (Fassung April 2009) § 32 Abs. 1 Satz 1
LBG NRW (Fassung April 2009) § 32 Abs. 1 Satz 2
Für die von einem Richter des Landes Nordrhein-Westfalen erstrebte Weiterbeschäftigung über die reguläre Altersgrenze des 65. Lebensjahres hinaus (vgl. entsprechend für Landesbeamte: § 32 Abs. 1 LBG NRW n. F.) fehlt es im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes an einem Anordnungsanspruch.
Tatbestand:

Die Antragstellerin ist Richterin im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Wenige Monate vor dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze (mit 65 Jahren) stellte sie bei ihrem Dienstherrn den Antrag, sie über diesen Zeitpunkt hinaus - längstens für drei Jahre - weiterzubeschäftigen. Zur Begründung verwies sie auf eine damals im Gesetzgebungsverfahren befindliche, inzwischen in Kraft getretene Regelung für Landesbeamte (§ 32 LBG n. F.), welche auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eines fakultativen Hinausschiebens der Altersgrenze vorsieht. Für Richter gibt es bislang eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht.

Da sich das Land nicht in der Lage sah, dem Begehren zu entsprechen, weil es an einer auch die Richter einbeziehenden Regelung fehle, verfolgte die Antragstellerin ihr Anliegen mit einer (noch anhängigen) Klage und parallel dazu mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung weiter. Den vorläufigen Rechtsschutzantrag lehnte das VG mit Blick auf die für die Landesrichter bestehende Gesetzeslage ab. Dagegen legte die Antragstellerin Beschwerde ein und berief sich im Kern auf eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Beamten und Richtern.

Die Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.

Gründe:

Die Antragstellerin hat unabhängig hiervon einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Sie hat nämlich aller Voraussicht nach - auch bei nicht nur summarischer Prüfung - keinen Rechtsanspruch auf Beschäftigung als Richterin über die gesetzliche Altersgrenze von 65 Jahren hinaus. Damit besteht zugleich kein Bedürfnis, einen solchen Anspruch durch eine "vorläufige" Regelung (welche hier im Wesentlichen die Hauptsache vorwegnehmen würde) nach Maßgabe des § 123 VwGO zu sichern.

Ein Anspruch der Antragstellerin, wie gewünscht erst drei Jahre nach Vollendung ihres 65. Lebensjahres in den Ruhestand zu treten, ergibt sich zunächst nicht aus dem Gesetz. Zwar ist inzwischen für Landesbeamte die Möglichkeit des an einen Antrag gekoppelten Hinausschiebens der Altersgrenze um bis zu drei Jahren geschaffen worden. Der insoweit einschlägige § 32 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 21.4.2009, GV. NRW. S. 224, auf den sich die Antragstellerin beruft, findet jedoch auf die Richterinnen und Richter - nachfolgend wird in allgemeinen Zusammenhängen allein noch die männliche Form gebraucht - des Landes keine Anwendung. Aus § 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG folgt dabei nichts Gegenteiliges: Die dort normierte entsprechende Geltung der Vorschriften für die Landesbeamten in Bezug auf die Rechtsverhältnisse der Richter steht nämlich unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass das Landesrichtergesetz selbst nichts anderes bestimmt. Eine solche andere Bestimmung findet sich hier aber in § 3 Abs. 3 LRiG, welcher durch Art. 18 des Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 21.4.2009 - im Unterschied zu anderen Vorschriften - nicht geändert worden ist. In der genannten Vorschrift ist für die Richter des Landes ausdrücklich bestimmt, dass der Eintritt in den Ruhestand nicht hinausgeschoben werden kann; diese Bestimmung ist eindeutig und lässt keinen Raum für eine (andere) Auslegung. Damit scheidet auch eine verfassungskonforme Auslegung, wie sie die Antragstellerin letztlich für geboten hält, schon vom methodischen Ansatz her aus.

Es spricht des Weiteren nichts dafür, dass die fehlende Anpassung des Richterrechts an das (neue) Beamtenrecht des Landes, wie die Antragstellerin ohne nähere Fundierung behauptet, lediglich auf einen "Redaktionsfehler" des Gesetzgebers zurückgehe. Dass hiervon keine Rede sein kann, erschließt sich bereits aus den in der Antragsbegründung auszugsweise zitierten Aussagen der Justizministerin des Landes im Gesetzgebungsverfahren zu dem Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Landesrichtergesetz (LT-Drucks. 14/8903, Plenarprotokoll 14/122). Die dort wiedergegebenen bzw. in Bezug genommenen Ausführungen der Ministerin lassen im Ergebnis keinen Zweifel daran, dass die Richter zunächst bewusst von der flexiblen Anhebung der Eintrittsgrenze für den Ruhestand ausgenommen worden sind; zugleich schon mit angestellte Überlegungen, im Richterbereich gegebenenfalls später "nachzusteuern", stellen die betreffende Grundaussage nicht in Frage, sondern bekräftigen und ergänzen sie nur.

Die Antragstellerin kann eine Verschiebung ihres Ruhestandes um die begehrten drei Jahre schließlich auch nicht mit Blick auf den geltend gemachten Verfassungsrechtsverstoß - Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG - beanspruchen. Dabei kann für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren vernachlässigt werden, dass der Gesetzgeber - eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung unterstellt - nicht ausschließlich die Regelungsalternative hätte, den Kreis der durch § 32 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW n. F. Begünstigten um die Gruppe der Landesrichter zu erweitern, er vielmehr die vorgenannte Vorschrift beispielsweise auch wieder abschaffen könnte. Ungeachtet dessen fehlt es hier nämlich schon daran, dass der von der Antragstellerin gerügte Gleichheitsverstoß ernsthaft in Betracht kommt. Jedenfalls ergibt sich aus dem maßgeblichen Beschwerdevorbringen nichts Überzeugendes in dieser Richtung. Die Antragstellerin übersieht insofern, dass es zwischen der Vergleichsgruppe der Beamten und derjenigen der Richter bezogen auf den vorliegenden Regelungszusammenhang hinreichend bedeutsame Unterschiede gibt, an welche der Landesgesetzgeber ohne Überschreitung des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums vertretbar anknüpfen durfte und auch angeknüpft hat.

Im Unterschied zu Beamten hat der Gesetzgeber in Bezug auf Richter den Gewährleistungsgehalt des Art. 97 GG zu beachten. Danach genießen Richter - schlagwortartig zusammengefasst - sachliche und persönliche Unabhängigkeit. Ermessensentscheidungen des Dienstherrn über eine Verschiebung der für den Eintritt in den Ruhestand maßgeblichen Altersgrenze nach dem Muster des § 32 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW n. F. könnten bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs auf Richter, je nachdem, wie die vorzunehmende Einzelfallprüfung ausfällt und die Entscheidung begründet wird, zweifelsohne diese richterliche Unabhängigkeit berühren. Auch dann, wenn sich der Dienstherr auf sonstige Gründe stützt, bliebe häufig zumindest der Anschein bestehen, dass die Entscheidung auch (mit) aus solchen Motiven erwachsen könnte, welche die richterliche Unabhängigkeit tangieren. Schon vor diesem Hintergrund durfte der Landesgesetzgeber - sachlich gerechtfertigt - von einer Erstreckung des § 32 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW n. F. auf Richter absehen. Denn diese (Ermessens-)Vorschrift verlangt die tatbestandliche Prüfung, dass "dienstliche Gründe nicht entgegenstehen". Der von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang gezogene Vergleich mit dienstlichen Beurteilungen erweist sich als nicht hinreichend sachnah und stichhaltig. Denn dienstliche Beurteilungen sind ein grundsätzlich unverzichtbares Mittel, um dem in Art. 33 Abs. 2 GG - also ebenfalls einer Verfassungsvorschrift - niedergelegten Grundsatz der Bestenauslese (Leistungsgrundsatz) gebührend Rechnung tragen zu können. Der Anspruch auf Hinausschieben der Regelaltersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand ist dagegen als solcher nicht - auch nicht als hergebrachter Grundsatz des Beamtenrechts im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG - verfassungsrechtlich gewährleistet. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass zu den Grenzen der Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn im Kern gesicherte Grundsätze existieren, welche auf eine langjährigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Obergerichte zurückgehen. Demgegenüber gibt es für die hier betroffene Materie, mit welcher weitgehend "Neuland" betreten wird, Vergleichbares noch nicht.

Der Gesetzgeber war aus Rechtsgründen aber auch nicht gezwungen, zeitgleich mit dem Inkrafttreten des § 32 LBG NRW n. F. irgendeine andere, etwa den Einflussbereich des Dienstherrn auf die Entscheidung weiter als bei den Beamten beschneidende "Parallelregelung" für die Landesrichter zu schaffen. Zwar hätte er eine dahingehende (politische) Entscheidung treffen können, etwa in Gestalt einer allein an das Antragserfordernis anknüpfenden "offenen" Regelung. Hiervon wurde aber, wie sich auch aus der Beschwerdebegründung selbst, insbesondere den dortigen Hinweisen auf Stellungnahmen der Landesjustizministerin deutlich ergibt, zunächst bewusst abgesehen. Es sollte vielmehr erst einmal die Verwaltungspraxis in Anwendung der für die Beamten geschaffenen Regelung - insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Einzelfallprüfung - beobachtet sowie bewertet und sodann gegebenenfalls für den Richterbereich "nachgesteuert" werden.

Nach Auffassung des Senats hat sich der Landesgesetzgeber bei Mitberücksichtigung der oben aufgezeigten Unterschiede zwischen den hier in Rede stehenden Vergleichsgruppen - aller Voraussicht nach - im Rahmen des ihm in Bezug auf die Gleich- bzw. Ungleichbehandlung von Sachverhalten zukommenden, grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraums gehalten, indem er für die Richter vorerst (noch) von der Einräumung einer Möglichkeit, die Altersgrenze nach oben hin zu flexibilisieren, ganz abgesehen hat. Dies begründet zwar für die betroffene Gruppe der Richter derzeit eine Benachteiligung gegenüber den Beamten. Mit Blick auf die nachvollziehbaren Schwierigkeiten und Bedenken, welche sich bei der Übertragung der Regelung des § 32 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW n.F. "im Verhältnis Eins zu Eins" auf die Richter ergeben hätten, erscheint dies aber rechtlich (zumal für eine nicht zu knapp zu bemessende Übergangszeit) noch hinnehmbar. Auch kann die Antragstellerin auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 1 GG nicht ohne weiteres - und erst recht nicht offensichtlich - verlangen, dass sie auf der Grundlage einer für die Richter im Verhältnis zu § 32 Abs. 1 Satz 1 LBG n. F. modifizierten Regelung nicht nur mit den Beamten "gleich", sondern im Ergebnis (mit Blick auf den Wegfall tatbestandlicher Einschränkungen) sogar günstiger behandelt würde.

Lediglich ergänzend weist der Senat abschließend darauf hin, dass es auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt sehr unwahrscheinlich ist, dass die Antragstellerin in ihrem konkreten Fall Gleichbehandlung mit den von der Vorschrift des § 32 LBG NRW n. F. erfassten Beamten verlangen kann. Sie würde nämlich auch schon weitere Voraussetzungen jener Vorschrift nicht erfüllen. Die Entscheidung über das fakultative Hinausschieben der Altersgrenze gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW n. F. ist von einem Antrag des Betroffenen abhängig. Nach dem Satz 2 des Absatzes 1 dieser Vorschrift ist der Antrag spätestens sechs Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu stellen. Diese Ausschlussfrist, wollte man sie entsprechend auf Richter übertragen, hätte die Antragstellerin hier nicht eingehalten. (...) Dafür, dass die genannte Ausschlussfrist für vor dem Inkrafttreten der Novelle des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen gestellte Anträge nicht gelten soll, lässt sich dem Gesetz nichts entnehmen.

Ende der Entscheidung

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