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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 30.05.2007
Aktenzeichen: 1 B 717/07
Rechtsgebiete: LBG NRW


Vorschriften:

LBG NRW § 45 Abs. 1 Satz 3
Anordnung der sofortigen Vollziehung einer amtsärztlichen Untersuchung in einem Fall, in dem Zweifel an der Dienstfähigkeit einer Beamtin darin begründet sind, dass diese sich unter erkennbarem Realitätsverlust Mobbinghandlungen seitens aller Kollegen und Vorgesetzten ausgesetzt sieht.
Tatbestand:

Die Antragstellerin steht als Beamtin in den Diensten der Antragsgegnerin. Diese ordnete unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die amtsärztliche Untersuchung der Antragstellerin an. Die Zweifel an der Dienstfähigkeit stützte die Antragsgegnerin darauf, dass die Antragstellerin u. a. nicht (mehr) in der Lage sei, ihr Handeln (z. B. Werfen mit Kugelschreiber auf Kollegen oder von Gegenständen an die Bürowand, weit überhöhte Geschwindigkeit mit dem Kfz auf dem Behördenparkplatz unter konkreter Gefährdung von Kollegen) realitätsgerecht zur Kenntnis zu nehmen. Die Antragstellerin stritt sämtliche Vorwürfe ab und sah sowohl diese als auch die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung als gezieltes Mobbing seitens aller Kollegen und Vorgesetzten an. Sowohl ihr Aussetzungsantrag als auch die anschließende Beschwerde hatten keinen Erfolg.

Gründe:

Die fristgerecht angeführten Beschwerdegründe, auf deren Überprüfung der Senat beschränkt ist, soweit es um die begehrte Änderung des angefochtenen Beschlusses geht (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren weiterverfolgten Antrag erster Instanz - Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 2 K 583/07 (VG Arnsberg) gegen die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung vom 29.3.2005 - zu entsprechen.

Aus den Beschwerdegründen einschließlich der Bezugnahmen auf das Vorbringen erster Instanz lässt sich ein Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis nicht herleiten. Dies gilt unabhängig davon, ob der vorliegende Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die statthafte Rechtsschutzform, in diesem Zusammenhang die angegriffene Anordnung nämlich ein Verwaltungsakt ist und ob ferner eine nicht dem Ausschluss nach § 44a VwGO unterliegende (Verfahrens-) Handlung des Dienstherrn vorliegt.

Vgl. zu diesbezüglichen Bedenken etwa BVerwG, Beschluss vom 19.6.2000 - 1 DB 13.00 -, BVerwGE 111, 246; OVG NRW, Beschlüsse vom 2.1.2003 - 6 B 2110/02 -, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/A II 6 Nr. 6, und vom 2.5.2007 - 1 B 70/07 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23.1.2003 - 2 B 11956/02 -, DÖD 2003, 173.

Die Antragstellerin wendet gegen den angefochtenen Beschluss im Kern ein, das Gericht habe sich mit ihrem Vortrag, dass sie Mobbinghandlungen seitens ihrer Kollegen und Vorgesetzten ausgesetzt sei, nicht befasst und deswegen zu Unrecht angenommen, die amtsärztliche Untersuchung sei zumutbar und nicht diskriminierend. Diese Argumentation blendet die im konkreten Fall gegebenen und im Verhalten der Antragstellerin ausreichend begründeten Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit vollständig aus. Sie rechtfertigt deswegen nicht die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung - auch nicht bei ergänzender und hier gebotener Berücksichtigung der Aktenlage. Selbst wenn der Antragstellerin zugestanden wird, dass eine Untersuchungsanordnung der hier in Rede stehenden Art ihre persönliche Rechtssphäre nicht unwesentlich berührt, ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hiergegen in ihrem Fall im Ergebnis nicht veranlasst. Zum einen ist Gegenstand der angegriffenen Maßnahme (zunächst nur) eine "normale" amtsärztliche Untersuchung zur Frage der Dienstfähigkeit und (noch) keine die Antragstellerin unter Umständen in besonderer Weise belastende und in ihrer Rechtssphäre betreffende psychiatrische (Zusatz-)Untersuchung. Hiervon hat die Antragsgegnerin ausdrücklich Abstand genommen, soweit keine weiteren amtsärztlich begründeten Anhaltspunkte vorliegen. Zum anderen kommt hinzu, dass auf der Grundlage einer vom Senat vorgenommenen nicht nur summarischen, vielmehr eingehenden rechtlichen und tatsächlichen Prüfung alles dafür spricht, dass die von der Antragstellerin beanstandete Maßnahme auch in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren Bestand haben wird.

Greifbare Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der an die Antragstellerin gerichteten Anordnung vom 29.3.2005, so wie sie sich in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.2.2007 darstellt, ergeben sich nicht. Eine derartige Anordnung, sich zur Überprüfung der Dienstfähigkeit amtsärztlich untersuchen zu lassen, ist im Allgemeinen bereits dann gerechtfertigt, wenn sich beim Dienstherrn vorhandene "Zweifel über die Dienstunfähigkeit eines Beamten" (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW) auf konkrete Umstände stützen lassen und nicht "aus der Luft gegriffen" sind. Einer Überzeugung der Behörde, dass der Beamte dienstunfähig ist, bedarf es demgegenüber nicht - erst recht keiner medizinisch abgesicherten. Ob die Zweifel des Dienstherrn an der Dienstfähigkeit berechtigt oder begründet sind, soll vielmehr erst durch die Untersuchung geklärt werden. Diesbezüglich ist der Beamte aus dem beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis - hier in Gestalt der durch § 45 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW erfolgten gesetzlichen Konkretisierung - grundsätzlich zur Mitwirkung verpflichtet. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung einer auf eine solche Untersuchung gerichteten Anordnung des Dienstherrn kann sich daher regelmäßig nicht darauf erstrecken, den Berechtigungsgrad der Zweifel zu ergründen. Denn dies würde sinnwidrig auf die Vorwegnahme des ärztlichen Untersuchungsergebnisses abzielen. Die Aufforderung an den Beamten, sich wegen Zweifeln an seiner Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen, kann infolgedessen von den Verwaltungsgerichten nur darauf überprüft werden, ob sie ermessensfehlerhaft, insbesondere willkürlich ist und ggf. die Grundsätze des Übermaßverbotes verletzt.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2.5.2007 - 1 B 70/07 -, und vom 28.2.2007 - 1 B 193/07 -, m. w. N.

Es ist für die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung dem Grund nach nicht erheblich, ob der Vortrag der Antragstellerin zutrifft, dass sie Mobbinghandlungen von Seiten ihrer Kollegen und Vorgesetzten ausgesetzt ist und welche Folgen dies für ihren Gesundheitszustand, namentlich ihre Dienstfähigkeit hat. Ziel der eingeforderten amtsärztlichen Untersuchung ist es lediglich festzustellen, ob die Antragstellerin dienstfähig ist. Aus welchen Gründen dies etwa nicht der Fall ist, bleibt für die Berechtigung der angeordneten Untersuchung ohne Bedeutung. Unabhängig davon, wie sich die von der Antragsgegnerin vorgetragenen, von der Antragstellerin anders dargestellten oder anders bewerteten Vorkommnisse abgespielt haben, bieten allein die Reaktionen der Antragstellerin auf die von ihr als Mobbing empfundenen Maßnahmen ausreichend Anhaltspunkte, die dem Dienstherrn gerade aus wohlverstandener Fürsorge für die Antragstellerin Anlass geben mussten, sie amtsärztlich auf ihre Dienst(un)fähigkeit untersuchen zu lassen. Nachhaltige Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit ergeben sich nämlich bereits auf der Grundlage des Verhaltens der Antragstellerin, das sie als Reaktion auf die aus ihrer Sicht beeinträchtigenden Verhaltensweisen ihrer Kollegen und damit in (vermeintlicher) Wahrnehmung ihrer Rechte an den Tag gelegt hat. Es entfernt sich als unangemessen und überzogen weit von der ihr obliegenden, sich aus § 57 Satz 3 LBG NRW ergebenden Verpflichtung. Danach muss das Verhalten eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Sollte es nicht als (vorsätzlich und) schuldhaft begangen zu bewerten sein, lässt sich das in Rede stehende Verhalten der Antragstellerin (nur) noch durch eher schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen einschließlich fehlender Krankheitseinsicht mit den entsprechenden Folgewirkungen auf die Dienstfähigkeit erklären. Der Senat weist in diesem Zusammenhang exemplarisch auf die folgenden Ausführungen der Antragstellerin in mehreren von ihr persönlich verfassten Schreiben hin:

Mit Schriftsatz an das VG Arnsberg in dem Verfahren gleichen Rubrums 2 K 1820/05 vom 11.12.2005 führte sie u. a. aus, der Inhalt des Widerspruchsbescheids sei völlig absurd und befremdend. Die Begründung des Amtsleiters sei makaber. Die Behauptungen seien völlig haltlos, schlichtweg unzutreffend, absolut unwahr, frei erfunden. Der Inhalt des Schreibens des Beklagten vom 1.12.2005 lese sich wie ein Schund- und Schmutzroman allererster Güte. Mit diesem disqualifiziere sich dieser nun endgültig selbst. Angesichts der in ihm enthaltenen ungeheuerlichen, intriganten Erfindungen und Lügen ihre Person betreffend schlage dies dem Fass des Unerträglichen völlig den Boden aus. Mit diesem sei es seinen Verfassern tatsächlich gelungen, ihr bisheriges Niveau noch zu unterschreiten. Das Schreiben des Beklagten vom 1.12.2005 bestehe vollinhaltlich aus Erfindungen und intriganten, wahrheitswidrigen Schutzbehauptungen, sprich: Lügen. Für ihre an Infamie, Dummdreistigkeit, Widerwärtigkeit, Ekelhaftigkeit und Abenteuerlichkeit nicht zu überbietende Erfindungsgabe hätten die Verfasser die Note 1+ verdient. Die Dummdreistigkeit, zu behaupten zu wagen, man fühle sich von ihr bedroht, suche ihresgleichen und sei an Aberwitz nicht zu übertreffen. Sie schäme sich mittlerweile zutiefst für ihre Kolleg(inn)en und Vorgesetzten, die an den beschriebenen, ihr gegenüber betriebenen Intrigen und Lügen beteiligt seien; sie täten ihr leid.

Gegen ihre Beurteilung vom 15.5.2006 wandte sie sich mit Schreiben vom 18.5.2006 mit den Formulierungen, die Beurteilung sei Bestandteil des an ihrem Arbeitsplatz ihr gegenüber betriebenen, menschenverachtenden Mobbings, für das sie nicht den geringsten Anlass biete. Mit der Beurteilung, den in ihr enthaltenen wahrheitswidrigen Schutzbehauptungen, Lügen und Unterstellungen sowie der unsubstantiierten Pauschalverurteilung unterstelle man einem friedliebenden Menschen wie ihr allen Ernstes so etwas wie Quertreibertum. Ihre Vorgesetzten und Kollegen würden versuchen "den Spieß umzudrehen", um sich von ihrem eigenen Fehlverhalten und Versagen reinzuwaschen. Wer dermaßen absurde Schutzbehauptungen nötig habe, müsse allen Grund für ein äußerst schlechtes Gewissen haben. Nicht ihr, sondern ihren Vorgesetzten und Kollegen mangele es an Sozialkompetenz.

Mit Schreiben an das VG vom 5.10.2006 in dem o. g. Verfahren empfahl sie ihrem Dienstherrn, bevor es jemand wage, ihre Gesundheit anzuzweifeln, solle er dies doch erst einmal bei sich tun.

In ihrer an das Polizeipräsidium I. unter dem 13.11.2006 gerichteten Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Antragsgegnerin wegen Beleidigung, übler Nachrede, Verleumdung und schwerer Körperverletzung führte sie aus, sie werde auf perfideste und menschenverachtendste Art und Weise gemobbt und müsse offensichtlich als Sündenbock herhalten. Ihren "Kollegen" und "Vorgesetzten" sei dabei nichts zu billig und schäbig. Sie würden auch nicht davor zurückschrecken, die Grenzen des Legalen zu überschreiten bzw. gänzlich zu verlassen und sich strafbar zu machen. Ihre Strafanzeige erstreckte sie mit Schreiben vom 24.11.2006 auf einen weiteren Mitarbeiter der Antragsgegnerin und führte aus, wegen dieser dummdreisten, unverschämten Lüge, sie habe mit einem Kugelschreiber nach Herrn N. geworfen, erstatte sie nun Strafanzeige gegen diesen. Ihren Kollegen und Vorgesetzten sei in ihrem Bemühen, Gründe für eine amtsärztliche Untersuchung zu konstruieren, absolut jedes auch noch so schäbige Mittel recht und nicht zu billig. Sie sei schon jetzt sehr gespannt darauf, mit welchem Märchen ihre Kolleg(inn)en und Vorgesetzten ihre Personalakte als nächstes schmücken würden. Wie sei es damit: "Frau P. warf sich auf die Kollegin.... und bedrohte sie mit einem Messer. Die Kollegin konnte nur knapp ihrem Tod entrinnen." Jede Menge Stoff zur Veröffentlichung in der "Billigpresse" habe sie inzwischen allemal zusammen.

Bereits diese konkreten Umstände im Verhalten der Antragstellerin geben berechtigten Anlass zu Zweifeln an ihrer Dienstfähigkeit; bloße Behauptungen "ins Blaue hinein" stellt ihr Dienstherr ersichtlich nicht auf. Über die der Antragstellerin zustehende Wahrung eigener Rechte, sofern sie von ihr als Mobbing empfundene Verhaltensweisen ihrer Kollegen und Vorgesetzten abzuwehren versucht, geht ihr Gebaren ersichtlich hinaus; mit ihrer im Schriftsatz vom 11.12.2005 getroffenen Selbsteinschätzung, sie sei eine der "friedliebendsten, rücksichtsvollsten, freundlichsten, höflichsten und zurückhaltendsten Mitarbeiterinnen des Technischen Rathauses überhaupt", korrespondiert dieses nicht. Auf den erkennbar werdenden Realitätsverlust und die mangelnde Reflektionsfähigkeit hinsichtlich der eigenen Handlungsweisen hat die Antragsgegnerin bereits in ihrem Widerspruchsbescheid vom 20.2.2007 und in ihrer Antragserwiderung vom 29.3.2007 hingewiesen; der Senat teilt diese allen Anlass zur amtsärztlichen Überprüfung der Dienstfähigkeit gebende Einschätzung.

Ende der Entscheidung

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