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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 25.04.2005
Aktenzeichen: 10 A 2861/04
Rechtsgebiete: BauNVO, BauO NRW, BauGB


Vorschriften:

BauNVO § 1 Abs. 5
BauNVO § 1 Abs. 9
BauNVO § 8
BauNVO § 11 Abs. 2 Satz 2
BauNVO § 11 Abs. 3
BauNVO § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
BauNVO § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
BauNVO § 11 Abs. 3 Satz 2
BauNVO § 11 Abs. 3 Satz 3
BauNVO § 15
BauO NRW § 71 Abs. 1
BauO NRW § 71 Abs. 2
BauO NRW § 75
BauGB § 29 Satz 1
BauGB § 34
BauGB § 34 Abs. 2
BauGB § 34 Abs. 3
1.) Ob ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO vorliegt, hängt von der Verkaufsfläche des zur Genehmigung gestellten Einzelvorhabens ab. Die Grenze des Verkaufsflächenmaßes zur Großflächigkeit bestimmt sich nach der Rechtsprechung des BVerwG (Beschluss v. 22.7.2004 - 4 B 29.04 -, ZfBR 2004, 699: ca. 700 m2 mit Überschreitungsmöglichkeiten um ca. 100 m2).

2.) Die Verkaufsfläche des Einzelvorhabens bleibt auch maßgebend, wenn dieses in räumlicher Nähe anderer Einzelhandelsbetriebe errichtet werden soll und diese insgesamt den Begriff des geplanten oder faktischen Einkaufszentrums (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO) nicht erfüllen.

3.) § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO deckt nicht die summierende Betrachtungsweise der Verkaufsflächen von nebeneinanderliegenden Einzelhandelsbetrieben zur Großflächigkeit (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 4.5.1988 - 4 C 34.86 -, BRS 48 Nr. 37).

4.) Der Begriff der Funktionseinheit ist - jedenfalls seitdem jeweils mehrere Discounter bzw. Einzelhandelsbetriebe als direkte Konkurrenten die räumliche Nähe suchen - ungeeignet, die Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben zum Zwecke der Sortimentsergänzung zu erklären und eine Addition der Verkaufsflächen zur Großflächigkeit im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO zu rechtfertigen.

5.) Etwas anderes kann nur dann ausnahmsweise gelten, wenn ein einheitliches, an sich großflächiges Einzelhandelskonzept unter dem Aspekt der Umgehung in kleinteilige Fachmärkte zerlegt wird.


Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids für die Nutzungsänderung einer Lagerhalle zu einem Getränkemarkt mit Lager. Für den Verkauf ist eine Verkaufsfläche von 695 m² und für das Lager eine Fläche von 324,02 m² vorgesehen. Die Errichtung der Lagerhalle geht auf eine der Klägerin erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Lebensmittel-Discount-Marktes mit einer maximalen Verkaufsfläche von 700 m², einer Lagerhalle und einer Stellplatzanlage mit 174 Stellplätzen zurück. Der Beklagte lehnte den beantragten Bauvorbescheid ab. Zur Begründung führte er aus, das Baugrundstück liege in einem faktischen Gewerbegebiet. Da der beantragte Getränkemarkt mit dem schon vorhandenen Discountmarkt eine Funktionseinheit bilde, entstehe bei summierender Betrachtung der jeweiligen Verkaufsflächen ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb, der sondergebiets- bzw. kerngebietspflichtig sei. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Das VG gab der Klage statt. Die anschließende Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Das OVG hat die Revision zugelassen.

Gründe:

Der Anspruch der Klägerin auf Erteilung der begehrten Bebauungsgenehmigung folgt aus §§ 71 Abs. 1 und 2, 75 BauO NRW. Danach ist ein Vorbescheid zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Im Gegensatz zur Baugenehmigung stellt der Vorbescheid nicht die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem gesamten öffentlichen Recht fest. Mit ihm wird lediglich über einzelne Fragen des Bauvorhabens entschieden. Für die beantragte Nutzungsänderung der auf dem klägerischen Grundstück errichteten Lagerhalle in einen Getränkemarkt ist danach ein Vorbescheid zu erteilen, weil das Vorhaben mit den hier allein maßgeblichen Vorschriften des Bauplanungsrechts vereinbar ist.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 34 BauGB, da es innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils errichtet werden soll. Für die Frage, ob ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegt, ist auf die äußerlich wahrnehmbaren Verhältnisse abzustellen; dabei kommt es nur auf die innerhalb der Stadt- oder Gemeindegrenze vorhandene Bebauung an.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.12.1998 - 4 C 7.98 -, BRS 60 Nr. 81.

Die danach hier maßgebliche Bebauung findet sich am östlichen Rand des Stadtgebietes von E., an der Grenze zum Stadtgebiet von H. entlang der N.-Straße im Norden und der S-Bahnstrecke im Süden. Die Anzahl der hier vorhandenen gewerblichen und sonstigen Bauten erreichen das für einen Ortsteil erforderliche Gewicht. Die tatsächliche Bebauung wird im Wesentlichen durch ein ca. 3 - 4 ha großes Areal geprägt. In diesem Bereich findet ausschließlich gewerbliche Nutzung statt. Dieser wirkt durch seine topographisch bedingte talseitige Lage und wegen seiner ausschließlich gewerblichen Nutzungsstruktur als einheitlicher, in sich abgeschlossener Bereich. Die am Rande der N.- Straße vereinzelt vorhandenen nicht gewerblich genutzten Gebäude, insbesondere die Wohngebäude, liegen optisch außerhalb dieses Bereiches. Sie prägen ihn nicht, sondern wirken wegen ihrer Nutzung im Verhältnis zu der gewerblichen Prägung der Umgebung als Fremdkörper und unterliegen einer eigenen planungsrechtlichen Bewertung.

Die Eigenart der demnach maßgeblichen näheren Umgebung entspricht einem faktischen Gewerbegebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO. Sämtliche dort ausgeübten Nutzungen sind in einem Gewerbegebiet gem. § 8 BauNVO zulässig.

Das klägerische Vorhaben - Nutzungsänderung einer Lagerhalle in einen Getränkemarkt mit einer Verkaufsfläche von 695 m² - ist auf dem Baugrundstück, das Teil eines faktischen Gewerbegebiets ist, bauplanungsrechtlich zulässig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO). Die geplante Nutzungsänderung ist auch nicht etwa deswegen unzulässig, weil es sich zwar um eine gewerbliche, aber ansonsten kern- bzw. sondergebietspflichtige Nutzung handelt. Mit der Errichtung des Getränkemarktes entsteht zusammen mit dem vorhandenen Aldi-Markt weder ein kern- bzw. sondergebietspflichtiges Einkaufszentrum (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO), noch stellt der Getränkemarkt selbst einen - ebenfalls - kern- oder sondergebietspflichtigen großflächigen Einzelhandelsbetrieb (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO) dar.

Die infolge der Errichtung des Getränkemarktes zusammen mit dem vorhandenen Aldi-Markt entstehende Ansammlung von zwei Einzelhandelsbetrieben führt nicht zur Entstehung eines Einkaufszentrums (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO). Ein Einkaufszentrum ist eine entweder einheitlich geplante oder aus anderen Gründen entstandene räumliche Konzentration von Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe, die zumeist in Kombination mit verschiedenenartigen Dienstleistungsbetrieben auftreten.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 1.8.2002 - 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25, und vom 27.4. 1990 - 4 C 16.87 -, BRS 50 Nr. 67.

Eine von den Betreibern nicht geplante, erst mit der Zeit entstandene Konzentration von Einzelhandelsbetrieben kann ein faktisches Einkaufszentrum bilden, wenn die verschiedenen Betriebe aus der Sicht des Kunden als planvoll zusammengefasst und nicht bloß als zufällige Anhäufung erscheinen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 1.8.2002 - 4 C 5.01 -, a.a.O., und vom 27.4.1990 - 4 C 16.87 -, a.a.O., Beschluss vom 15.2.1995 - 4 B 84.94 -, ZfBR 1995, 338.

Der schon vorhandene Aldi-Markt und der geplante Getränkemarkt erfüllen danach ungeachtet der Frage, welche Mindestgröße für die Annahme eines Einkaufszentrums erforderlich ist, vgl. dazu die Darstellung bei Stock, in König/ Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, § 11 Rn 46, die Anforderungen an den Rechtsbegriff "Einkaufszentrum" nicht einmal ansatzweise.

Anhaltspunkte für eine planvolle Zusammenfassung beider Märkte im Sinne eines geplanten Einkaufszentrums bestehen von vornherein nicht. Gegen die Annahme eines faktischen Einkaufszentrums spricht schon die zu geringe Größe beider Betriebe, die weder durch ein gemeinsames Konzept und eine Kooperation verbunden sind noch als solche nach außen, etwa durch gemeinsame Werbung oder Namensgebung, in Erscheinung treten. Von einer Sog- und Magnetwirkung, die von beiden Märkten als Zentrum ausgeht, kann bei dieser Sachlage nicht die Rede sein.

Vgl. zu dem Begriff der Magnetwirkung Stock, a.a.O., § 11 Rn 43 ff m.w.N.; Ziegeler, in Brüggelmann u.a., BauGB, Stand: Dezember 2004, § 11 Rn 90 b sowie ferner § 11 Rn 88 n, 88 s und 88 t mit kritischer Bewertung der vom BVerwG entwickelten Kriterien.

Der geplante Getränkemarkt stellt auch keinen großflächigen Einzelhandelsbetrieb nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO dar.

Ob ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO gegeben ist, hängt von der Verkaufsfläche des zur Genehmigung gestellten Einzelvorhabens ab. Die Grenze des Verkaufsflächenmaßes zur Großflächigkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG nicht wesentlich unter 700 m², aber auch nicht wesentlich darüber.

Vgl. zur kritischen Größe: BVerwG, Urteile vom 22.5.1987 - 4 C 77.84 - und - 4 C 19.85 -, BRS 47 Nr. 58 und BRS 47 Nr. 56.

Nach einer jüngeren Entscheidung ist das Merkmal der Großflächigkeit auch dann nicht erfüllt, wenn die Überschreitungen des Verkaufsflächenmaßes von 700 m² eine Größenordnung bis zu etwa 100 m² erreichen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.7.2004 - 4 B 29.04 -, ZfBR 2004, 699.

Für die danach maßgebliche Verkaufsfläche ist lediglich auf diejenige des Getränkemarktes abzustellen. Denn die Verkaufsfläche des Einzelvorhabens bleibt auch dann maßgebend, wenn dieser in räumlicher Nähe anderer Einzelhandelsbetrieben errichtet werden soll. Gegenstand der vorzunehmenden planungsrechtlichen Beurteilung im Rahmen des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens ist grundsätzlich das Vorhaben im Sinne von § 29 Satz 1 BauGB. Es ist Sache des Bauherrn, durch seinen Genehmigungsantrag den Inhalt des Vorhabens festzulegen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 3.5.1974 - IV 10.71 -, BauR 1974, 328, und vom 4.7.1980 - IV 99.77 -, BRS 36 Nr. 158, Beschluss vom 21.8.1991 - 4 B 20.91 -, BRS 52 Nr. 2, und Urteil vom 20.8.1992 - 4 C 57.89 -, BRS 54 Nr. 50.

Die Verkaufsfläche für den Getränkemarkt soll nach den eingereichten Plänen maximal 695 m² aufweisen. Sie erreicht somit die für die Großflächigkeit "kritische Größe" von 700 bis 800 m² noch nicht.

Soweit der Beklagte für die Ermittlung der Großflächigkeit die Verkaufsflächen des Getränkemarktes mit derjenigen des benachbarten Aldi-Marktes zusammenrechnet mit der Folge, dass die dann entstehende Verkaufsfläche von knapp unter 1400 m² die Schwelle zur Großflächigkeit überschreitet, ist diese Vorgehensweise vom geltenden Recht nicht gedeckt. Denn § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO deckt nicht die summierende Betrachtungsweise der Verkaufsflächen von nebeneinanderliegenden Einzelhandelsbetrieben zur Großflächigkeit.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4.5.1988 - 4 C 34.86 -, BRS 48 Nr. 37.

Ein Zusammenrechnen der Verkaufsflächen selbstständiger Einzelhandelsbetriebe kommt auch unter dem Gesichtspunkt der Funktionseinheit nicht in Betracht. Eine solche Funktionseinheit wird in der Rechtsprechung teilweise angenommen, wenn es sich um eine planmäßige, auf Dauer angelegte und gemeinschaftlich abgestimmte Teilnahme mehrerer Betriebe am Wettbewerb handelt, wobei neben der nach Außen hin erkennbaren Gemeinschaftlichkeit der Betriebe insbesondere auch ein bestimmtes Nutzungskonzept gefordert wird. Letzteres soll die Wertung bautechnisch selbstständiger Betriebe als eine "Funktionseinheit" namentlich dann gebieten, wenn die Betriebe aufgrund dieses Konzeptes wechselseitig voneinander profitieren und das an den objektiven Gegebenheiten ablesbare gemeinsame Konzept die Betriebe nicht als Konkurrenten, sondern als gemeinschaftlich verbundene Teilnehmer am Wettbewerb erscheinen lässt.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 22.1.1996 - 8 S 2969/95 - , BRS 58 Nr. 201 (Funktionseinheit im konkreten Fall abgelehnt); OVG NRW, Urteil vom 4.5.2000 - 7 A 1744/97 -, BRS 63 Nr. 85 (Funktionseinheit zwischen Discounter und Getränkemarkt bejaht); Bay. VGH, Beschluss vom 7.7.2003 - 20 CS 03.1568 -, BRS 66 Nr. 86 (Möglichkeit der Funktionseinheit bejaht, im konkreten Fall aber offen gelassen).

Der Begriff der Funktionseinheit ist jedoch - jedenfalls seitdem mehrere Discounter bzw. Einzelhandelsbetriebe als direkte Konkurrenten die räumliche Nähe suchen - ungeeignet, die Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben zum Zwecke der Sortimentsergänzung zu erklären und eine Addition der Verkaufsflächen zur Großflächigkeit im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO zu rechtfertigen. Weder der räumliche Zusammenhang noch betriebliche Gesichtspunkte (Kooperation, Konkurrenz, Werbung und insbesondere Sortimente) reichen danach aus, um selbstständige Betriebe als eine Einheit zu erfassen. Das liegt für die angeführten betrieblichen Gesichtspunke auch insoweit auf der Hand, als die Ergebnisse hiernach unterschiedlich ausfallen können, je nachdem ob man den Schwerpunkt der Betrachtung mehr bei den Inhabern der einzelnen Geschäfte (Pächter) oder bei den Eigentümern des Gesamtkomplexes (Verpächter) setzt. Im ersten Fall liegt es nahe, entscheidungserheblich auf die Besonderheiten insbesondere der Sortimente der einzelnen Läden abzustellen und eine Funktionseinheit auch oder vorrangig aus einer Sortimentsergänzung abzuleiten. Eine Sortimentsergänzung wiederum könnte sich einmal aus der breiten Palette der Sortimente ergeben wie bei einem Warenhaus oder einem Einkaufszentrum oder aber daraus, dass ein ähnlich strukturierter Bedarf befriedigt wird wie z.B. bei Essen und Trinken. Wird abweichend hiervon der Schwerpunkt bei den Eigentümern gesetzt, wären andere Gesichtspunkte maßgebend: Es träte dann die äußere bauliche Einheit hervor und verbunden mit ihr die Erwägung, dass die innere Abtrennung ohne größere bauliche Schwierigkeiten durchbrochen werden könnte; weiter wäre bei diesem Ausgangspunkt zu bedenken, dass sowohl Sortimente wie Pächter entsprechend den Marktgegebenheiten wechseln können und bei Misserfolg eines Geschäfts die Ersetzung durch ein anderes zu erwarten ist, wobei die baurechtliche Relevanz solcher Veränderungen, die bei einer mehr betrieblichen Perspektive angenommen werden müsste, nicht ohne weiteres selbstverständlich ist. Vgl. dazu Bay. VGH, Beschluss vom 7.7.2003 - 20 CS 03.1568 -, a.a.O.

Auch eine Auslegung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift führt nicht zu einem gegenteiligen Ergebnis.

Der ausdrückliche Wortlaut der Vorschrift stellt für die Frage der Großflächigkeit auf den jeweiligen Einzelhandelsbetrieb ab. Eine funktionseinheitliche Betrachtung verschiedener Betriebe ist danach nicht Gegenstand der Bestimmung.

Auch der Gesetz- und Verordnungsgeber hat in Ansehung des Problems der Agglomeration ausdrücklich keinen Regelungsbedarf gesehen. Anlässlich der dritten Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung (Änderungsverordnung 1987), die allein eine Änderung des § 11 Abs. 3 BauNVO zum Gegenstand hatte und anlässlich derer die in § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO enthaltene Geschossfläche von 1500 m² auf 1200 m² herabgesetzt und dem § 11 Abs. 3 der Satz 4 - neu - angefügt wurde, hat der Bundesrat in einer Entschließung vom 21.2.1986 (BR-Drucks. 541/86) gegenüber der Bundesregierung zu diesem Aspekt Stellung genommen. Danach sollte insbesondere geprüft werden, wie das Problem der Agglomeration mehrerer kleinerer Betriebe zu Einkaufzentren mit den in § 11 Abs. 3 BauNVO genannten Auswirkungen gelöst werden könne. Hierzu verwies die Bundesregierung (BR-Drucks. 354/89) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG zum Begriff des Einkaufszentrums darauf, dass nach geltendem Recht bei der Errichtung mehrerer Betriebe auf einer Betriebsfläche (räumlicher Zusammenhang) und bei Vorliegen eines abgestimmten Warensortiments (funktionaler Zusammenhang) die Gesamtfläche zu berücksichtigen sei, vor allem im Hinblick auf die Vermutungsregelung des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO. Zur Vermeidung einer mit der geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht zu vereinbarenden Agglomeration im Übrigen sah man in § 15 BauNVO ein geeignetes, die örtlichen Verhältnisse ausreichend berücksichtigendes und bewährtes Rechtsinstrument. Nach dem verlautbarten Willen der Bundesregierung sollten weitergehende Regelungen sachgerecht unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten und Erfordernisse nur im Rahmen der planerischen Feinsteuerung durch Festsetzungen in einem Bebauungsplan auf der Grundlage von § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO erfolgen. Insoweit kann der Vorschrift des § 11 Abs. 3 BauNVO die Entscheidung des Verordnungsgebers entnommen werden, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von die Grenzen des § 11 Abs. 3 BauNVO überschreitenden Vorhaben im Grundsatz eine auf diese "Anlagenspezifika" zugeschnittene Planung der Gemeinde voraussetzt, weil nur auf diese Weise die Ansiedlung solcher Betriebe im Einklang mit der städtebaulichen Entwicklung einhergehen kann. Mit Rücksicht auf diese Rechtslage sind weitere Klarstellungen im Verordnungstext des § 11 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich abgelehnt worden. Die nachfolgende Änderungsverordnung 1990 führte lediglich zu einer Ergänzung des nicht abschließenden Katalogs der in Betracht kommenden Sondergebiete in § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO. Die Vorschrift des § 11 Abs. 3 BauNVO blieb unberührt.

Eine Zusammenfassung verschiedener, selbstständiger Betriebe verbietet sich auch nach einer systematischen Auslegung der Vorschrift unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck sowie Stellung und Funktion der Bestimmung innerhalb von § 11 Abs. 3 BauNVO.

Die Vorschrift des § 11 Abs. 3 BauNVO zielt darauf ab, den Einzelhandel an den Standorten zu sichern, die in das städtebauliche Ordnungssystem systemgerecht eingebunden sind, um zu verhindern, dass durch die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben an peripheren Standorten die wirtschaftliche Existenz derjenigen Betriebe bedroht oder gar vernichtet wird, die eine verbrauchernahe Versorgung gewährleisten. Auch wenn die Agglomeration mehrerer selbstständiger Einzelhandelsbetriebe zu einem städtebaulichen Problem im Sinne der Vorschrift werden kann, besteht keine Regelungslücke, die mit dem Begriff der Funktionseinheit ausgefüllt werden müsste. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass dem Verordnungsgeber erkennbar daran gelegen war, die Vorschrift in der Praxis über die Ermittlung des Merkmals der Großflächigkeit eines Betriebes einfach handhaben zu können und es im Übrigen der Planungshoheit und den Planungsmöglichkeiten der Gemeinde überlassen bleiben sollte, etwaigen weitergehenden Bedürfnissen nach einer planerischen Feinsteuerung des Einzelhandels nachzukommen. Der einfachen Ermittlung des mit dem Merkmal der Großflächigkeit definierten Typs eines "großflächigen Einzelhandelsbetriebes" über die Berücksichtigung seiner Verkaufsfläche läuft es erkennbar zuwider, mit dem Begriff der Funktionseinheit auch solche Betriebe in die Betrachtung mit einzubeziehen, die sich zueinander als selbstständige Betriebe verhalten und deren Zusammengehörigkeit allein über räumliche und letztlich schwierig zu bestimmende betriebs- bzw. wettbewerbswirtschaftliche Gesichtspunkte hergestellt werden soll.

Auch die Stellung und Funktion der Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO im weiteren System des § 11 Abs. 3 BauNVO widerspricht einer Zusammenrechnung der Verkaufsflächen verschiedener, selbstständiger Betriebe. Eine sukzessive Agglomeration mehrerer nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe kann unter bestimmten Voraussetzungen - wie bereits an anderer Stelle dargestellt - zur Konstituierung eines faktischen Einkaufszentrums im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO führen. Wäre daneben eine Addition der Verkaufsflächen selbstständiger Betriebe möglich, hätte es der Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO nicht bedurft. Eine andere Sichtweise stünde auch nicht mit Art. 14 GG in Einklang. Die Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO ist danach nur dann als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums anzusehen, wenn bei selbstständig geführten Unternehmen die Frage der baurechtlichen Zulässigkeit und somit auch die Frage nach der Großflächigkeit gesondert, für den einzelnen Betrieb, beantwortet wird.

So auch Nickels/Stock, BayVBl 2001, S. 249 (250); Schenke, Rechtliche Fragen der Errichtung von Betrieben des Einzelhandels, DÖV 1988, S. 233 (238).

Der Begriff der Funktionseinheit findet folglich auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO keine Anwendung. Selbstständige Einzelhandelsbetriebe können deshalb nicht zu einem "funktionseinheitlichen" Betrieb zusammengerechnet werden. Indizien für eine Selbstständigkeit in diesem Sinne sind u. a. eine bautechnische Gestaltung, die es erlaubt, dass jeder Betrieb von den betrieblichen Abläufen her für sich funktionsfähig ist, eigene Zugänge, Kassenbereiche und Sozialräume und eine eigenständige Andienung hat. Für eine Selbstständigkeit spricht es auch, wenn die Verkaufs- und Lageraktivitäten der Betriebe vollständig voneinander getrennt sind, wenn sie von verschiedenen Betreibern mit unterschiedlichem Betriebszweck betrieben werden, jederzeit unabhängig voneinander den Eigentümer wie den Mieter wechseln können, ihren Geschäftsbetrieb einstellen oder die jeweiligen Räumlichkeiten über eine Nutzungsänderung einer geänderten Nutzung zuführen können, ohne dass davon der oder die anderen Betriebe betroffen werden.

Vgl. so auch: Stock, a.a.O., § 11 Rn 85; Hauth, Unzulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben, BauR 2001, 1037; Nickel/ Stock, a.a.O.; Schenke, a.a.O.

Etwas anderes kann nur ausnahmsweise dann gelten, wenn ein einheitliches, an sich großflächiges Einzelhandelskonzept unter dem Aspekt der Umgehung in kleinteilige Fachmärkte zerlegt wird.

Vgl. so auch Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 11 Rn 32 (32.11.); Schmitz/Federwisch, Einzelhandel und Planungsrecht, 1. Aufl. 2004, Rn 311 (312); Ziegeler, a.a.O., § 11 Rn 90 c.

Hier bestehen für eine Umgehungsabsicht keine Anhaltspunkte. Der Getränkemarkt und der Aldi-Markt werden insbesondere nicht als zwei Vorhaben eines Betriebes präsentiert. Es handelt sich bei beiden Märkten vielmehr - wie bereits an anderer Stelle ausgeführt - um jeweils selbstständige Einzelhandelsbetriebe.

Von dem beantragten Vorhaben sind auch keine schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten. Weder auf der Grundlage des Vorbringens des Beklagten noch aus sonstigen Umständen ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit des Vorhabens gem. § 34 Abs. 3 BauGB. Der Beklagte selbst schließt entsprechende Auswirkungen nach eigener Prüfung für sein Stadtgebiet aus. Der Senat schließt sich dieser Einschätzung an. Dabei kann offen bleiben, ob die Vorschrift, auf die Ansiedlung eines - wie hier - nicht großflächigen Einzelhandelsbetriebes überhaupt Anwendung findet oder ob sich der Anwendungsbereich der Vorschrift entsprechend der Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO nur auf großflächige Einzelhandelsbetriebe bezieht.

Vgl. hierzu: Upmeier/Brandenburg, Neues Baugesetzbuch und weitere wichtige Gesetze, 6. Aufl. 2004, § 34, S. 74 ff; Battis/Krautzberger, BauGB, 9. Aufl. 2005, § 34 Rn 54 ff.

Jedenfalls lassen sich etwaige Anknüpfungspunkte für eine Zentrenschädlichkeit des Vorhabens weder im Hinblick auf die geplante Größe des Marktes noch aus dem angebotenen Warensortiment entnehmen. Der Umstand, dass die vorgesehenen Pächter des Marktes einen kleineren Getränkemarkt in E. und somit einen Nahversorgungsmarkt aufgeben, ist allein darauf zurückzuführen, dass die infrastrukturellen Bedingungen des alten Standorts auf die Voraussetzungen eines Getränkemarkts nicht zugeschnitten waren. Immerhin sind solche Märkte auf einen erheblichen An- und Zulieferungsverkehr einschließlich einem eigenen Lieferservice sowie Parkmöglichkeiten für die Kunden angewiesen.

Das Vorhaben ist auch nicht planungsrechtlich rücksichtslos. Der mit der Nutzung des Getränkemarktes einhergehende Zu- und Abgangsverkehr begegnet weder für sich noch in einer Gesamtschau mit den übrigen Nutzungen Bedenken. Die nähere Umgebung ist überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt, gegenüber diesen bestehen von vornherein keine Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit. Gegenüber der am Rande der N. Straße vorhandenen Wohnbebauung, die bereits durch die vorhandenen Nutzungen und den von dort ausgehenden Zu- und Abgangsverkehr erheblich vorbelastet ist, wirkt sich eine etwaige Steigerung der Verkehrsbelastung nur unwesentlich aus. Hinzu kommt, dass der Zu- und Abgangsverkehr über verschiedene Zu- und Abfahrten abgewickelt werden kann, so dass sich hiervon ausgehende Belästigungen nicht auf eine Stelle konzentrieren, sondern zugunsten der betroffenen Anwohner im Gebiet verteilen. Bei dieser Sachlage ist das klägerische Vorhaben auch der im Bereich der N. Straße vorhandenen Wohnbebauung zumutbar. Sonstige Anknüpfungspunkte für eine Unzumutbarkeit bestehen keine....

Ende der Entscheidung

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