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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 15.04.2009
Aktenzeichen: 10 B 186/09
Rechtsgebiete: CWVO


Vorschriften:

CWVO § 3
CWVO § 4
CWVO § 14 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2
1. Der Brandschutz auf Wochendplätzen, die der Verordnung über Camping- und Wochenendplätze (CWVO vom 10. November 1982) unterfallen, wird durch die §§ 3 und 4 CWVO sichergestellt. Diese Vorschriften sind im Hinblick auf die Privilegierung des § 14 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 CWVO streng auszulegen.

2. Bauliche Anlagen, die wegen ihrer Nutzung oder der Größe ihrer Grundfläche nicht der CWVO unterfallen (vgl § 1 Abs 4 CWVO), müssen in vollem Umfang den Anforderungen der BauO NRW (Brandschutz einschließlich Abstandflächen) entsprechen.


Tatbestand:

Der Antragsteller ist Miteigentümer des Grundstücks Gemarkung T., Flur 18, Flurstück 117. Das Grundstück liegt in dem durch Bebauungsplan festgesetzten Sondergebiet "Wochenendhausgebiet N." und ist in acht Aufstellplätze aufgeteilt, die zwischen 130 m² und 209 m² groß sind. Auf dem Aufstellplatz des Antragstellers (Nr. 182) sind ein Haupt- und ein Nebengebäude errichtet; zusätzlich befindet sich dort ein Flüssiggastank, der im Laufe des gerichtlichen Verfahrens möglicherweise entleert worden ist. Im Anschluss an eine Brandschau überprüfte der Antragsgegner das Gebiet des Bebauungsplans umfassend und stellte u. a. fest, dass das auf dem Aufstellplatz Nr. 182 befindliche Hauptgebäude zu dem auf dem nördlich angrenzenden Aufstellplatz Nr. 181 befindlichen Gebäude nur einen Abstand von zwischen 1,40 m und 2,85 m bzw. zu dem auf dem östlich angrenzenden Aufstellplatz Nr. 183 errichteten Gebäude einen Abstand von 3,00 m aufweist. Weiter wurde festgestellt, dass die Außenwände des Gebäudes des Antragstellers überwiegend aus kunststoffbekleidetem Holz ohne Brandschutzqualität bestehen. Wegen der damit verbundenen Gefahr eines Brandüberschlags gab der Antragsgegner dem Antragsteller durch Ordnungsverfügung unter Anordnung des Sofortvollzugs und Androhung von Zwangsgeldern auf, die Nutzung des Wochenendhauses einschließlich einer Überlassung an Dritte zu unterlassen. Der Antragsteller erhob Klage und beantragt die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Das VG lehnte sein Begehren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.

Schon im Ansatzpunkt verfehlt ist die Annahme der Beschwerde, "das Gebäude" des Antragstellers genieße Bestandsschutz, weil es schon Ende des 60er Jahre des 20. Jahrhunderts auf dem damals noch ungeteilten Grundstück des heutigen Plangebiets errichtet worden sei und damals sämtliche erforderlichen Abstände eingehalten habe. Bestandsschutz ist der durch Art. 14 Abs. 1 GG vermittelte Anspruch einer durch Genehmigung legalisierten oder während eines Mindestzeitraums materiell rechtmäßigen baulichen Substanz in ihrer von der Genehmigung bzw. Genehmigungsfähigkeit umfassten konkreten Nutzung, sich gegen spätere nachteilige Rechtsänderungen durchzusetzen. Bezugspunkt für den Bestandsschutz gegenüber Rechtsänderungen ist stets eine bauliche Anlage in ihrer jeweiligen Nutzung, nicht aber, wie die Beschwerde meint, die Bausubstanz als solche unabhängig von etwaigen Nutzungsänderungen. Im Hinblick auf Bestands- oder Nutzungsänderungen kann eine bauliche Anlage daher keinen Bestandsschutz genießen, so dass etwa die nachträgliche Veränderung von Grundstücksgrenzen oder nachträgliche Nutzungsänderungen dazu führen können, dass ordnungsbehördlich gegen die Anlage vorgegangen werden kann oder muss.

Nach diesen Grundsätzen steht der Gesichtspunkt des Bestandsschutzes der angegriffenen Ordnungsverfügung aus mehreren Gründen nicht entgegen. Zum einen wurde bzw. wird das Gebäude des Antragstellers nach seinen eigenen Angaben - Gespräch mit Frau C. und Herrn V., handschriftliches Schreiben an den Bürgermeister der Stadt T. - nicht mehr als Wochenendhaus, sondern zu Dauerwohnzwecken genutzt. Zweifel an diesem Umstand bestehen nicht, da der Antragsteller selbst diese Nutzungsänderung als Argument für sein Begehren hervorgehoben hat, ihm eine Frist zur Wohnungssuche und für einen Umzug einzuräumen. Gegenüber der Nutzung als Wochenendhaus liegt damit eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor, vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.10. 2006 - 7 A 4947/05 -, BRS 70 Nr. 187 (S. 13 ff. des Urteilsabdrucks), auf die sich ein für die Nutzung als Wochenendhaus denkbarer Bestandsschutz ohnehin nicht erstrecken kann; auf die Frage, ob das Gebäude in seiner Nutzung als Wochenendhaus genehmigungspflichtig oder genehmigungsfrei war, kommt es daher nicht mehr an. Die bauliche Anlage genießt hiervon unabhängig auch deshalb keinen Bestandsschutz, weil die möglicherweise früher ausreichenden Abstände zu Grundstücksgrenzen durch die Änderung der Grundstücksgrenzen und Schaffung von Aufstellplätzen - mithin durch tatsächliche Vorgänge - weggefallen sind. Dies schließt eine Berufung auf den Gesichtspunkt des Bestandsschutzes gegenüber dem Versuch des Antragsgegners, baurechtliche Gefahren zu beseitigen, aus. Der Umstand, dass nunmehr die Abstände zu den Grenzen des Aufstellplatzes bzw. zu den auf benachbarten Aufstellplätzen befindlichen Baulichkeiten (vgl. § 3 Abs. 4 CWVO nicht mehr ausreichen, mag im Rahmen der Störerauswahl bei der Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände durch den Erlass von Beseitigungsverfügungen eine Rolle spielen; dies bedarf hier jedoch keiner Entscheidung.

Auch die weiteren Ausführungen der Beschwerdebegründung stellen die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts und die Ordnungsverfügung des Antragsgegners nicht in Frage. Die Ordnungsverfügung ist zu Recht im Wesentlichen auf die materielle Illegalität der baulichen Anlage des Antragstellers gestützt. Diese ist - sollte es sich im Hinblick auf die vom Antragsteller durchgeführte Nutzungsänderung nicht mehr um ein Wochenendhaus handeln - unter der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen Annahme, dass der Bebauungsplan "Wochenendhausgebiet N. " wirksam ist, schon planungsrechtlich unzulässig, da im Plangebiet nur Wochenendhäuser zulässig sind. Sie entspricht zudem nicht den brandschutzrechtlichen Anforderungen der BauO NRW. Denn sie hält den nach § 6 Abs. 6 BauO NRW gegenüber den weiteren Gebäuden auf dem (Buch-)Grundstück erforderlichen Abstand von 3 m nicht ein - etwa zu dem Gebäude auf dem Aufstellplatz 181 - und entspricht wegen der verwendeten Materialien den Anforderungen der §§ 17 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Zeile 5 Spalte 2 BauO NRW nicht. Sollte es sich entgegen den oben genannten Gesichtspunkten (Nutzungsänderung) bei der baulichen Anlage des Antragstellers um ein Wochenendhaus im Sinne von § 14 CWVO handeln, ist sie gleichfalls materiell rechtswidrig. Zwar würden in diesem Fall die Erleichterungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 CWVO hinsichtlich der Feuerwiderstandsklasse der verwendeten Bauteile gelten, doch hält die bauliche Anlage jedenfalls die nach § 3 Abs. 4 CWVO erforderlichen Abstände zu Nachbargebäuden nicht ein. Die Annahme der Beschwerde, brandschutzrechtliche Anforderungen seien ausschließlich in § 4 CWVO enthalten, während die in § 3 CWVO geregelten Abstände nur dem nachbarlichen Frieden dienten, ist schon deshalb unzutreffend, weil § 3 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 für die Gebäudeabstände ausdrücklich danach unterscheidet, ob ein Wochenendhaus sich im räumlichen Einwirkungsbereich eines Brandschutzstreifens befindet oder nicht. Im Übrigen enthält § 4 CWVO nach der Systematik der Verordnung ausschließlich solche Brandschutzanforderungen, die auf den Wochenendplatz insgesamt als eigenständige bauliche Anlage (vgl. §§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, 54 BauO NRW, § 10 Abs. 3 BauNVO) bezogen sind - Brandschutzstreifen, Löschwasserkapazität usw. -, während § 3 CWVO Anforderungen bezogen auf einzelne Stand- oder Aufstellplätze und die darauf vorhandenen Wohnwagen und baulichen Anlagen festlegt. Dass die Anforderungen des § 3 CWVO an Gebäudeabstände in erster Linie brandschutzrechtliche Bedeutung haben, ergibt sich auch aus § 14 Abs. 2 Satz 2 CWVO, wonach an die Bauteile von Wochenendhäusern keine Anforderungen hinsichtlich der Zugehörigkeit zu einer Feuerwiderstandsklasse gestellt werden; daraus folgt, dass der Verordnungsgeber die brandschutzrechtlichen Anforderungen ausschließlich über die - streng auszulegenden - §§ 3 und 4 CWVO sicherstellen wollte. Sollte schließlich die CWVO im vorliegenden Fall unanwendbar sein, weil nach dem zu Grunde liegenden Bebauungsplan nicht nur Kleinwochenendhäuser (bis 40 m² Grundfläche), sondern auch größere Wochenendhäuser zulässig sind, greifen die Brandschutzvorschriften der LBauO NRW in vollem Umfang ein und führen zu demselben Ergebnis. Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob das Gebäude des Antragstellers selbst eine Grundfläche von mehr als 40 m² aufweist, dürfte es dagegen insoweit nicht ankommen, §§ 1 Abs. 4 CWVO.

Auch im Übrigen weist die angegriffene Ordnungsverfügung keine von der Beschwerde gerügten Fehler auf. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner bei seinem Vorgehen zur Beseitigung von Brandlasten im Hinblick auf das schwere Brandunglück, das sich am Pfingstsonntag des Jahres 2008 im Plangebiet ereignet hat, strenge Maßstäbe angelegt hat. Denn wegen der extrem geringen Gebäudeabstände auf dem Aufstellplatz des Antragstellers im Verhältnis zu den umliegenden Gebäuden, wegen der verwendeten Baumaterialien und der zahlreichen Nebengebäude ist davon auszugehen, dass sich ein derartiger Vorfall jederzeit wiederholen kann. Unzureichend und damit ungeeignet wäre etwa die vom Antragsteller angeregte Beschränkung eines Nutzungsverbots auf die umliegenden Gebäude. Denn selbst wenn diese nicht mehr genutzt werden dürften und leer stünden, würde dies die Gefahr eines von seiner baulichen Anlage im Brandfall ausgehenden Brandüberschlags nicht reduzieren; der Vorfall des Jahres 2008, bei dem ein Brand in einem Nebengebäude innerhalb kürzester Zeit auf insgesamt sieben Aufstellplätze übergegriffen hat, belegt die damit verbundenen Gefahren.

Ende der Entscheidung

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