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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 06.07.2009
Aktenzeichen: 10 B 617/09
Rechtsgebiete: BauO NRW
Vorschriften:
BauO NRW § 65 Abs. 1 Nr. 26 |
2. Die Bauaufsichtsbehörde kann die Nutzung und Räumung eines solchen Lagerplatzes wegen formeller Illegalität anordnen, wenn der Betreiber eine Genehmigung oder Duldung nicht nachweist.
Tatbestand:
Die Antragstellerin betreibt seit 2000 einen Baustoffhandel auf einem von ihr gepachteten Grundstück, auf dem zuvor etwa seit 1950 ein Baustoffhandel und Abrissunternehmen ansässig war. Die ca. 1700 m² große Hoffläche nutzte sie zur Lagerung von Baustoffen - v. a. Kies, Sand und Schlacke. Diese Nutzung untersagte der Antragsgegner im Januar 2009 unter Hinweis auf ihre formelle Illegalität und ordnete die Räumung sowie die sofortige Vollziehung seiner Verfügung an. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin im Wesentlichen mit der Begründung, die Lagernutzung habe der Antragsgegner über Jahrzehnte hingenommen. Sie sei auch genehmigungsfrei. Das Eilverfahren blieb in beiden Instanzen erfolglos.
Gründe:
Die auf § 61 Abs. 1 BauO NRW gestützte Ordnungsverfügung des Antragsgegners ist bei der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens offensichtlich rechtmäßig. Nach dieser Vorschrift haben die Bauaufsichtsbehörden unter anderem bei der Errichtung und der Nutzung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. In Wahrnehmung dieser Aufgaben haben sie nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Diesen Anforderungen wird die angefochtene Ordnungsverfügung vom 23.1.2009 gerecht. Der Antragsgegner hat das Verbot der Nutzung der gesamten Hoffläche des Betriebsgrundstücks zu Lagerzwecken und deren Räumung zu Recht selbständig tragend auf die formelle Illegalität dieser Nutzung gestützt. Dies hat das VG zutreffend bestätigt.
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Nutzungsuntersagung in aller Regel - und so auch hier - ermessensfehlerfrei auf die formelle Illegalität der Nutzung zu stützen. Denn allein sie begründet bereits ein erhebliches öffentliches Interesse an der sofortigen Nutzungsuntersagung. Anderenfalls würde der Vorteil, nicht zugelassene Nutzungen bis zum Eintritt der Bestandskraft einer sie untersagenden Ordnungsverfügung wegen der aufschiebenden Wirkung der dagegen erhobenen Klage aufnehmen und fortführen zu können, einen erheblichen Anreiz bieten, dies auch tatsächlich zu tun. Auf diese Weise würde nicht nur die Ordnungsfunktion des Bauaufsichtsrechts entwertet. Auch der gesetzestreue Bürger, der die Aufnahme einer genehmigungspflichtigen, aber bislang nicht genehmigten baulichen Nutzung nur auf der Grundlage einer vollziehbaren Baugenehmigung verwirklicht, würde gegenüber dem - bewusst oder unbewusst - rechtswidrig Handelnden ungerechtfertigter Weise benachteiligt.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24.1.2006 - 10 B 2159/05 -, vom 12.7.2007 - 7 E 664/07 -, ZfBR 2007, 702, vom 11.2.2008 - 10 B 1876/07 -, und vom 6.11.2008 - 10 B 1582/08 -.
Gleiches gilt für eine Beseitigungsverfügung, wenn diese wie hier ohne nennenswerte Substanzbeeinträchtigung möglich ist.
OVG NRW, Beschluss vom 12.1.1998 - 10 B 3025/97 -, BauR 1998, 537; Boeddinghaus/Hahn/ Schulte, BauO NRW, § 61 Rn. 176.
Die Vorschriften der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen sind auf das Vorhaben anwendbar. Denn die Antragstellerin hat ihren Betrieb erst im September 2000 aufgenommen. Die (behauptete) Vergleichbarkeit mit dem Vorgängerbetrieb ist ohne Belang. Die Antragstellerin hat ihn weder übernommen noch fortgeführt, sondern lediglich ein früheres Betriebsgrundstück gepachtet. Unabhängig davon belegt die von ihr im Beschwerdeverfahren vorgelegte Zeitungsannonce, dass die Betriebe jedenfalls nicht identisch sind. Bei dem Vorgängerbetrieb handelte es sich (auch) um ein Abbruchunternehmen, während die Klägerin nach eigenen Angaben ausschließlich mit Baustoffen handelt.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die Nutzung der Hoffläche zu Lagerzwecken ein genehmigungsbedürftiges Vorhaben und nicht nach § 65 Abs. 1 Nr. 26 BauO NRW genehmigungsfrei. Dies ist nach dem vorliegenden Kartenmaterial schon deshalb der Fall, weil es sich um ein Vorhaben im Außenbereich handelt. Unabhängig davon ist die Hoffläche mit ca. 1700 m² deutlich größer als 300 m². Soweit die Antragstellerin pauschal angibt, nur eine Teilfläche zu nutzen, ist dies hier unerheblich. Wer sich auf die Genehmigungsfreiheit beruft, muss eine entsprechende Fläche konkret bezeichnen. Anders wäre beispielsweise nicht feststellbar, ob das Vorhaben mit Blick auf den Immissionsschutz den Anforderungen entspricht, die durch öffentliche Vorschriften - auch an genehmigungsfreie - bauliche Anlagen gestellt werden. Gleiches gilt hier für Fragen des Grundwasserschutzes.
Vgl. dazu Bay. VGH, Beschluss vom 4.8.2004 - 15 CS 04.1648 -, BRS 67 Nr. 204; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a. a. O., § 65 Rn. 154.
Für das Vorliegen der damit erforderlichen Baugenehmigung ist die Antragstellerin selbst darlegungs- und beweispflichtig. Gleiches gilt für eine behauptete Duldung.
BVerwG, Beschluss vom 19.2.1988 - 4 B 33.88 -, und Urteil vom 23.2.1979 - 4 C 86.76 -, BRS 35 Nr. 206; OVG NRW, Beschluss vom 18.1.2001 - 10 B 1898/00 -, BRS 64 Nr. 161, und Urteil vom 17.1.2008 - 10 A 2795/05 -; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a. a. O., § 75 Rn. 225.
Eine Baugenehmigung für ein Lager auf der Hoffläche existiert jedoch offensichtlich nicht. Die von der Antragstellerin zum Beleg einer Genehmigung oder zumindest Duldung angeführte Genehmigung einer Einfriedung vom 30.4.1968 gibt hierfür nichts her. Auch die Betriebsbeschreibung, die diesem Genehmigungsantrag beigefügt war, lässt eine Nutzung der Hoffläche als Lagerstätte nicht einmal ansatzweise erkennen.
Unabhängig davon liegt eine aktive Duldung, also eine unmissverständliche Erklärung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, ob, in welchem Umfang und gegebenenfalls über welchen Zeitraum die Duldung der illegalen Zustände erfolgen soll, nicht vor. Die schlichte - hier einmal zugunsten der Antragstellerin unterstellte - Hinnahme eines formell illegalen Geschehens hindert die Bauaufsichtsbehörde nicht, eine als rechtswidrig erkannte Praxis zu beenden und die Herstellung baurechtmäßiger Zustände zu bewirken.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13.2.1987 - 10 A 29/87 -, BRS 47 Nr. 193, und Beschluss vom 9.4.2009 - 7 B 378/09 -; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a. a. O., § 61 Rn. 137 m. w. N.
Eine - wie hier zu Recht - auf die formelle Illegalität gestützte Nutzungsuntersagung stellte sich vor diesem Hintergrund nur dann als unverhältnismäßig dar, wenn der erforderliche Bauantrag gestellt und auch nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig wäre sowie der Erteilung der Baugenehmigung keine sonstigen Hindernisse entgegen stünden.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12.7.2007 - 7 E 664/07 -, ZfBR 2007, 702, vom 31.7.2007 - 10 B 852/07 -, und vom 6.11.2008 - 10 B 1582/08 -.
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Antragstellerin hat vielmehr ausdrücklich mitgeteilt, aus Kostengründen einen entsprechenden Antrag nicht stellen zu wollen.
Die Verfügung ist auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Antragstellerin für sie keinen Anlass gegeben, sondern die untersagte Nutzung freiwillig aufgegeben haben will. Zumindest am 22.1.2009 hat sie den Hof als Lager genutzt. Ihre Behauptung, das Material sei nicht für den Betrieb vorgesehen gewesen, sondern habe nur der Ausbesserung von Schäden auf der Hoffläche gedient, wertet der Senat aufgrund der vom Antragsgegner bei seiner Ortsbesichtigung am gleichen Tag gefertigten Lichtbilder als widerlegte Schutzbehauptung.
Angesichts der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung vom 23.1.2009 bedurfte es keiner weitergehenden Interessenabwägung. Diese könnte jedoch nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin nur zu ihren Lasten ausfallen. Die von ihr in den Vordergrund gestellte Existenzvernichtung droht nicht. Denn die Antragstellerin hat nach eigenen Angaben die Nutzung als Lagerstätte bereits im Herbst 2008 aufgegeben, den Betrieb aber fortgeführt. Wenn die Antragstellerin trotzdem gerade die Unmöglichkeit der Betriebsfortführung als zwingende Folge der Nutzungsuntersagung in der Interessenabwägung zu ihren Gunsten berücksichtigt wissen will, widerspricht sie sich selbst und zeigt, dass sie nicht freiwillig auf die illegale Nutzung als Lagerplatz verzichten will oder kann. Der Antragsgegner hat demgegenüber in der angefochtenen Verfügung nachvollziehbar dargelegt, dass die Lagerung unterschiedlicher Stoffe auf der nicht wasserdicht befestigten und in ihrer Entwässerung ungeklärten Hoffläche Gefahren für Boden und Grundwasser hervorrufen kann. Solche Gefahren, die auch einem genehmigungsfreien Vorhaben entgegen gehalten werden können, sind bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht hinzunehmen, zumal die Antragstellerin nicht beabsichtigt, diesen Zustand im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens überprüfen und gegebenenfalls legalisieren zu lassen.
Ende der Entscheidung
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