Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 10 D 103/06.NE
Rechtsgebiete: BauGB, BImSchG, 12. BImSchV, GasHLV


Vorschriften:

BauGB § 214 Abs. 4
BauGB § 1 Abs. 7
BImSchG § 50
12. BImSchV § 1 Abs. 1
GasHLV § 2 Abs. 1
1. Soll ein abwägungsfehlerhafter Bebauungsplan durch ein ergänzendes Verfahren erneut in Kraft gesetzt werden, reicht es regelmäßig nicht aus, lediglich über die im ergänzenden Verfahren vorgetragenen Stellungnahmen zu entscheiden und im Übrigen ohne erneute Auseinandersetzung mit den relevanten Belangen auf die Abwägungsentscheidung des für unwirksam erklärten Satzungsbeschlusses zu verweisen. Vielmehr ist eine neue Entscheidung zu treffen, in der alle im Verfahren abgegebenen Stellungnahmen gegeneinander und untereinander gerecht - das heißt ergebnisoffen - abgewogen werden.

2. Das ergänzende Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB soll die ursprünglich gewollte Planung durch die Möglichkeit einer erleichterten Fehlerbehebung begünstigen, nicht aber die vereinfachte Verwirklichung einer von dieser gänzlich verschiedenen planerischen Konzeption erleichtern.

3. Ein Erdgasröhrenspeicher zur Gasbezugsoptimierung dient nicht dem Transport von Erdgas, sondern seiner Lagerung. Die Verordnung über Gashochdruckleitungen vom 17. Dezember 1974 (mit späteren Änderungen, GasHLV) ist auf eine derartige Anlage nicht anwendbar.

4. § 50 BImSchG ist gemeinschaftsrechtskonform (vgl. Art. 12 RL 96/82/EG) dahin auszulegen, dass zwischen dem gefährlichen Betriebsbereich und den in der Vorschrift genannten schutzwürdigen Gebieten im Regelfall ein angemessener räumlicher Abstand oder - insbesondere bei bestehenden Anlagen - zusätzliche Schutzvorkehrungen planerisch gesichert werden. Ein Verzicht sowohl auf eine räumliche Trennung der Flächen als auch auf effiziente Schutzvorkehrungen wird nur in seltenen Ausnahmefällen abwägungsgerecht sein.


Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 3/98 "Messeparkplatz M.-straße" der Antragsgegnerin. Dieser überplant einen Bereich von etwa 19 ha Größe, auf dem im Zuge der inzwischen erfolgten Planverwirklichung etwa 5.000 Kfz-Stellplätze entstanden sind. Außerdem befindet sich im Boden des Plangebiets entlang der südlichen Plangebietsgrenze und in einer Tiefe von etwa 1,20 m ein von der Beigeladenen zu 2.) errichteter und betriebener Erdgasröhrenspeicher; er besteht aus sechs parallelen Rohrleitungen mit einer Länge von je 560 m und einem Durchmesser von 1,40 m, die bis zu 500 t Erdgas bei einem Druck von 100 bar aufnehmen können. Die zu der Anlage gehörende Mess- und Regelstation sowie Verdichteranlage ist außerhalb des Plangebiets errichtet.

Der Bebauungsplan setzt den weit überwiegenden Teil des Plangebiets als "öffentliche Straßenverkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung: Fläche mit hohem Grünanteil für das Parken von Fahrzeugen" sowie als Park and Ride - Anlage fest. Hauptaufgabe dieser Verkehrsfläche ist es, Besuchern der auf dem Messegelände der Beigeladenen zu 1) durchgeführten Veranstaltungen Parkraum für etwa 5.000 Fahrzeuge zu bieten. Vom Plangebiet zum Messegelände wird an Veranstaltungstagen ein Bus-Shuttle-Service angeboten, der über eine entlang der südlichen Plangebietsgrenze verlaufende Erschließungsstraße und von dort aus über die Straße B. U. zum Messegelände geführt wird. Im Übrigen dient die Fläche nach der textlichen Festsetzung Nr. 1 der Öffentlichkeit auch als Park and Ride - Anlage. Das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf: Nach einer ersten Standortanalyse im Jahre 1995 und der Durchführung der frühzeitigen Bürgerbeteiligung im April und Mai 1998 sowie der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange beschloss der Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtplanung am 5.11.1998 die Aufstellung des Bebauungsplans. Am 28.11.2001 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan einschließlich Begründung als Satzung; der Beschluss wurde am 15.3.2002 öffentlich bekannt gemacht. Hiergegen leitete die Antragstellerin am 2.5.2002 ein Normenkontrollverfahren ein (OVG NRW -10a D 45/02.NE -). Am 20.2.2002 erteilte das Staatliche Umweltamt E. der Beigeladenen zu 2.) nach § 4 BImSchG die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Erdgasröhrenspeichers; vorausgegangen war eine Kontroverse darüber, ob die Anlage genehmigungspflichtig sei oder nicht. Die Genehmigung enthielt Nebenbestimmungen, durch die der von der Anlage ausgehende Lärm am Wohnhaus der Antragstellerin Werte von 54 bzw. 39 dB(A) tagsüber bzw. nachts nicht überschreiten durfte; weitere Nebenbestimmungen betrafen die Aktualisierung des Sicherheitsberichts entsprechend den Vorgaben der 12. BImSchV, die Einzäunung sicherheitsrelevanter Bereiche (Entwässerungs- und Entlüftungsstutzen, Rohrverteiler) sowie - als "Hinweis" bezeichnet - die Unzulässigkeit einer Veränderung des zwischen der Anlage und der Autobahn A liegenden Geländes durch die Anlage von Parkplätzen. In der Begründung zur Genehmigung wies das Staatliche Umweltamt E. allerdings darauf hin, dass die Genehmigung ohne Berücksichtigung einer etwaigen Planung für die Anlage eines Messeparkplatzes erfolge, weil zum Genehmigungszeitpunkt eine abgeschlossene und damit berücksichtigungsfähige Planung noch nicht vorlag.

Auf den am 10.9.2002 gestellten Antrag der Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens setzte der erkennende Senat den Bebauungsplan durch Beschluss vom 20.2.2003 (-10a B 1780/02.NE -) mit der Begründung vorläufig außer Vollzug, das aus dem Zusammentreffen von Messeparkplatz und Erdgasröhrenspeicheranlage resultierende Gefahrenpotenzial sei nicht hinreichend berücksichtigt worden. Der Rat der Antragsgegnerin hätte schon wegen der Nähe von Parkplatz und Erdgasspeicher zur Autobahn in eine nähere Prüfung eintreten und sich nicht mit der Annahme begnügen dürfen, Nutzungsbeschränkungen seien geeignet und ausreichend, Gefahren zu vermeiden. Außerdem hätte er nach dem Satzungsbeschluss die Sach- und Rechtslage unter Kontrolle halten und insbesondere die in diesem Zeitraum ergangene immissionsschutzrechtliche Genehmigung berücksichtigen müssen, weil diese das Vorhandensein eines Parkplatzes ausdrücklich nicht zum Gegenstand der Gefahrenabschätzung gemacht habe. Zudem sei ungeklärt geblieben, ob die von der Parkplatznutzung ausgehenden Emissionen an Lärm und Luftschadstoffen den Anliegern zumutbar seien. Als Reaktion auf diesen Senatsbeschluss führte die Antragsgegnerin ein ergänzendes Verfahren gemäß § 215 a BauGB durch. Dabei nahm sie weder inhaltliche Änderungen des Bebauungsplans vor noch führte sie eine erneute Offenlegung oder sonstige Beteiligung Betroffener oder der Öffentlichkeit durch, sondern stellte in zwei Ratsvorlagen (1775/2003/6 vom 26.8.2003 und 1775 E/2003/6, ohne Datum) "ergänzendes Abwägungsmaterial" zusammen.

Der Rat der Antragsgegnerin beschloss den Bebauungsplan in seiner Sitzung vom 15.10.2003 erneut als Satzung; der Beschluss wurde am 24.10.2003 öffentlich bekannt gemacht.

Noch vor der erneuten Beschlussfassung hatte die Antragsgegnerin am 18.6.2003 den an den erkennenden Senat gerichteten Antrag gestellt, den Senatsbeschluss vom 20.2.2003 -10a B 1780/02.NE - aufzuheben. Diesen Antrag lehnte der Senat mit Beschluss vom 27.11.2003 - 10 B 1241/03.NE - im Wesentlichen mit der Begründung ab, es sei offen, ob der erneute Satzungsbeschluss im Hinblick auf das mit dem Erdgasröhrenspeicher verbundene Gefährdungspotenzial abwägungsfehlerfrei zu Stande gekommen sei. Insbesondere sei die zentrale Frage nach wie vor offen, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich ein Gasaustritt ereignen und zu Schäden führen könne; ungeklärt sei auch, ob es eines Mindestabstands zwischen Parkplatz und Erdgasspeicher bedürfe.

Durch Urteil vom 29.9.2004 - 10a D 45/02.NE - erklärte der erkennende Senat den Bebauungsplan in der Fassung der Satzungsbeschlüsse vom 28.11.2001 und 24.10.2003 für unwirksam. Zur Begründung führte der Senat aus, der Bebauungsplan sei entgegen § 1 Abs. 4 BauGB nicht an die Ziele der Raumordnung angepasst, weil er eine im Gebietsentwicklungsplan E. als verbindliche Zielvorgabe enthaltene Stadtbahntrasse nicht wirksam für die vorgesehene Nutzung freihalte. Außerdem sei er nicht aus dem Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin entwickelt, der die Stadtbahntrasse ebenfalls darstelle. Auf die Frage der Vereinbarkeit der Stellplatzanlage mit dem Erdgasröhrenspeicher komme es für die Entscheidung über den Normenkontrollantrag vor diesem Hintergrund nicht mehr an. Anträge der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1.) auf Zulassung der Revision blieben erfolglos (BVerwG, Beschluss vom 7.2.2005 - 4 BN 1.05 -).

Im Anschluss an die Entscheidung des BVerwG vom 7.2.2005 leitete die Antragsgegnerin ein ergänzendes Verfahren mit dem Ziel ein, den Bebauungsplan nach Fehlerbehebung durch die Wiederholung von Offenlage und Satzungsbeschluss rückwirkend erneut in Kraft zu setzen (§ 214 Abs. 4 BauGB); der in diesem Verfahren - allerdings ohne Rückwirkung - ergangene Satzungsbeschluss bildet den Gegenstand des vorliegenden Normenkontrollverfahrens. Die Antragsgegnerin legte dem ergänzenden Verfahren den Plan in einer in einem Teilbereich geänderten Fassung zu Grunde. Sie behielt den bisherigen zeichnerischen Planentwurf bei, markierte jedoch die im Norden des Plangebiets befindliche Straße B. U. sowie die südlich angrenzende regionalplanerisch vorgesehene Stadtbahntrasse als "Änderungsbereich (Ergänzendes Verfahren 2005)". Für diesen Bereich ist nunmehr - von einzelnen Flächen geringen Umfangs abgesehen - die Verpflichtung zur Freihaltung von Bebauung (§ 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB) festgesetzt. Weitere Änderungen wurden nicht vorgenommen; insbesondere kam es nicht zu Änderungen der textlichen Festsetzungen. Im Zuge der Offenlage nahm das Staatliche Umweltamt E. Stellung und führte in einem Schreiben vom 13.1.2006 aus, der Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG müsse beachtet werden; horizontale Null-Abstände seien im Gesetz nicht vorgesehen. Auch sei die Umsetzung der nach der Störfallverordnung notwendigen Maßnahmen nicht gesichert. Der Beirat bei der Unteren Landschaftsbehörde wandte in einer Stellungnahme vom 10.2.2006 ein, dass das ergänzende Verfahren eindeutig zu kurz greife, weil es die Frage der Gefährlichkeit des Erdgasröhrenspeichers ausklammere.

Am 24.5.2006 beschloss der Rat der Antragsgegnerin über die während des ergänzenden Verfahrens vorgebrachten Einwendungen - die Stellungnahmen des Staatlichen Umweltamtes und des Beirats der Unteren Landschaftsbehörde wurden zurückgewiesen - und beschloss den Bebauungsplan als Satzung; eine Rückwirkung des Satzungsbeschlusses wurde nicht angesprochen. Die Beschlussvorlage für diese Entscheidung (Vorlage 0253/2006/6B vom 9.4.2006) enthielt umfangreiche Anhänge: Im ersten Teil waren die Vorschläge der Verwaltung zur Abwägung der im ergänzenden Verfahren eingegangenen Stellungnahmen und Einwendungen, eine aktualisierte Planbegründung, ein aktualisierter landschaftspflegerischer Fachbeitrag sowie die Ergänzung des vorerwähnten städtebaulichen Vertrages enthalten. Der zweite Teil umfasste die Vorlagen für den Satzungsbeschluss des Jahres 2003, während im dritten Teil die erweiterten Abwägungsunterlagen für den Satzungsbeschluss des Jahres 2003 einschließlich Anlagen zusammengestellt waren. Schließlich waren das Normenkontrollurteil des Senats vom 29.9.2004 und der Beschluss des BVerwG vom 7.3.2005 beigefügt.

Hinsichtlich der Genehmigung vom 20.2.2002 führte die Antragsgegnerin am 7.12.2006 in einer mündlichen Verhandlung vor dem VG über die Anfechtungsklage gegen die Genehmigung aus, dass von dieser Genehmigung keinerlei Rechtswirkungen mehr ausgingen; das Verfahren wurde sodann übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das OVG gab dem Normenkontrollantrag der Antragstellerin statt.

Gründe:

Der Bebauungsplan Nr. 3/98 "Messeparkplatz M. der Antragsgegnerin ist unwirksam. Er ist unter mehreren Gesichtspunkten abwägungsfehlerhaft und verstößt deshalb gegen § 1 Abs. 7 BauGB. Der Plangeber hat bei dem Satzungsbeschluss vom 24. 52006 die für die Abwägungsgerechtigkeit des städtebaulichen Konzepts maßgeblichen Gesichtspunkte weitgehend ignoriert, so dass es zu einem fast vollständigen Abwägungsausfall gekommen ist.

(1.). Jedenfalls hat er - soweit eine Abwägungsentscheidung getroffen worden ist bzw. falls eine umfassende Abwägung beabsichtigt gewesen sein sollte - die maßgeblichen Belange in ihrem Gewicht verkannt, so dass das Abwägungsergebnis fehlerhaft ist. Insbesondere spricht Vieles dafür, dass § 50 BImSchG verletzt ist (2.). Die Abwägungsfehler sind offensichtlich und ergebnisrelevant (3.). Außerdem ist der angegriffene Bebauungsplan rechtswidrig, weil seine Inkraftsetzung im ergänzenden Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB) materiell fehlerhaft war (4.).

1. Der Satzungsbeschluss vom 24.5.2006, durch den das ergänzende Verfahren abgeschlossen wurde, ist rechtswidrig, denn die ihm zu Grunde liegende Abwägungsentscheidung hat u.a. das für die Rechtmäßigkeit der Plankonzeption entscheidende Gefahrenpotenzial, das von dem Nebeneinander von Gasspeicher und Parkplatz ausgeht, vollständig ausgeklammert, obwohl der Satzungsgeber diese Frage auch im ergänzenden Verfahren zum Gegenstand der Abwägung hätte machen müssen. Insoweit liegt ein vollständiger Abwägungsausfall vor.

Nach der maßgeblichen Sitzungsvorlage Nr. 0253/2006/6B vom 9.4.2006 sollte der Rat

"die im Rahmen der öffentlichen Planauslegung vorgebrachten Anregungen"

abwägen und den Plan als Satzung beschließen. In der öffentlichen Bekanntmachung der Offenlegung (Abl. vom 9.12.2005, entsprechend dem Beschluss des Ausschusses für Stadtentwicklung vom 1.12.2005) hieß es unter Hinweis auf den gekennzeichneten Änderungsbereich im Norden des Plangebiets ausdrücklich, dass

"im Rahmen der öffentlichen Auslegung Anregungen nur zu den gegenüber dem am 24.10.2003 bekannt gemachten Plan geänderten oder ergänzten Teilen vorgebracht werden können".

Dieser Formulierung entspricht es, dass nach der Anlage 1 zur Beschlussvorlage 0253/2006/6B - Abwägungsvorschlag der Verwaltung - diejenigen Anregungen und Einwendungen ohne entscheidungstragende Auseinandersetzung mit ihrem Inhalt zurückgewiesen werden sollten, die sich mit dem Gefahrenpotenzial des Erdgasspeichers beschäftigten. Der Vorschlag, die beiden insoweit betroffenen Einwendungen - Schreiben des Staatlichen Umweltamtes E. vom 13.1.2006 und E-Mail des Beirates bei der Unteren Landschaftsbehörde vom 13.2.2006 - zurückzuweisen, war u.a. mit folgenden Formulierungen begründet:

"Die Anregungen des StUA betreffen zunächst einmal ein Thema, welches nicht Gegenstand des Änderungsbereichs ist und zu dem gemäß Offenlagebeschluss des ASP vom 1.12.2005 keine Anregungen vorgebracht werden können."

"Die Möglichkeit der Stellungnahme im Rahmen der erneuten öffentlichen Auslegung war auf Änderungen des Bebauungsplanes im ergänzenden Verfahren beschränkt. Von diesen Änderungen waren Fragen des Landschaftsschutzes, der Standortwahl, des Gasröhrenspeichers, ... nicht betroffen. Diese Fragen wurden bereits im Rahmen des vorangegangenen Satzungsbeschlusses abgewogen."

In den Planaufstellungsvorgängen befindliche verwaltungsinterne Vermerke bestätigen dies. Auf dem Schreiben des Staatlichen Umweltamtes findet sich hinsichtlich des Gefahrenaspekts die handschriftliche Bemerkung "das ist nicht Thema der Offenlage!", und nach einem Vermerk des Städtischen Rechtsamtes vom 23.2.2006

"ist die Stellungnahme des StUA in dieser Offenlage, die einen anderen Teil des Plangebiets betrifft, nicht zu berücksichtigen. Eine neue Abwägung kommt insoweit nicht in Betracht."

Dieselbe Rechtsansicht haben Vertreter der Antragsgegnerin bzw. Ratsmitglieder im Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtplanung (Sitzung vom 1.12.2005) und in der Ratssitzung vom 24.5.2006 vertreten. Im Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtplanung führten sie aus, weder die "Gefahrenquelle" Erdgasspeicher noch die Frage der Lärmbelastung der Anwohner sei Gegenstand des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht gewesen, und nur die dort markierten Fehler wolle man beheben. In der abschließenden Ratssitzung hieß es,

die "Gerichtsakten enthielten keinerlei Hinweis auf eine Unfallgefahr durch den Erdgasspeicher".

Lediglich der "allerdings sehr unglückliche Formfehler" - damit dürfte die materielle Rechtswidrigkeit des damals streitgegenständlichen Bebauungsplans wegen fehlender Anpassung an die Regionalplanung und fehlender Entwicklung aus dem Flächennutzungsplan gemeint sein - sei zu berichtigen gewesen.

Den zitierten Unterlagen aus dem ergänzenden Verfahren lässt sich entnehmen, dass der Plangeber davon ausging, es sei lediglich eine auf Einwendungen und Anregungen zum räumlichen Bereich der Stadtbahntrasse eingeschränkte Abwägungsentscheidung zu treffen, während das Abwägungsmaterial zur Gefahrenproblematik des Erdgasspeichers bereits in den früheren Verfahren vollständig ermittelt, bewertet und abschließend abgewogen worden sei. Nach der Vorstellung der Antragsgegnerin stand die mit Satzungsbeschluss vom 15.10.2003 im ergänzenden Verfahren getroffene Entscheidung über den Bebauungsplan nur deshalb in Frage, weil sie gegen §§ 1 Abs. 4 und 8 Abs. 2 BauGB verstieß. Nur in diesem Umfang sollte deshalb ein neuerliches ergänzendes Verfahren durchgeführt werden, während hinsichtlich aller anderen abwägungsrelevanten Aspekte keine Änderungen am Plankonzept vorgenommen wurden und die Plankonzeption deshalb auch nicht erneut zur Disposition durch Einwender oder Plangeber gestellt werden sollte.

Allerdings wird in der vorerwähnten Sitzungsvorlage Nr. 0253/2006/6B an anderer Stelle ausgeführt, dass der Rat

"über alle im Laufe des Gesamtverfahrens eingestellten Belange, die sich im Bebauungsplan (Entwurf zum Satzungsbeschluss) und in der Begründung (Entwurf zum Satzungsbeschluss) widerspiegeln",

zu entscheiden habe. Zudem waren der Beschlussvorlage als Anlagen die Beschlussvorlagen zu den vorangegangenen Satzungsbeschlüssen vom 28.11.2001 und 15.10.2003 einschließlich aller Anlagen zu diesen beigefügt, so dass dem Rat alle Materialien einschließlich der früheren Einwendungen vorlagen, die schon den früheren Satzungsbeschlüssen zu Grunde gelegen hatten.

Der Senat geht dennoch davon aus, dass der Plangeber im ergänzenden Verfahren keine umfassende Abwägungsentscheidung treffen, sondern sich nur mit den die geänderten Teilen des Planentwurfs betreffenden Belangen auseinandersetzen wollte, weil nach seiner Auffassung insbesondere das Gefahrenpotenzial des Erdgasspeichers nicht Gegenstand des ergänzenden Verfahrens, sondern bereits "abgearbeitet" war. Denn die vorzitierten Formulierungen im Rahmen der Offenlage und des Satzungsbeschlusses haben potenziellen Einwendern ebenso wie den Ausschuss- und Ratsmitgliedern in aller Deutlichkeit vermittelt, dass im ergänzenden Verfahren lediglich ein begrenzter und letztlich als unbedeutend eingestufter Fehler ("sehr unglücklicher Formfehler") zu berichtigen und dass hierfür eine erneute Befassung mit anderen Abwägungsbelangen nicht erforderlich war. Der bloße Umstand, dass die Gesamtheit aller früheren Beschlussvorlagen der aktuellen Vorlage als Anlage beigefügt waren, ändert daran wegen der mehrfachen ausdrücklichen Einschränkung des Verfahrensgegenstandes im ergänzenden Verfahren nichts. Sollte im Übrigen der Plangeber davon ausgegangen sein, dass eine umfassende Abwägung auf der Basis der unveränderten Beschlussvorlagen von 2001 und 2003 sowie der zusätzlichen Anregungen und Einwendungen zu dem geänderten Teil des Planentwurfs getroffen werden könne, wäre auch dies im vorliegenden Fall fehlerhaft und würde ebenfalls zu einem Abwägungsausfall führen. Denn die Rechtswidrigkeit der unwirksamen Satzungsbeschlüsse vom 28.11.2001 und 15.10.2003 beruhte gerade auf erheblichen Abwägungsdefiziten, die durch bloße Übernahme in die aktuelle Beschlussvorlage nicht zu beheben waren.

Diese dem streitgegenständlichen Satzungsbeschluss zu Grunde liegende Sicht des ergänzenden Verfahrens durch den Plangeber hat zu einem weit reichenden Abwägungsausfall und damit zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Reparaturversuchs geführt. Auf Grund der im Vorfeld der Senatsentscheidung vom 29.9.2004 ergangenen Beschlüsse des Senats - in gleicher Weise allerdings auch ohne Berücksichtigung dieser gerichtlichen Entscheidungen - hätte dem Plangeber klar sein müssen, dass insbesondere das Gefahrenpotenzial des Erdgasspeichers für die Rechtmäßigkeit der Plankonzeption ausschlaggebend ist und dass die bisherigen Versuche, eine insoweit fehlerfreie Abwägungsentscheidung zu treffen, fehlgeschlagen waren, so dass eine erneute und umfassende Abwägungsentscheidung zu treffen war.

Zwar muss in einem ergänzenden Verfahren nicht notwendig in jedem Falle eine erneute Abwägungsentscheidung getroffen werden.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7.4.1997 - 4 B 64.97 -, BRS 59 Nr. 33 vom 25.2.1997 - 4 NB 40.96 -, BRS 59 Nr. 31.

Es versteht sich jedoch von selbst, dass eine erneute Abwägungsentscheidung erforderlich ist, wenn die bisherige - aus welchen Gründen auch immer - unzureichend war. Die erneute Abwägungsentscheidung hat zunächst diejenigen Belange umfassend zu berücksichtigen, die in der bisherigen Planung in fehlerhafter Weise bewertet oder abgewogen sind. Es spricht Vieles dafür, dass sie darüber hinaus das gesamte für den Bebauungsplan relevante Abwägungsmaterial erneut und ergebnisoffen in den Blick zu nehmen hat, auch solche Belange also, die bisher für sich genommen fehlerfrei in das Abwägungsergebnis eingegangen sind. Denn anders können die von der Planung berührten Belange nicht umfassend untereinander und gegeneinander abgewogen werden, weil dem Satzungsgeber ohne den Zugriff auf das gesamte Abwägungsmaterial eine zutreffende Gewichtung der neuen Belange in Relation zu den schon ermittelten nicht möglich wäre.

Nach diesen Grundsätzen war im vorliegenden Fall eine umfassende Abwägungsentscheidung erforderlich, die alle von der Planung berührten Belange erstmalig bzw. erneut hätte erfassen müssen; auch reichte eine bloße Bezugnahme auf den Satzungsbeschluss vom 15.10.2003 - unterstellt, eine solche läge überhaupt vor - nicht aus. Denn die planerische Bewältigung der aus dem Nebeneinander von Erdgasspeicher und Stellplatzanlage folgenden Risiken und Gefahren betrifft den Kernbereich der streitgegenständlichen Plankonzeption. Zwar ist das Senatsurteil vom 29.9.2004 - 10a D 45/02.NE - entscheidungstragend allein mit Verstößen der streitgegenständlichen Planung gegen §§ 1 Abs. 4 und 8 Abs. 2 BauGB begründet. Aus dem Umstand, dass es - wie der Senat ausdrücklich hervorgehoben hat - für die Entscheidung über den Normenkontrollantrag auf alle anderen von den Beteiligten aufgeworfenen Zweifelsfragen nicht mehr ankam, durfte die Antragsgegnerin jedoch nicht ableiten, dass die entsprechenden Rügen der Antragstellerin als geklärt oder unbegründet anzusehen seien. Im Gegenteil ist die vom Senat gewählte Formulierung als deutlicher Hinweis darauf zu verstehen, dass eine Befassung mit den in der Entscheidung nicht behandelten Aspekten erforderlich war. Maßgeblich für das in einem ergänzenden Verfahren zu bewältigende Prüfprogramm ist der Beschluss des Senats vom 27.11.2003, der eine Reaktion auf den Versuch der Antragsgegnerin darstellt, in einem ergänzenden Verfahren auf der Grundlage des "erweiterten Abwägungsmaterials" eine neuerliche Abwägungsentscheidung zu treffen. Danach musste insbesondere die wesentliche Frage des Gefahrenpotenzials trotz der Einbeziehung des "erweiterten Abwägungsmaterials" nach wie vor als nicht hinreichend geklärt angesehen werden (S. 3, 4 ff. des Beschlussumdrucks). Die im Beschluss vom 20.2.2003 - 10a B 1780/02.NE - im Einzelnen aufgeführten Aspekte bedurften daher über die Erkenntnisse aus dem "erweiterten Abwägungsmaterial" hinaus vertiefter Klärung und erneuter Bewertung und Abwägung. Ersichtlich unbewältigt war insbesondere ein Kerndefizit der bisherigen Planung, nämlich der Umstand, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Erdgasspeichers das Vorhandensein des Parkplatzes ignorierte, während die Bauleitplanung des Parkplatzes davon ausging, bei der Genehmigung des Speichers sei dessen Gefahrenpotenzial umfassend bewältigt worden. Auf die Notwendigkeit einer solchen Problembewältigung ist im Übrigen im ergänzenden Verfahren mehrfach - insbesondere durch die Stellungnahme des Beirates bei der Unteren Landschaftsbehörde vom 10.2.2006 - hingewiesen worden. Die vollständige Unterlassung der aus diesen Gründen erforderlichen Ermittlung und Neubewertung aller planbetroffenen Belange in Auseinandersetzung mit den Senatsbeschlüssen vom 20.2. und 27.11.2003 führt für sich genommen bereits zu einem den Plan insgesamt erfassenden Abwägungsausfall.

Für dieses Ergebnis kommt es nicht darauf an, ob das dem angegriffenen Plan zu Grunde liegende Konzept in der Sache zutreffend ist, ob also das Gefahrenpotenzial des Erdgasröhrenspeichers Anlage und Betrieb der Stellplatzanlage ausschließt oder nicht. Denn die Fehlerhaftigkeit des Satzungsbeschlusses beruht darauf, dass sich der Satzungsgeber mit den durch dieses Konzept aufgeworfenen Fragen nicht auseinander gesetzt, sondern sich auf eine Betrachtung der neu festgesetzten Fläche für die Stadtbahntrasse beschränkt hat.

2. Sollte entgegen der vorstehenden Ausführungen eine als umfassend gemeinte Abwägungsentscheidung beabsichtigt gewesen und getroffen worden sein, wäre diese indes wegen gravierender Fehleinschätzung der abwägungsrelevanten Belange ebenfalls rechtswidrig.

Denn der Plangeber hat die durch die Problematik des Erdgasspeichers betroffenen abwägungsrelevanten Belange fehlgewichtet. Sowohl aus den in das Planaufstellungsverfahren eingeführten gutachtlichen Stellungnahmen und weiteren Materialien (2.1) als auch aus einschlägigen Rechtsvorschriften (2.2) ergibt sich die Notwendigkeit umfassender Maßnahmen der planerischen Risikovorsorge. Diese Notwendigkeit hat der Plangeber verkannt, weil er die für bzw. gegen das Nebeneinander von Gasspeicher und Stellplatzanlage streitenden Belange falsch gewichtet hat. Infolgedessen hat er es versäumt, genügende verbindliche Vorkehrungen gegen das Gefahrenpotenzial des Erdgasröhrenspeichers festzusetzen (2.3). Zudem spricht Vieles dafür, dass das Abwägungsergebnis zur objektiven Gewichtigkeit der relevanten Belange außer Verhältnis steht und insbesondere § 50 BImSchG verletzt (2.4).

2.1 Zum Gefahrenpotenzial des unterhalb der durch den Bebauungsplan festgesetzten Stellplatzanlage vorhandenen Erdgasspeichers sind nur wenige gutachterliche Stellungnahmen in das Planaufstellungsverfahren eingeführt worden; umfangreichere Unterlagen wie der Sicherheitsbericht und die Störfallanalyse mögen zwar im Ratssaal zur Verfügung gestanden haben, sind aber jedenfalls nicht Bestandteil der Planaufstellungsvorgänge geworden, wie sie dem Senat von der Antragsgegnerin vorgelegt worden sind. Den Unterlagen, die im Wortlaut in das Verfahren eingeführt worden sind, ist allerdings mit großer Eindeutigkeit zu entnehmen, dass effiziente Vorkehrungen gegen das Gefahrenpotenzial des Erdgasspeichers erforderlich sind, etwa durch die Anlage hinreichend breiter Schutzstreifen, durch Nutzungseinschränkungen für die oberhalb des Speichers gelegenen Flächen oder durch andere technische Maßnahmen (wird ausgeführt).

2.2 Auch den für Errichtung und Betrieb des Erdgasröhrenspeichers einschlägigen Rechtsnormen ist zu entnehmen, dass die Anlage nur dann rechtmäßig betrieben werden kann, wenn ausreichende Schutzvorkehrungen getroffen und dauerhaft gesichert werden. Diese Normen hat der Plangeber in den Blick zu nehmen, wenn er das Risikopotenzial seiner Planung erfassen und bewältigen will.

Die Erforderlichkeit von Maßnahmen zur Risikovorsorge hinsichtlich des im Plangebiet gelegenen Erdgasröhrenspeichers ergibt sich u.a. aus §§ 3 - 6 und 9 - 12 der 12. Verordnung zur Durchführung des BImSchG in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.6.2005 (mit späteren Änderungen, 12. BImSchV = StörfallV). Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 12. BImSchV gelten die Vorschriften des Zweiten und Vierten Teils der Verordnung einschließlich der §§ 9 - 12 für Betriebsbereiche, in denen gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Anhang I Spalte 5 genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten. Der Erdgasröhrenspeicher der Beigeladenen zu 2) erfüllt diese Voraussetzung, da er eine Kapazität von etwa 434.000 kg hat (Speichervolumen beträgt bei einem Druck von 100 bar ca. 517.000 m³ x Gasdichte von 0,84) und damit die Mengenschwelle von 200.000 kg überschreitet (vgl. Ziffer 11 der Stoffliste Anhang I zur 12. BImSchV). Die Anwendbarkeit der 12. BImSchV wird nicht - wie die Beigeladene zu 2) vorträgt - dadurch ausgeschlossen, dass der Erdgasröhrenspeicher keine genehmigungspflichtige Anlage im Sinne der 4. BImSchV (mehr) ist. Denn die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflichtigkeit und der Anwendungsbereich der Störfallverordnung folgen schon im Hinblick auf die nicht identischen Normziele beider Regelungswerke je unterschiedlichen Voraussetzungen. Die Feststellung, dass eine Anlage im Sinne des § 4 BImSchG nicht genehmigungspflichtig ist, bedeutet daher nicht, dass sie als "ungefährlich" einzustufen und dem Störfallrecht deshalb entzogen wäre. Diese von der Beigeladenen zu 2) vertretene Rechtsansicht widerspricht nicht nur dem Wortlaut und Sinn der 12. BImSchV, sondern ist auch nicht gemeinschaftsrechtskonform (vgl. Art. 2 Abs. 1, 4 Buchst. d, Anhang I Teil 2 Ziffer 8 der Richtlinie Nr. 96/82/EG des Rates, im Folgenden: Seveso-II-Richtlinie), weil das Gemeinschaftsrecht eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der zu seiner Umsetzung erlassenen innerstaatlichen Normen nicht zulässt. Auch die Auffassung der Beigeladenen zu 2), allein maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Erdgasröhrenspeichers sei § 49 EnWG i. V. rm. der Verordnung über Gashochdruckleitungen vom 17.12.1974 (mit späteren Änderungen, GasHLV), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn selbst wenn die Annahme zuträfe, dass die letztgenannten Vorschriften für den Erdgasröhrenspeicher einschlägig seien, würde dies die Anwendung der 12. BImSchV nicht hindern, da der Anwendungsbereich der 12. BImSchV unabhängig von parallel geltenden Vorschriften des technischen Anlagenrechts abschließend geregelt und - wie ausgeführt - auf Grund seiner gemeinschaftsrechtlichen Grundlage in der Seveso-II-Richtlinie einer einschränkenden Auslegung entzogen ist.

Hiervon abgesehen dürfte die Ansicht der Beigeladenen zu 2) ohnehin unrichtig sein. Denn nach § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 GasHLV sind Überdruckleitungen mit mehr als 16 bar u.a. dann aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen, wenn sie Zubehör einer Anlage zum Lagern von Gasen sind. Dies trifft auf den Erdgasröhrenspeicher zu. Er ist nicht Bestandteil eines Beförderungssystems für Erdgas, sondern soll es ermöglichen, die Kunden in Zeiten des Spitzenbedarfs ergänzend aus einer kurzfristigen Lagerreserve zu versorgen, die zu günstigeren Preisen eingekauft und bis zur Abgabe in dem Speicher vorgehalten wird. Der Umstand, dass einzelne Gasversorger eine derartige Erdgasreserve auch dadurch erreichen, dass sie in einem - großen - Leitungssystem vorübergehend den Leitungsdruck erhöhen ("Netzpuffer"), ist für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht relevant. Denn die Beigeladene zu 2) ermöglicht die Anlegung einer Reserve gerade nicht durch bloße Kapazitätserhöhung ihres röhrengebundenen Transportsystems, sondern durch eine von diesem durch eine Verdichter- und Druckregelanlage abgetrennte Lagerkapazität. Der bloße Umstand, dass die Lagerhaltung der Beigeladenen zu 2) ebenfalls röhrengebunden ist, macht den Erdgasröhrenspeicher noch nicht zu einem Bestandteil des Transportleitungsnetzes. Maßgeblich ist vielmehr der Umstand, dass der Druckunterschied zwischen der normalen Hochdruckleitung mit 38 bar (Transportleitung) und dem Speicherdruck von 100 bar (Lagersystem) eine hermetische Trennung beider Anlagenteile erfordert. Die Dauer der jeweiligen Lagerung ist demgegenüber weniger wichtig, mag sie wenige Tage oder einige Wochen betragen, da jedenfalls dann, wenn das Gas wieder in das Transportsystem eingespeist werden soll, der technische Vorgang der Verdichtung durch Angleichung des Betriebsdrucks an die im Leitungsnetz vorhandenen Werte (38 oder 3,8 bar) erforderlich ist. Auch die von der Beigeladenen zu 2) angeführte Begründung zum Gesetz zur Neuordnung der Sicherheit von technischen Arbeitsmitteln und Verbraucherprodukten (TechArbmNeuOG vom 6.1.2004; vgl. BT-Drs. 15/1892, S. 11) bietet keine Grundlage für die von der Beigeladenen zu 2) daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen. An die in dieser Begründung geäußerte Rechtsansicht, ein Erdgasröhrenspeicher unterfalle der GasHLV, ist der Senat nicht gebunden. Der Entstehungsgeschichte der GasHLV lässt sich vielmehr entnehmen, dass mit der Verordnung auf das stetige Anwachsen eines unter hohem Druck betriebenen Fernleitungsnetzes für den Gastransport mit Trassen durch dicht besiedelte Gebiete reagiert werden sollte und nicht auf innerbetriebliche Lagervorgänge.

Vgl. BR-Drs. 563/74, Begründung, Allgemeiner Teil S. 2, Besonderer Teil S. 4 und 5, wonach der sicherheitstechnische Zusammen-hang mit dem unmittelbaren Leitungsbetrieb entscheidend sei.

Im Übrigen ist Gegenstand des Gesetzes nicht die Änderung der GasHLV, sondern eine solche der 4. BImSchV (Wegfall der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht), so dass die Gesetzesbegründung ohnehin in erster Linie für die historische Auslegung der 4. BImSchV relevant ist.

Vgl. von Borries, Erdgasröhrenspeicher und andere "neue" Störfallbetriebsbereiche, in: Landesumweltamt NRW, Jahresbericht 2002, S. 152 ff.; zum Begriff des Lagerns VG Sigmaringen, Urteil vom 14.12.2000 - 6 K 1968/98 -, NVwZ-RR 2001, 734 (lediglich die Ausführungen zur Genehmigungspflicht sind überholt).

Die Frage, ob eine transportleitungsgebundene "Lagerung" noch als Lagerung in diesem Sinne verstanden werden kann, bedarf hier keiner Klärung. Ebenso kann offen bleiben, ob der Erdgasröhrenspeicher zusätzlichen - über die 12. BImSchV hinausgehenden - Anforderungen, etwa als nicht genehmigungspflichtige Anlage im Sinne von § 22 BImSchG oder als Gegenstand weiterer Normen zur technischen Sicherheit von Druckbehältern, unterliegt, da schon die sich aus der 12. BImSchV ergebenden Anforderungen von erheblichem Gewicht für die Bauleitplanung der Antragsgegnerin sind. Es spricht allerdings Überwiegendes dafür, als maßgebliche Rechtsvorschriften und technische Normen statt der GasHLVO und dem Arbeitsblatt G 463 die Druckbehälterverordnung (bzw. Nachfolgeregelungen) und die TRB 610 anzusehen.

Die sich aus den Betreiberpflichten der 12. BImSchV ergebenden Anhaltspunkte für eine besondere Gefährlichkeit des Erdgasröhrenspeichers musste der Plangeber bei Erlass des streitgegenständlichen Bebauungsplans würdigen.

2.3 Die sich aus den vorgenannten Stellungnahmen (oben 2.1) und Rechtsvorschriften (oben 2.2) ergebende Problematik hat der Plangeber nicht bewältigt. Weder enthält der Plan selbst hinreichende Schutzvorkehrungen noch durfte der Plangeber die Bewältigung der aufgeworfenen Sicherheitsprobleme nachfolgenden Verfahren überlassen.

Im streitgegenständlichen Bebauungsplan sind Festsetzungen über Schutzvorkehrungen oder Nutzungseinschränkungen hinsichtlich der Stellplatzfläche oder des Gasspeichers nicht enthalten (wird ausgeführt).

Eine Reihe der in den oben genannten Gutachten und technischen Normen für erforderlich gehaltenen Sicherungsmaßnahmen - etwa die eindeutige Kennzeichnung des Bereichs oberhalb des Speichers als Gefahrenbereich - fehlt gänzlich. Der Umstand, dass tatsächlich - nach den im Ortstermin getroffenen Feststellungen - einige Einschränkungen der oberirdischen Nutzung wie das Verbot von Baumpflanzungen sowie das Gebot, sensible Bereiche einzuzäunen, tatsächlich eingehalten werden, ändert nichts daran, dass der Plan keine entsprechende verbindliche Festsetzung enthält. Hiervon abgesehen, reicht der Verweis auf den "Schutzstreifen" aber auch deshalb nicht, weil er - die dauerhafte Einhaltung der genannten Nutzungseinschränkung einmal unterstellt - den oben dargestellten Anforderungen an eine hinreichende Risikovorsorge auch inhaltlich nicht genügt. Schließlich hat der Plangeber nicht einmal sichergestellt, dass die ursprünglich vorgesehene und derzeit auch verwirklichte Aufteilung der Fläche und ihre jeweiligen Nutzungsarten dauerhaft beibehalten werden. Die Größe und Position des P and R Parkplatzes sind dem Plan nicht zu entnehmen, und auch die Beschränkung des eigentlichen Messeparkplatzes auf diese dienende Funktion ist nicht hinreichend sichergestellt. Ebenso fehlt es an einer - im Hinblick auf die Abwägung der von der Nutzung ausgehenden Lärmbelastung - Regelung der Betriebszeiten.

Dem Plangeber durfte auf hinreichende Festsetzungen mit dem Ziel, die erforderlichen Sicherheitsstandards dauerhaft zu garantieren, auch nicht etwa deshalb verzichten, weil dies späteren Genehmigungsverfahren hätte vorbehalten werden können. Denn derartige Genehmigungsverfahren waren weder für den Parkplatz - für den ein Baugenehmigungsverfahren offenbar nicht durchgeführt worden ist - noch für den Erdgasröhrenspeicher - dessen immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach Wegfall der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit ins Leere ging - vorgesehen bzw. erforderlich. Zwar muss ein Plangeber nicht in jedem Fall alle durch seine Planung aufgeworfenen Probleme im Plan selbst lösen, sondern kann dies späteren behördlichen Verfahren im Zuge der Planverwirklichung überlassen, wenn sicher gestellt ist, dass es zu gesetzes- und plankonformen Lösungen kommen wird. Im vorliegenden Fall durfte der Plangeber davon jedoch gerade nicht ausgehen, sondern hätte die für einen im Bereich des Erdgasspeichers sicheren Parkplatzbetrieb notwendigen Vorkehrungen im Plan selbst abschließend und dauerhaft sichern müssen. Dies ist nahezu vollständig unterblieben.

2.4 Ohne dass es hierauf für die Entscheidung noch ankäme, spricht auch Überwiegendes dafür, dass das Abwägungsergebnis zur objektiven Gewichtigkeit der relevanten Belange außer Verhältnis steht und insbesondere § 50 BImSchG verletzt. Nach dieser Vorschrift müssen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die zu nutzenden Flächen einander so zugeordnet werden, dass die Gefahr von schweren Unfällen im Sinne der Richtlinie 96/82/EG (Seveso-II-Richtlinie), die von Betriebsbereichen ausgehen und Auswirkungen auf schutzbedürftige Gebiete im Sinne der Vorschrift haben, so weit wie möglich vermieden werden.

§ 50 BImSchG ist auf die streitgegenständliche Festsetzung einer öffentlichen Straßenverkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung - "Fläche mit hohem Grünanteil zum Parken von Fahrzeugen, Park and Ride Parkplatz" - in unmittelbarer Nähe zu einem Erdgasröhrenspeicher der hier vorliegenden Art anwendbar. Es handelt sich bei der Festsetzung eines Parkplatzes für 5.000 Fahrzeuge unzweifelhaft um eine raumbedeutsame Planung; auch ist der Messeparkplatz unabhängig von der Frage des Betreibers als öffentlich genutztes Gebiet im Sinne der Vorschrift anzusehen, da er an Messetagen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist er nicht Teil eines wichtigen Verkehrsweges, für den die Gefahren von Störfallbetrieben nach der Seveso-II-Richtlinie nur "so weit wie möglich" vermieden werden sollen. Diese Einschränkung des hinsichtlich der übrigen Schutzobjekte uneingeschränkten Geltungsanspruchs von Art. 12 der Richtlinie findet ihren Grund darin, dass wichtige Verkehrswege regelmäßig von überörtlicher Bedeutung sind und notwendigerweise Zwangspunkte miteinander verbinden, ohne dabei die Nachbarschaft zu potenziell gefährlichen Betrieben oder Betriebsteilen immer vermeiden zu können. Dies gilt für öffentlich genutzte Flächen im Allgemeinen nicht, bei deren Planung und Platzierung der Plangeber erheblich mehr Gestaltungsspielraum hat, so dass Einschränkungen im Geltungsanspruch des Trennungsgebots insoweit unnötig wären. Der von der Beigeladenen zu 2) weiter hervorgehobene Umstand, dass durch das TechArbmNeuOG ein derartiger Speicher nicht mehr der Genehmigungspflicht nach § 4 BImSchG unterliegt, ist auch in diesem Zusammenhang irrelevant. Dies gilt insbesondere für die von der Beigeladenen zu 2) aus der genannten Gesetzesänderung abgeleitete Annahme, der Gesetzgeber stufe Erdgasröhrenspeicher als ungefährlich ein; hiervon abgesehen ist diese Annahme aus den bereits genannten Gründen offenkundig unzutreffend. Denn das an den Plangeber gerichtete Trennungsgebot kann in seinem Anwendungsbereich nicht durch Vorschriften beschränkt werden, deren Gegenstand die Genehmigung oder der Betrieb technischer Anlagen ist und die deshalb an den Betreiber dieser Anlagen gerichtet sind, während § 50 BImSchG die planerische Bewältigung der anlagebedingten Risiken steuert. Im Übrigen gilt auch hier, dass § 50 BImSchG, der die Umsetzung des Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie in innerstaatliches Recht sicherstellen soll, einer seinen Anwendungsbereich beschränkenden Auslegung nicht zugänglich ist; im Gegenteil ist - soweit erforderlich - eine richtlinienkonforme weite Auslegung geboten, die eine vollständige und effektive Umsetzung der Richtlinie sichert.

Aus § 50 BImSchG ist für die streitgegenständliche Planung abzuleiten: Die festgesetzte Fläche für den Messeparkplatz ist so anzuordnen und ggf. zu begrenzen, dass die Auswirkungen von Störfällen so weit wie möglich vermieden werden. Schutzgegenstand der Regelung ist die Bevölkerung, deren Gefährdung durch unter die Seveso-II-Richtlinie fallende Betriebe minimiert werden soll. Im Hinblick darauf, dass für den Plangeber nicht der Standort des Erdgasröhrenspeichers und damit auch nicht seine Entfernung zur Autobahn (ca. 50 m) bzw. zu Wohngebäuden (ca. 160 m), sondern nur die Ausdehnung der Fläche für den Parkplatz verfügbar ist, zielt § 50 BImSchG im vorliegenden Fall darauf, Auswirkungen von Unfällen im Bereich des Erdgasröhrenspeichers auf diese öffentlich genutzte Fläche zu minimieren.

Auf welche Weise das Normziel des § 50 BImSchG erreicht wird, ergibt sich, wenn die Norm - gemeinschaftsrechtskonform - unter Heranziehung von Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie ausgelegt wird. Nach dieser Vorschrift sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass langfristig dem Erfordernis Rechnung getragen wird, dass zwischen den unter die Richtlinie fallenden Betrieben und öffentlich genutzten Gebieten ein angemessener Abstand gewahrt bleibt und dass bei bestehenden Betrieben zusätzliche technische Maßnahmen nach Art. 5 der Richtlinie ergriffen werden, damit es zu keiner Zunahme der Gefährdung der Bevölkerung kommt. Die richtlinienkonforme Auslegung des § 50 BImSchG führt damit zu dem Gebot einer räumlichen Trennung von gefährlichen Anlagen und geschützten Gebieten. Auch wenn sich aus den zur Auslegung des Art. 12 Seveso-II-Richtlinie vorliegenden Materialien, Leitfaden (1999) der Generaldirektion 11 der Kommission zur Gestaltung von Planungen nach der Seveso-II-Richtlinie (Hrsg.: Christou, Porter): "Institute for Systems Informatics and Safety, Guidance on Land Use Planning as required by Council Directive 96/82/EC", EUR 18695; Stellungnahme des Industrieausschusses des Europäischen Parlaments zu einer Änderung der Richtlinie vom 28.5.2002, 2001/0257 (COD); Antworten der Kommission auf Parlamentarische Anfragen vom 17.7.2000, 2001/C113E/027 (Anfrage E-1647/00 vom 29.5.2000) und vom 6.7.2001, 2002/C40E/032 (Anfrage E-1349/01 vom 7.5.2001); vgl. auch Christou, Struckl, Biermann (Hrsg.), Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission, Institut zum Schutz und für die Sicherheit der Bürger, Hazard Assessment Unit, Leitlinien für die Flächennutzungsplanung im Rahmen von Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie, September 2006 (dort S. 27, 28) nicht entnehmen lässt, dass das Trennungsgebot in jedem Fall zwingend die Einhaltung eines räumlichen Abstandes vorsieht, ist doch im Regelfall ein solcher erforderlich. Insbesondere bei der Planung im Verhältnis zu bestehenden Störfallanlagen kann es jedoch - je nach den Umständen des Einzelfalls - ausreichend sein, Maßnahmen zur Risikovorsorge festzusetzen, um das Fehlen eines angemessenen Abstands oder dessen zu geringe Dimensionierung zu kompensieren. Diese aus § 50 BImSchG sich ergebenden Anforderungen an die Bauleitplanung unterliegen zwar grundsätzlich der Abwägung, sind jedoch von so hohem Gewicht, dass sie nur in seltenen Ausnahmefällen im Rahmen der Abwägung überwunden werden können. Denn die Auslegung und Anwendung des § 50 BImSchG unterliegt dem Gebot, wirksam ein hohes Schutzniveau sicherzustellen (Art. 1 Seveso-II-Richtlinie), so dass bei der Auswahl zwischen mehreren Maßnahmen im Zweifel diejenige zu wählen ist, die das Gemeinschaftsrecht am effektivsten zur Geltung bringt. Im vorliegenden Fall sind - schon weil Alternativstandorte zur Verfügung standen - keine Besonderheiten erkennbar, die den Plangeber berechtigt oder gar gezwungen hätten, auf die Umsetzung der vorgenannten Anforderung im Wege der Abwägung zu verzichten.

Vor dem Hintergrund der Ausführungen zu 1. und 2.1 bis 2.3 kann allerdings offen bleiben, ob ausnahmsweise dann, wenn feststeht, dass von einer Störfallanlage ein Risiko in keinem denkbaren Fall ausgeht, ein "Null-Abstand" als angemessen im Sinne der Seveso-II-Richtlinie angesehen werden kann und ob ein solcher Fall hier gegeben ist. Denn auch hiervon unabhängig führen der festzustellende Abwägungsausfall, die mangelnde planerische Absicherung der Sicherheitsanforderungen an die Nutzung der Oberfläche oberhalb des Erdgasröhrenspeichers sowie - wie noch auszuführen sein wird - die Wahl des ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB zur Unwirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nach derzeitigem Erkenntnisstand und bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 50 BImSchG alles dafür spricht, dass das Trennungsgebot mit der Einhaltung eines vertikalen Abstandes von 1,20m nicht gewahrt ist. Der Plangeber hätte vielmehr erwägen müssen, entweder die Parkplatzfläche so weit zu verkleinern, dass eine Nutzung der Fläche oberhalb des Gasspeichers unter Wahrung eines ausreichend dimensionierten Schutzstreifens vollständig unterbleibt, oder die Nutzung des Erdgasröhrenspeichers während der Nutzungszeiten des Messeparkplatzes zu unterbinden oder beide Alternativen miteinander zu verbinden und planerisch abzusichern. Der Senat verkennt nicht, dass der Erdgasspeicher auch hinsichtlich der Sicherheitseinrichtungen auf technisch hohem Niveau verwirklicht worden ist; dies rechtfertigt indes für sich genommen nicht das Absehen von Maßnahmen oder Vorkehrungen im Sinne des § 50 BImSchG und Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie. Denn das Trennungsgebot beansprucht Geltung selbstverständlich auch gegenüber technisch einwandfreien Störfallanlagen bzw. Betriebsbereichen, um die Folgen von betriebsunabhängigen äußeren Einwirkungen oder Fehlbedienungen zu minimieren.

3. Die oben unter 1. und 2. aufgezeigten Abwägungsfehler sind beachtlich, denn sie sind offensichtlich und von Einfluss auf das Ergebnis (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB).

4. Der angegriffene Bebauungsplan ist auch deshalb materiell fehlerhaft, weil er im ergänzenden Verfahren zustande gekommen ist, obwohl die zu behebenden Fehler des Plans in der Fassung des Satzungsbeschlusses vom 15.10.2003 die Durchführung eines neuen Planaufstellungsverfahrens erfordert hätten.

Nach § 214 Abs. 4 BauGB kann ein Bauleitplan, der wegen erheblicher Fehler unwirksam ist, nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens zur Behebung der Fehler erneut - mit Wirkung ex nunc oder mit Rückwirkung - in Kraft gesetzt werden. Die Vorschrift ermöglicht es dem Plangeber, die aufwändige Durchführung eines neuerlichen Planaufstellungsverfahrens in Fällen zu vermeiden, in denen formelle oder materielle Mängel zur Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans geführt haben, ohne dabei allerdings das ursprüngliche Plankonzept insgesamt in Frage zu stellen. Ein ergänzendes Verfahren kann nicht nur bei Verfahrensfehlern, sondern grundsätzlich auch zur Behebung eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 4 BauGB, zur Ersetzung fehlerhafter Festsetzungen durch fehlerfreie, zur Sicherstellung eines abwägungsgerechten Ausgleichs für Eingriffe in Natur und Landschaft oder zur Korrektur anderer Abwägungsfehler eingesetzt werden, deren Beseitigung nicht zu einem grundlegend neuen Plankonzept führen. Es kommt jedoch nur dann in Frage, wenn der ursprüngliche, wegen Fehlerhaftigkeit rechtswidrige Plan nach Fehlerkorrektur mit gleichem oder ähnlichem Inhalt wieder erlassen werden kann; § 214 Abs. 4 BauGB bietet keine Handhabe dafür, die Planung in ihren Grundzügen zu modifizieren.

Vgl. zu den Grenzen des Anwendungsbereichs BT-Drs. 13/6392 S. 74 (keine Fehlerbehebung, die das "Grundgerüst der Abwägung" berührt); OVG NRW, Beschluss vom 25.4.2007 - 10 A 3607/06 - juris; BVerwG, Beschlüsse vom 10.11.1998 - 4 BN 45.98 -, BRS 60 Nr. 53, und vom 16.3.2000 - 4 BN 6.00 -, BRS 53 Nr. 73 ("Kern der Abwägungsentscheidung"), vom 25.5.2000 - 4 BN 17.00 -, BRS 63 Nr. 225 (mit Hinweis auf die Beibehaltung der "ursprünglichen Planungskonzeption") und Urteil vom 18.9.2003 - 4 CN 20.02 -, BRS 66 Nr. 5 (zu § 1 Abs. 4 BauGB); eingehend m. w. N. Lemmel in: Berliner Kommentar, 3. Aufl., Stand Sept. 2007, § 214, Rz 65 ff. (74 ff.)

Der Sinn dieser Einschränkung des Anwendungsbereichs für das ergänzende Verfahren besteht darin, dass zwar die ursprünglich gewollte Planung durch die Möglichkeit einer erleichterten Fehlerbehebung begünstigt werden soll, nicht aber die vereinfachte Verwirklichung einer von dieser gänzlich verschiedenen planerischen Konzeption.

Nach diesen Grundsätzen durfte die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren die Fehler des Bebauungsplans nicht im Wege des ergänzenden Verfahrens beheben; erforderlich wäre vielmehr die Durchführung eines vollständigen Planaufstellungsverfahrens gewesen. Denn die zu behebenden Fehler beschränkten sich nicht - wie bereits ausgeführt - auf die mangelhafte Abstimmung des Plans mit regionalplanerischen Vorgaben und einen Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Vielmehr bestand ein wesentlicher materieller Rechtsfehler darin, dass der Plangeber das Risikopotenzial des Erdgasröhrenspeichers in der Abwägung vollständig ignoriert und den Parkplatz ohne planerische Sicherung erforderlicher Schutzvorkehrungen und möglicherweise auch angemessene Trennung von Parkplatz und Erdgasröhrenspeicher festgesetzt hat. Eine rechtmäßige Planung, die beide Fehler vermeidet, führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem grundlegend veränderten Plankonzept. Denn sie muss eine Wahl treffen zwischen einer räumlichen Trennung der Anlagen - mit der Folge einer deutlichen Verkleinerung der Parkplatzkapazität - und effizienten Nutzungseinschränkungen, da sich voraussichtlich nur so ein die Öffentlichkeit und die Anlieger nicht gefährdendes Konzept verwirklichen lässt. Es spricht alles dafür, dass eine derartige grundlegende Neuorientierung des Plankonzepts an Überlegungen der Risiko- und Gefahrenvorsorge den Rahmen eines ergänzenden Verfahrens überschreitet.

An diesem Ergebnis ändert auch der denkbare Einwand nichts, dass die Antragsgegnerin mit dem streitgegenständlichen Bebauungsplan lediglich den Verstoß gegen §§ 1 Abs. 4 und 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB beheben, das Plankonzept hingegen überhaupt nicht ändern wollte. Denn für die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens, das zwar die Behebung einiger Fehler eines Bebauungsplans bewirken kann, andere - schon für sich genommen zu seiner Unwirksamkeit führende - Abwägungsfehler hingegen unberührt lässt, fehlt jedenfalls die städtebauliche Erforderlichkeit: Dem Plangeber ist es verwehrt, das ergänzende Verfahren einzusetzen, wenn die Plankonzeption in Frage steht und alles dafür spricht, dass der ursprüngliche Plan so oder ähnlich nicht erneut in Kraft gesetzt werden kann.

Ende der Entscheidung

Zurück