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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 12.07.2005
Aktenzeichen: 11 A 4433/02
Rechtsgebiete: StrWG NRW, StVO


Vorschriften:

StrWG NRW § 14
StrWG NRW § 18
StrWG NRW § 19a
StVO § 12
Abstellen eines Werbezwecken dienenden Kraftfahrzeuges als gebührenpflichtige Sondernutzung.
Tatbestand:

Der Kläger wandte sich gegen einen Gebührenbescheid, mit dem ihn der Beklagte zur Zahlung straßenrechtlicher Sondernutzungsgebühren für das Abstellen eines als Werbefahrzeug qualifizierten Kraftfahrzeugs herangezogen hat. Dieses Fahrzeug war ein weißer Kombi der Marke Citroen. Das serienmäßige Chassis und die Karosserie waren dahingehend modifiziert worden, dass es hinten eine Doppelachse und einen geschlossenen Aufbau hatte, der über die Fahrgastzelle sowie die Ladefläche gezogen war. An der Front, am Heck und auf den Seiten des Autos waren mehrere Aufschriften angebracht, die unter anderem auf die Firma des Klägers, deren Betriebssitz, Geschäftszeiten und Telefonnummer hinwiesen.

Das Kraftfahrzeug war im Zeitraum März/April 2000 über fünf Wochen an einer Bundesstraße abgestellt. Der Abstellort lag rund 5,5 km von dem Betriebssitz der Firma des Klägers entfernt. Das Fahrzeug stand unter teilweiser Ausnutzung eines von der Fahrbahn abgetrennten Parkstreifens leicht schräg zur Straße. Die Räder der Vorderachse und das vordere linke Rad der hinteren Doppelachse standen auf dem Parkstreifen. Die rechten Räder und das hintere linke Rad der hinteren Doppelachse standen auf dem etwas erhöhten Gehweg.

Das OVG wies die Klage gegen den Heranziehungsbescheid ab.

Gründe:

Rechtsgrundlage der streitigen Gebührenerhebung ist § 19a StrWG NRW i. V. m. § 7 und Nr. 2.4 des Gebührentarifs der Sondernutzungsatzung der Stadt. Hiernach können für das als Sondernutzung erlaubnisbedürftige Abstellen von Kraftfahrzeugen oder Anhängern ausschließlich zu Werbezwecken Sondernutzungsgebühren erhoben werden.

Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW ist die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus unbeschadet des - hier unter keinem Gesichtspunkt anwendbaren - § 14a Abs. 1 StrWG NRW Sondernutzung. Nach der Legaldefinition des Gemeingebrauchs in § 14 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW ist der Gebrauch der öffentlichen Straßen jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet, wobei nach Absatz 3 Satz 1 dieser Vorschrift kein Gemeingebrauch vorliegt, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie zu dienen bestimmt ist.

Das Abstellen des damals auf den Kläger zugelassenen Kraftfahrzeuges war eine Sondernutzung. Dadurch wurde die Straße bei Würdigung aller Umstände nicht vorwiegend zu dem bestimmungsgemäßen Verkehrszweck benutzt.

Das Straßen- und Wegerecht entscheidet über den Gemeingebrauch, d. h. wann und inwieweit eine Straße dem Verkehr zur Verfügung gestellt wird. Über die Ausübung des Gemeingebrauchs entscheidet allein das vom Bundesgesetzgeber gemäß den Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 22 GG abschließend geregelte Straßenverkehrsrecht. Auch der ruhende Verkehr unterfällt dem Straßenverkehrsrecht. Der Landesgesetzgeber kann einen Vorgang, der dem Straßenverkehr zuzurechnen ist, unter wegerechtlichen Gesichtspunkten nicht abweichend von der StVO regeln (BVerwG, Beschluss vom 7.6.1978 - 7 C 2.78 -, Buchholz 442.151 § 12 StVO Nr. 4, S. 9 ff., und - diesem Vorlagebeschluss nachfolgend - BVerfG, Beschluss vom 9.10.1984 - 2 BvL 10/82 -, BVerfGE 67, 229 [320 ff.]). Hieraus folgt, dass ein Verkehrsvorgang, der den Vorgaben des Straßenverkehrsrechts entspricht, gleichzeitig straßenrechtlich zulässiger Gemeingebrauch ist.

Das Abstellen eines zugelassenen und betriebsbereiten Kraftfahrzeuges auf einer zum Parken zugelassenen öffentlichen Straßenverkehrsfläche ist grundsätzlich ein straßenverkehrsrechtlich zulässiges Parken und damit eine Benutzung der Straße im Rahmen des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs (BVerwG, Urteil vom 3.6.1982 - 7 C 73.79 -, Buchholz 442.151 § 1 StVO Nr. 5, S. 3 f.; Beschluss vom 7.6.1978 - 7 C 2.78 -, a. a. O.).

Eine andere Sichtweise ist jedoch bei Fahrzeugen geboten, die allein oder überwiegend zu einem anderen Zweck als dem der späteren Wiederinbetriebnahme "geparkt" werden mit der Folge, dass eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung der Straße vorliegt. Denn damit wird das Fahrzeug zu einer auf die Straße aufgebrachten verkehrsfremden "Sache", nicht anders als jeder beliebige sonstige körperliche Gegenstand. Derartige Vorgänge fallen bereits aus der Widmung zum Verkehr und damit aus dem einschlägigen Gemeingebrauch heraus, da sie nicht "zum Verkehr" geschehen (BVerwG, Urteil vom 3.6.1982 - 7 C 73.79 -, a. a. O.; BVerfG, Beschluss vom 9.10.1984 - 2 BvL 10/82 -, a. a. O. [323]; Sauthoff, Straße und Anlieger [2003], S. 218 f. [Rdnr. 562], m. w. N. aus der Rspr.).

Dies ist etwa der Fall, wenn die Straße trotz einer scheinbar äußerlichen Teilnahme am Straßenverkehr zum alleinigen oder überwiegenden Zweck der Werbung benutzt wird. Der Verkehrsraum wird dann zu verkehrsfremden Zwecken in Anspruch genommen, das Fahrzeug seiner Eigenschaft als Transportmittel entkleidet und als (motorisierte) Reklamefläche verwendet. Es ist daher in der Rechtsprechung im Grundsatz anerkannt, dass der Einsatz von Werbefahrzeugen den Gemeingebrauch überschreiten und eine straßenrechtliche Sondernutzung darstellen kann. Dies gilt sowohl für reine Werbefahrten mit Kraftfahrzeugen oder Anhängern (BVerfG, Beschluss vom 10.12.1975 - 1 BvR 118/71 -, BVerfGE 40, 371 [380 ff.]; BVerwG, Urteil vom 22.1.1971 - VII C 61.70 -, GewArch 1971, 139 f.; BayOBLG, Beschluss vom 18.1.1966 - BWReg 4a St 23/65 -, NJW 1966, 846 [847]) als auch für das Abstellen eines Kraftfahrzeuges zu Werbezwecken (BayVGH, Urteil vom 17.5.1965 - 388 VIII 64 -, BayVBl. 1965, 314; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.7.1990 - 5 Ss (OWi) 233/90 (OWi) 103/90 I -, VRS 79 [1990], 460 [461 f.]; OLG Hamm, Beschluss vom 21.1.1999 - 3 Ss OWi 1522/98 -, DAR 1999, 226 [nur Leitsatz; Langtext in NRWE]) oder das Abstellen eines Reklameanhängers (OVG NRW, Beschlüsse vom 19.2.1997 - 23 E 1058/96 -, n. v., vom 22.7.2003 - 10 B 890/03 -, BauR 2004, 67 f. [zu § 13 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW], und vom 20.7.2004 - 11 A 1075/04 -, n. v.; KG, Beschlüsse vom 21.3.1973 - AR (B) 18/73 - 2 Ws (B) 41/73 -, VRS 45, 73 [74 f.], und vom 17.3.1999 - 2 Ss 50/99 - 3 Ws (B) 111/99 -, n. v. [juris]; Hamb. OVG, Beschlüsse vom 20.12.1999 - 2 Bf 444/98 -, VRS 98 [2000], 396 [397 f.], und vom 13.6.2003 - 2 Bs 181/03 -, VRS 107 [2004], 73 [75 f.]; LG Frankfurt/Main, Urteil vom 27.9.20002 - 3/12 O 43/02 -, NVwZ-RR 2003, 387 [388]; VG Frankfurt, Urteil vom 7.11.2003 - 6 E 4657/02 -, NVwZ-RR 2004, 375 f.).

Dieser Rechtsprechung hat sich auch die Literatur angeschlossen (Vgl. etwa Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 38. Aufl. [2005], § 12 StVO Rdnr. 42a; Grote, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Auflage [1999], Kapitel 24 Rdnr. 111; Wallbaum, Beschränkung für Werbung auf Rädern, Städte- und Gemeinderat 2003, 25 ff.).

Die Frage, ob das Abstellen eines Kraftfahrzeuges bzw. eines Anhängers im öffentlichen Verkehrsraum noch als Parken und damit als zulässige Ausübung des Gemeingebrauchs zu werten ist oder ob das Abstellen eines solchen Fahrzeuges wie eine Werbeanlage wirkt und damit eine Sondernutzung darstellt, lässt sich nur auf Grund der Umstände des konkreten Einzelfalles beurteilen. Dabei kommt es nicht vorrangig auf die innere Motivation des Sondernutzers an. Denn eine Werbewirkung können nicht nur speziell zu Werbezwecken in den Verkehr gebrachte Fahrzeuge entwickeln, sondern auch solche, die zwar äußerlich bestimmungsgemäß am Straßenverkehr teilnehmen, aber zeitweise faktisch so genutzt werden, dass sie mit ihrer Werbeaufschrift objektiv die Funktion einer Werbeanlage erfüllen (Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22.7.2003 - 10 B 890/03 -, a. a. O., und vom 20.7.2004 - 11 A 1075/04 -, n. v.; Hamb. OVG, Beschluss vom 20.12.1999 - 2 Bf 444/98 -, a. a. O. [398]).

Objektive Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob ein Fahrzeug als Werbeträger auf einer öffentlichen Straße abgestellt ist, können unter anderem sein: die technisch-konstruktive Bauart des Fahrzeugs (etwa ein zum Transport ungeeigneter Anhänger), die Gestaltung der Werbebeschriftung, die Wahl des Abstellungsortes (etwa an einer stark befahrenen Straße oder auf der Brücke über eine Autobahn), die Ausrichtung zur Straße (längs oder quer zur Fahrbahn), die Entfernung zur Wohnung oder zum Betriebssitz, die konkrete Dauer der Aufstellung und Ähnliches mehr.

Bei einer auf die objektiven Gegebenheiten abstellenden Gesamtschau der Umstände des vorliegenden Falles steht es zur Überzeugung des Senates fest, dass das Fahrzeug des Klägers zu Werbezwecken abgestellt war. Das fragliche Fahrzeug war sowohl von seiner speziellen Konstruktionsart in Verbindung mit seiner konkreten äußeren Gestaltung mit Hinweis- bzw. Werbeaufschriften auffällig. Das Chassis und die Karosserie der Sonderanfertigung wichen vom Serienmodell der Automarke Citroen ab. Alle Seiten des Fahrzeugs waren mit deutlich ins Auge fallenden Werbe- und Hinweisaufschriften versehen, die sich wegen der kontrastierenden Gestaltung - weiße Schrift auf rechteckigem blauen Hintergrund oder rote Aufschriften - besonders von der weißen Lackierung abhoben. Insgesamt war das Auto daher geeignet, bei einem objektiven und unvoreingenommenen Beobachter den Eindruck einer "fahrenden Litfasssäule" hervorzurufen.

Die konkrete Art des Abstellens spricht ebenfalls für einen Werbezweck. Insbesondere durch die schräge Aufstellung konnte jedenfalls der auf der rechten Fahrbahn der Straße sich stadtauswärts nach Norden bewegende Verkehr nicht nur die auf der Heckklappe befindlichen Werbeaufschriften wahrnehmen, sondern zugleich auch die vom Schriftbild teilweise größeren und aussagekräftigeren Werbeaufschriften an der linken Fahrzeugseite.

Schließlich belegt die Länge der Abstelldauer entgegen der Auffassung des Klägers ein Abstellen zu Werbezwecken. Das Fahrzeug stand über 5 Wochen an der gleichen Stelle. Ein Fahrzeug dient aber unbeschadet der Tatsache, dass auch das Dauerparken eines betriebsbereiten Fahrzeugs ein straßenverkehrsrechtlich zulässiger Vorgang ist, vorwiegend der Fortbewegung. Weil das Fahrzeug hier praktisch nicht mehr als Verkehrsmittel, sondern als Werbeträger benutzt wurde, ist der vorliegende Fall nicht mit demjenigen der Reklame an einem Omnibus oder des mit einer Firmenaufschrift, einem Logo, einem Produkthinweis oder ähnlichem versehenen Transportfahrzeuges eines Unternehmens vergleichbar, bei dem die Werbung nur gelegentlich der Verkehrsteilnahme geschieht.



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