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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: 11 B 289/08.AK
Rechtsgebiete: Richtlinie 79/409/EWG, Richtlinie 92/43/EWG, BNatSchG, LG NRW, EnWG


Vorschriften:

Richtlinie 79/409/EWG - Vogelschutzrichtlinie (VRL) - Anhang I Nr. 142 (Dryocopus martius/Schwarzspecht)
Richtlinie 92/43/EWG - Habitatrichtlinie (FFH-RL) - Anhang IVa (Microchiroptera/Fledermäuse)
BNatSchG § 10
BNatSchG § 11
BNatSchG § 42
BNatSchG § 43
BNatSchG § 61
LG NRW § 4a
LG NRW § 12b
LG NRW § 60
EnWG § 43
EnWG § 43a
EnWG § 43e
Erfolgloser Antrag eines anerkannten Naturschutzvereines gegen den Neubau einer Hochspannungsfreileitung wegen zum Teil präkludierter und teilweise in der Sache nicht durchgreifender Einwendungen, insbesondere betreffend den Artenschutz.
Tatbestand:

Der Antragsteller, ein anerkannter Naturschutzverein, wandte sich mit einem Aussetzungsantrag gegen einen energierechtlichen Planfeststellungsbeschluss für den Neubau einer 380-kV-Hochspannungsfreileitung. Er rügte insbesondere eine Beeinträchtigung des Schwarzspechtes und von Fledermäusen, die Zerstörung deren Nester bzw. Quartiere sowie eine fehlerhafte Variantenprüfung. Der Antrag hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Antrag ist nicht begründet. Die bei einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung der gegenläufigen öffentlichen und privaten Interessen fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene und auch nur mögliche summarische Prüfung ergibt, dass die vom Antragsteller gerügten Fehler in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit führen werden. Dabei prüft der Senat die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses grundsätzlich nur innerhalb des Rahmens der vorgetragenen Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung sich der Rechtsmittelführer beschwert fühlt (Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 23.3.2007 - 11 B 916/06.AK -, NuR 2007, 360, m. w. N.).

a) Der Antragsteller ist mit seinen im Gerichtsverfahren vorgebrachten Rügen gegen den Planfeststellungsbeschluss teilweise gemäß § 43a Nr. 7 Satz 2 EnWG ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung sind Einwendungen und Stellungnahmen der Vereinigungen nach Ablauf der Äußerungsfrist nach den Nummern 3 und 6 ausgeschlossen; nach Satz 3 ist auf diese Rechtsfolge in der Bekanntmachung der Auslegung oder bei der Bekanntgabe der Einwendungs- und Stellungnahmefrist sowie in der Benachrichtigung der Vereinigungen hinzuweisen.

Dem Antragsteller sind die Planunterlagen unter Hinweis auf die Planauslegung (vgl. § 43a Nr. 2 EnWG) in den Städten W., D. und C., die Möglichkeit von Einwendungen innerhalb der Einwendungsfrist und den Einwendungsausschluss nach § 43a Nr. 7 EnWG übersandt worden. Die Planunterlagen haben nach vorheriger Bekanntmachung in den Amtsblättern der vorgenannten Städte dort öffentlich ausgelegen.

In seiner Äußerung hat sich der Antragsteller zunächst allgemein gegen die Planung der Errichtung eines Kraftwerks in D. gewandt und in Bezug auf die Hochspannungsleitung ferner im Wesentlichen die Variantenprüfung unter verschiedenen Aspekten angegriffen, den Eingriff in den Waldbestand südlich des D.-Kanals gerügt, die Nichtbeachtung der FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie moniert und dazu ausgeführt, dies gelte unter anderem für den Schwarzspecht und alle Fledermausarten. Ferner hat er Beeinträchtigungen eines Gewässers thematisiert und schließlich die Eignung der geplanten Kompensationsmaßnahmen in Frage gestellt.

Dagegen enthält das Vorbringen des Antragstellers im vorliegenden Gerichtsverfahren zusätzliche Einwendungen, die gemäß § 43a Nr. 7 EnWG präkludiert sind.

Durch die Beteiligung im Verwaltungsverfahren sollen Naturschutzvereine die Möglichkeit erhalten, mit ihrem Sachverstand in ähnlicher Weise wie Naturschutzbehörden die Belange des Naturschutzes in das Verfahren einzubringen. Daher sind zumindest Angaben dazu erforderlich, welches Schutzgut durch ein Vorhaben betroffen wird und welche Beeinträchtigungen ihm drohen. Auch die räumliche Zuordnung eines Vorkommens oder einer Beeinträchtigung ist zu spezifizieren, wenn sie sich nicht ohne weiteres von selbst versteht. Je umfangreicher und intensiver die vom Vorhabenträger bereits erfolgte Begutachtung und fachliche Bewertung insbesondere im Landschaftspflegerischen Begleitplan ausgearbeitet ist, umso intensiver muss auch die Auseinandersetzung mit dem vorhandenen und öffentlich ausgelegten Material ausfallen. Dabei geht es nicht um die zutreffende rechtliche Einordnung nach Landes-, Bundes- oder europäischem Recht. Erforderlich ist aber eine kritische Auseinandersetzung mit dem Material unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten. Denn der Gesetzgeber hat den anerkannten Vereinen ihre Mitwirkungsbefugnisse wegen ihrer besonderen Fachkunde auf diesem Gebiet eingeräumt. Zugleich soll durch ihre Beteiligung im Verwaltungsverfahren Vollzugsdefiziten auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege entgegengewirkt werden. Diese Anliegen erfordern rechtzeitige fundierte Stellungnahmen der Vereine. Dem Vorhabenträger und der entscheidenden Behörde muss hinreichend deutlich werden, aus welchen Gründen nach Auffassung des beteiligten Vereins zu welchen im Einzelnen zu behandelnden Fragen weiterer Untersuchungsbedarf besteht oder einer Wertung nicht gefolgt werden kann. Auch der Aufgabenverteilung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichten und den jeweils durchzuführenden Verfahren wird es nicht gerecht, wenn die anerkannten Vereine das Schwergewicht ihrer fachlichen Kritik erst im gerichtlichen Verfahren vortragen (vgl. zu § 61 Abs. 3 BNatSchG: BVerwG, Urteil vom 22.1.2004 - 4 A 4.03 -, Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 4, S. 27 f.; Beschlüsse vom 12.4.2005 - 4 VR 41.04 -, juris, Rdnr. 31 [insoweit nicht in Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 16 abgedruckt], und vom 23.11.2007 - 9 B 38.07 -, juris, Rdnrn. 27 ff.).

Speziell in Bezug auf den Artenschutz ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Verein bzw. Verband bestimmte örtliche Vorkommen, für die durch das Vorhaben Risiken entstehen können, bezeichnet und sein Vorbringen dabei einzelartenscharf konkretisiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.1.2004 - 4 A 4.03 -, a. a. O., S. 26, und Beschluss vom 23.11.2007 - 9 B 38.07 -, a. a. O., Rdnrn. 27 und 31; Sächs. OVG, Beschluss vom 12.11.2007 - 5 BS 336/07 -, n. v., S. 7 f. des Beschlussabdrucks).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Antragsteller daher nicht nur von vornherein mit Einwendungen ausgeschlossen, die eine Beeinträchtigung von Amphibien betreffen. Ausgeschlossen sind auch die Rügen, die sich auf andere nach der Vogelschutzrichtlinie geschützte Arten als den Schwarzspecht beziehen sowie diejenigen, die generell "Fledermäuse" betreffen. Aber selbst wenn man annehmen wollte, die Einwendungen des Antragstellers zu den nunmehr im Gerichtsverfahren konkret bezeichneten Fledermausarten seien nicht präkludiert, führt dies aus den nachfolgenden Gründen jedoch nicht zu einem Erfolg des Antrags.

b) Es kann bei überschlägiger Prüfung nicht festgestellt werden, dass das Planvorhaben mit Blick auf den Schutz des Schwarzspechtes und der vorkommenden Fledermausarten aus Gründen des bundesrechtlichen Artenschutzrechts unzulässig ist.

aa) Der Schwarzspecht (Dryocopus martius) gehört zu den nach Anhang I Nr. 142 der Vogelschutzrichtlinie (VRL) - Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2.4.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. EG Nr. L 103 S. 1), geändert durch Richtlinie 97/49/EWG der Kommission vom 29.7.1997 (ABl. EG Nr. L 223 S. 9) - besonders geschützten Arten. Damit gehört der Schwarzspecht zugleich gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 10 lit. b) bb) i. V. m. Nr. 9 BNatSchG zu den besonders geschützten Arten im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes. Gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 11 lit. c) BNatSchG in Verbindung mit § 1 und Anlage 1 Spalte 3 der Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten (Bundesartenschutzverordnung) vom 16.2.2005 (BGBl. I. S. 258, berichtigt S. 896), geändert durch Gesetz vom 12.12.2007 (BGBl. I S. 2873), ist er ebenfalls unter strengen Schutz gestellt.

Fledermäuse (Microchiroptera) werden vom Anhang IVa der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.5.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. EG Nr. L 206 S. 7), geändert durch Richtlinie 97/62/EG des Rates vom 27.10.1997 (ABl. EG Nr. L 305 S. 42) - Habitatrichtlinie - erfasst. Sie gehören damit nach § 10 Abs. 2 Nr. 11 lit. b) BNatSchG zu den streng geschützten Arten im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes.

bb) Nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, der unmittelbar gilt (§§ 11 Satz 1 BNatSchG, 60 LG NRW), ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (Zugriffsverbot). Dieses Verbot gilt indes gemäß § 42 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG - wie auch die anderen Zugriffsverbote des Absatzes 1 - für nach § 19 BNatSchG zulässige Eingriffe nur nach Maßgabe von § 42 Abs. 5 Satz 2 bis 7 BNatSchG. Für europarechtlich geschützte Arten gilt nach § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG die Maßgabe, dass ein Verstoß gegen das Verbot nach Abs. 1 Nr. 3 und im Hinblick auf damit verbundene unvermeidbare Beeinträchtigungen wild lebender Tiere auch gegen das Verbot des Abs. 1 Nr. 1 nicht vorliegt, soweit die ökologische Funktion der vom Eingriff betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.

Der Senat kann bereits nicht feststellen, dass bei einer plangerecht durchgeführten Maßnahme der - isoliert betrachtete - Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG hinsichtlich des Schwarzspechts und der im Plangebiet vorkommenden Fledermausarten verwirklicht wird.

Die Antragsgegnerin hat nach dem bei summarischer Prüfung allein möglichen Erkenntnisstand zu Recht einen Verstoß gegen diese Bestimmung verneint und sich dabei auf die entsprechenden Ausführungen des zum Gegenstand der Planfeststellung gemachten Artenschutzbeitrags berufen, wobei der ursprüngliche Artenschutzbeitrag mit dem Bearbeitungsstand Februar 2007 im Laufe des Planfeststellungsverfahrens mit dem Stand 20.12.2007 überarbeitet worden ist.

Die hiergegen erhobenen Einwände des Antragstellers greifen nicht durch. ... Die Antragsgegnerin hat zu Recht eine Gefährdung von Fledermäusen sowie des Brutvorkommens des Schwarzspechtes durch den Leitungsbau als solchen, insbesondere Maßnahmen der Baufeld- und Schutzstreifenrodung, verneint. Der Planfeststellungsbeschluss und der Artenschutzbeitrag vom 20.12.2007 sehen aufgrund des dort entwickelten Schutzkonzeptes ein geeignetes Risikomanagement vor. Die Arbeiten an den einzelnen Masten und im Schutzstreifen, die zu Verlusten von Neststandorten und Höhlenbäumen für Vögel und Fledermäuse führen könnten, müssen außerhalb der Vogelbrutzeiten und außerhalb der Wochenstuben- und Winterruhezeiten der Fledermäuse durchgeführt werden. Durch eine ökologische Baubegleitung ist sicherzustellen, dass geeignete Höhlenbäume bestehen bleiben; für den Fall niedriger Temperaturen während der Gehölzentfernung mit der Folge einer Überschneidung mit der Winterruhe der Fledermäuse ist eine Baumhöhlenkontrolle vorgesehen. Zusätzlich ist der Beigeladenen als Nebenbestimmung zum Planfeststellungsbeschluss die Verpflichtung zur Einbindung einer ökologischen Baubegleitung während der Durchführung der gesamten Maßnahme, die vorbereitend und kontrollierend die Umsetzung der im landschaftspflegerischen Begleitplan enthaltenen Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen insbesondere für den Artenschutz gewährleisten soll, auferlegt worden.

Durch diese präventiven Maßnahmen ist in hinreichendem Maße gewährleistet, dass eine absichtliche Verwirklichung (vgl. zum Absichtsbegriff EuGH, Urteil vom 10.1.2006 - C-98/03 -, Slg. 2006, I-53, Rdnr. 55; BVerwG, Urteil vom 16.3.2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116, 315 ff., Rdnrn. 560 ff.) des Verbotstatbestandes des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG durch den Leitungsbau ausgeschlossen ist.

Eine Gefährdung des Schwarzspechts und der Fledermäuse durch das spätere Vorhandensein und den Betrieb der Hochspannungsleitung erscheint bei überschlägiger Prüfung ebenfalls unwahrscheinlich. Ein (zusätzlicher) Barriereeffekt durch die Masten und Leitungsseile wird angesichts der bereits bestehenden Freileitung mit entsprechenden Bauteilen nicht eintreten. Die Masten des streitigen Vorhabens sollen auch im Wesentlichen "im Gleichschritt" mit den bereits vorhandenen Masten errichtet werden. Die Gefahr eines Individuenverlusts durch Leitungsanflug ist für Fledermäuse nach den fachkundigen Feststellungen des Artenschutzbeitrages vom 20.12.2007 wegen deren Ultraschallorientierung nicht gegeben. Der Hinweis des Antragstellers auf Fledermausverluste durch Windkraftanlagen verkennt, dass letztere wegen der Rotation der Blätter ein gegenüber einer statischen Freileitung höheres Gefährdungspotential für Fledermäuse darstellen können. Eine Veränderung des potentiellen Kollisionsrisikos mit Leitungen sieht der Artenschutzbeitrag vom 20.12.2007 auch für den Schwarzspecht wegen der bereits bestehenden Freileitungen als nicht gegeben an.

cc) Bei summarischer Prüfung kann ferner nicht die Feststellung getroffen werden, die Realisierung oder der Betrieb der Hochspannungsfreileitung führe zu einem Verstoß gegen § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Nach diesem weiteren Zugriffsverbot ist es unzulässig, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert.

Möglichen Störungen durch Rodungsarbeiten und die Baufeldvorbereitung wird durch die vorstehend bereits im Zusammenhang mit § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erörterten Maßnahmen vorgebeugt. Dass darüber hinaus die Errichtung der Leitungsmasten und das Ziehen der Leitungsseile zu Störungen für Vögel und Fledermäuse führen kann, hat die Planfeststellungsbehörde gesehen. Ihre Wertung, Störungen hierdurch würden sich nicht auf den Erhaltungszustand der betroffenen Arten auswirken, weil hiervon nur der nördliche Abschnitt zwischen den Masten 6 und 10 betroffen sei, während weiter südlich im Bereich der Parallelführung zwischen neuer und bereits vorhandener 380-kV-Hochspannungsfreileitung keine gravierenden Änderungen für die Vogelwelt zu erwarten seien, lässt sich im vorliegenden Verfahren nach überschlägiger Prüfung der angegriffenen Entscheidung nicht beanstanden. Der Artenschutzbeitrag vom 20.12.2007 legt in Bezug auf den Schwarzspecht plausibel dar, warum infolge der Entfernung der Leitung zu Brutstätten und der nur zeitweiligen Beeinträchtigungen keine erheblichen Störungen zu befürchten sind. Bei den nachtaktiven Fledermäusen können die tagsüber durchzuführenden Bauarbeiten keine Störungen verursachen.

dd) Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann kein Verstoß des Vorhabens gegen § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG festgestellt werden. Hiernach ist es verboten, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Auch diese Regelung gilt nach Maßgabe des vorstehend wiedergegebenen § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG. Es ist summarischer Prüfung zufolge bereits ein Verstoß gegen den isoliert betrachteten § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG nicht festzustellen.

Innerhalb des Schutzstreifens stehen nur Bäume, in denen sich aber keine nachgewiesenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten für den Schwarzspecht oder Fledermäuse befinden. Ansonsten liegen die Bäume, die bereits als Schwarzspecht- oder Fledermausquartiere gedient haben und hierfür weiterhin oder potentiell in Betracht kommen könnten, entweder am Rande des Schutzstreifens oder außerhalb dieses Bereichs, zum Teil bis zu 50 m hiervon entfernt. Zudem ergibt sich nach dem vorstehend im Zusammenhang mit dem Zugriffsverbot aus § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG Dargelegten, dass geeignete Höhlenbäume bestehen bleiben oder zumindest - soweit für die Freileitung erforderlich - oberhalb der Höhlen gestutzt werden und als Totholz erhalten bleiben sollen. Diese Maßnahmen sind als sog. CEF-Maßnahmen (measures to ensure the continuous ecological functionality of breeding sites or resting places) im Sinne des Guidance document on the strict protection of animal species of Community interest under the Habitats Directive 92/43/EEC (Final version, February 2007), II. 3. 4. d), Rdnrn. 72 ff., einzuordnen, weil sie dazu dienen sollen, die Funktionalität der Zufluchtsstätten zu erhalten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.11.2007 - 9 B 38.07 -, a. a. O., Rdnr. 34).

ee) Darüber hinaus dürften selbst dann, wenn einzelne Höhlenbäume dem Leitungsbau zum Opfer fallen sollten, die Verbote des § 42 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BNatSchG dem Vorhaben nicht entgegenstehen. Wie bereits oben ausgeführt, liegt nach § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG für den Fall, dass in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten oder europäische Vogelarten betroffen sind, ein Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 Nr. 3 und im Hinblick auf damit verbundene unvermeidbare Beeinträchtigungen wild lebender Tiere auch gegen das Verbot des Absatzes 1 Nr. 1 nicht vor, soweit die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. Es spricht bei überschlägiger Prüfung Überwiegendes für die Richtigkeit der Annahme im Artenschutzbeitrag vom 20.12.2007, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung hier erfüllt sind, weil die Mehrzahl der Höhlenbäume erhalten bleiben soll.

Der Senat vermag sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren den Bedenken des Antragstellers an der mangelnden Vereinbarkeit des § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG mit den Vorgaben des Europarechts nicht anzuschließen. Der Gesetzgeber wollte mit der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes insbesondere den Beanstandungen des EuGH in dem oben zitierten Urteil vom 10.1.2006 - C-98/03 - abhelfen (vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/5100, S. 1, 8 und 11 f., sowie die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BT-Drucks. 16/6780, S. 1 und 10).

Eine abschließende Prüfung der Vereinbarkeit der Regelung mit den Anforderungen des Europarechts (vgl. hierzu etwa Dolde, NVwZ 2008, 121, 124; Möckel, ZUR 2008, 57, 62 f.; Lütkes, ZUR 2006, 513 ff.) muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Jedenfalls bei Tierarten, die nicht speziell auf eine einzige Fortpflanzungs- und Ruhestätte angewiesen sind, kann im Übrigen auch nach Ansicht der Europäischen Kommission von einem weiteren Begriff der Fortpflanzungs- und Ruhestätten ausgegangen werden (vgl. Guidance document on the strict protection of animal species of Community interest under the Habitats Directive 92/43/EEC (Final version, February 2007), II. 3. 4. b), Rdnrn. 52 ff., 62 ff.).

ff) Sollte sich abweichend von den vorstehenden Erwägungen gleichwohl ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand als erfüllt erweisen, könnte eine Ausnahme nach § 43 Abs. 8 BNatSchG im Übrigen auch noch während des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens erteilt werden (vgl. zur Befreiung nach § 62 BNatSchG a. F.: BVerwG, Urteil vom 21.6.2006 - 9 A 28.05 -, BVerwGE 126, 166 (177 ff.), und OVG NRW, Beschlüsse vom 9.1.2007 - 11 B 1431/06.AK -, juris, sowie vom 23.3.2007 - 11 B 916/06.AK -, a. a. O., 363).

Die einschlägigen Voraussetzungen (überwiegende Gründe des Allgemeinwohls) dürften summarischer Prüfung zufolge gegeben sein, da das Vorhaben der Energieversorgung der Bevölkerung mit Elektrizität und damit einem gewichtigen öffentlichen Belang (vgl. § 1 Abs. 1 EnWG) dient und nichts dafür ersichtlich ist, dass die in Rede stehenden Populationen als lebensfähiges Element nicht erhalten bleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.3.2006 - 4 A 1075.04 -, a. a. O., 322, Rdnr. 572).

c) Aus den vorstehenden Gründen sind im Übrigen auch die vorliegend zu berücksichtigenden landesrechtlichen Anforderungen eingehalten, die sich mit Blick auf die genannten streng geschützten Arten aus § 4a Abs. 7 LG NRW ergeben (vgl. zu der entsprechenden Regelung in § 4a Abs. 4 LG NRW a. F.: OVG NRW, Beschlüsse vom 9.1.2007 - 11 B 1431/06.AK -, a. a. O., und vom 23.3.2007 - 11 B 916/06.AK -, a. a. O.).

d) Die Rügen des Antragstellers betreffend eine Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses wegen eines Verstoßes gegen die Zielfestsetzungen des Gebietsentwicklungsplanes E. infolge einer fehlerhaften Variantenprüfung führen ebenfalls nicht zum Erfolg des Aussetzungsantrags.

Der Senat unterstellt zugunsten des Antragstellers, dass dessen Rügebefugnis auch insoweit gegeben ist und sich seine Einwendungen im Rahmen der §§ 61 BNatSchG, 12b LG NRW halten.

Es kann jedoch bei summarischer Prüfung nicht festgestellt werden, dass die Variantenprüfung der Antragsgegnerin unter einem Abwägungsfehler leidet. Die Planfeststellungsbehörde handelt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon dann fehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 9.6.2004 - 9 A 11.03 -, Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5, S. 41, m. w. N.).

Solche Mängel sind auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers nicht ersichtlich.

Die Antragsgegnerin hat die von der Beigeladenen als Vorhabenträgerin erarbeitete Variantendarstellung zum Gegenstand einer eigenständigen abwägenden Überprüfung und Entscheidung gemacht. Darüber hinaus hat die Planfeststellungsbehörde im Laufe des Planfeststellungsverfahrens ein Gutachten betreffend die Ausführung der 380-kV-Leitung als Erdkabel eingeholt.

Die gegen die abwägende Variantenüberprüfung und die getroffene Entscheidung der Antragsgegnerin zugunsten der Variante 3b vorgetragene Kritik des Antragstellers zeigt keinen durchgreifenden Abwägungsfehler auf. Es ist dem Antragsteller zwar zuzugeben, dass eine Trassenführung - zum Teil als Erdkabel - über den Stadtteil I. der Stadt C. den Wald südlich des D.-Kanals geschützt hätte. Die Antragsgegnerin hat für die Ablehnung der Variante 1 aber nicht nur eine höhere Betroffenheit der in I. lebenden Menschen ins Feld geführt, sondern auch eine Belastung des Orts- und Landschaftsbildes sowie raumordnerische Gesichtspunkte; gegen diese Variante als teilweise Erdkabelführung hat sich die Antragsgegnerin entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht nur wegen der beengteren Grundstücksverhältnisse und höherer Investitionskosten ausgesprochen, sondern auch mit Blick auf die Lebensdauer und eine höhere Störanfälligkeit der Erdkabellösung.

Auch die vom Antragsteller ferner favorisierte Leitungsführung als Mehrfachgestänge unter Zuhilfenahme der vorhandenen Freileitung hat die Antragsgegnerin nicht abwägungsfehlerhaft abgelehnt. Wie auch der zum Gegenstand der Planfeststellung gemachte Erläuterungsbericht zeigt, würde - abgesehen davon, dass ein anderes Kraftwerk hierfür 10 Monate lang vom Netz genommen werden müsste - eine entsprechende Verlegung der geplanten 380-kV-Leitung technisch aufwendigere Traversen, zum Teil höhere Masten, einen breiteren Schutzstreifen und unwirtschaftliche Mehrkosten verursachen.

e) Der Antragsteller macht - ungeachtet der Frage einer Präklusion auch dieser Rüge - ferner ohne Erfolg geltend, der Planfeststellungsbeschluss sei wegen eines Verstoßes gegen das Gebot des § 4a LG NRW zur Vermeidung bzw. Minimierung von Eingriffen in Natur und Landschaft rechtswidrig. Mit seiner nunmehr im gerichtlichen Verfahren geübten Kritik stellt der Antragsteller aber nicht das Vermeidungs- und Ausgleichskonzept, wie es in dem Maßnahmenverzeichnis zum landschaftspflegerischen Begleitplan niedergelegt ist, in Frage, sondern beschäftigt sich erneut nur mit der vermeintlich fehlerhaften Variantenprüfung und versucht daraus eine Rechtswidrigkeit der Maßnahme als solcher herzuleiten.

Im Übrigen ist eine grundlegende Fehlerhaftigkeit des Maßnahmenkonzepts, die dazu führen müsste, den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss aufzuheben oder seine Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit festzustellen, nicht ersichtlich. In Anbetracht der mit dem planfestgestellten Vorhaben verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft sind vielfältige Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgesehen. Angesichts der Möglichkeiten der Heilungsvorschrift des § 43e Abs. 4 EnWG, der wie die entsprechenden Vorschriften im allgemeinen Fachplanungsrecht auf die naturschutzrechtliche Abwägung entsprechend anwendbar sein dürfte, können allenfalls grundlegende, schwerwiegende Mängel des naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzkonzepts überhaupt zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen. Für das Vorliegen eines derartigen Mangels, der offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist, ist nichts ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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