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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 16.11.2009
Aktenzeichen: 12 A 1363/09
Rechtsgebiete: PfG NRW, SGB XII
Vorschriften:
PfG NRW § 12 | |
SGB XII § 90 |
Die Zweckbestimmung (Bestattung, Grabpflege) kann nur anerkannt werden, wenn vor dem Beginn des Leistungszeitraums, für den Pflegwohngeld begehrt wird,
- die ausschließliche Zweckbestimmung von dem Heimbewohner eindeutig und für ihn verbindlich getroffen,
- der diesbezügliche Vermögensteil aus dem übrigen Vermögen eindeutig ausgegliedert und
- die Zweckbestimmung in einer zum Nachweis geeigneten Form textlich niedergelegt worden ist.
Zur Bestimmung der Angemessenheit einer Bestattungsvorsorge ist zunächst auf die nach § 74 SGB XII zu übernehmenden Kosten der Bestattung abzustellen (Grundbetrag). Dabei ist hinsichtlich der Art der Bestattung (Erdbestattung, Feuerbestattung, etc.) in der Regel die Entscheidung des Heimbewohners zugrundezulegen.
Der sich hieraus ergebende Kostenbetrag, der lediglich den einfachsten Standard repräsentiert, ist unter Berücksichtigung etwaiger Gestaltungswünsche des Heimbewohners bis zur Grenze der Angemessenheit zu erhöhen (Erhöhungsbetrag).
Bei der Bestimmung des Erhöhungsbetrages können die Kosten einer durchschnittlichen Bestattung als Richtschnur dienen.
Tatbestand:
Die Klägerin lebt in einer vollstationären Dauerpflegeeinrichtung und begehrte die Bewilligung von Pflegewohngeld nach dem Landespflegesetz NRW. Der Beklagte lehnte die Bewilligung ab, weil er davon ausging, die Klägerin verfüge über hinreichendes Vermögen. Er war der Ansicht, dass sie den Betrag in Höhe von 6.000,00 Euro, den sie aufgrund eines mit einem Bestattungsunternehmen abgeschlossenen Bestattungsvorsorgevertrags an einen Treuhänder gezahlt hatte, nach Rückabwicklung des Vertrags einzusetzen habe. Jedenfalls sei die für die Bestattung vorgesehene Summe unangemessen hoch. Das VG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.
Gründe:
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 12 des Gesetzes zur Umsetzung des Pflege-Versicherungsgesetzes (Landespflegegesetz Nordrhein-Westfalen - PfG NRW) vom 19.3.1996 (GV. NRW, S. 137), zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes (Lebenspartnerschaftsanpassungsgesetz - LPartAnpG) vom 3.5.2005 (GV. NRW, S. 498) i. V. m. § 4 der Verordnung über die Förderung der Investitionen von Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen sowie über den bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss vollstationärer Dauerpflegeeinrichtungen (Pflegewohngeld) - Pflegeeinrichtungsförderverordnung (PflFEinrVO) vom 15.10.2003 (GV. NRW, S. 613), zuletzt geändert durch Art. 38 LPartAnpG. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 PfG NRW wird vollstationären Dauerpflegeeinrichtungen zur Finanzierung ihrer betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen Pflegewohngeld gewährt, wenn das Einkommen und das Vermögen der Heimbewohnerin und des Heimbewohners im Sinne des Absatzes 2 und seines nicht getrennt lebenden Ehegatten oder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin oder seines Lebenspartners zur Finanzierung der Aufwendungen für Investitionskosten ganz oder teilweise nicht ausreicht. Die Vorschriften des Ersten bis Dritten Abschnitts des Elften Kapitels des SGB XII und die §§ 25 ff. BVG zur Bestimmung des anrechenbaren Einkommens und des Vermögens bei der stationären Hilfe zur Pflege gelten entsprechend (§ 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW).
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegewohngeld lagen ab 4.11.2008 vor, da ab diesem Zeitpunkt das Einkommen und das Vermögen der Klägerin zur Finanzierung der Aufwendungen für Investitionskosten nicht ausreichte. Dass nicht hinreichend Einkommen vorhanden war, ist unstreitig. Die Klägerin hatte ab 4.11.2008 aber auch kein verwertbares Vermögen einzusetzen. Ihr Vermögen in Form ihres Guthabens auf dem Girokonto und des Rückkaufwerts ihrer Lebensversicherung lag ab diesem Tag unterhalb der Vermögensschongrenze von 10.000,00 Euro. Der zwischen den Beteiligten allein noch streitige Einsatz der Ansprüche der Klägerin aus dem für sie abgeschlossenen Bestattungsvorsorgevertrag, aufgrund dessen sie 6.000,00 Euro an die U. AG gezahlt hat, stellt für sie eine Härte i. S. v. § 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW i. V. m. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII dar und bleibt deshalb bei der Ermittlung der Voraussetzungen der Bewilligung von Pflegewohngeld außer Betracht.
Solche Ansprüche der Klägerin zählen grundsätzlich zu ihrem Vermögen i. S. v. § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 PfG NRW. Was unter Vermögen im Sinne des § 12 PfG NRW zu verstehen ist, bestimmt das Landespflegegesetz nicht. Insofern sind das Sozialhilfe- bzw. Kriegsopferfürsorgerecht maßgeblich, an das § 12 Abs. 3 PfG NRW anknüpft. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sowie § 25d Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG) gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert und nach § 90 Abs. 1 SGB XII sowie § 25d Abs. 6 BVG gehört zum Vermögen das gesamte verwertbare Vermögen. Einkommen und Vermögen grenzen sich dadurch voneinander ab, dass Einkommen alles das ist, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat. Vermögen sind demnach alle vorhandenen beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert einschließlich Forderungen bzw. Ansprüche gegen Dritte.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.2.1999 - 5 C 35.97 -, BVerwGE 108, 296 ff. = NJW 1999, 3649 f.; Urteil vom 18.2.1999 - 5 C 16.98 -, Buchholz 436.0 § 76 BSHG Nr. 30 = NJW 1999, 3210 f.; BSG, Urteil vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R -, BSGE 100, 131 ff.; vgl. zum Schenkungsrückforderungsanspruch als Vermögen: OVG NRW, Urteil vom 13.12.2007 - 16 A 3391/06 -, NWVBl. 2008, 232 ff.; Urteil vom 14.10.2008 - 16 A 1409/07 -, NWVBl. 2009, 194 ff.
Vermögen der Klägerin ist damit sowohl ihr Hauptleistungsanspruch aus dem Bestattungsvorsorgevertrag als auch die aus dieser vertraglichen Beziehung resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach Auflösung des Vertrags einschließlich des damit verbundenen Treuhandverhältnisses mit der U. AG.
Dieses Vermögen ist jedenfalls - soweit es die Ansprüche aus der Rückabwicklung des Bestattungsvorsorgevertrags betrifft - auch verwertbar. Ob Ansprüche verwertbar sind, beurteilt sich unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der Vermögensinhaber muss über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können. Er verfügt nicht über bereite Mittel, wenn er diese nicht in angemessener Zeit realisieren kann.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.1997 - 5 C 7.96 -, BVerwGE 106, 105 ff.; BSG, Urteil vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R -, a. a. O.; OVG NRW, Urteil vom 13.12.2007 - 16 A 3391/06 -, a. a. O.
Zwar ist davon auszugehen, dass der vertragliche Hauptleistungsanspruch der Klägerin gegen den Bestattungsunternehmer (Vornahme der Bestattung wie vereinbart) einer wirtschaftlichen Verwertung nicht zugeführt werden kann.
Vgl. zur wohl fehlenden Verwertbarkeit eines solchen Hauptleistungsanspruchs: BSG, Urteil vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R -, a. a. O.
Allerdings besteht die - von der Klägerin unwidersprochene - Möglichkeit der Kündigung und der anschließenden Rückabwicklung des Bestattungsvorsorgevertrags und des in diesem Zusammenhang eingegangenen Treuhandverhältnisses. Der als "Bestattungsvorsorge-Rahmenvertrag" bezeichnete schriftliche Vertrag sieht in seiner Nr. V ein Kündigungsrecht ausdrücklich vor. Auch der Bestattungsvorsorge -Treuhand-vertrag enthält ein Kündigungsrecht. Ausdrücklich ist in dem vom VG herangezogenen Vertragsmuster unter Nr. 3 geregelt: "Falls der Bestattungsvorsorge -Treuhand-vertrag (teil-)gekündigt wird, erfolgt die Auszahlung an den Vertragsbestatter. Bei Freigabe durch den Vertragsbestatter wird direkt an den Treugeber ausgezahlt." Der Klägerin war es vor diesem Hintergrund bereits zu Beginn des Bedarfszeitraums rechtlich möglich, eine Rückabwicklung des Bestattungsvorsorgevertrags herbeizuführen und den von der U. AG treuhänderisch verwalteten Betrag zuzüglich Zinsen über das Bestattungsunternehmen (eventuell nach Abzug der vereinbarten Vergütung nach § 649 BGB) zurückzuerhalten. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin tatsächlich nicht in der Lage gewesen sein könnte, dieses Vermögen in angemessener Zeit zu verwerten oder die Verwertung völlig unwirtschaftlich wäre, liegen nicht vor.
Dem Einsatz und der Verwertung dieses Vermögens der Klägerin steht nicht § 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW i. V. m. § 90 Abs. 2 SGB XII (ggf. i. V. m. § 25f Abs. 1 BVG) entgegen. In § 90 Abs. 2 SGB XII ist vorgesehen, dass die Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe vom Einsatz oder von der Verwertung bestimmter in den Nrn. 1 bis 9 aufgeführter Vermögenswerte (sog. Schonvermögen) nicht abhängig gemacht werden darf. Zu den darin abschließend aufgezählten Fallgruppen zählt der Bestattungsvorsorgevertrag allerdings nicht.
Vgl. BSG, Urteil vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R -, a. a. O.; Wahrendorf, in: Grube/ Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 90 Rn. 44. Den Gesetzentwurf des Bundesrates mit einer Ergänzung des § 90 Abs. 2 SGB XII dahingehend, dass eine Versicherung oder eine andere Form der Vorsorge, mit der eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende angemessene Bestattung sichergestellt werden sollte, in den Katalog des § 90 Abs. 2 SGB XII aufgenommen werden sollte (vgl. BT-Drucks. 16/239, S. 10), lehnte die Bundesregierung mit dem Hinweis auf die Härtefallregelung in § 90 Abs. 3 SGB XII und der Vorschrift des § 74 SGB XII, der eine menschenwürdige Bestattung für alle Sozialhilfeempfänger sicherstelle, als nicht erforderlich ab (vgl. BT-Drucks. 16/239, S. 17).
Der Einsatz dieses zum Zweck der Bestattungsvorsorge vorgesehenen Vermögens würde für die Klägerin jedoch eine Härte i. S. v. § 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW i. V. m. § 90 Abs. 3 SGB XII bedeuten. Das BSG hat zur Verwertung von Ansprüchen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag entschieden, dass diese grundsätzlich eine Härte i. S. v. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII darstellt und deshalb bei der Gewährung von Sozialhilfe nicht zu berücksichtigen ist.
Vgl. BSG, Urteil vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R -, a. a. O.
Es ist zwar davon ausgegangen, dass die Verwertung nicht durch § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII eine Härte zu bejahen, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Die "angemessene Lebensführung" und die "angemessene Alterssicherung" findet nach der Entscheidung des BSG begriffsnotwendig ihr Ende mit dem Tod des Betreffenden. Eine Vorsorge des Hilfesuchenden für die Zeit nach seinem Tod kann danach unter diese Norm nicht subsumiert werden.
Vgl. BSG, Urteil vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R -, a. a. O.; anders: OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2003 - 16 B 2078/03 -, NWVBl. 2004, 276 f. = NVwZ-RR 2004, 360 f. m. w. N. - siehe dazu auch: Trenk-Hinterberger, Ersparnisse für die Bestattung als Schonvermögen, JurisPraxisReport-SozR 10/2004 Anm. 5.
Das BSG hat insoweit jedoch eine Vermögensverschonung nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII angenommen. Nach dieser Vorschrift darf die Sozialhilfe ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Das BSG hat sich der Rechtsprechung des BVerwG zu der § 90 Abs. 3 SGB XII vorausgehenden inhaltsgleichen Norm des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG angeschlossen. Das BVerwG hatte ausgeführt, der Wunsch vieler Menschen, für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen, sei dahin zu respektieren, dass ihnen die Mittel erhalten blieben, die sie für eine angemessene Bestattung und eine angemessene Grabpflege zurückgelegt hätten.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 5 C 84.02 -, NJW 2004, 2914 ff. = FEVS 56, 302 ff.; anders: LSG Nds.-Bremen, Beschluss vom 2.2.2006 - L 8 SO 135/05 ER -, FEVS 58, 87 ff.; LSG Schl.-H., Urteil vom 29.5.2006 - L 9 SO 4/06 -, ZFSH/SGB 2007, 746 ff.; LSG Hamb., Beschluss vom 17.7.2007 - L 5 B 246/07 ER SO -, ZFSH/SGB 2008, 684 f.
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung zum Sozialhilferecht, der zuzustimmen ist, ist auch im Pflegewohngeldrecht davon auszugehen, dass die Verwertung und der Einsatz der ausschließlich zum Zweck der angemessenen Bestattungs- und Grabpflegevorsorge verbindlich vorgesehenen Mittel für Heimbewohner eine Härte bedeuten würde. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 3 PfG NRW, dem Sinn und Zweck dieser Norm nach dem Willen des Gesetzgebers und ihrem Regelungszusammenhang.
§ 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW verweist nach seinem Wortlaut auf den Dritten Abschnitt des Elften Kapitels des SGB XII und die §§ 25 ff. BVG, so dass grundsätzlich auch die dazu ergangene Rechtsprechung zur Auslegung dessen, was unter einzusetzendem Einkommen und Vermögen i. S. d. § 12 Abs. 3 PfG NRW zu verstehen ist, herangezogen werden kann. Über den Verweis in § 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW wird die sozialhilferechtliche Rechtslage nicht unverändert in das Pflegewohngeldrecht übernommen. Die Verweisung hat vielmehr vorwiegend die gesetzestechnische Aufgabe, die Anspruchsvoraussetzungen für den Erhalt von Pflegewohngeld möglichst kurz gefasst und ohne überflüssige Wiederholungen zu regeln.
Vgl. dazu auch: OVG NRW, Urteil vom 14.10.2008 - 16 A 1409/07 -, a. a. O.
Dem Sinn und Zweck des § 12 Abs. 3 PfG NRW entspricht es aber, die dargestellte Rechtsprechung zum Sozialhilferecht auf das Pflegewohngeldrecht zu übertragen. Sowohl § 90 Abs. 3 SGB XII als auch § 12 Abs. 3 PfG NRW sollen gewährleisten, dass dem Hilfebedürftigen ein gewisser Spielraum in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit verbleibt. Ein wirtschaftlicher Ausverkauf und eine daraus folgende nachhaltige soziale Abstufung sollen vermieden werden.
Vgl. zu § 88 Abs. 3 BSHG: BVerwG, Urteil vom 26.1.1966 - V C 88.64 -, BVerwGE 23, 149 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2003 - 16 B 2078/03 -, a. a. O.; LSG NRW, Urteil vom 11.9.2006 - L 20 SO 1/05 -, Juris; zu § 12 Abs. 3 PfG NRW: OVG NRW, Urteil vom 25.5.2009 - 12 A 2663/06 -, Juris; Urteil vom 14.10.2008 - 16 A 1409/07 -, a. a. O., m. w. N.
Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Heimbewohner gegenüber dem Sozialhilfeempfänger durch das Landespflegegesetz privilegiert wird, indem es Pflegewohngeld bereits bei einer Einkommens- und Vermögenslage gewährt, die den Bezug von Sozialhilfe- bzw. Kriegsopferfürsorgeleistungen noch ausschließt. Pflegewohngeld erhält nämlich auch derjenige Heimbewohner, dessen Einkommen und/oder Vermögen über den sozialhilfe- und kriegsopferfürsorgerechtlichen Höchstbeträgen liegt. Für das Einkommen folgt dies aus § 12 Abs. 3 Satz 3 PfG NRW. Danach ist ein Einkommensbetrag von 50,00 Euro monatlich von der Einsatzpflicht ausgenommen. Für das Vermögen beruht die Besserstellung auf § 12 Abs. 3 Satz 4 PfG NRW, der einen Vermögensschonbetrag in Höhe von 10.000,00 Euro bestimmt. Dieser liegt deutlich oberhalb des sozialhilferechtlichen Schonvermögens, das für einen pflegebedürftigen Heimbewohner heute im Regelfall auf 2.600,00 Euro begrenzt ist (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i. V. m. der zugehörigen Durchführungsverordnung). Der pflegewohngeldrechtliche Schonbetrag übersteigt auch den typischen Vermögensschonbetrag bei Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach § 25f BVG, der derzeit bei 5.378,00 Euro liegt. Lediglich bei schwerstpflegebedürftigen Beschädigten und deren Hinterbliebenen i. S. v. § 26c Abs. 8 Satz 3 BVG bleibt das pflegewohngeldrechtliche Schonvermögen gegenwärtig um 755,00 Euro hinter dem des Bundesversorgungsgesetzes zurück. Letzteres ändert aber an der grundsätzlichen Besserstellung der Heimbewohner hinsichtlich des Einsatzes eigenen Vermögens nichts, weil der glatte Betrag von 10.000,00 Euro "aus Gründen der Praktikabilität" - vgl. LT-Drucks. 13/3498, S. 36 - gewählt worden ist.
Vgl. zum Vorstehenden (mit Ausnahme der genannten Beträge): OVG NRW, Urteil vom 14.10.2008 - 16 A 1409/07 -, a. a. O.
Zwar besteht mit dieser Privilegierung durch den deutlich höheren Schonbetrag für den Heimbewohner ein Spielraum, für eine deutlich über dem einfachsten Standard liegende Bestattung nach seinen individuellen Vorstellungen vorzusorgen, während dies bei einem Empfänger von Sozialhilfe von vornherein nicht angenommen werden kann.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28.8.2008 - 16 E 1247/07 - und vom 8.10.2004 - 16 B 1664/04 -, Juris.
Der vom Gesetzgeber gewollten Privilegierung des Heimbewohners würde es aber letztlich widersprechen, wenn ihm nicht genauso wie einem Sozialhilfeempfänger neben dem Schonvermögen ein Betrag zur Vorsorge für eine angemessene Bestattung und Grabpflege verbliebe. Zum einen dient der Schonbetrag grundsätzlich dazu, dem Hilfebedürftigen zu Lebzeiten einen wirtschaftlichen Spielraum zu belassen. Dieser sollte nach dem Willen des Landesgesetzgebers beim Heimbewohner 10.000,00 Euro betragen. Der in dieser Höhe vorgesehene Spielraum würde sich erheblich verringern, wenn der Heimbewohner bei einem Wunsch, für eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen - im Gegensatz zum Sozialhilfeempfänger - dafür einen Teil des unter den Schonbetrag fallenden Vermögens einsetzen müsste.
Insofern wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen, dass der Betrag von 10.000,00 Euro nicht ausreichend sei, um es den Menschen zu ermöglichen, in einem gewissen Rahmen für Alter, Tod und Verwandte vorzusorgen, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge, LT-Drucks. 13/4072, S. 35; Antrag der Fraktion der CDU, LT-Drucks. 13/4103, S. 3 (mit dem jeweiligen Vorschlag hinsichtlich des Schonbetrags an eine Größenordnung von 40.000,00 Euro zu denken).
Zum anderen könnte der Schonbetrag dadurch über die sozialhilfe- und kriegsopferfürsorgerechtliche Schongrenze hinaus oder sogar ganz aufgezehrt werden, etwa wenn sowohl für eine angemessene Bestattung als auch für eine angemessene Grabpflege Vorsorge getroffen werden soll. Dem Heimbewohner bliebe dann u. U. neben dieser Vorsorge, soweit sie angemessen ist, überhaupt kein Vermögen, während der Sozialhilfeempfänger neben der angemessenen Vorsorge für die Bestattung und Grabpflege weiterhin über ein Vermögen in Höhe des ihm zustehenden Schonbetrags verfügen würde. Diese Ungleichbehandlung ließe sich mit dem Sinn und Zweck der mit dem für den Heimbewohner vorgesehenen höheren Schonbetrag verbundenen Privilegierung gegenüber dem Sozialhilfe- und Kriegsopferfürsorgeempfänger nicht vereinbaren.
Vgl. dazu auch: VG Münster, Urteile vom 21.1.2009 - 6 K 2136/07 -, Juris; vom 17.3.2009 - 6 K 1484/07 -; vom 9. Juni 2009 - 6 K 2159/07 -, Juris und vom 22.9.2009 - 6 K 1044/08 -, Juris.
Da die Bewilligung von Pflegewohngeld in § 12 Abs. 2 PfG NRW zudem an die Gewährung von Sozialhilfe- oder Kriegsopferfürsorgeleistungen anknüpft, könnte je nach Höhe des abgeschlossenen und als angemessen angesehenen Vorsorgevertrags aufgrund dieses Regelungszusammenhangs ein Wertungswiderspruch entstehen, wenn nicht auch dem Heimbewohner das zur Bestattungsvorsorge und Grabpflege vorgesehene Vermögen über den Schonbetrag hinaus verbliebe. Pflegewohngeld soll nämlich nach der gesetzlichen Konzeption immer dann gewährt werden, wenn sonst die Sozialhilfe oder Kriegsopferfürsorge eingreifen müsste, um den Heimbewohner in den Stand zu setzen, die nicht gedeckten Investitionskosten des Pflegeheims zu begleichen. Daraus folgt, dass der sozialpolitische Gesetzeszweck nur erreicht wird, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegewohngeld und von Sozialhilfe oder Kriegsopferfürsorge im Grundsatz übereinstimmen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.10.2008 - 16 A 1409/07 -, a. a. O.
Dies hat im Pflegewohngeldrecht zur Vermeidung von Widersprüchen zur Folge, dass auch der Heimbewohner die angemessene Bestattungs- und Grabpflegevorsorge nicht durch sein Schonvermögen zu finanzieren hat. Die gegenteilige Auffassung würde ggf. dazu führen, dass einem Heimbewohner Pflegewohngeld zu versagen wäre, weil die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 PfG NRW nicht vorliegen. Dieser Heimbewohner könnte aber u. U. trotz des der Bewilligung von Pflegewohngeld ggf. entgegen stehenden Vermögens in Form von Ansprüchen aus der Rückabwicklung eines Bestattungsvorsorge -/Grabpflegevertrags etwa einen Anspruch auf Bewilligung von Sozialhilfe haben, da diese Ansprüche aus der Rückabwicklung solcher Verträge sozialhilferechtlich unberücksichtigt bleiben und sein sonstiges Vermögen den sozialhilferechtlichen Schonbetrag nicht übersteigt. Pflegewohngeldrechtlich wäre die Konsequenz dann aber, dass dem Heimbewohner, dem Sozialhilfe bewilligt wird, (trotz des Vermögens aus der Rückabwicklung eines Bestattungsvorsorge -/Grabpflegevertrags) nach § 12 Abs. 2 PfG NRW auch Pflegewohngeld zu bewilligen ist. Dieser durch die grundsätzliche Abhängigkeit der Pflegewohngeldbewilligung von den Voraussetzungen der Bewilligung von Sozialhilfe bzw. Kriegsopferfürsorge entstehende Widerspruch zeigt, dass auch bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 PfG NRW die für eine angemessene Bestattung und Grabpflege verbindlich vorgesehenen Mittel in Anwendung des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht als zu verwertendes und einzusetzendes Vermögen zu berücksichtigen sind.
Die insoweit maßgebende vermögensrechtlichen Zweckbestimmung (Bestattungsvorsorge oder Grabpflege) kann im Rahmen des § 12 Abs. 3 Satz 2 PfG NRW zur Vermeidung von Missbrauchsfällen und um zu gewährleisten, dass eine andere Zweckverwendung des Vermögens ausgeschlossen oder zumindest wesentlich erschwert ist, allerdings in der Regel nur dann anerkannt werden, wenn vor dem Beginn des Leistungszeitraums, für den Pflegewohngeld begehrt wird,
- die ausschließliche Zweckbestimmung von dem Heimbewohner eindeutig und für ihn verbindlich getroffen,
- der diesbezügliche Vermögensteil aus dem übrigen Vermögen eindeutig ausgegliedert und
- die Zweckbestimmung in einer zum Nachweis geeigneten Form textlich niedergelegt worden ist.
Vgl. zur Zweckbestimmung auch: OVG NRW, Beschluss vom 9.3.2005 - 12 A 4694/02 - unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 13.5.2004 - 5 C 3.03 -, NJW 2004, 3647 m. w. N.; BVerwG Urteil vom 19.12.1997 - 5 C 7.96 -, a. a. O.; LSG NRW, Urteil vom 19.3.2009 - L 9 SO 5/07 -. ZFSH/SGB 2009, 241 ff.
Diesen Anforderungen genügen insbesondere solche schriftlichen (Vorsorge-)Verträge, die - wie hier - die vertragliche Einbindung eines Treuhänders vorsehen, dem der für die Bestattung oder Grabpflege vorgesehene Vermögensteil zur treuhänderischen Verwaltung übertragen wird und der den bestimmungsgemäßen Einsatz gegenüber dem jeweiligen Auftragnehmer (Bestattungsinstitut, Friedhofsgärtnerei, etc.) gewährleistet, und in denen der Heimbewohner festgelegt hat, dass im Falle seines Todes eine Abänderung der Zweckbestimmung (etwa durch Angehörige, Erben oder Nachlasspfleger) ausgeschlossen sein soll. Eine - wie hier - dem Heimbewohner zustehende Kündigungsmöglichkeit ist in diesem Zusammenhang solange unbeachtlich, solange eine Kündigung mit dem Ziel der endgültigen Aufhebung der Zweckbestimmung nicht erfolgt ist.
Der von der Klägerin als Bestattungsvorsorge bereits überwiesene Betrag in Höhe von 6.000,00 Euro ist des Weiteren nicht als unangemessen hoch anzusehen. Die Frage, bis zu welchem Betrag von einer angemessenen Bestattung gesprochen werden kann, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2003 - 16 B 2078/03 -, a. a. O. (3.500,00 Euro); VG Münster, Urteil vom 22.9.2009 - 6 K 1044/08 -, a. a. O. (knapp 5.500,00 Euro im konkreten Fall); Bay. LSG, Urteil vom 25.9.2008 - L 11 SO 32/07 -, Juris (ca. 3.200,00 Euro im konkreten Fall); SG Dortmund, Urteil vom 13.2.2009 - S 47 SO 188/06 -, Juris (wohl 3.500,00 Euro); SG Aachen, Urteil vom 15.9.2009 - S 20 SO 28/09 -, Juris (5.000,00 Euro im konkreten Fall); SG Schleswig, Beschluss vom 18.6.2008 - S 12 So 54/08 ER (Doppelte für eine Bestattung nach § 74 SGB XII) - zitiert nach LSG Schl.-H., Beschluss vom 1.10.2008 - L 9 B 461/08 SO ER, L 9 B 246/08 SO PKH -, SchlHA 2008, 426 ff.; SG Hildesheim, Gerichtsbescheid vom 24.7.2009 - S 34 SO 75/07 - (6.500,00 Euro im konkreten Fall); siehe auch: Hammel, Das Bestattungsvorsorgevermögen als eine sozialhilferechtlich verwertungsgeschützte Rücklage - Rechtsdiskussion und Anforderungen, ZFSH/SGB 2009, 599 ff.; Jacobsen, Verschonung von vertraglicher Bestattungsvorsorge, WzS 2009, 22 ff.; Widmann, Anmerkung zum Urteil des BSG vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 -, ZFSH/SGB 2008, 600.
Die Angemessenheit beurteilt sich jedenfalls nach den vorgesehenen Leistungen und den örtlichen Preisen für eine Bestattung.
Ähnlich: BSG, Urteil vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R -, a. a. O.
Zur Bestimmung der Angemessenheit einer Bestattungsvorsorge ist zunächst auf die Kosten abzustellen, die die örtlich zuständige Behörde als erforderliche Kosten der Bestattung nach § 74 SGB XII zu übernehmen hat (Grundbetrag), denn insofern wird örtlichen Besonderheiten wie unterschiedlichen Friedhofskosten Rechnung getragen. Dabei ist hinsichtlich der Art der Bestattung (Erdbestattung, Feuerbestattung, etc.) in der Regel die Entscheidung des Heimbewohners zugrunde zu legen.
Der sich hieraus ergebende Kostenbetrag, der lediglich den einfachsten Standard repräsentiert und darüber hinaus - wie hier - auf vertraglichen (Rabatt-)Vereinba-rungen der Behörde mit den örtlichen Bestattern beruhen kann, ist unter Berücksichtigung etwaiger Gestaltungswünsche des Heimbewohners bis zur Grenze der Angemessenheit zu erhöhen (Erhöhungsbetrag). Dabei können die Kosten einer durchschnittlichen Bestattung als Richtschnur dienen. Schon die Kosten für eine einfache Beerdigung belaufen sich nach den vorliegenden Erkenntnissen (im Bundesdurchschnitt) auf zwischen 2.000,00 und 4.000,00 Euro - vgl. Verbraucherzentrale, Was tun, wenn jemand stirbt?, 17. Auflage 2009, S. 56 -, die Kosten für eine durchschnittliche Bestattung betragen etwa 7.000,00 Euro - vgl. Stiftung Warentest, Test Spezial Bestattungen, erschienen am 25.10.2008, S. 50 f. -.
Vor diesem Hintergrund ist der von der Klägerin für die Bestattungsvorsorge auf das Treuhandkonto überwiesene Betrag in Höhe von 6.000,00 Euro jedenfalls als angemessen anzusehen. Die Klägerin hat hier weniger als das Doppelte der vom Beklagten im Rahmen von § 74 SGB XII anerkannten Kosten für die von ihr gewünschte Feuerbestattung (3.101,12 Euro) vorgesehen. Der Betrag liegt zudem deutlich unter den von Stiftung Warentest ermittelten, für eine Bestattung durchschnittlich aufzuwendenden Kosten in Höhe von 7.000,00 Euro.
Anhaltspunkte dafür, dass der Abschluss des Bestattungsvorsorgevertrags nur dazu dienen könnte, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Bewilligung von Pflegewohngeld zu schaffen, liegen nicht vor, zumal die Klägerin diesen Vertrag etwa ein Jahr vor der (wiederholten) Beantragung von Pflegewohngeld abgeschlossen hat.
Ende der Entscheidung
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