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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 05.12.2003
Aktenzeichen: 12 A 2807/03
Rechtsgebiete: BSHG, Eingliederungshilfe-VO
Vorschriften:
BSHG § 40 Abs. 1 Nr. 2 | |
BSHG § 81 Abs. 1 Nr. 3 | |
BSHG § 100 Abs. 1 Nr. 2 | |
Eingliederungshilfe-VO § 9 Abs. 1 |
Tatbestand:
Der Hilfeempfänger, ein Asylbewerber, leidet seit einem Unfall im Jahre 1984 an einer schweren Hirnschädigung mit Entwicklung von starker Spastizität der Extremitäten. Da er wegen zunehmender Spastik kau- und schluckunfähig war, wurde er seit dem 29.4.1996 mittels einer Ernährungspumpe ernährt. Die bis zum 28.5.1997 hierfür angefallenen Kosten in Höhe von insgesamt 13.370,15 DM wurden durch den örtlichen Leistungsträger - die Klägerin - in entsprechender Anwendung von Vorschriften des Sozialhilferechts übernommen. Der Beklagte - der überörtliche Träger - lehnte die Erstattung dieser Kosten ab. Er vertrat den Standpunkt, die Ernährungspumpe nebst Zubehör sei kein Hilfsmittel zum Ausgleich der geistigen Behinderung im Sinne des § 9 Eingliederungshilfe-VO. Auf entsprechende Klage verurteilte das VG den Beklagten zur Erstattung. Dessen Berufung hatte Erfolg.
Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der durch die Ernährung des Hilfeempfängers mittels einer Ernährungspumpe in der Zeit vom 29.4.1996 bis zum 31.5.1997 entstandenen Kosten. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus einer entsprechenden Anwendung des § 13 Abs. 1 Satz 3 AG BSHG NRW vom 25.6.1962 (GV NRW S. 344) noch aus § 9 Abs. 3 AsylbLG in der Fassung vom 30.6.1993 (BGBl. I S. 1074) i.V.m. § 105 SGB X noch auf der Grundlage einer sonstigen Anspruchsnorm. Eine Erstattungspflicht des Beklagten setzte unabhängig davon, welche Rechtsgrundlage herangezogen würde, voraus, dass der Beklagte zuständig gewesen wäre, die in Rede stehenden Leistungen an den Hilfeempfänger zu erbringen. Das ist indes nicht der Fall.
Aus den insoweit ausschließlich in Betracht kommenden Regelungen in § 1 Abs. 2 Satz 1 AG AsylbLG NRW vom 29.11.1994 (GV NRW S. 1087), i.V.m. § 100 Abs. 1 Nr. 2 BSHG folgt nämlich keine sachliche Zuständigkeit des Beklagten. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 AG AsylbLG NRW nehmen die Landschaftsverbände in den Fällen des § 2 AsylbLG, zu denen der hier zu Grunde liegende Hilfefall unbestritten gehört, die Aufgaben wahr, für die sie bei unmittelbarer Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes zuständig sind. Bei unmittelbarer Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes sind die Landschaftsverbände nach § 100 Abs. 1 Nr. 2 BSHG sachlich zuständig für die Versorgung Behinderter mit Körperersatzstücken, größeren orthopädischen und größeren anderen Hilfsmitteln im Sinne des § 81 Abs. 1 Nr. 3 BSHG, gleich ob diese Versorgung im Rahmen der Eingliederungshilfe oder der Hilfe zur Pflege stattfindet.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.10.1977 - V C 15.77 - FEVS 26, 89, 95.
Die Ernährungspumpe zählt nicht zu den hier einzig in Betracht kommenden größeren anderen Hilfsmitteln. Hinsichtlich dieser Hilfsmittel verweist § 81 Abs. 1 Nr. 3 BSHG auf § 40 Abs. 1 Nr. 2 BSHG. Andere Hilfsmittel im Sinne dieser Vorschriften sind nach § 9 Abs. 1 Eingliederungshilfe-VO nur solche Hilfsmittel, die dazu bestimmt sind, zum Ausgleich der durch die Behinderung bedingten Mängel beizutragen. Aus dem Zweck der zur Krankenbehandlung abzugrenzenden Eingliederungshilfe ergibt sich allerdings, dass Behinderungsfolgen, deren Beseitigung oder Abwehr zwingend zur Heilung bzw. Gesunderhaltung notwendig ist, nicht zu diesen Mängeln gehören. Mittel, die zu ihrer Beseitigung oder Abwehr eingesetzt werden, sind also keine Hilfsmittel im dargelegten Sinne.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.1972 - V C 88.72 - FEVS 21, 81, 83 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 8.8.1990 - 6 S 2631/89 - FEVS 42, 122, 124 f.; Gutachten des Deutschen Vereins vom 29.3.1971, NDV 1971, 165; Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 9 Eingliederungshilfe-Verordnung Rz. 2 ff.
Um ein solches Mittel handelt es sich bei der Ernährungspumpe. Sie dient dazu, ein Verhungern des Patienten zu verhindern. Ist ihr Einsatz - wie hier - auf Grund der Unfähigkeit zu kauen und zu schlucken, also wegen einer Behinderung, erforderlich, ist sie dazu bestimmt zu verhindern, dass wegen der Unmöglichkeit, Nahrung auf natürlichem Weg zuzuführen, der Tod eintritt. Die Ernährungspumpe ist demnach der Krankenbehandlung zuzuordnen. So wird sie durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung als ein die natürlichen Funktionen der Organe zur Nahrungsaufnahme ersetzendes anderes Hilfsmittel angesehen, das im Einzelfall erforderlich ist, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern.
Vgl. BSG, Urteil vom 6.6.2002 - B 3 KR 67/01 R - FEVS 54, 337, 338 f.
War demnach der Beklagte nicht zuständig für die Übernahme der Kosten für die Anschaffung der Ernährungspumpe, ist auch kein Raum, seine Zuständigkeit für die Übernahme der Kosten des Zubehörs und der in die Ernährungspumpe einzuführenden Nahrung (vgl. § 10 Abs. 3 Eingliederungshilfe-VO) anzunehmen.
Ende der Entscheidung
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