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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.05.2009
Aktenzeichen: 12 A 292/09
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Die Kürzung von Fördermitteln für den Betrieb eines seit Jahrzehnten staatlich geförderten Frauenhauses, die den Weiterbetrieb der Einrichtung gewährleisten, ist auch ohne Gewährung einer Übergangsfrist weder ermessensfehlerhaft noch verstößt sie gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Tatbestand:

Der Kläger betrieb ein Frauenhaus, welches seit Jahrzehnten unter anderem mit Landesmitteln subventioniert wurde. Der Haushaltsgesetzgeber kürzte die Förderpauschalen für das Jahr 2006 gegenüber dem Vorjahr, so dass lediglich die Personalkosten für die Beschäftigung von drei anstatt wie bisher von vier Vollzeitkräften gedeckt wurden. Die Bescheide, mit denen die Förderung jeweils bewilligt wurde, enthielten seit dem Jahr 1998 den Hinweis, dass aus der Bewilligung für das jeweilige Haushaltsjahr nicht geschlossen werden könne, dass die Förderung auch für das kommende Haushaltsjahr im bisherigen Umfang erfolgen werde. Mit Schreiben des zuständigen Landesministeriums vom 19.12.2005 wurde der Kläger zudem über die geplante Kürzung durch den Haushaltsgesetzgeber informiert. Der Kläger hielt die übergangslose Kürzung der Mittel für rechtswidrig, da diese schutzwürdige Vertrauensschutzpositionen verletzte. Er erhalte seit Jahrzehnten die Förderung durch das Land und sei insbesondere mit Blick auf die Einhaltung von Kündigungsfristen gegenüber langjährig beschäftigten Mitarbeitern nicht in der Lage gewesen, sich auf die überraschende und kurzfristige Kürzung der Mittel einzustellen. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihm eine angemessene Übergangsfrist für die Umsetzung der Mittelkürzung einzuräumen. Das VG wies die Klage ab. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung blieb erfolglos.

Gründe:

Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Der Kläger vermag mit seiner Zulassungsbegründung die entscheidungstragende Annahme des VG nicht in Zweifel zu ziehen, dass ihm der geltend gemachte Anspruch auf Neubescheidung seines Förderantrags nicht zustehe, da die Entscheidung, dem Kläger eine Zuwendung für das von ihm betriebene Frauenhaus für die Zeit vom 1.1.2006 bis 30.6.2006 nur noch eine Förderpauschale für die "Grundausstattung (3 Stellen)" statt wie zuvor für vier Personalstellen zu bewilligen, rechtlich nicht zu beanstanden sei.

Soweit der Kläger geltend macht, das VG habe es versäumt, die Entscheidung des Beklagten auf Ermessensfehler hin zu überprüfen, und stattdessen eine eigene Ermessensentscheidung getroffen, verkennt er, dass dem Beklagten bezüglich der über den gewährten Förderbetrag hinausgehenden Fördermittel ein Ermessensspielraum nicht eröffnet gewesen ist, da insoweit der Haushaltsgesetzgeber keine Mittel zur Verfügung gestellt hat.

Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch gegen den Beklagten kommt hier alleine das Haushaltsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23.5.2006 (GV. NRW. 2006, S. 197ff.) in Verbindung mit dem Haushaltsplan 2006, Einzelplan 15 (Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration), Kapitel 15.035 (Aufgabengebiet Gleichstellung von Mann und Frau), Titelgruppe 61 (Beratungseinrichtungen für Frauen und Schutz vor Gewalt gegen Frauen), Titel 68461 (Zuschüsse für laufende Zwecke an soziale und ähnliche Einrichtungen) in Verbindung mit der Selbstbindung der Verwaltung über die Anwendung von Nr. 1.3 der "Richtlinien für die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Zufluchtsstätten für misshandelte Frauen (Frauenhäuser)" (Runderlass d. Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie vom 18.11.2004 - II 2 - 7330.4 -; MBl. NRW 2004, S. 1241 ff.) in Betracht. Danach entscheidet die Bewilligungsbehörde aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.

Dies bedeutet zugleich, dass der Behörde grundsätzlich außerhalb der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel als Teil der vollziehenden Gewalt, die an die Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers gebunden ist, vgl. OVG NRW Urteile vom 15.1.1997 - 16 A 2389/96 -, FEVS 47, 394 ff.; und vom 22.3.2007 - 12 A 217/05 -. ein Ermessensspielraum für die Gewährung weiterer Fördermittel nicht zur Verfügung steht. Genau so verhält es sich vorliegend, da der Beklagte den Rahmen der durch den Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Fördermittel im Fall des Klägers - Förderung in Höhe des maximalen ganzjährigen Pauschalbetrages - unstreitig vollständig ausgeschöpft hatte.

Richtig hat das VG ferner ausgeführt, dass sich der geltend gemachte Anspruch des Klägers auch nicht etwa aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes ergibt. Dieser führt auf dem Gebiet des Subventionsrechts gegenüber der Gesetzgebung - der Gesetzgeber hatte hier die Förderung von Frauenhäusern durch die entsprechende Kürzung von Haushaltsmitteln zurückgefahren - allenfalls dann zu einem Anspruch, wenn dem Zuwendungsempfänger eine Zusage gegeben worden ist oder ein sonstiges, einer solchen Zusage gleichkommendes staatliches Handeln in Betracht zu ziehen wäre.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.3.2007 - 12 A 217/05 -, m. w. N.

Das VG hat zu Recht angenommen, dass keiner dieser beiden Ausnahmesituationen vorliegend gegeben waren.

Eine Zusage der Beibehaltung der Förderung in ungekürzter Höhe bezogen auf das Jahr 2006 lag ersichtlich nicht vor. Aber ebenso fehlt es an Anknüpfungspunkten für ein staatliches Handeln, das einer derartigen Zusage gleichzusetzen ist. So ist etwa weder vorgetragen worden noch ersichtlich, dass es der Beklagte gewesen ist, der die Tätigkeit des Klägers ins Leben gerufen hat.

Vgl. hierzu VGH BW, Urteil vom 12.6.1990 - 10 S 3081/89 -, NVwZ 1991, 1199 f.

Auch die jahrzehntelange Bewilligung der Zuwendung stellt für sich genommen keinen derartigen Vertrauenstatbestand dar. Denn ein Subventionsnehmer muss stets mit dem künftigen teilweisen oder gar völligen Wegfall der Zuwendung rechnen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.6.1988 - 2 BvL 9/85 u. a. -, BVerfGE 78, 249 ff.; BVerwG, Urteile vom 8.4.1997 - 3 C 6.95 -, BVerwGE 104, 220 ff. und vom 11.5.2006 - 5 C 10.05 -, BVerwGE 126, 33 ff.; VGH BW, Urteile vom 12.6.1990 - 10 S 3081/89 -, a. a. O., und vom 10.4.2001 - 1 S 245/00 -, NVwZ 2001, 1428 ff.; OVG NRW, Urteile vom 15.1.1997 - 16 A 2389/96 -, und vom 22.3.2007 - 12 A 217/05 -, a. a. O., m. w. N.

Dies gilt umso mehr als das Entstehen einer schutzwürdigen Vertrauensposition im vorliegenden Fall durch die in den vorhergehenden Zuwendungsbescheiden (seit 1998) - hier konkret dem Zuwendungsbescheid betreffend das zweite Halbjahr 2005 - gegebenen Hinweise verhindert wurde, wonach aus der Bewilligung für das jeweilige Haushaltsjahr nicht geschlossen werden könne, dass die Förderung auch für das kommende Haushaltsjahr im bisherigen Umfang erfolgen werde. Diese Hinweise haben angesichts der seit Jahren bekannten angespannten Haushaltslage des Landes ersichtlich keine bloß formelhaft wiederholten Hinweise ohne jeden Warnwert bedeutet, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2003 - 12 B 1727/03 -, NVwZ-RR 2004, 501ff., Urteil vom 22.3.2007 - 12 A 217/05 -, sondern stellen klar, dass im Vertrauen auf den Fortbestand ungekürzter Förderung getroffene Dispositionen keine Beachtung finden würden, also nicht vertrauensschutzwürdig sind.

Dem Entstehen einer schutzwürdigen Vertrauensposition stand im vorliegenden Fall zusätzlich noch entgegen, dass der Subventionsempfänger noch vor Beginn des Förderzeitraumes von der geplanten Kürzung der Mittel Mitteilung erhielt, nämlich mit Schreiben des zuständigen Ministeriums vom 19.12.2005. Die Behauptung des Klägers, er habe erst am 6.1.2006 von der Kürzung erfahren, ist vor dem Hintergrund des von der Beklagtenseite vorgelegten Schreibens des Ministeriums vom 19.12.2005 nicht nachvollziehbar. Selbst wenn dem Kläger das Schreiben vom 19.12.2005 erst im Januar 2006 zugegangen sein sollte, würde dies an einer fehlenden Vertrauensschutzposition nichts ändern.

Vgl. zum fehlenden Vertrauensschutz selbst in Fällen des Bekanntwerdens der Kürzung von Fördermitteln erst im Laufe des bereits angebrochenen Förderzeitraumes: BVerwG, Urteil 8.4.1997 - 3 C 6.95 -, a. a. O. (unveröffentlichte Änderung der VV im laufenden Förderzeitraum); VGH Bad.-Württ. Urteil vom 10.4.2001 - 1 S 245/00 -, a. a. O. (Mitteilung erst durch Bewilligungsbescheid im laufenden Bewilligungszeitraum).

Auch das Vorbringen des Klägers, der Beklagte habe die Kürzung der Subventionen durch eine angemessene Übergangsregelung abfedern müssen, verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg.

Eine derartige, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geschuldete Verpflichtung zum stufenweisen Abbau einer Subvention kann grundsätzlich nur dann bestehen, wenn bei dem Subventionsempfänger ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, der über die langjährige Subventionierung hinausgeht, vgl. VGH Bad.-Würrt., Urteil vom 12.6.1990 - 10 S 3081/89 -, a. a. O.; OVG NRW, Urteil vom 22.3.2007 - 12 A 217/05 -, m. w. N., der ohne Übergangsfrist vorgenommene Eingriff also zu nahezu untragbaren Verhältnissen für den Subventionsempfänger führt, Vgl. BVerwG, Urteil vom 8.4.1997 - 3 C 6.95 -, a. a. O. so dass der mit dem Abbau der Förderung verfolgte gesetzgeberische Zweck des staatlichen Schuldenabbaus in der Hintergrund treten muss.

Vgl. BVerwG , Urteil vom 11.5.2006 - 5 C 10.05 -, a. a. O.

Ein solcher Fall ist jedoch vorliegend ersichtlich nicht gegeben. Dies gilt schon im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs, der mit einer Kürzung des Pauschalbetrages in Höhe von etwa 30 %, die Aufrechterhaltung der Einrichtung mit drei Vollzeitkräften gewährleistet. Dass die Einrichtung als solche um ihren Fortbestand hätte fürchten müssen, ist weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.

Der bloße Einwand des Klägers, er habe sich nicht rechtzeitig auf die Kürzung der Förderung einstellen können, da diese erst zu Beginn des Jahres 2006 mitgeteilt worden sei und die betreffenden Arbeitskräfte bis auf eine Ersatzkraft bereits seit vielen Jahren bei ihm beschäftigt seien, wodurch diese nicht kurzfristig kündbar seien, ist nicht geeignet, einen besonderen Vertrauenstatbestand zu begründen, der den gesetzgeberischen Zweck der Kürzung der Subvention ganz ausnahmsweise zurücktreten lassen könnte. Denn er betrifft gerade den typischen Fall eines Subventionsempfängers, der im Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der Subvention Dispositionen mit weit in die Zukunft reichenden Wirkungen trifft, die nach den oben genannten Grundsätzen gerade nicht schützenswürdig sind. Es liegt nun einmal im Verantwortungsbereich des Empfängers staatlicher Subventionen, gerade auf dem Gebiet der sogenannten gesetzesfreien Subventionen, auf deren Gewährung grundsätzlich kein Rechtsanspruch besteht, seine Einrichtung dergestalt zu bewirtschaften und zu organisieren, dass eine gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen jederzeit drohende Kürzung der Förderung verkraftet werden kann, ohne dass der Fortbestand der Einrichtung selbst gefährdet wird. Dies hat er - wie es die Hinweise in den jeweiligen Zuwendungsbescheiden auch beispielhaft ausgeführt haben - bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse genauso zu berücksichtigen wie bei dem Umgang mit Sachmitteln und der Ausschöpfung von ggfls. bestehenden Einnahmequellen. Dabei setzt die Pflicht des Klägers, sich durch eine flexible Organisationsstruktur auf eventuelle Kürzungen von Fördermitteln einzustellen nicht erst mit der Mitteilung einer konkret bevorstehenden Kürzung - hier durch Mitteilung des zuständigen Ministeriums vom 19.12.2005 - ein; es handelt sich um eine jederzeit bestehende Obliegenheit eines Empfängers staatlicher Zuwendungen. Insofern ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht etwa der Beklagte oder das Gericht gehalten, dem Kläger aufzuzeigen, wie er die angekündigte Mittelkürzung konkret umsetzt. Dass dies angesichts der anspruchsvollen Aufgabe des Klägers und den Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung, die der Beklagte stellt, schwer zu realisieren ist, liegt auf der Hand. Dass es jedoch grundsätzlich möglich ist, sich auf die Mittelkürzung einzustellen, hat der Kläger selbst unter Beweis gestellt, indem er die Arbeitsverhältnisse zum 1.7.2006 umgestellt hat. Warum eine derartige oder auch eine andere Lösung etwa im Wege von Organisationsveränderungen, einer Erhöhung von Entgelten o.ä. nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt durch eine vorausschauende, die frühzeitigen Warnhinweise des Beklagten ernst nehmende Planung möglich gewesen sein sollte, ist nicht erkennbar. Damit hat der Kläger nicht substantiiert dargetan, dass es ihm schlechterdings nicht möglich war, sich auf die Kürzung der Mittel einzustellen und hierdurch der Fortbestand seines Betriebes nachhaltig gefährdet gewesen wäre.

Ende der Entscheidung

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