Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 25.11.2008
Aktenzeichen: 12 A 303/07
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 10
Wird ein Arbeitgeber im Laufe eines Jahres erstmals beitragspflichtig in der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, ist nach Sinn und Zweck sowie dem System der Beitragsberechnung nach § 10 BetrAVG für die Beitragsbemessung auf die Verhältnisse im Jahr des Entstehens der Beitragspflicht abzustellen.
Tatbestand:

Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, wandte sich gegen ihre erstmalige Heranziehung zu einem Beitrag zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung für das Jahr 2002 durch den Beklagten. Sie hatte zum 1.1.2002 den gesamten Geschäftsbetrieb einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft übernommen, die ihren Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung gewährt hatte. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass sie im ersten Jahr ihrer Mitgliedschaft bei dem Beklagten keinen Beitrag schulde, da die für die Beitragsbemessung maßgebliche Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BetrAVG, die auf die Verhältnisse des Arbeitgebers im abgelaufenen Jahr abstelle, im Fall von im Laufe des Jahres neu eintretenden Mitgliedern leer laufe, was der Gesetzgeber aus Vereinfachungsgründen auch so gewollt habe. Das VG gab der Klage teilweise statt, da der Beklagte zur Bemessung des Beitrages für das Jahr 2002 zwar nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse im Beitragsjahr, jedoch auf die Verhältnisse der Rechtsvorgängerin der Klägerin im abgelaufenen Jahr 2001 habe abstellen dürfen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Rechtsgrundlage für die Erhebung des Beitrages zur gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung ist § 10 BetrAVG in der im Jahr 2002 geltenden Fassung des Gesetzes vom 21.6.2002, BGBl. I, 2167 (2178).

Die Voraussetzungen für die Beitragserhebung liegen vor. Die Klägerin ist seit dem 1.1.2002 dem Grunde nach beitragspflichtig. Nach § 10 Abs. 1 BetrAVG werden die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung auf Grund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung durch Beiträge aller Arbeitgeber aufgebracht, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar zugesagt haben. Die Beitragspflicht entsteht mit der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes, d. h. mit dem Eintritt der ersten gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft oder der Aufnahme einer laufenden Versorgungsleistung.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4.10.1994 - 1 C 41.92 -, BVerwGE 97, 1ff.; Berenz, in: Kemper/Kisters-Köl-kes/Berenz/Bode/Pühler, BetrAVG, Kommentar zum Betriebsrentengesetz, 3. Aufl. 2008, § 10 Rn. 8.

Dass diese Voraussetzung im Falle der Klägerin zum 1.1.2002 erfüllt war, stellt diese selbst nicht in Abrede.

Die Klägerin schuldet auch einen Beitrag in der noch streitigen Höhe. Der Umfang und die Bemessung des jeweils geschuldeten Betrages ergeben sich aus § 10 Abs. 2 und 3 BetrAVG. Dabei stellt das Gesetz in § 10 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG klar, dass die Beiträge den Barwert der im laufenden Kalenderjahr entstandenen Ansprüche auf Leistungen der Insolvenzsicherung, die im gleichen Zeitraum entstehenden Verwaltungskosten und sonstigen Kosten, die mit der Gewährung der Leistungen zusammenhängen, und die Zuführung zu einem vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen festgesetzten Ausgleichsfonds zu decken haben. Die Bemessung des konkret auf den einzelnen Arbeitgeber umzulegenden Beitrages ergibt sich dann aus § 10 Abs. 3 BetrAVG, differenziert nach den Durchführungswegen der betrieblichen Alterversorgung - im Fall der Klägerin nach § 10 Abs. 3 Ziff. 1 BetrAVG. Der Umstand, dass die Klägerin zu dem in § 10 Abs. 3 Halbsatz 2 BetrAVG genannten Stichtag für die in den Ziffern 1-4 genannten Beträge - der Schluss des Wirtschaftsjahres des Arbeitgebers, das im abgelaufenen Jahr geendet hat - noch keine beitragspflichtige Arbeitgeberin im Sinne des § 10 BetrAVG war, da sie noch keine Arbeitnehmer beschäftigte, führt dabei nicht etwa dazu, dass die Klägerin in dem ersten Jahr ihrer Mitgliedschaft in der Insolvenzversicherung der betrieblichen Altersversorgung keinen Beitrag schuldet. Dabei kann es keine Rolle spielen, dass die Klägerin, wie sie vorträgt, zum Stichtag des abgelaufenen Wirtschaftsjahres, das mit dem abgelaufenen Kalenderjahr identisch ist, also zum 31.12.2001, bereits als juristische Person existiert hat, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Arbeitnehmer beschäftigt hat. Denn § 10 BetrAVG stellt für die Beitragspflicht auf die Eigenschaft als Arbeitgeber ab. § 10 Abs. 3 Halbsatz 2 BetrAVG stellt mit dem dort genannten Bilanzstichtag aus Praktikabilitätsgründen für die Bemessung der Beiträge des laufenden Kalenderjahres auf die im abgelaufenen Kalenderjahr festgestellten Beträge ab. Da ein im laufenden Kalenderjahr neu beitragspflichtig gewordener Arbeitgeber grundsätzlich nicht über solche Zahlen zu dem maßgeblichen Stichtag verfügt, ist dieser Fall in der Vorschrift nicht geregelt.

Eine Regelung dieser Frage findet sich auch nicht etwa in § 25 Abs. 1 VAG, der über § 14 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG grundsätzlich im Hinblick auf während des Wirtschaftsjahres neu eintretende oder ausscheidende Mitglieder anzuwenden ist.

Vgl., BVerwG, Urteile vom 23.1.2008 - 6 C 19.07 -, NVwZ-RR 2008, 480 und vom 14. März 1991 - 3 C 24.90 -, BVerwGE 88,79.

Denn § 25 Abs. 1 VAG regelt zwar, dass auch solche Mitglieder zu der Umlage beizutragen haben, wobei sich die Beitragspflicht danach bemisst, wie lange das jeweilige Mitglied in dem Geschäftsjahr dem Verein angehört hat ("pro rata temporis"). Im Hinblick auf die Klägerin ist danach jedenfalls klargestellt, dass sie, da sie das gesamte Jahr 2002 Mitglied des Beklagten war, einen gesamten Jahresbeitrag schuldet. Eine andere Frage ist es jedoch, nach welchen Berechnungsgrundlagen dieser Beitrag festzusetzen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.1.2008 - 6 C 19.07 -, a. a. O.

Hierfür enthält auch § 25 VAG keine Regelung, so dass tatsächlich eine Regelungslücke besteht - allerdings alleine im Hinblick auf den maßgeblichen Stichtag für die Bemessungsgrundlage. Diese Regelungslücke ist nach Auffassung des Senates planwidrig und daher im Wege der Auslegung zu schließen. Dass der Gesetzgeber die Arbeitgeber, die im laufenden Kalenderjahr erstmals beitragspflichtig werden, generell für das erste Beitragsjahr von der Beitragspflicht ausnehmen wollte, wie die Klägerin meint, lässt sich dem Gesetz unter keinem Gesichtspunkt entnehmen. Insbesondere § 10 Abs. 1 und 2 BetrAVG, die die Umlage der im laufenden Kalenderjahr entstehenden Ansprüche und Kosten auf alle Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern betriebliche Altersversorgung zugesagt haben, vorsehen, lassen keinerlei Ausnahme erkennen. Das Argument der Klägerin, es entstehe im Regelfall keine Deckungslücke, da der ausscheidende Arbeitgeber noch für das laufende Kalenderjahr in Anspruch genommen werden könne, verfängt nicht, da die Beitragspflicht des ausscheidenden Arbeitgebers - korrespondierend mit dem Entstehen der Beitragspflicht des "neuen" Arbeitgebers - endet, sobald das öffentlich-rechtliche Mitgliedschaftsverhältnis endet, nämlich sobald der Arbeitgeber keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt, denen er eine betriebliche Altersversorgung schuldet. Der Beitrag des ausscheidenden Arbeitgebers bemisst sich nach §§ 10, 14 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG i. V. m. § 25 Abs. 1 Satz 2 VAG zudem danach, wie lange dieser im Jahre des Ausscheidens Mitglied des Beklagten gewesen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.3.1991 - 3 C 24.90 -, a. a. O.

Eine Herausnahme der im laufenden Kalenderjahr neu in die Insolvenzversicherung der betrieblichen Altersversorgung eingetretenen Arbeitgeber würde damit dem vorrangig mit der Beitragserhebung nach § 10 BetrAVG verfolgten Ziel zuwiderlaufen, im Sinne einer Solidarhaftung aller Arbeitgeber die für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung erforderlichen Mittel aufzubringen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.1.2008 - 6 C 19.07 -, a. a. O.

Außerdem würde eine solche Herausnahme zu einer Privilegierung dieser Arbeitgeber führen, die unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht mehr zu rechtfertigen wäre, auch wenn die Abgabengerechtigkeit nicht vorrangiges Ziel des Gesetzes ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.1.2008 - 6 C 19.07 -, a. a. O.

Zwar hat der Gesetzgeber - der soeben dargestellten Gewichtung der mit der Beitragserhebung nach § 10 Abs. 3 BetrAVG verfolgten Ziele entsprechend - das Äquivalenzprinzip, nach dem die Beiträge der Arbeitgeber dem versicherten Risiko entsprechen sollen und das im Wesentlichen auf dem versicherungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beruht (§ 21 Abs. 1 VAG), im BetrAVG nicht vollumfänglich umgesetzt, indem er aus Gründen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit die Bewertungsgrundsätze des Steuerrechts für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage übernommen und auch bestimmte Risikofaktoren in seiner pauschalierenden Betrachtungsweise unberücksichtigt gelassen hat.

Vgl. Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 4. Aufl. 2006, § 10 Rn.73, 74; Paulsdorff, Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, 1996, § 10 Rn. 82 bis 84.

Eine Privilegierung neu eingetretener, dem Grunde nach beitragspflichtiger Arbeitgeber, lässt sich all dem aber nicht entnehmen. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er dies regeln müssen, wobei eine solche Regelung sicherlich verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet wäre. Dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass sich alle beitragspflichtigen Arbeitgeber nicht nur dem Grunde nach, sondern auch in einer bestimmten Höhe an der Bedarfsdeckung zu beteiligen haben, ergibt sich darüber hinaus auch aus der bereits erwähnten Vorschrift des § 25 Abs. 1 VAG, die über § 14 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG anwendbar ist und zu einer anteiligen Beitragspflicht von im Laufe des Geschäftsjahres eingetretenen oder ausgeschiedenen Mitgliedern führt.

Enthält das BetrAVG mithin keine Bilanzstichtagsregelung im Hinblick auf im laufenden Kalenderjahr neu eintretende Mitglieder, ist diese planwidrige Regelungslücke im Wege der Auslegung zu schließen. Der Senat geht dabei davon aus, dass es sowohl Sinn und Zweck der Regelung als auch dem System der Beitragsberechnung nach § 10 BetrAVG entspricht, diese Lücke zu schließen, indem anstatt auf die - in diesem Fall grundsätzlich nicht vorhandenen - Werte des abgelaufenen Kalenderjahres auf die Werte des laufenden Jahres zurückgegriffen wird, wie es der Beklagte unter Rückgriff auf seine Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Insolvenzversicherung der betrieblichen Altersversorgung (AIB) getan hat.

Vgl. Berenz, a. a. O., § 10 Rn. 11; Paulsdorff, a. a. O., § 10 Rn. 23.

Dabei lässt der Senat offen, ob und inwieweit der Beklagte befugt ist, die Beitragserhebung durch Allgemeine Versicherungsbedingungen zu regeln.

Vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 23.1.2008 - 6 C 19.07 -, a. a. O.

Denn solange sich der Beklagte mit dieser Handhabung im Rahmen des gesetzlich Zulässigen bewegt, kommt es auf diese Frage nicht an.

Die Beitragsbemessung auf der Basis der laufenden Kalenderjahres im Falle neu eingetretener Mitglieder entspricht Sinn und Zweck der den Arbeitgebern nach § 10 BetrAVG auferlegten Beitragspflicht, der darin besteht, im Sinne einer Solidarhaftung die für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung erforderlichen Mittel aufzubringen, vgl. BVerwG, Urteil vom 23.1.2008 - 6 C 19.07 -, a. a. O., was eine Befreiung von der Beitragspflicht im ersten Jahr der Mitgliedschaft verbietet.

Dass der Beklagte die Werte des laufenden Kalenderjahres 2002 für die Berechnung der Beitragspflicht im Jahre 2002 zu Grunde gelegt hat, erscheint auch systemgerecht im Hinblick auf das in § 10 Abs. 2 und 3 BetrAVG zum Ausdruck gekommene Bestreben des Gesetzgebers, durch die konkrete Verteilung des nach § 10 Abs. 2 BetrAVG bestehenden Bedarfs auf die einzelnen beitragspflichtigen Mitglieder nach der Regelung des § 10 Abs. 3 BetrAVG eine möglichst zeitnahe Deckung zu erzielen. Es drängt sich danach auf, für den Fall, dass es Referenzwerte für das Vorjahr noch nicht gibt, auf die Werte des laufenden Kalenderjahres abzustellen. Dies ist auch insoweit sach- und systemgerecht, als diese Werte den Bedarf des Beklagten, der sich ja auf die Deckung der Ansprüche und Kosten im laufenden Kalenderjahr bezieht, im Grunde noch genauer abbilden als dies die Werte des Vorjahres tun. Schließlich entspricht eine solche Handhabung auch dem Ansinnen des Gesetzgebers, das Beitragsberechnungsverfahren möglichst einfach zu halten (vgl. BT-Drs. 7/2843, S. 10, zu § 6 d des Entwurfs des BetrAVG), da es sich bei den Zahlen für das laufende Jahr um Informationen handelt, die der neu eingetretene Arbeitgeber nach § 11 Abs. 2 BetrAVG dem Beklagten zur Ermittlung des Beitrages im Folgejahr spätestens bis zum 30.9. des ersten Kalenderjahres der Mitgliedschaft ohnehin zu melden hat.

Ende der Entscheidung

Zurück