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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.09.2003
Aktenzeichen: 12 A 3945/01
Rechtsgebiete: BSHG, SGB I


Vorschriften:

BSHG § 8 Abs. 2
BSHG § 111 Abs. 1
BSHG § 111 Abs. 1 Satz 1
SGB I § 14
Der Interessenwahrungsgrundsatz aus § 111 Abs. 1 BSHG erlegt dem Leistungen gewährenden Träger auf, gegenüber dem Hilfeempfänger nicht mit Blick auf die kostenrechtliche Eintrittspflicht eines anderen Trägers, sondern so zu handeln, als verbliebe die Kostenlast endgültig bei ihm selbst.
Tatbestand:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen, die sie nach dem Umzug eines als Asylberechtigten anerkannten Sozialhilfeempfängers aufwandte. Der Beklagte wendet hiergegen ein, die Klägerin habe gegen den Interessenwahrungsgrundsatz nach § 111 Abs. 1 BSHG verstoßen, weil sie den jungen Hilfeempfänger nicht auf die bei der O.-H Stiftung verwalteten Garantiefonds zur beruflichen Ausbildung bzw. zur Förderung des Studiums verwiesen habe.

Das VG hat dem Erstattungsbegehen entsprochen; der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die gegen die erstinstanzliche Entscheidung gerichteten Angriffe des Beklagten vermögen nicht zu überzeugen. Mit ihnen bringt er vor, es sei schon vom Ansatz verfehlt zu untersuchen, inwieweit die Klägerin aufgrund des BSHG und/oder anderer Rechtsvorschriften gegenüber dem Hilfe Suchenden zur Erteilung von Hinweisen und Aufklärung über alternative Fördermöglichkeiten verpflichtet sei, es gehe vielmehr um die - zu bejahende - Frage, ob aufgrund der Vorschrift des § 111 Abs. 1 BSHG gegenüber dem Beklagten eine derartige Pflicht bestanden habe.

Die vom Beklagten genannten Gesichtspunkte lassen indes nicht gemäß § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG einen Ausschluss oder eine Einschränkung des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs als möglich erscheinen. Nach dieser Vorschrift sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Hilfe diesem Gesetz entspricht. Konstitutiv für einen Kostenerstattungsanspruch ist danach, dass die Hilfegewährung im Einklang mit den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes, d.h. rechtmäßig, erfolgt. Darüber hinaus ist § 111 Abs. 1 BSHG das Erfordernis zu entnehmen, die wohlverstandenen Interessen des grundsätzlich kostenerstattungspflichtigen Trägers zu wahren. Dieser Interessenwahrungsgrundsatz erlegt dem Leistungen gewährenden Träger auf, gegenüber dem Hilfeempfänger nicht mit Blick auf die kostenrechtliche Eintrittspflicht eines anderen Trägers, sondern so zu handeln, als verbliebe die Kostenlast endgültig bei ihm selbst.

Vgl. hierzu jeweils m.w.N. Schoch, in: LPK-BSHG, 6. Aufl., § 111 Rn. 11; Mergler-Zink, Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, § 111 BSHG Rn. 11a ff.; Bräutigam, in: Fichtner (Hrsg.), Bundessozialhilfegesetz, § 111 Rn. 14; Schwabe, Die Entwicklung des Kostenerstattungsrechts seit dem 1. 1. 1994, ZfF 1997, 97 (103 f.).

Dem Vorbringen des Beklagten ist Durchgreifendes weder für eine Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung noch für eine Missachtung des Interessenwahrungsgrundsatzes zu entnehmen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ergeben sich Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Hilfe nicht unter dem Gesichtspunkt des Nachranges der Sozialhilfe, weil es nach der Rechtsprechung grundsätzlich ausreiche, wenn die Möglichkeit bestehe, dass der zu berücksichtigende Bedarf des Hilfe Suchenden durch einen Dritten tatsächlich befriedigt werden könne (wird ausgeführt).

Dass die Klägerin den Interessenwahrungsgrundsatz nicht gewahrt hätte, ist auf der Grundlage des Vorbringens des Beklagten ebenfalls nicht zu erkennen.

Nach dem Maßstab, so zu handeln, als gehe es um die eigenen Kosteninteressen, ist ein diesbezüglicher Verstoß nicht darin zu sehen, dass die Klägerin nicht an die für Leistungen nach den Garantiefonds zuständigen Stellen herangetreten ist und eventuelle Ansprüche des Hilfe Suchenden auf Förderung hat prüfen lassen. Hierzu bestand schon deshalb keine Veranlassung, weil der Hilfe Suchende keine diesbezüglichen Anträge ( vgl. z. B. Nr. 4 der RL-GF-SB) gestellt hat.

Der Interessenwahrungsgrundsatz ist auch nicht dadurch verletzt, dass die Klägerin es unterlassen hat, den Hilfeempfänger auf die Möglichkeit der Aufnahme eines Studiums unter Beantragung von Hilfen nach den Richtlinien für den Garantiefond Hochschule hinzuweisen. Ein solcher Hinweis wäre auch nicht zu erwarten gewesen, wenn die Leistungsgewährung in dem Bewusstsein erfolgt wäre, die Kostenlast nicht abwälzen zu können. Die nach § 8 Abs. 2 BSHG i. V. m. § 14 SGB I geschuldete Beratung des Hilfe Suchenden erstreckt sich zwar außer auf Fragen der Sozialhilfe auch auf sonstige soziale Angelegenheiten, soweit letztere nicht von anderen Stellen und Personen wahrzunehmen ist (§ 8 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz BSHG). Im Bereich der Bildungs- und Arbeitsförderung (vgl. § 3 SGB I) obliegen die Berufsberatung, die Ausbildungsvermittlung und die Leistungen zur Unterstützung der Beratung und Vermittlung aber den Arbeitsämtern und den sonstigen Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit (vgl. § 19 SGB I). Ein Sorgfaltsverstoß könnte vor diesem Hintergrund allenfalls dann gegeben sein, wenn die Klägerin mit dem Hinweis auf Förderungsmöglichkeiten nach den Garantiefonds etwas unterlassen hätte, was für einen ordnungsgemäß handelnden Sozialhilfeträger ohne Weiteres nahe gelegen hätte. Dies ist allerdings nicht der Fall. Es ist nicht dargetan, dass der Klägerin diese Förderungsmöglichkeiten überhaupt bekannt gewesen sind oder hätten bekannt sein müssen. Durch den Beklagten ist die Klägerin jedenfalls im Erstattungszeitraum nicht über diese Förderungsmöglichkeit in Kenntnis gesetzt worden. Dessen ungeachtet bestand auch im Übrigen kein Anlass, den Hilfeempfänger über seine Pflicht zum Einsatz seiner Arbeitskraft hinaus zu beraten. Denn der Hilfeempfänger stand während des Bezugs von Hilfe zum Lebensunterhalt in regelmäßiger Betreuung durch die Arbeitsverwaltung, so dass zu erwarten war, dass sämtliche berufs- und ausbildungsrelevanten Fragen dort umfassend erörtert wurden. Darüber hinaus beschränkt sich die Frage nach der Aufnahme bzw. Fortsetzung eines Studiums nicht nur auf den eher materiellen Aspekt einer staatlichen Förderung, sondern betrifft viel weitgehender die zukünftige Lebensplanung und -gestaltung eines Hilfeempfängers. Wie bereits § 8 Abs. 2 BSHG erkennen lässt, dürfte eine solch umfassende Beratung von einem Sozialhilfeträger nicht zu erwarten sein. Im konkreten Fall galt dies besonders, weil der Hilfeempfänger nicht zum Ausdruck gebracht hatte, an der Aufnahme bzw. Fortführung eines Studiums interessiert zu sein. Dem gefertigten Gesprächsvermerk zufolge hatte er ein Studium sogar eher ausgeschlossen, wie das Wort " keinesfalls" vermuten lässt. Dementsprechend hatte der Hilfeempfänger, worauf die Vorinstanz zutreffend hingewiesen hat, auch bereits einige Monate vor der Aufnahme der Hilfegewährung durch die Klägerin eine Arbeitserlaubnis beantragt und Weiteres zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unternommen. Zu einer anderen Handlungsweise musste die Klägerin daher nach dem genannten Sorgfaltsmaßstab nicht veranlassen, dass diese Entscheidung durch unzutreffende Vorstellungen über oder Erwartungen an das hiesige Sozialleistungssystem beeinflusst gewesen sein mag.

Ende der Entscheidung

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