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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 17.04.2002
Aktenzeichen: 12 A 4007/00
Rechtsgebiete: SGB VIII, SGB X


Vorschriften:

SGB VIII § 89 d
SGB X § 111
1. Die Unterbringung eines unbegleitet eingereisten ausländischen Minderjährigen in ein Heim für Kinder und Jugendliche ist auch dann eine Maßnahme der Jugendhilfe, wenn die durch das Land geschaffene Erstaufnahmeeinrichtung im Rahmen eines standardisierten Verfahrens die Kosten trägt und den Minderjährigen dem Heim zugeführt hat.

2. Eine Leistung ist im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X erbracht, wenn die darauf gerichtete Verpflichtung gegenüber dem Hilfeempfänger erfüllt ist.

3. Der Zeitraum, auf den sich Verpflichtung und Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X beziehen, ergibt sich in erster Linie aus den gesetzlichen Vorgaben für die Gewährung und aus der Bewilligung. Bei untypisch langen, d.h. einen Monat überschreitenden Bewilligungszeiträumen ist jedenfalls dann, wenn sich auf Grund bestimmter Merkmale (etwa Inhalt des Vertrages zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer) einzelne Abschnitte voneinander trennen lassen, auf den einzelnen Abschnitt abzustellen.

4. Für die Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X ist bei einem Kostenerstattungsanspruch nach § 89 d SGB VIII kein Raum.


Tatbestand:

Der am 24.12.1975 in Addis Abeba / Äthiopien geborene T. reiste am 7.6.1990 über den Flughafen F. in die Bundesrepublik Deutschland ein. Noch am selben Tag übergab der Bundesgrenzschutz T. dem Jugendamt der Stadt F., das ihn bis zum 17.7.1990 im Aufnahmeheim der Arbeiterwohlfahrt für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in K. unterbrachte. Am 2.7.1990 bat das Jugendamt der Stadt F. die Gemeinschaftsunterkunft für ausländische Flüchtlinge in S. (HGU), die ärztliche Versorgung des T. sicherzustellen, die Kosten für sprachliche Hilfen, die Bekleidungserstausstattung zu übernehmen und eine Kostenübernahmeerklärung gegenüber der Arbeiterwohlfahrt abzugeben. Diese Erklärung gab die HGU unter dem 10.7.1990 gegenüber der Arbeiterwohlfahrt ab. Am 17.7.1990 brachte das Jugendamt der Stadt F. T. in dem im Stadtgebiet der Klägerin gelegenen Jugendwohnheim A. unter und bat die HGU um Kostenübernahme, die diese mit Schreiben vom 24.7.1990 unmittelbar gegenüber dem A. erklärte. Nachdem die Zentrale Aufnahmestelle des Landes Hessen mit Bescheid vom 28.9.1990 T. der Klägerin zugewiesen hatte, stellte die HGU die Erstattung der monatlichen Heim- und Pflegekosten zum 27.10.1990 ein. Die Klägerin sicherte dem A. die Kostenübernahme für die Hilfe zur Erziehung ab dem 28.10.1990 zu. In dieser Zeit berichtete A., beginnend am 20.6.1991, regelmäßig über die Entwicklung des T., dem nach bestandskräftiger Ablehnung seines Asylantrags eine - stets verlängerte - Aufenthaltsbefugnis erteilt wurde. Unter dem 13.10.1993 beantragte T. die Weiterbewilligung der Jugendhilfe nach Vollendung des 18. Lebensjahres. Im Hilfeplantermin am 24.1.1994 kamen der Vormund, das Jugendamt der Klägerin, A. sowie T. zu dem Ergebnis, dass ab sofort gezielt auf eine vollständige Verselbstständigung des jungen Volljährigen hingearbeitet und dann im Herbst 1994 überprüft werden solle, wie weit dieses Ziel erreicht sei. Dem T. wurde daraufhin unter dem 27.1.1994 Hilfe für junge Volljährige bis zum 31.10.1994 bewilligt. Mit Bescheid vom 27.3.1995 stellte die Klägerin die Gewährung von Hilfe für junge Volljährige ab dem 1.3.1995 ein.

Bereits unter dem 21.9.1994 bestimmte das Bundesverwaltungsamt auf Antrag der Klägerin den Beklagten zum überörtlichen Träger der Jugendhilfe. Am 26.9.1994 forderte die Klägerin den Beklagten zur Kostenerstattung ab dem 1.4.1993 auf. Der Beklagte lehnte dies ab, weil das Asylverfahrensgesetz den jugendhilferechtlichen Erstattungsvorschriften vorgehe. Außerdem bedürfe der Umfang der Kostenerstattung einer Überprüfung im Einzelfall. Dem Antrag fehle eine Begründung, warum über die Volljährigkeit hinaus Hilfe gewährt worden sei. Die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs sei nicht eingehalten. Nachdem die Klägerin zunächst ein Schiedsverfahren bei der Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten eingeleitet hatte, kamen die Parteien überein, eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Im Rahmen dieser Übereinkunft verzichtete der Beklagte auf die Einrede der Verjährung.

Das VG verurteilte den Beklagten antragsgemäß zur Kostenerstattung. Seine Berufung hatte teilweise Erfolg.

Gründe:

Die Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der Jugendhilfekosten in Höhe von 19.637,44 Euro (= 38.407,50 DM) für die ganz oder zumindest teilweise in der Zeit vom 24.9.1993 bis zum 28.2.1995 erbrachten Leistungen. Soweit die Klägerin hingegen Kostenerstattung für vollständig in der Zeit vom 1.4.1993 bis zum 23.9.1993 erbrachte Leistungen begehrt, ist ein Anspruch ausgeschlossen.

Die Klägerin kann gemäß § 89 d SGB VIII in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 16.2.1993 (BGBl. I S. 239) = Bekanntmachung der Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 3.5.1993 (BGBl. I S. 637) - SGB VIII F. 1993 -, der hier einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, im genannten Umfang Erstattung vom Beklagten verlangen. Diese Regelung ist am 1.4.1993 in Kraft getreten. Obgleich T. bereits zuvor in K. sowie im Jugendwohnheim A. untergebracht war, ist auf den gesamten Sachverhalt diese Vorschrift anzuwenden. Das SGB VIII F. 1993 enthält keine Regelung, durch welche die Geltung der neugefassten Zuständigkeits- und Erstattungsvorschriften auf vor dem 1.4.1993 begonnene Jugendhilfemaßnahmen ausgeschlossen wird. Die durch das 2. Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und anderer Gesetze vom 29.5.1998 (BGBl. I S. 1188) in Kraft getretene Neufassung des § 89 d SGB VIII ist für den streitbefangenen Erstattungsanspruch nicht einschlägig. Nach der in Art. 2 Nr. 11 des Änderungsgesetzes enthaltenen Übergangsbestimmung (Neufassung des § 89 h Abs. 2 SGB VIII) sind Kosten, für deren Erstattung das Bundesverwaltungsamt - wie hier - vor dem 1.7.1998 einen erstattungspflichtigen überörtlichen Träger bestimmt hat, nach den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften zu erstatten.

I. Der Kostenerstattungstatbestand des § 89 d Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB VIII F. 1993 liegt vor. Nach dieser Vorschrift hat der vom Bundesverwaltungsamt bestimmte überörtliche Träger der Jugendhilfe die aufgewendeten Kosten der Jugendhilfe zu erstatten, die einem nicht im Inland geborenen jungen Menschen, der im Inland auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, innerhalb eines Monats nach der Einreise gewährt wurde. Dies gilt nicht für Leistungen, bei denen sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern oder des nach § 86 Abs. 1 bis 3 SGB VIII F. 1993 maßgeblichen Elternteils richtet (§ 89 d Abs. 1 Satz 2 SGB VIII F. 1993). Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewandten Kosten entfällt ferner, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war (§ 89 d Abs. 3 SGB VIII F. 1993).

1. Der Beklagte ist durch Mitteilung des Bundesverwaltungsamtes vom 21.9.1994 an die Klägerin gemäß § 89 d Abs. 2 SGB VIII F. 1993 zu dem zur Kostenerstattung verpflichteten überörtlichen Träger der Jugendhilfe für T. bestimmt worden. Ob es sich bei dieser Bestimmung um einen Verwaltungsakt handelt, der durch Übersendung mit der Antragsschrift der Klägerin dem Beklagten am 26.9.1994 zur Kenntnis gelangte und mangels Einlegung eines Widerspruchs binnen eines Jahres (§ 70 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 58 VwGO) bestandskräftig wurde, kann dahinstehen.

Für eine Qualifizierung als Verwaltungsakt: OVG NRW, Urteil vom 27.8.1998 - 16 A 3477/97 -, NWVBl. 1999, 144, 145; Bay. VGH, Beschluss vom 1.10.1992 - 12 CZ 91.3802 -, FEVS 43, 400, 402 f.; Wiesner, in: Wiesner / Mörsberger / Oberloskamp / Struck, SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe, 2. Auflage 2000, § 89 d Rdnr. 13; Stähr, in Hauck / Noftz, SGB VIII K § 89 d Rdnr. 20; Jans / Happe / Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, Stand: Juni 2001, KJHG Erl. Art. 1 § 89 d Rdnr. 21; die Frage offen lassend: BVerwG, Urteil vom 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, FEVS 51, 152, 155.

Denn der Beklagte hat - auch in diesem Verfahren - nichts dafür vorgetragen, dass der vom Bundesverwaltungsamt durchgeführte Belastungsvergleich nicht oder fehlerhaft angestellt worden sein könnte. Für eine Fehlerhaftigkeit ist auch sonst nichts ersichtlich.

2. T. hatte mangels eines vorherigen Aufenthalts im Bundesgebiet bei seiner Einreise ersichtlich keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Ihm wurde innerhalb eines Monats nach der Einreise - durch die Klägerin später fortgesetzte - Jugendhilfe gewährt.

Zum Zeitpunkt der Einreise galt noch das erst am 31.12.1990 außer Kraft getretene Gesetz für Jugendwohlfahrt (JWG) in der Bekanntmachung vom 25.4.1977 (BGBl. I S. 633), zuletzt geändert durch Artikel 6 § 8 des Gesetzes vom 25.7.1986 (BGBl. I S. 1142). Nach § 1 Abs. 1 JWG hatte jedes deutsche Kind ein Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut galt das Jugendwohlfahrtsgesetz nur für deutsche, nicht auch für sonstige in Deutschland lebende Kinder.

Vgl. Potrykus, Jugendwohlfahrtsgesetz, 2. Auflage 1972, § 1 Anmerkung 5.

Gleichwohl wurde das Jugendwohlfahrtsgesetz seit seinem Inkrafttreten auch auf ausländische Kinder angewandt.

Vgl. Minzenmay, Aufgaben des Jugendamtes bei der Hilfe für Ausländer, ZfJ 1964,319.

Dabei wurde unterschieden zwischen Maßnahmen des Jugendwohlfahrtsgesetzes, die auch dem Allgemeininteresse dienten, und Maßnahmen, die ganz überwiegend zu Gunsten des einzelnen Minderjährigen vorgesehen waren.

Vgl. Friedeberg / Polligkeit / Giese, JWG, 3. Auflage 1972, § 1 Anmerkung 4 b.

Die Vorschriften über die erstgenannten Maßnahmen galten gewohnheitsrechtlich auch für ausländische Minderjährige, die Vorschriften über die letztgenannten Maßnahmen fanden auf sie keine Anwendung. Als Maßnahmen, die auch dem Allgemeininteresse dienten, waren diejenigen zu qualifizieren, die die Abwendung einer Gefahr oder von Erziehungsschäden verfolgten.

Auf Grund dieser Rechtslage ist das Jugendamt der Stadt F. am 7.6.1990 und in der Folgezeit auch im Allgemeininteresse zu Gunsten von T. jugendhilfrechtlich tätig geworden. (Wird ausgeführt.)

Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Annahme, dass T. Jugendhilfe und nicht eine andere Art der Hilfe gewährt wurde, nicht entgegen, dass auch die HGU entsprechend der Erlasslage in Hessen in diesem Hilfefall tätig wurde, insbesondere die Unterbringungskosten in K. trug.

Mit Erlass vom 6.6.1983 ordnete der Hessische Sozialminister gegenüber der HGU an, dass unbegleitet eingereiste ausländische minderjährige Flüchtlinge in Heimen und Einrichtungen der Jugendhilfe unterzubringen seien. Er zog damit die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass die HGU zur Unterbringung von minderjährigen Flüchtlingen ungeeignet war, und überantwortete sie der öffentlichen und freien Jugendhilfe. Dabei wies er ausdrücklich darauf hin, dass nach § 11 Abs. 2 JWG für Minderjährige ohne gewöhnlichen Aufenthalt und für vorläufige Maßnahmen das Jugendamt zuständig war, in dessen Bezirk das Bedürfnis der öffentlichen Jugendhilfe hervortrat. In Konsequenz dessen traf der Erlass nur gegenüber der HGU lediglich Verfahrensregelungen, die zudem nur Teilbereiche der öffentlichen Jugendhilfe, nämlich die Unterbringung von unbegleiteten ausländischen minderjährigen Flüchtlingen unmittelbar nach deren Einreise und die Kostenerstattung für diese Maßnahme betrafen.

Die auch nur darauf beschränkte Tätigkeit der HGU war keine eine Jugendhilfemaßnahme ersetzende oder das Tätigwerden des Jugendamtes bestimmende Leistung.

Ob überhaupt Kosten entstehen, diese geltend gemacht oder von Dritten getragen werden, ist für die Qualifizierung einer Maßnahme als Leistung der Jugendhilfe nicht relevant, wenn das Jugendamt - wie hier - Leistungsträger ist. Die hier in Rede stehende Inobhutnahme bzw. Hilfe zur Erziehung stellt eine komplexe Hilfe dar, die sich nicht in der Sicherstellung materieller Bedürfnisse erschöpft, sondern durch eine Vielfalt pädagogischer, schützender, kontrollierend-überwachender Elemente gekennzeichnet ist. Diese jugendhilferechtliche Maßnahme prägenden Elemente waren nicht Teil der Kostenübernahmeerklärung gegenüber der AWO und des weiteren Tätigwerdens der HGU.

Durch die vom Erlass als Ausnahmefall angesehene, auch bei T. nicht praktisch gewordene unmittelbare Unterbringung von Minderjährigen in Jugendhilfeeinrichtungen seitens der HGU wurde der Entscheidungsfindungsprozess für die gesamte Jugendhilfemaßnahme nicht dem zuständigen Jugendamt entzogen. In diesen Fällen blieb es zur Fürsorge für das Wohl des Minderjährigen während der Unterbringung verantwortlich. Dies belegt die Vereinbarung des Hessischen Sozialministeriums mit der Arbeiterwohlfahrt vom 9.9.1988 über die Aufgaben der Aufnahmestelle in K. Nach ihr hatte die Aufnahmestelle das Jugendamt der Stadt F. und die gesetzlichen Vertreter bei ihrer Arbeit im Blick auf die aufgenommenen Minderjährigen zu unterstützen und den Mitarbeitern des Jugendamtes der Stadt F. zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch einen Arbeitsraum in der Aufnahmestelle zur Verfügung zu stellen.

Es ist damit - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nicht ersichtlich, dass die Erlasslage im Land Hessen die Entscheidungsstrukturen in einer Weise determiniert hat, dass das Vorgehen im Hilfefall nicht mehr ein vom Jugendamt bestimmtes jugendhilferechtliches Verfahren war.

Im Zeitpunkt der Unterbringung der Kinder und Jugendlichen in K. durch das Jugendamt der Stadt F. konnte dieses im Übrigen nicht zwingend davon ausgehen, die Kosten für die Unterbringung in K. würden von der HGU getragen. Denn die HGU erbrachte ihre Leistung nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt wurden, die nicht allein in Händen des Jugendamtes der Stadt F. lagen. So war Voraussetzung für die Kostenerstattung die unverzügliche Stellung eines Asylantrages durch einen Pfleger oder Vormund, zu dem das Amtsgericht K. nicht das Jugendamt der Stadt F. bestimmen musste. Wurde ein Asylantrag nicht gestellt, schied eine Kostenerstattung seitens der HGU aus. In diesen Fällen musste das Jugendamt der Stadt F. die Kosten tragen.

Bei der seinerzeit großen Anzahl der auf dem Flughafen F. angekommenen, unbegleitet eingereisten, ausländischen Kinder und Jugendlichen erweist sich die standardisierte Unterbringung in eine darauf spezialisierte Einrichtung auch nicht als Verstoß gegen die Pflicht des Jugendamtes, eine auf den einzelnen jungen Menschen zugeschnittene individuelle Hilfe zu erbringen. Diese Kinder und Jugendlichen bedurften zunächst der Versorgung, die das Jugendamt der Stadt F. unabhängig von einer Kostenübernahmeerklärung der HGU mit der Unterbringung in K. leistete. Erst nach Erfüllung dieser elementaren Bedürfnisse konnte es sich den speziellen Bedürfnissen des jeweiligen Minderjährigen widmen.

Eine Einbeziehung der HGU in den jugendhilferechtlichen Entscheidungsprozess ist auch dem Erlass des Hessischen Ministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit vom 26.10.1994 nicht zu entnehmen. In diesem Erlass wird die Einstellung der (finanziellen) Leistungen nach dem Landesaufnahmegesetz des Landes Hessen ab dem 15.1.1995 zwar mit der Erklärung verknüpft, für Minderjährige, denen bisher Leistungen nach dem Gesetz über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge vom 15.10.1980 (GVBl. I S. 384), geändert durch Gesetz vom 22.12.1993 (GVBl. I S. 710) - Landesaufnahmegesetz - gewährt worden seien, sei der Antrag auf Kostenerstattung für die Zeit ab dem 1.12.1994 beim überörtlichen Träger der Sozialhilfe zu stellen. Dies kann aber nicht dahingehend verstanden werden, dass unmittelbare Anspruchsbeziehungen zwischen der HGU und den Minderjährigen bzw. den Personensorgeberechtigten derselben bestanden. Das Landesaufnahmegesetz begründete lediglich eine Kostenerstattungspflicht des Landes gegenüber den Landkreisen und Gemeinden für die notwendigen Aufwendungen, die diesen durch die Aufnahme und Unterbringung von Ausländern entstanden. Art und Inhalt von Rechtsbeziehungen zu den (minderjährigen) Ausländern regelte dieses Gesetz gerade nicht. Demzufolge stellte auch der Erlass vom 28.2.1992 - IV A 4 - 58 a 06/92 - des Hessischen Ministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit klar, dass die Erstattungspflicht der HGU alle Aufwendungen der Landkreise und Gemeinden nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz umfasste. Vorliegend waren dies die Aufwendungen, die durch die vom Jugendamt der Stadt F. veranlassten Maßnahmen entstanden.

Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob das jugendhilferechtliche Verfahren angesichts der beschriebenen Einschaltung der HGU in voller Übereinstimmung mit dem JWG oder dem SGB VIII stand. Soweit das Jugendamt der Stadt F. - wie hier - von Anfang an und fortdauernd die Kinder oder Jugendlichen betreute, unterscheidet sich der Ablauf im Bereich der pädagogischen Jugendhilfe in seiner für die Charakterisierung der Maßnahme entscheidenden Grundstruktur jedenfalls nicht von den Fällen, in denen die Kosten zunächst vom Jugendamt getragen und anschließend diesem von Dritter Seite erstattet werden.

Die sonach gegebene Jugendhilfe wurde dem T. seitens des Jugendamtes der Stadt F. innerhalb eines Monats nach der Einreise gewährt. (Wird ausgeführt.)

4. T. war seit der Entscheidung zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung im Jugendwohnheim des A. auch ununterbrochen Jugendhilfe zu gewähren. Deshalb war die Verpflichtung zur Kostenerstattung nicht nach § 89 d Abs. 3 SGB VIII zwischenzeitlich entfallen.

Absatz 3 regelt nach seinem Wortlaut in Anlehnung an § 108 Abs. 5 BSHG, vgl. dazu die Regierungsbegründung zum SGB VIII F. 1993 in BT-Drucks. 12/2866, S. 25, dass die Kostenerstattungspflicht erst endet, wenn die Notwendigkeit der Gewährung von Jugendhilfe entfällt. Damit knüpft er an die zuvor die Kostenerstattung zwischen Jugendhilfeträgern normierenden Vorschriften der §§ 97 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts vom 26.6.1990 (BGBl. I S. 1163) - KJHG - sowie 83 JWG an, die § 108 Abs. 5 BSHG jeweils für entsprechend anwendbar erklärten.

Es ist deshalb nicht entscheidend, ob für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Hilfe nicht gewährt wurde, sondern ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Hilfegewährung nach dem JWG, dem KJHG bzw. dem SGB VIII F. 1993 objektiv nicht vorgelegen haben.

Stähr, in: Hauck / Noftz, SGB VIII, Stand: August 2001, § 89 d Rdnr. 22; Kraushaar, in: Fieseler / Schleicher, GK-SGB VIII, Stand: Sept. 2001, § 89 d Rdnr. 26; Jans / Happe / Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, Stand: Juni 2001, KJHG Erl. Art. 1 § 89 d Rdnr. 24; Schoch, in LPK-BSHG, 5. Auflage 1998, § 108 Rdnr. 35; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 14. Auflage 1993, § 108 Rdnr. 24 f.

T. hatte einen Jugendhilfebedarf, der zumindest durch eine Inobhutnahme zu befriedigen gewesen wäre. Als minderjähriges Kind, dessen Eltern sich nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, benötigte er Obdach und Versorgung, war vor Gefahren für sein Wohl zu schützen und bedurfte der Förderung seiner Entwicklung und der Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.

II. § 89 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII F. 1993 steht dem Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen.

Nach dieser Vorschrift sind nur die Kosten zu erstatten, die im Rahmen der den Vorschriften des SGB VIII entsprechenden Erfüllung der Aufgaben, d.h. bei der rechtmäßigen Anwendung der Vorschriften des SGB VIII, entstanden sind. Die Erstattungspflicht besteht danach nur, soweit die zugrundeliegende Maßnahme den materiell-rechtlichen Vorschriften entspricht. Im Übrigen besteht kein Kostenerstattungsanspruch des tätig gewordenen Trägers.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.8.1998 - 16 A 3477/97 -, NWVBl. 1999, 144, 145 f.; Wiesner, in: Wiesner / Mörsberger / Oberloskamp / Struck, SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe, 2. Auflage 2000, § 89 f Rdnr. 4.

Dem Minderjährigen T. wurden im Jugendwohnheim A in der Zeit vom 1.4.1993 bis zum 23.12.1993 Jugendhilfeleistungen in Form der Hilfe zur Erziehung einschließlich ergänzender Leistungen (§§ 27, 34, 39 und 40 SGB VIII) und in der Zeit vom 24.12.1993 bis 28.2.1995 Jugendhilfeleistungen in der Form der Hilfe für junge Volljährige einschließlich ergänzender Leistungen (§§ 27 Abs. 3, 39, 41 SGB VIII) in Übereinstimmung mit dem materiellen Jugendhilferecht gewährt.

1. Die Jugendhilfe wurde mit Zustimmung des Vormundes bzw. auf Antrag des T. erbracht. (Wird ausgeführt.)

2. Der unter dem 11. bzw. 25.7.1990 gestellte Asylantrag stand der Gewährung von Jugendhilfe in der Zeit vom 1.4.1993 bis 28.2.1995 nicht entgegen. Seit Inkrafttreten des SGB VIII F. 1993 war und ist die Anwendung dieses Gesetzes auf Asylbewerber nicht ausgeschlossen.

Vgl. zur damaligen Rechtslage: BVerwG, Urteil vom 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, FEVS 51, 152, 155, unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OVG NRW, Urteil vom 27.8.1998 - 16 A 3477/97 -, NWVBl. 1999, 144, 146, sowie zur heutigen Rechtslage: § 6 Abs. 2 und 4, 86 Abs. 7, 89 d Abs. 1 Satz 3 SGB VIII.

3. T. konnte in der Zeit vom 1.4.1993 bis zum 28.2.1995 auch Jugendhilfe im Sinne des § 6 SGB VIII F. 1993 beanspruchen, weil er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte.

Ob er bereits zuvor einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hatte, bedarf keiner Entscheidung, weil die bei fehlendem gewöhnlichen Aufenthalt gegebene Rechtswidrigkeit der Hilfe zur Erziehung mit der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts entfällt und nicht fortwirkt.

Während des in Rede stehenden Erstattungszeitraums hatte T. seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Stadtgebiet der Klägerin.

Nach § 6 Abs. 2 SGB VIII sowie § 6 Abs. 4 dieses Gesetzes i.V.m. dem Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5.10.1961 - MSA -, dem die Bundesrepublik Deutschland durch Gesetz vom 30.4.1971 (BGBl. II S. 217) beigetreten ist, können Ausländer Leistungen nach dem SGB VIII nur beanspruchen, wenn sie einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründet haben. Dabei tritt § 6 Abs. 2 SGB VIII hinter dem MSA zurück, wenn und soweit ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne dieses Abkommens vorliegt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.1999 - 5 C 28.98 -, FEVS 51, 152, 160.

Dies ist vorliegend der Fall.

Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des MSA ist der Ort zu verstehen, in dem der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person, ihr Daseinsmittelpunkt liegt. Zu fordern ist dafür das Vorhandensein von Beziehungen, insbesondere in familiärer oder schulisch- / beruflicher Hinsicht, in denen - im Vergleich zu einem sonst in Betracht kommenden Aufenthaltsort - der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person zu sehen ist. Dabei ist der Wille, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, nicht maßgeblich, kann aber im Rahmen der Gesamtwürdigung als Indiz für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes herangezogen werden. Außerdem muss der Aufenthalt regelmäßig von einer Dauer sein, die im Unterschied zu dem einfachen oder schlichten Aufenthalt nicht nur gering sein darf. Dies wird bei Anwendung des MSA in Rechtsprechung und Literatur dann angenommen, wenn der Aufenthalt eines Minderjährigen mindestens sechs Monate währte.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.8.1998 - 16 A 3477/97 -, NWVBl. 1999, 144, 146, m.w.N.; Heldrich, in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Auflage 2002, Anh. zu Art. 24 EGBGB Rdnr. 10 m.w.N.

Nach diesen Grundsätzen hatte T. zumindest seit dem 1.4.1993 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Klägerin. (Wird ausgeführt.)

4. Dem geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten der Hilfe zur Erziehung steht ferner nicht entgegen, dass kein förmliches Hilfeplanverfahren nach § 36 Abs. 2 SGB VIII durchgeführt wurde.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG, Urteil vom 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, FEVS 51, 152, 161 f., hat das Fehlen eines schriftlich fixierten Hilfeplans nicht zur Folge, dass der zur Kostenerstattung aufgeforderte Träger mangels Feststellbarkeit der Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe die Erstattung verweigern könnte. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit sei als entscheidend anzusehen, ob die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe auch ohne eine schriftliche Fixierung in einem Hilfeplan festgestellt werden könne.

Unter Zugrundelegung dessen ist festzustellen, dass hier auf Grund der begleitend zur konkreten Hilfe erstellten Unterlagen und Berichte die Notwendigkeit und Geeignetheit dieser Hilfe festgestellt werden kann. (Wird ausgeführt.)

5. Auch die spezifischen Voraussetzungen für die T. nach Eintritt der Volljährigkeit gemäß § 41 SGB VIII F. 1993 geleistete Hilfe waren erfüllt. Er erhielt Hilfe für junge Volljährige, weil sie auf Grund seiner persönlichen Situation zur Persönlichkeitsentwicklung und für eine eigenverantwortliche Lebensführung im Hilfeplanungsteam als notwendig angesehen wurde. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Einschätzung, der die Klägerin gefolgt ist, Fehler aufweist.

III. Ausgeschlossen ist der Anspruch auf Kostenerstattung wegen verfristeter Geltendmachung allerdings in Bezug auf die Leistungen, die ganz für die Zeit vom 1.4.1993 bis 23.9.1993 erbracht wurden, nicht aber hinsichtlich der für die Zeit vom 24.9.1993 bis 28.2.1995 auch nur teilweise erbrachten Leistungen.

Nach § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht.

1. Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X findet auf den Erstattungsanspruch aus § 89 d SGB VIII Anwendung. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 111 Satz 1 SGB X, der den "Anspruch auf Erstattung" ausschließt, und zwar ohne Einschränkung auf bestimmte Erstattungsansprüche oder gar auf diejenigen des Zweiten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB X. Dies wird bestätigt durch den vom Gesetzgeber mit dieser Regelung verfolgten Zweck, der sich aus der Regierungsbegründung, BT-Drucks. 9/95 S. 17, 26, entnehmen lässt. Danach sollen die Regelungen in den §§ 113 bis 120 (nunmehr: §§ 107 bis 114) SGB X für sämtliche Erstattungsansprüche - auch die in den besonderen Teilen dieses Gesetzbuches - gelten.

So auch von Maydell / Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten, Vor §§ 102 - 114 Rdnr. 5; Hauck / Haines, SGB X, Kinder- und Jugendhilfe - Kommentar, § 111 Rdnr. 12; Wiesner, in: Wiesner / Mörsberger / Oberloskamp / Struck, SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe, 2. Auflage 2000, Vor § 89 Rdnr. 13; Heilemann, in: Kinder- und Jugendhilfe, LPK-SGB VIII, 1998, § 89 Rdnr. 3; Jans / Happe / Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, Stand: Juni 2001, KJHG Art. 1 Vorbem. II 89 - 89 h Rdnr. 16; Fieseler / Schleicher, Kinder- und Jugendhilferecht - Gemeinschaftskommentar zum SGB VIII - § 89 f Rdnr. 29; Deutscher Verein, Vorschlag zur Neuregelung der Verjährung von Ansprüchen aus Kostenerstattung im BSHG und SGB VIII, NDV 2002, 7; a.A. wohl Giese / Krahmer, Sozialgesetzbuch I und X, § 111 Rdnr. 5.

2. Die Klägerin hat den Kostenerstattungsanspruch mit einem beim Beklagten am 26.9.1994 eingegangenen Schreiben und damit hinsichtlich der vollständig für die Zeit bis zum Ablauf des 23.9.1993 erbrachten Leistungen nicht binnen zwölf Monaten nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistungen erbracht wurden, geltend gemacht.

Vollständig erbracht in diesem Zeitraum waren die währenddessen erfolgte und nach Tagespflegesätzen abgerechnete Unterbringung, die für konkrete Anlässe gezahlten einmaligen Beihilfen (Schulmaterialien, Weihnachten, Reisen und Fahrten), die nach Bedarf gewährte Krankenhilfe und die monatlich bis einschließlich August 1993 gezahlten Taschen- und Bekleidungsgelder, also Leistungen zu Kosten in Höhe von 13.177,80 Euro (= 25.773,53 DM).

Eine Leistung ist im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X erbracht, wenn die darauf gerichtete Verpflichtung gegenüber dem Hilfeempfänger erfüllt ist. Hierfür kommt es weder auf die Abrechnung noch auf die Zahlung des Entgelts an einen (dritten) Leistungserbringer bzw. die vermögensmäßige Belastung beim Leistungsträger an.

Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 30.3.2000 - 12 A 12373/99 -, ZFSH/SGB 2000, 552, 556; Hauck, Sozialgesetzbuch - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten, Kommentar, § 111 Rdnr. 5.

Der Zeitraum, auf den sich Verpflichtung und Leistung beziehen, ergibt sich in erster Linie aus den gesetzlichen Vorgaben für die Gewährung und aus der Bewilligung. Der für § 111 Satz 1 SGB X beachtliche Leistungszeitraum ist indes bei untypisch langen, d.h. einen Monat überschreitenden Bewilligungszeiträumen, nicht durchweg identisch mit dem jeweiligen Bewilligungszeitraum. Jedenfalls dann, wenn sich aufgrund bestimmter Merkmale (etwa Inhalt des Vertrags zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer) einzelne Abschnitte voneinander trennen lassen, ist bei Anwendung des § 111 Satz 1 SGB X jeweils auf den einzelnen Abschnitt abzustellen. Der dem zugrunde liegende, dem Zweck des § 111 Satz 1 SGB X entsprechende Gedanke der Bildung kürzestmöglicher Leistungszeiträume lässt es desweiteren als ausgeschlossen erscheinen, gegebenenfalls sogar über den Bewilligungszeitraum hinaus zu gehen und an den Zeitraum von Beginn der Hilfe zur Erziehung bis zu deren Ende anzuknüpfen. Nach dem Zweck des § 111 SGB X soll der Erstattungspflichtige zum einen in kurzer Zeit nach der Leistungserbringung durch den Erstattungsberechtigten wissen, welche Ansprüche auf ihn zukommen und ob er entsprechende Rückstellungen veranlassen muss. Zum anderen dient die Frist der raschen Abwicklung des Erstattungsverfahrens.

So auch BSG, Urteil vom 28.11.1990 - 5 RJ 50/89 -.

Jedes dieser Ziele kann nur erreicht werden, wenn mit dem Geltendmachen des Anspruchs seitens des Erstattungsberechtigten nicht bis zur Beendigung der Jugendhilfe, die unter Umständen über Jahre gewährt werden muss, zugewartet werden darf.

Nach diesen Grundsätzen wurde die seitens des A. im Rahmen der Heimerziehung oder Erziehung in einer sonstigen betreuten Wohnform geleistete Unterbringung, einschließlich der Erziehung für den einzelnen Tag erbracht.

Die Unterbringung des T. wurde weder auf Grund gesetzlicher Bestimmung noch durch (einen) Bewilligungsbescheid(e) zeitabschnittsweise begrenzt. Eine zeitliche Zäsur ergibt sich aus dem SGB VIII nur insoweit, als die Hilfe zur Erziehung höchstens bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Kindes oder Jugendlichen gewährt werden kann. Für eine Unterteilung der Hilfe zur Erziehung in eine zeitabschnittsweise Gewährung ergeben sich daraus aber keine Anhaltspunkte. Eine vertragliche Vereinbarung, nach der die Unterbringungsleistung seitens des A. jeweils für bestimmte Zeiträume zu erbringen war, gab es zwischen der Klägerin, A. und dem Vormund des T. ebenfalls nicht. Allerdings bestand zwischen der Klägerin und A. Einvernehmen darüber, die Unterbringungskosten für T. nach Tagespflegesätzen zu berechnen. Tagespflegesätze sind die Entgelte für die Leistungen der Einrichtung, die diese binnen eines Zeitraums von einem Tag regelmäßig erbringt. Die Vertragsparteien haben demnach die vereinbarte Leistung der Unterbringung, einschließlich Erziehung des T. als jeweils für den Tag erbracht angesehen. Dass diese monatlich in Rechnung gestellt wurde, macht sie mangels anderslautender konkludenter oder ausdrücklicher Bewilligungsbescheide nicht zu einer Leistung, die nur für monatliche Zeiträume erbracht wird. Das wird bestätigt dadurch, dass die Jugendhilfe dem Grundsatz nach eine am konkreten Bedarf orientierte, mit der Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt, wie sie im Rahmen der Sozialhilfe erfolgt, vergleichbare Leistung ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1981 - 5 C 56.80 -, FEVS 31, 89, 93.

Diese Leistung unterliegt - ebenso wie die Sozialhilfe - dem Nachrangprinzip (§ 10 Abs. 1 SGB VIII), mit der Folge, dass die Voraussetzungen für ihre Bewilligung auf der Grundlage der jeweils bestehenden Verhältnisse, die sich ändern können, zeitabschnittsweise immer wieder vom Träger der Jugendhilfe zu prüfen sind. Nur bei Fortbestand der bei der vorangegangenen Gewährung gegebenen Verhältnisse wird die konkrete Jugendhilfemaßnahme in gleicher Art für den nachfolgenden Zeitabschnitt erbracht. Ergeben sich hingegen Änderungen, wird nur im Rahmen des neuen Bedarfs geleistet. Zur aktuellen Feststellung dieses Bedarfs dient auch das Hilfeplanverfahren (§ 36 SGB VIII), mit dessen Sinn und Zweck sich die einmalige Gewährung eines Maßnahmenpaketes im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung oder Eingliederungshilfe nur schwer vereinbaren ließe. Das Hilfeplanverfahren hat allgemein einen Hilfefall und nicht eine konkrete Maßnahme der Hilfe zur Erziehung oder der Eingliederungshilfe zum Gegenstand. Art und Umfang der Maßnahme gilt es erst im Hilfeplanverfahren zu ermitteln. Diesbezügliche notwendige Änderungen im Rahmen der konkret erforderlichen Leistungen sollen gerade jederzeit möglich sein.

Hinsichtlich der für die Zeit vom 1.4.1993 bis zum 23.9.1993 vollständig erbrachten Leistungen wurde der Beginn der Ausschlussfrist auch nicht durch eine spätere Entstehung des Erstattungsanspruchs hinausgeschoben. Der Erstattungsanspruch des § 89 d SGB VIII F. 1993 entsteht in dem Zeitpunkt, in dem seine Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Diese sind: Gewährung von Jugendhilfe innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII F. 1993, der im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 89 d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII F. 1993). Die Kenntnis, wer der Erstattungspflichtige, hier der zuständige überörtliche Träger der Jugendhilfe, ist und dass dieser ein Eintreten abgelehnt hat, zählt nicht zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 89 d SGB VIII F. 1993.

Das Fehlen dieser Kenntnis steht dem Lauf der Ausschlussfrist auch nicht nach § 111 Satz 2 SGB X entgegen. Nach dieser gemäß § 120 Abs. 2 SGB X auch auf die Fälle anzuwendenden Vorschrift, die am 1.6.2000 noch nicht abschließend entschieden waren, beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt. Damit setzt diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut zwei Tatsachen voraus. Der erstattungspflichtige Leistungsträger muss über seine Leistungspflicht befunden haben und der erstattungsberechtigte Leistungsträger muss von dieser Entscheidung und damit zwangsläufig auch von der Identität des erstattungspflichtigen Leistungsträgers Kenntnis erlangt haben. Da der Beklagte vor der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch die Klägerin über ein Eintreten nicht entschieden hatte, darüber auf Grund fehlender Kenntnis seiner Bestimmung zum zuständigen überörtlichen Träger der Jugendhilfe durch das Bundesverwaltungsamt nicht einmal entscheiden konnte, könnte nach dem Wortlaut dieser Vorschrift in den Fällen des § 89 d SGB VIII die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X vor der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch den Erstattungsberechtigten nicht zu laufen beginnen und damit niemals im Zeitpunkt der Geltendmachung abgelaufen sein. Diese Überlegung führt dazu, als einen erstattungspflichtigen Leistungsträger im Sinne des § 111 Satz 2 SGB X nur eine Stelle anzusehen, die im konkreten Fall als Leistungsträger in Betracht kommt. Das ist der Beklagte nicht. Leistungsträger ist nach § 12 SGB I nur der Träger öffentlicher Verwaltung, der Sozialleistungen an den diese begehrenden Bürger erbringt. Hinsichtlich des Bedarfs, der zu den für das Kostenerstattungsbegehren ursächlichen Leistungen geführt hat, kam als Leistungsträger der Beklagte als überörtlicher Träger der Jugendhilfe nach § 89 d SGB VIII niemals in Betracht. Zu einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem die Jugendhilfe nachfragenden T. bzw. seines Personensorgeberechtigten konnte es schon im Ansatz nicht kommen.

Diese Auslegung des § 111 Satz 2 SGB X korrespondiert mit dem Sinn und Zweck der Norm. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Ausschlussfrist in den Fällen nicht zu laufen beginnen, in denen der erstattungsberechtigte Träger wegen fehlender Kenntnis von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Trägers gegenüber dem Leistungsempfänger bei einer mit Entstehung des Erstattungsanspruchs laufenden Frist gegebenenfalls keine Möglichkeit hat, diesen Anspruch binnen Jahresfrist geltend zu machen. So verwies die Bundesregierung beispielhaft auf die rückwirkend durch einen Träger der Unfallversicherung bewilligte Versichertenrente für eine Arbeitslosenhilfeempfängerin, von der der erstattungsberechtigte Leistungsträger, die Bundesanstalt für Arbeit, erst nach Ablauf eines Jahres seit seiner Hilfeleistung Kenntnis erhielt.

Vgl. BT-Drucks. 14/4375, S. 60.

Bei dem Kostenerstattungsanspruch des § 89 d SGB VIII zwischen dem die Jugendhilfeleistung erbringenden örtlichen Träger der Jugendhilfe und dem vom Bundesverwaltungsamt zwecks Herbeiführung eines Finanzausgleichs bestimmten überörtlichen Träger der Jugendhilfe findet sich eine solche parallel bestehende Zuständigkeit zweier Sozialleistungsträger bei der Erbringung von sich gegenseitig ausschließenden Sozialleistungen nicht.

3. Hinsichtlich der für die Zeit vom 24.9.1993 bis 28.2.1995 ganz oder auch nur teilweise erbrachten Leistungen wurde der Kostenerstattungsanspruch von der Klägerin rechtzeitig geltend gemacht.

Der 24.9.1994 war ein Samstag, so dass die Frist gemäss § 26 SGB X i.V.m. § 193 BGB am Montag, den 26.9.1994 ablief. Diese Frist hat die Klägerin eingehalten.

Mit dem beim Beklagten am 26.9.1994 eingegangenen Schreiben hat sie unmissverständlich die Erstattung der ihr entstandenen Kosten für die dem T. geleistete Hilfe zur Erziehung gefordert, in dem sie den Beklagten um Anerkennung seiner Kostenerstattungspflicht ab dem 1.4.1993 und damit sowohl für bereits erbrachte als auch für zukünftige Jugendhilfeleistungen bat. Die Geltendmachung zukünftiger Erstattungsansprüche begegnet bei wiederkehrenden Leistungen keinen Bedenken.

So auch BSG, Urteil vom 22.8.2000 - B 2 U 24/99 R -, FEVS 52, 145, 147, sowie Urteil vom 6.4.1989 - 2 RU 34/88 -, BSGE 65, 27, 30; Giese / Krahmer, Sozialgesetzbuch, Stand: März 2001, § 111 Rdnr. 6; Pickel, SGB X, Stand: Februar 2002, § 111 Rdnr. 29; Hauck, SGB X/3, Stand: Dezember 2000, § 111 Rdnr. 3a; Grüner, Verwaltungsverfahren (SGB X), Stand: Oktober 1996, § 111 Anm. III 5.

Einer gesonderten Geltendmachung des die Hilfe für junge Volljährige betreffenden Kostenerstattungsanspruchs bedurfte es jedenfalls deshalb nicht, weil der Beklagte bereits mit Schreiben vom 1.12.1994 und damit innerhalb von 12 Monaten die Kostenerstattung für die ab dem 24.12.1993 gewährte Hilfe für junge Volljährige dem Grunde nach ablehnte.

Ende der Entscheidung

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