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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 21.01.2003
Aktenzeichen: 12 A 5381/00
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
Auch bei der sog. Stufenklage fällt der Hilfsantrag, über den das VG nicht zu entscheiden brauchte, allein durch die erfolgreiche Rechtsmitteleinlegung hinsichtlich des Hauptantrages automatisch in der Berufungsinstanz an, ohne dass es eines auf ihn bezogenen Zulassungsantrages oder -grundes bedarf.
Tatbestand:

Die Kläger beantragten im Januar 1996 beim Beklagten als örtlichem Träger der Sozialhilfe die Gewährung einer einmaligen Beihilfe zur Anschaffung einer Waschmaschine als Leistung nach dem Asybewerberleistungsgesetz. Der Beklagte lehnte den Antrag ab und wies auch den dagegen eingelegten Widerspruch der Kläger durch Widerspruchsbescheid zurück. Mit der Klage machten die Kläger u.a. geltend, der Beklagte sei für den Erlass des Widerspruchsbescheides nicht zuständig, weil es sich bei der Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht um eine Selbstverwaltungsaufgabe handele. Die Kläger beantragten, 1. den Widerspruchsbescheid aufzuheben, 2. den Beklagten im Wege der Untätigkeitsklage zu verpflichten, ihnen eine ergänzende Beihilfe zur Beschaffung einer Waschmaschine zu bewilligen. Das VG wies die Klage ab. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hatte Erfolg.

Gründe:

Die Berufung ist aus dem in § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Grund zuzulassen. Die vom VG im Zusammenhang mit dem Klageantrag zu 1., den Widerspruchsbescheid aufzuheben, bejahte Rechtsfrage, ob die Gemeinden bei der ihnen übertragenen Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes in einer Selbstverwaltungsangelegenheit handeln und deshalb der Beklagte nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO auch für den Erlass des Widerspruchsbescheides zuständig war, ist offen und bedarf der Klärung in einem Berufungsverfahren.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Klageantrages zu 2. ist eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung nicht veranlasst. Dieses Begehren verfolgen die Kläger in zulässiger Weise nur für den Fall, dass ihr Klageantrag zu 1. Erfolg hat. Denn die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten zur Hilfegewährung ausdrücklich "im Wege der Untätigkeitsklage" und geben damit zu erkennen, dass über diesen Anspruch erst nach Aufhebung des Widerspruchsbescheides entschieden werden soll. Rechtliche Bedenken gegen diese eventuelle Klagehäufung bestehen nicht (§ 44 VwGO). Dass mehrere Ansprüche mit einer Klage in der Weise verfolgt werden können, dass ein weiteres Begehren für den Fall des Erfolgs des ersten Antrages erhoben wird ("uneigentliche Antragshäufung", "Stufenklage"), ist anerkannt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.7.1984 - 5 S 1850/83 -, NVwZ 1985, 351; Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Aufl. 2000, § 44 Rdnr. 1; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 44 Rdnr. 1). Ebenso wie bei der sog. eigentlichen Anspruchshäufung fällt auch bei der sog. Stufenklage der Hilfsantrag, über den das VG nicht zu entscheiden brauchte, allein durch die erfolgreiche Rechtsmitteleinlegung der Kläger hinsichtlich des Hauptantrages automatisch in der Berufungsinstanz an, ohne dass es eines auf ihn bezogenen Zulassungsantrages oder -grundes bedarf (vgl. zum "umgekehrten" Fall des Erfolgs des Hauptantrages in der ersten Instanz bei "eigentlichem" Haupt- und Hilfsantrag: Seibert, in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juli 2000, § 124 a Rdnr. 167; BVerwG, Beschluss vom 5.6.1998 - 9 B 469.98 -, NVwZ 1999, 642, jeweils m.w.N.; vgl. hierzu auch: Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 44 Rdnr. 5). Da nach dem gestuften Begehren der Kläger vorrangig über den Klageantrag zu 1. zu entscheiden ist und das VG die Klage hinsichtlich dieses Antrages abgewiesen hat, hat der Senat - im Berufungsverfahren - über den Klageantrag zu 2. erst zu entscheiden, wenn sich herausstellen sollte, dass die Klage mit dem Antrag zu 1. Erfolg hat.

Aus den Besonderheiten der "Stufenklage" ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zwar verfolgen die Kläger im Unterschied zur "eigentlichen Anspruchshäufung" nicht nur einen der beiden Ansprüche, sondern von vornherein beide Ansprüche. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die geltend gemachten Ansprüche zueinander - ebenso wie bei der "eigentlichen Anspruchshäufung" - in einem Eventualverhältnis stehen, indem der zweite Antrag ggf. nur nach Entscheidung über den ersten Antrag rechtshängig werden soll.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das VG die Klage zu Unrecht als "insgesamt" auf die Bewilligung der erstrebten Beihilfe gerichtete Verpflichtungsklage aufgefasst und deshalb auch über den mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachten Anspruch entschieden hat. Dies führt nicht dazu, dass der Klageantrag zu 2. bereits vor einer stattgebenden Entscheidung über den Antrag zu 1. rechtshängig ist.

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