Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 30.12.2004
Aktenzeichen: 13 A 1250/04.A
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 53 Abs. 6 Satz 1
Eine wegen unzureichender Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland befürchtete Verschlechterung des Gesundheitszustandes einer ausreisepflichtigen Kosovo-Albanerin, die an einer - auf Kriegserlebnisse wie schwerer Beschuss, Vertreibung, Tötung von Landsleuten, Vergewaltigung u. a. zurückgeführten - posttraumatischen Belastungsstörung mit schwerer depressiver Episode leidet, erfüllt nicht die Anforderungen an ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (Fortführung der Rechtsprechung des Senats durch Beschluss vom 16.12.2004 - 13 A 4512/03.A -, zur Veröffentlichung bestimmt).
Gründe:

I.

Die Klägerin ist albanische Volkszugehörige moslemischen Glaubens aus dem Kosovo (letzter Wohnort: Ferizaj) und reiste im Mai 1999 zusammen mit drei Kindern nach Deutschland ein, wo sie unter dem 19. Mai 1999 die Anerkennung als Asylberechtigte beantragte. Ihr erstmals im April 1992 in das Bundesgebiet eingereister und im Juli 1996 erneut zugezogener Ehemann war mit seinem Asylbegehren (im März 1997) erfolglos, erhielt im März 1999 eine Duldung und stellte ebenfalls im Mai 1999 einen Asylfolgeantrag.

In der Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) gab die Klägerin an: Sie habe Ferizaj am 25. März 1999, einen Tag nach Beginn der NATO-Angriffe, verlassen und sei zu Verwandten und Bekannten gegangen. Als sie nach zwei Wochen zurückgekehrt seien, habe ihr Haus nicht mehr gestanden. Probleme mit der Polizei hätten sie nicht gehabt; es habe aber in der Heimat keine Sicherheit mehr gegeben; allein wegen dieser Situation seien sie ausgereist. Einen Monat später hätten sie nach Makedonien flüchten wollen, wo sie jedoch zurückgewiesen worden seien. Mit ihren Schwiegereltern seien sie dann nach Albanien geflüchtet. An der dortigen Grenze seien sie zunächst abgewiesen worden. Sie habe den Grenzern ihr Anliegen nach Rettung erklärt, sie angeschrieen und letztlich die albanischen Grenzpolizisten zur Seite geschoben und mit ihren Kindern die Grenze überschritten; die übrigen Flüchtlinge seien gefolgt. Ihr Schwager habe dann von dort aus ihre Weiterreise nach Deutschland organisiert.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. November 1999 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und § 53 AuslG nicht vorliegen und drohte die Abschiebung nach Jugoslawien (Kosovo) an.

Nach Bestandskraft dieses Bescheids gaben die Klägerin und ihr Ehemann vor der Ausländerbehörde auf den Hinweis auf ihre Ausreisepflicht mehrfach an, zur freiwilligen Ausreise nicht bereit zu sein. Am 26. Juni 2000 erklärten sie jedoch, im September des Jahres auf dem Luftweg ausreisen zu wollen. Die Geburt eines vierten Kindes der Klägerin im August 2000 verhinderte die Ausreise. Nach Informierung der Klägerin und ihres Ehemannes durch die Beratungsstelle der Ausländerbehörde zeigten sie schließlich u. a. auch angesichts einer Erkrankung eines Kindes keine Ausreisebereitschaft mehr, was der Ehemann nach Ankündigung der Abschiebung im Juli 2001 vor der Ausländerbehörde erneut bekräftigte. Ein von ihnen eingeschalteter Rechtsanwalt wies im Juli 2001 lediglich auf die mit einer Rückführung der Familie verbundene Härte für die Kinder hin. Die seinerzeit bereits eingeleitete Abschiebung der Familie wurde sodann wegen Erkrankung eines Kindes zurückgestellt. U. a. vor dem Hintergrund wurde die der Klägerin durchgängig erteilte Duldung bis April 2002 verlängert. Unter dem 3. April 2002 erging die Ankündigung der Abschiebung der Familie zum 2. Mai 2002, wovon die seinerzeit bevollmächtigten Rechtsanwälte der Klägerin und ihres Ehemannes in Kenntnis gesetzt wurden. Am 15. April 2002 legte der Ehemann der Klägerin der Ausländerbehörde ein Gutachten des Psychotherapeuten Dr. B. -K. vom 5. April 2002 vor, wonach die Klägerin Opfer serbischer Gewalttaten geworden sei, von denen sie bisher nichts berichtet habe, und an einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit schwerer depressiver Symptomatik leide. Daraufhin wurde die eingeleitete Abschiebung gestoppt.

Am 18. April 2002 stellte die Klägerin - für sich und die älteste Tochter - einen Asylfolgeantrag mit der Begründung, sie sei, wie durch das Gutachten vom 5. April 2002 belegt, psychisch krank; sie werde von Rechtsanwalt O. vertreten. Im zugehörigen Statement gleichen Datums trug sie vor: Im Kosovo hätten sie seitens der Polizei großen Druck gehabt, weil ihr Mann LDK-Mitglied gewesen sei. Die Polizei habe ihn zur Polizeiwache mitgenommen und verprügelt. Nach der Flucht ihres Mannes nach Deutschland habe die Polizei bei ihnen nach Waffen gesucht und ihren Bruder und ihren Vater malträtiert. Während des Krieges hätten alle wegen des Beschusses ihre Häuser verlassen. Sie hätten aber keinen Schutz vor dem Krieg finden können. Sie hätten massakrierte Leichen gesehen; wer sich nicht habe fügen wollen, sei von der Polizei umgebracht worden. Das Schlimmste für sie sei gewesen, dass sie mit vier Frauen von ihrer Gruppe getrennt und in einem Haus von einem Polizisten vergewaltigt worden sei. Das sei für sie der tragischste Fall und das Unvorstellbarste im Leben; sie habe sich das Leben nehmen wollen, weil es für sie nie wieder ein normales Leben geben würde. Bei Ankunft in Deutschland habe sie gedacht, alles vergessen zu können und niemandem ein Wort davon zu erzählen, doch nach drei Monaten habe sie es ihrem Mann erzählt. Sie habe Angst, dass er seine verständnisvolle Meinung nach Rückkehr in den Kosovo ändern könnte. Ihr körperlicher und psychischer Zustand verschlimmere sich immer mehr; ohne es zu wollen, sei für sie die Zeit gekommen, alles Erlebte erzählen zu müssen. Sie brauche dringend Hilfe.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2002 lehnte das Bundesamt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab, stellt das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 53 AuslG fest und drohte die Abschiebung nach Jugoslawien (Kosovo) an.

Hierauf hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie zunächst eine "veränderte Verfolgungslage im Heimatland" geltend gemacht und sodann ein im Auftrag der Ausländerbehörde erstelltes nervenfachärztliches Gutachten der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T. -N. vom 17. September 2002 sowie eine fachärztliche Bescheinigung des sie behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. I. vom 16. Juni 2003 vorgelegt hat, die beide eine Posttraumatische Belastungsstörung der Klägerin auf Grund von Kriegserlebnissen feststellen und eine psychotherapeutische Behandlung für erforderlich halten.

Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides des Bundesamtes vom 12. Juni 2002 zu verpflichten, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und bei ihr ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festzustellen.

Die Beklagte hat unter Hinweis darauf, dass die von der Klägerin benötigte medikamentöse und begleitende supportive Gesprächstherapie auch im Kosovo möglich sei, Klageabweisung beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat gemäß Beschluss vom 5. August 2003 Beweis erhoben über das Vorliegen einer psychischen Erkrankung der Klägerin, der Art und Behandlungsnotwendigkeit der Krankheit sowie der Folgen unterbliebener Behandlung durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der Prof. Dr. G. und Dipl.-Psych. X. vom 17. Oktober 2003 verwiesen.

Sodann hat das Verwaltungsgericht durch das angefochtene Urteil die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verpflichtet, bei der Klägerin ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festzustellen.

Hiergegen hat die Beklagte nach entsprechender Zulassung Berufung erhoben, mit der sie vorträgt: Das Netz medizinischer Anstalten (spezieller Krankenhäuser, Polikliniken und Ambulanzen) in Serbien und/oder Montenegro biete hinreichend Therapiemöglichkeiten bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Traumata. Dass der Standard in diesen Einrichtungen hinter demjenigen in Deutschland zurück bleibe, sei unerheblich, da ein Ausländer auf den Standard in seinem Heimatland zu verweisen sei.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist unter Bezugnahme auf Berichte der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und der Fachärztin Dr. T1. -N1. auf die hohe Zahl Traumatisierter im Kosovo und dort fehlende adäquate Behandlungsmöglichkeiten hin und trägt ferner vor: Die Frage, ob Traumatisierte zur Behandlung an ihre vormaligen Peiniger verwiesen werden könnten, stelle sich nach den eingeholten einzelfallbezogenen Gutachten nicht mehr. Der Senat erkenne Traumatisierte als "Sperrgruppe" für den Schutz nach § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, der nur über § 54 AuslG geholfen werden könne, nicht an. Die gegenteilige Ansicht des Bundesamts sei verfassungsrechtlich unhaltbar. Die Menschenwürde gebiete, alles zu vermeiden, wodurch die persönliche Integrität des vulnerablen Menschen zerstört werde. Im Falle klassischer psychischer Traumata und unterbliebenem Schutz nach § 54 AuslG blieben die Betroffenen bei Abschiebung in Länder mit unzureichender Gesundheitsversorgung schutzlos. Zum Schutz auf körperliche Unversehrtheit gehöre nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die Erhaltung der körperlich determinierten seelischen Zustände und die Freiheit von Angstzuständen und Deformationen der psychischen Struktur des Menschen. Faktisch würden u. a. wegen Suizidgefahr in Therapie befindliche Menschen den Schutz der Therapie im "geschützten und angstfreien Raum" verlieren und neue Angstsyndrome erzeugt, die den Therapieerfolg in Frage stellten und langfristig den Menschen verzehrten. Mit Blick auf Art. 1 und 2 GG habe die deutsche staatliche Gewalt die Menschenwürde zu achten und sich schützend vor die Rechtsgüter gegen Beeinträchtigung durch Dritte zu stellen. Verfassungsrechtlich unhaltbar sei es, Betroffenen aus Heimatländern mit geringem medizinischem Standard einen Anspruch auf Behandlung auf höherem Niveau nicht zuzuerkennen.

Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Sache ausgeschrieben ist, es wegen des eingeholten ärztlichen Gutachtens eines persönlichen Eindrucks des Senats vom Gesundheitszustand der Klägerin nicht bedarf und es entscheidend auf die Bewertung der vorliegenden Erkenntnisquellen über die Behandelbarkeit der Erkrankung der Klägerin im Abschiebungszielland ankommt. Die Beteiligten sind zu dieser Entscheidungsweise gehört worden.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete Berufung ist begründet.

Die Klägerin hat unter dem 18. April 2002 zwar einen uneingeschränkten Asylfolgeantrag, also nicht, wie nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils vom Verwaltungsgericht offenbar angenommen, einen allein auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG gerichteten Antrag gestellt, den das Bundesamt umfassend hinsichtlich des Asylbegehrens und des Abschiebungsschutzbegehrens beschieden hat. Auch mit ihrer Klage hat die Klägerin nicht nur Abschiebungsschutz, sondern auch ein weiteres Asylverfahren begehrt. Soweit jedoch das Verwaltungsgericht ohne Auseinandersetzung mit dem asylrechtlichen Klagebegehren die Klage im Übrigen, d. h. soweit sie das Asylbegehren und anderweitigen Abschiebungsschutz als nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG betrifft, abgewiesen hat, ist dieser Teil der Klage nicht Gegenstand der Berufung der Beklagten.

Das Verwaltungsgericht hat der Verpflichtungsklage auf Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG auf der Regelungsgrundlage des Wiederaufgreifens des Verfahrens zu Unrecht stattgegeben. Insoweit ist der Ablehnungsbescheid des Bundesamts vom 12. Juni 2002 nebst Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen direkten Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (1.) noch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Widerruf oder Rücknahme des Erstbescheids und auf einen Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zuerkennenden Zweitbescheid (2.).

Die Anwendung dieser Vorschrift ist in Fällen der vorliegenden Problematik - auch wenn psychische Erkrankungen von ausreisepflichtigen Ausländern umgekehrt proportional zur Lageverbesserung im Kosovo zahlenmäßig ansteigend gleichsam zu einem "Massenphänomen" angewachsen sind und heute die weitaus größte Zahl der Asylstreitigkeiten des Senats ausmachen - nicht durch §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG gesperrt. Denn die hier geltend gemacht Gefahr einer Gesundheitsverschlimmerung im Heimatland ist nach der Rechtsprechung des Senats von individueller Art, die unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Erkrankung des Ausländers, den ihn im Heimatland erwartenden Gegebenheiten und Zumutbarkeitserwägungen mit Individualbezug zu beurteilen ist. Die Unterschiedlichkeit dieser Beurteilungskriterien bei den betreffenden ausreisepflichtigen Ausländern ist so groß und der Individualbezug so stark, dass allein die Gefahr der Verschlimmerung einer Krankheit - auch einer psychischen - als maßgebliches Abgrenzungskriterium einer Zahl von in etwa in vergleichbarer Situation befindlicher Menschen von einer anderen Zahl von Menschen und damit für eine Gruppenbildung im Sinne der Rechtsprechung

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 5/01 -, NVwZ 2002, 101,

nicht ausreicht.

Nachdem das Bundesamt durch Bescheid vom 25. November 1999, der als bestandskräftiger Verwaltungsakt nach wie vor Bindungswirkung für die Ausländerbehörde entfaltet, das Begehren der Klägerin auf Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG abgelehnt hat, kommt auf den Asylfolgeantrag der Klägerin eine neue, die Bestandskraftwirkung und die Bindungswirkung für die Ausländerbehörde aus dem früheren Bescheid beseitigende Entscheidung des Bundesamts - auch - zum Abschiebungsschutz verwaltungsverfahrensrechtlich nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne vorliegen.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 -, NVwZ 2000, 940; VGH BW, Beschluss vom 19. Januar 1999 - A 9 S 50/99, VBlBW 1999, 232; GK-AsylVfG, Stand 9. 2003, § 71 Rdn. 210 ff.

Daran ändert nichts, dass nach dem Bundesverwaltungsgericht

Vgl. BVerwG, Urteil vom 7 September 1999 - 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204 ff., worauf BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2000 - 2 BvR 1989/97 -, NVwZ 2000, 907, Bezug nimmt,

die durch § 51 Abs. 5 VwVfG gesetzlich anerkannte, grundsätzlich im Behördenermessen stehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens - außerhalb des durch § 71 Abs. 1 AsylVfG gesetzten Rahmens des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG - für ein Begehren auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nicht ausgeschlossen ist. Denn dadurch wird lediglich eine eingeschränkte Anwendung der Wiederaufgreifensregelungen auf § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG verneint und neben den direkten Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses schon im Wege des Wiederaufgreifens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ein weiterer, aber schwächerer Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung über Widerruf/Rücknahme der früheren Entscheidung und deren Ersetzung durch einen Zweitbescheid gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48/49 VwVfG gestellt.

1. Die Voraussetzungen für einen direkten Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Wege des Wiederaufgreifens nach den §§ 71 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG liegen nicht vor.

Der hier allein in Betracht kommende Wiederaufnahmegrund der nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage zu Gunsten des Betroffenen (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) ist nicht gegeben oder nicht berücksichtigungsfähig.

Die von der Klägerin bei sachgerechter Auslegung ihres Abschiebungsschutzbegehrens verfolgte Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann das Bundesamt treffen, wenn in dem Zielstaat der Abschiebung für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Hinsichtlich der Voraussetzungen dieser Regelung hat sich nach der Entscheidung des Bundesamts vom 25. November 1999 eine für die Klägerin günstige veränderte Sach- und Rechtslage im Heimatland Kosovo, und zwar eine solche in Richtung auf eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit, nicht ergeben.

Im Kosovo hat die Klägerin nach wie vor keine Gefahr etwa wegen - nach BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324/329, auch im Rahmen des Abschiebungsschutzbegehrens zu berücksichtigender - politischer Verfolgung, allgemeiner Versorgungsnot oder Ähnlichem zu befürchten. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bundesamtsbescheid verwiesen, die insoweit von der Klägerin auch nicht angegriffen werden. Im übrigen hat der Senat in Übereinstimmung mit allen das Asylrecht bearbeitenden Obergerichten/Verwaltungsgerichtshöfen entschieden, dass im Kosovo eine gruppengerichtete oder individuelle politische Verfolgung von Kosovo-Albanern nicht feststellbar und in absehbarer Zeit auch nicht wieder zu erwarten ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2004 - 13 A 546/04.A -; Nieders. OVG, Beschluss vom 21. Februar 2002 - 8 LB 13/02 -; OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 30. Oktober 2001 - 7 A 11967/98 -; OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 19. Februar 2002 - A 3 S 673/98 -; Thüringer OVG, Urteil vom 25 April 2002 - 3 KO 264/01 -; Bay. VGH, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 22 B 01.30735 -.

Auch die allgemeine Versorgungslage ist soweit wiederhergestellt, dass von einer Gefahrensituation für die Rechtsgüter des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG für Kosovo-Albaner nicht mehr die Rede sein kann.

Allerdings stützt die Klägerin ihren Folgeantrag auf ihren zwischenzeitlich verschlechterten Gesundheitszustand, der nach Rückführung in den Kosovo nicht angemessen behandelt werden könne. Eine Berücksichtigung dessen scheitert jedoch bereits an der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG. Danach ist der Folgeantrag binnen drei Monaten, nachdem der Betroffene von dem Wiederaufgreifensgrund Kenntnis erlangt hat, zu stellen. Hier hat die Klägerin nach Angaben im Gutachten des Facharztes Dr. B. -K. vom 5. April 2002 (Bl. 1) seit über zwei Jahren Vorstellungs- und Verfolgungswahn und schlimmste Ängste ... Nach diesen Schilderungen der Klägerin, an denen sie sich festhalten lassen muss, liegt ihre psychische Erkrankung jedenfalls weiter als drei Monate vor Anbringung des Folgeantrags zurück. Für die Wahrung der o. a. Frist dürfte es auf den Zeitpunkt der ärztlichen Bescheinigung oder der medizinischen Qualifizierung der Erkrankung nicht ankommen; entscheidend dürfte insoweit aus grundsätzlichen Erwägungen der Eintrittszeitpunkt der Krankheit sein, die aus Sicht des ausreisepflichtigen Ausländers einer Rückkehr in die Heimat entgegensteht. Dieser liegt für die Klägerin nach dem geschilderten Verlauf ihrer Krankheit und deren Intensität sowie der ab Herbst 2000 gezeigten Ausreiseweigerung der Klägerin deutlich länger als drei Monate vor der Antragstellung im April 2002. Das Gutachten des Dr. B. -K. ist auch nicht etwa als ein innerhalb der Drei-Monats-Frist vorgelegtes Beweismittel anzusehen. Als solches kann nur ein im vorausgegangenen Asylverfahren nicht zugängliches Beweismittel für einen dort geltend gemachten Umstand anerkannt werden, weil sonst die Frist zur Geltendmachung des neuen günstigen Umstands unterlaufen werden könnte. Einer weiteren Vertiefung dieser Problematik bedarf es nicht. Denn auf jeden Fall scheitert das Folgebegehren auf Abschiebungsschutz aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG daran, dass die geltend gemachte Erkrankung der Klägerin zu keiner ihr günstigen Entscheidung führen könnte. Insoweit wird auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen.

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Widerruf/Rücknahme des früheren Bescheids des Bundesamts zum Abschiebungsschutz aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG und auf einen diesbezüglichen zuerkennenden Zweitbescheid nach §§ 51 Abs. 5, 48/49 VwVfG.

Danach entscheidet die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen und durch einen positiven Zweitbescheid ersetzt wird.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 -, a.a.O..

Eine dahingehende Ermessensentscheidung setzt voraus, dass die aktuelle Sach- und Rechtslage überhaupt ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründet. Liegt eine solche Situation nicht vor, ist für Ermessenserwägungen der Behörde für oder gegen eine/n Rücknahme/Widerruf kein Raum. Hier hat das Bundesamt das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht nur unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen politischen Lage im Kosovo, sondern auch, was hier im Mittelpunkt steht, unter Berücksichtigung der der Klägerin attestierten psychischen Krankheit und der Gesundheitsversorgungslage im Kosovo verneint. Das ist nicht zu beanstanden.

Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Der Begriff der "Gefahr" im Sinne dieser Vorschrift ist im Grundsatz kein anderer als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" angelegte, wobei allerdings das Element der "Konkretheit" der Gefahr für "diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefahrensituation statuiert.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324/330.

Für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung oder sonstige Rechtsgutverletzung im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr muss eine solche mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Das ist anzunehmen, wenn die für die Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen und deshalb ihnen gegenüber überwiegen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 1. Oktober 1985 - 9 C 20.85 -, DVBl. 1986, 102, vom 15. März 1988 - 9 C 278.86 -, NVwZ 1988, 838, vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 -; BVerfG, Beschluss vom 5. März 1990 - 2 BvR 938/89 u. 1467/89 - InfAuslR 1990, 165, wonach "gleichermaßen wahrscheinlich wie unwahrscheinlich" keine beachtliche Wahrscheinlichkeit begründet.

Dieses "größere" Gewicht ist nicht rein quantitativ zu verstehen, sondern im Sinne einer zusammenfassenden Bewertung des Sachverhalts bei verständiger Würdigung aller objektiven Umstände dahingehend, ob sie bei einem vernünftig denkenden, besonnen Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutverletzung rechtfertigt. Dabei sind auch die Zumutbarkeit eines mit der Rückkehr verbundenen Risikos und der Rang des gefährdeten Rechtsguts von Bedeutung.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 - 9 C 128.90 -, Buchh. 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 147 S. 314/320.

Erheblich ist eine Gefahr, wenn der Umfang der Gefahrenrealisierung von bedeutendem Gewicht ist. Das ist der Fall, wenn sich durch die Rückkehr der unter dem Gesichtspunkt der Leibes- und Lebensgefahr hier allein in Betracht kommende Gesundheitszustand des Betroffenen wegen geltend gemachter unzureichender medizinischer Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung in einem angemessenen Prognosezeitraum wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 115, 338, betr. Abschiebungsschutz wegen unzureichender medizinischer Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo.

Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn "lediglich" eine Heilung eines gegebenen Krankheitszustands des Ausländers im Abschiebungszielland nicht zu erwarten ist. Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG soll dem Ausländer nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern vor gravierender Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats

vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2004 - 13 A 3598/04.A -

ist eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands auch nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen, kurz: bei existentiellen Gesundheitsgefahren. Das folgt zum einen aus dem der Vorschrift immanenten Zumutbarkeitsgedanken,

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 -, NVwZ 1998, 526, das Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland ableitet.

Das folgt des Weiteren aus dem hohen Rang der von der Vorschrift geschützten drei Rechtsgüter, der das Zuerkennen eines Abschiebungshindernisses schon bei einer objektiv ertragbaren Gesundheitsverschlechterung als außerhalb jeder vertretbaren Relation zur drohenden Rechtsgutverletzung durch ungerechtfertigte Freiheitsentziehung oder zur Lebensbedrohung erscheinen lässt. Das folgt schließlich auch aus dem gleichen Umfang und der gleichen Reichweite des Rechtsgüterschutzes des Einzelnen im Rahmen der Gruppen betreffenden Entscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 2 i. V. m. § 54 AuslG wie im Rahmen der den Einzelnen betreffenden Entscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG,

vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, a. a. O.,

wobei die erstere gruppengerichtete Leitentscheidung nach § 54 AuslG nur bei greifbaren, gravierenden - eben existenziellen - Rechtsgutbeeinträchtigungen jedes Einzelnen der Gruppe zu erwarten ist.

Konkret ist eine Verschlimmerung einer Erkrankung, wenn sie alsbald nach Rückführung des Betroffenen im Zielland zu erwarten ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, a. a. O.

Bereits aus dem Wortlaut des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG - "dort" - folgt, dass die das Abschiebungshindernis begründenden Umstände an Gegebenheiten im Abschiebungszielland anknüpfen müssen. Soweit eine geltend gemachte Gesundheitsverschlechterung ihren Grund in Gegebenheiten und Vorgängen im Aufenthaltsland Deutschland findet, kann sie dem Bundesamt gegenüber nicht als Abschiebungshindernis geltend gemacht werden. Dem gemäß betrachtet auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG durch das Bundesamt betreffenden Entscheidung vom 25. November 1997, a. a. O., nur eine Gesundheitsverschlechterung nach Rückkehr in das Zielland Kosovo, mithin eine durch dortige Gegebenheiten ausgelöste Gesundheitsverschlechterung der damaligen Klägerin.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund besteht für den Senat im gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin bei Rückkehr in ihre Heimat Kosovo eine wesentliche Gesundheitsverschlechterung im Sinne einer existentiellen Gesundheitsgefahr zu befürchten hat.

Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) und an einer schweren depressiven Episode (ICD-10: F32.2) leidet. Zu einem dahingehenden Ergebnis gelangt das vom Verwaltungsgericht eingeholte Gutachten der Prof. Dr. G. und Dipl.-Psych. X. vom 17. Oktober 2003.

Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass dieses Gutachten, was seine Grundlagen angeht, nicht vollständig zu überzeugen vermag, weil es - wie auch in anderen dem Senat vorliegenden Gutachten geschehen - den Angaben der Klägerin im diagnostischen Gespräch nicht ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und ihr Verhalten bis zur akut anstehenden Abschiebung bzw. zum Asylfolgeantrag gegenüberstellt. So hat die Klägerin in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, Probleme mit der Polizei nicht gehabt zu haben. Im Folgeantragsverfahren und im diagnostischen Gespräch gibt sie hingegen schwerste Vorfälle mit der serbischen Polizei im Zusammenhang mit Hausdurchsuchungen, Vertreibungen von Frauen, Männern und Kindern und schließlich eine - ihre - Vergewaltigung im Haus der Polizei an, mithin allesamt schlimmste Menschenrechtsverletzungen, die nach der Erfahrung des Senats in vielen Asylstreitigkeiten nach dem Kosovo-Krieg in ähnlicher Weise vorgebracht und auch publiziert worden sind. Erklärbar ist für den Senat, dass eine muslimische Frau eine Vergewaltigung aus Scham und Angst vor sozialen Folgen verschweigt oder erst spät offenbart. Das Verschweigen von Hausdurchsuchungen und Vertreibungsmaßnahmen der Polizei, die den zuvor angesprochenen sensiblen Bereich jedoch nicht berühren, und sogar die Behauptung, keinerlei Probleme mit der Polizei gehabt zu haben, erscheinen jedoch erklärungsbedürftig. Warum die Klägerin trotz kürzerem Abstand zum Fluchtgeschehen im Juni 2000 zunächst zur Rückkehr bereit war und offenbar keine oder keine unüberwindbaren traumabedingten Zwänge gegen eine Rückkehr verspürt hat - nach dem Ergebnis des diagnostischen Gesprächs hingegen ist es ihr bereits seit Ankunft in Deutschland "nicht so gut" gegangen, hat sie unter dem Druck der Geschehnisse gestanden, ging es (die Vergewaltigung) ihr nicht aus dem Kopf (Gutachten Bl. 21) und hat sie nach ihrem Statement das Geschehene bereits drei Monate nach ihrer Ankunft in Deutschland (Ende August 1999) ihrem Mann berichtet -, bleibt offen. Zur Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin heißt es auf Seite 23 des Gutachtens lediglich, die geschilderten Vorgänge seien wegen der großen Erlebnisnähe und der Art des Berichtens als glaubhaft einzuschätzen. Die unterschiedliche Darstellung des Persönlichkeitsbilds der Klägerin - einerseits nach ihren Angaben in der Anhörung vor dem Bundesamt eine mutige, sich gegen Grenzposten durchsetzende starke Frau, die die albanische Grenze überwindet und den Flüchtlingstreck quasi mitreißt, andererseits nach den Angaben zum diagnostischen Gespräch eine psychisch zerstörte Frau - ist im Gutachten nicht thematisiert, ebenso nicht die Frage der Ursächlichkeit der wohnungsmäßigen und wirtschaftlich-existentiellen Situation der Familie der Klägerin in Deutschland für ihren Gesundheitszustand und eine eventuelle "Abschiebungs-Depression". Der Senat geht jedoch Bedenken gegen das Gutachten vom 17. Oktober 2003 nicht weiter nach. Die im wesentlichen aus den Angaben der Klägerin im diagnostischen Gespräch und ihrem dabei gezeigten Verhalten vermittels des SKID-PTBS, der PTSS-10, der IES-R und des BTBI gezogenen Schlüsse der Gutachter auf das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) und einer schweren depressiven Episode (ICD- 10: F32.2) lassen als solche jedenfalls Beanstandungen nicht zu. Im Folgenden geht der Senat deshalb von dem Vorhandensein der angegebenen psychischen Erkrankung der Klägerin aus. Aber auch dann liegen die oben dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht vor.

Bei Rückkehr der Klägerin in den Kosovo ist eine wesentliche Verschlimmerung ihrer Krankheit im Sinne existentieller Gesundheitsgefahren aus Sicht eines vernünftigen und besonnenen Menschen nicht ernstlich zu befürchten und damit nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Erkrankung ist nämlich in Würdigung aller im vorliegenden Verfahren ausgewerteten Erkenntnisquellen und des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG innewohnenden Zumutbarkeitsgesichtspunkts (§ 108 Abs. 1 VwGO) im Kosovo generell jedenfalls soweit behandelbar, dass sie zumindest auf dem gegebenen Niveau gehalten werden kann und damit ihre Verschlimmerung und erst recht eine solche bis hin zu existentiellen Gefahren verhindert werden kann. Die Erkrankung der Klägerin weist keine Besonderheiten auf, die insoweit eine abweichende Würdigung rechtfertigt.

Nach den dem Senat vorliegenden umfangreichen Erkenntnisquellen über die allgemeine Lage und die Gesundheitsversorgungslage im Kosovo - Auskünfte des Auswärtigen Amts, des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo, des UNHCR, von Menschenrechtsorganisationen, sonstigen öffentlichen und privaten Stellen und Beobachtern vor Ort, Berichten in den Medien usw. -, von denen der Übersichtlichkeit wegen nur der wesentliche Teil in das vorliegende Verfahren eingeführt ist, war die allgemeine Gesundheitsversorgung im Kosovo - isoliert betrachtet ohne Rest-Serbien und Montenegro - nach den kriegerischen Auseinandersetzungen des Jahres 1999 stark beeinträchtigt; sie hat sich nur schleppend erholt und den Stand früherer Jahre wohl auch noch nicht wieder erreicht. Noch im September 2003 sprach der UNHCR von Engpässen in der Versorgung mit Medikamenten; speziell schwerwiegende Krankheiten bezeichnet er angesichts nur begrenzter psychiatrischer Dienste und mangelnder Fachausbildung sowie Behandlung nur durch Psychopharmaka für seinerzeit nicht ausreichend behandelbar (UNHCR vom 29. September 2003 an VG Koblenz und vom 26. November 2003 an Rechtsanwalt L. V.). Auch die Fachärztin Dr. T1. -N1. hatte zuvor in einem Gutachten vom 29. Juli 2003 an das VG Frankfurt am Main die Versorgungslage für psychisch Kranke im Kosovo als ungeeignet geschildert: Das Verhältnis Psychiater zu Einwohner betrage 1 zu 90.000; es existiere eine nur sehr schwache Grundversorgung mit sieben neuropsychiatrischen ambulanten Diensten, vier neuro-psychiatrischen Stationen, einer Universitätsklinik; es werde nur eine biologisch orientierte Behandlung durch Behandler ohne psychotherapeutische Weiterbildung geboten; die Zustände in der Psychiatrie seien unbeschreiblich schrecklich. Im Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 10. Februar 2004 werden der Gesundheitssektor als schwer in Mitleidenschaft gezogen und die Wiederherstellung der medizinischen Grundversorgung als prioritär, aber kurz- oder mittelfristig schwer möglich und die Behandlungsmöglichkeiten für Psychiatriepatienten als äußerst begrenzt beschrieben; eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) werde im öffentlichen Gesundheitswesen in der Regel rein medikamentös behandelt; Behandlungsplätze im privaten Bereich seien aber sehr begrenzt und die Kosten einer solchen Behandlung vom Patienten zu tragen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet in einem Update vom 24. Mai 2004, mittlerweile sei eine medizinische Basisversorgung im Kosovo - bei regionalen Besonderheiten - wieder gewährleistet, wohingegen im sekundären und tertiären Sektor sowie in der psychiatrischen Versorgung Behandlungsmöglichkeiten entfielen; von den geplanten sieben Community Mental Health Centres - an anderer Stelle Community Mental Health Care bezeichnet - (CMHC), vierzehn geschützten Häusern als Rehabilitationsunterkünften und sechs psychiatrischen Intensivstationen in bestehenden Krankenhäusern stünden sieben CMHC als Tageszentren zur Verfügung, in denen schwer chronisch mental Erkrankten durch Medikamentierung und gesprächsweise Überprüfung bei der Rehabilitation und Integration geholfen werde; die Behandlung von PTBS erfolge biologisch-medikamentös, zur Psychotherapie fähiges Fachpersonal fehle; die medikamentöse Behandlung sei bezüglich der Langzeitfolgen einer mittleren oder schweren PTBS wirkungslos; eine adäquate Behandlung sei dagegen in Nicht- Regierungsorganisationen (NRO) wie Kosovo Rehabilitation Centre of Torture Victims (KRCT), Centre for Stress Management und Education (CSME), Centre for the Protection for Women und Children (CPWC) u. a. möglich, die allerdings deutlich überlastet seien. Demgegenüber hat das Deutsche Verbindungsbüro Kosovo unter dem 19. November 2003 dem Verwaltungsgericht Düsseldorf berichtet, eine Behandlung einer PTBS könne im Kosovo auch durch Gesprächstherapie erfolgen, und zwar durch zwei in Pristina privat praktizierende qualifizierte Ärzte; eine Psychiatrie in einfacher Form werde in den CMHC angeboten. Gleiches berichtet das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 20. November 2003 an das Verwaltungsgericht Kassel. Gegen diese Auskunft wendet sich die Fachärztin Dr. T1. -N1. in einem Schreiben an Rechtsanwalt M. vom 14. Februar 2004, in dem sie u. a. die Qualifikation der zwei Behandler in Frage zieht und die Behandlung in den CMHC als biologisch-pharmakologisch orientiert und die psychiatrischen Gespräche als nur der Überprüfung der Medikamentierung dienend bezeichnet. In seiner Auskunft vom 16. April 2004 an das Verwaltungsgericht Osnabrück bzw. vom 4. Juni 2004 an das Verwaltungsgericht Stuttgart wie auch in früheren gleichlautenden Auskünften aus Januar 2004 (ASYLIS: SER00054807 und 00054809 sowie 00054800, www. bafl.de asylis) teilt das Deutsche Verbindungsbüro Kosovo jedoch mit näherer Begründung erneut mit, dass a) ein depressives Syndrom mit Somatisierungsstörung und b) eine PTBS im Kosovo medikamentös und durch kontinuierliche nervenärztliche bzw. psychotherapeutische Betreuung behandelbar sei; die im öffentlichen Gesundheitswesen tätigen Ärzte gäben an, psychotherapeutisch orientierte Gespräche mit PTBS-Patienten führen zu können; der leitende Arzt des Universitätsklinikums Pristina und Vertrauensärzte des Verbindungsbüros hielten trotz fehlender psychotherapeutischer Qualifikation supportive Gespräche mit albanisch sprechenden Fachärzten in sicherer Umgebung für therapeutisch wirksam. Im Kern gleichlautende Auskünfte hat das Verbindungsbüro in der Folgezeit noch mehrfach erteilt, so an die Stadt Duisburg unter dem 28. Mai 2004, dem 7. Juni 2004 (ASYLIS: SER00056870, a.a.O.), dem 17. Juli 2004 (ASYLIS: SER00056892, a.a.O.) und dem 18. Juni 2004 (ASYLIS: SER00056897, a.a.O.) und in neuerer Zeit am 7. Oktober 2004 an das Bundesamt. Ebenso verhält sich der jüngste Lagebericht Serbien und Montenegro (Kosovo) des Auswärtigen Amts vom 4. November 2004.

Aus all diesen Erkenntnisquellen ergibt sich für den Senat ein Bild, wonach die schon vor der kriegerischen Auseinandersetzung geschwächte allgemeine Gesundheitsversorgung im Kosovo zwar in jüngerer Zeit gezielt verstärkt worden ist, aber noch längst nicht zufrieden stellen kann und nicht annähernd den Standard der deutschen Gesundheitsversorgung erreicht hat, eine psychische Erkrankung, insbesondere PTBS und schwere Depression, in stark belasteten Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens medikamentös bei wirkkontrollehalber begleitend durchgeführten supportiven Gesprächen durch psychotherapeutisch nur eingeschränkt befähigtes Personal behandelt und eine psychotherapeutische Behandlung durch qualifizierte Fachärzte nur in den ebenfalls stark frequentierten NRO durchgeführt werden kann. Soweit insbesondere die Fachärztin Dr. T1. -N1. und die Schweizerische Flüchtlingshilfe eine unzureichende Psychotherapie bemängeln, geschieht dies erkennbar unter dem Blickwinkel einer heilenden oder lindernden Behandlung schwer psychischer Erkrankungen wie PTBS oder schwere Depression nach - allerdings nicht maßgebenden - deutschen oder westeuropäischen Standards. Das ergibt sich aus den Ausführungen der Fachärztin Dr. T1. -N1. vom 29. Juli 2003, wonach alle internationalen Studien zeigten, dass eine medikamentöse Behandlung nur mit zusätzlicher Psychotherapie langfristig "erfolgreich" sei; medikamentöse Behandlung könne nur helfen, die Symptome zu reduzieren. Supportive Gespräche helfen nach ihrer Stellungnahme vom 14. Juni 2004 sehr wohl. Auch spricht die Schweizerische Flüchtlingshilfe in ihrem Update vom 24. Mai 2004 mit Blick auf die geschilderte medikamentöse Behandlung psychischer Erkrankungen von nicht geeigneten Strukturen für die "Rehabilitation" von chronischen Psychiatrie-Patienten; der Einsatz von Medikamenten könne hilfreich sein, ersetze aber eine Psychotherapie nicht. Auch diejenigen Erkenntnisquellen, die die Behandlungsmöglichkeiten für schwere psychische Erkrankungen wie PTBS und schwere Depression im Kosovo für unzureichend halten, stellen somit eine grundsätzliche Behandlungsmöglichkeit, und zwar eine medikamentöse und kontrollehalber begleitende, supportive gesprächstherapeutische Behandlung nicht in Abrede, messen ihr aber langfristig die erhoffte heilende oder die Symptome unterdrückende Wirkung nicht zu. Das bedeutet, dass auch in diesen kritischen Stellungnahmen zur medizinischen Versorgungslage im Kosovo eine Verschlimmerung einer vorliegenden PTBS oder schweren Depression im Sinne einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben bei Behandlung nach den im Kosovo gegebenen Möglichkeiten nicht definitiv behauptet wird. Das Deutsche Verbindungsbüro Kosovo hat insbesondere in den jüngeren Auskünften mehrfach betont, dass namhafte albanische Ärzte die Auffassung vertreten, dass supportive Gespräche trotz fehlender psychotherapeutischer Medikamentation in sicherer Umgebung therapeutisch wirksam seien. Das bedeutet nichts anderes, als dass die regelmäßig zu erwartende medikamentöse Behandlung mit begleitender Gesprächstherapie jedenfalls zur Vermeidung einer Verschlimmerung des aktuellen Krankheits- bzw. Gesundheitszustands geeignet ist und keine überwiegend wahrscheinliche Gefahr einer Verschlimmerung der Krankheit und erst recht nicht einer Verschlimmerung mit oben beschriebenem Gewicht begründet. Dies gilt erst recht für eine schwere depressive Störung, die im Prinzip - antidepressiv - medikamentös mit begleitender, stützender Psychotherapie - auch in ambulanter Form - behandelt wird.

Vgl. hierzu Florange, Gutachten vom 2. Mai 2004 an VG Düsseldorf.

Diese Einschätzung wird bestärkt, wenn nicht sogar in Richtung einer gewissen Heilungsaussicht erweitert, durch die in den vorliegenden Erkenntnisquellen geschilderte Behandlungstätigkeit der im Kosovo tätigen Nicht- Regierungsorganisationen, die auch PTBS und schwere Depression und diese im Wege der qualifizierten Gesprächstherapie behandeln, so wie der freiberuflich niedergelassenen Psychotherapeuten.

Soweit von Seiten Abschiebungsschutz begehrender Ausländer eingewandt wird, die vom deutschen Verbindungsbüro Kosovo geschilderte Versorgungslage sei bewusst geschönt und nicht verwertbar, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Dessen Darstellung der Gegebenheiten steht nicht etwa mit derjenigen der Fachärztin Dr. T1. -N1. und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe im Widerspruch. Letztere nehmen in ihren Stellungnahmen anders als das Verbindungsbüro lediglich eine Wertung unter bestimmtem Blickwinkel vor, indem sie am Maßstab europäischer Standards die Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo für PTBS und/oder schwere Depression für unzureichend für einen Heilungserfolg halten. Für eine geschönte, unrealistische Darstellung liegen Anhaltspunkte nicht vor, zumal die Stellungnahmen des Verbindungsbüros Fakten ohne Wertungen beinhalten und auf Informationen von Vertrauensärzten beruhen (vgl.: Deutsches Verbindungsbüro Kosovo vom 7. Juni 2004, ASYLIS: SER00056870, a.a.O., Deutsche Botschaft vom 30. Juni 2004, ASYLIS: SER25856002, a.a.O.). Im Übrigen können ausgehend von der ständigen Rechtsprechung Stellungnahmen des Auswärtigen Amts und deutscher Auslandsvertretungen oder deren Dienststellen zur Beurteilungsgrundlage in Asyl- und/oder Abschiebungsrechtsstreiten gemacht werden.

Vgl. hierzu GK AsylVfG, Stand 9. 2003, § 78 Rdn. 400, m. Rspr. d. BVerwG; ferner BVerwG, Urteil vom 30. Dezember 1997 - 11 B 3.97 -, NVwZ 1998, 634, und Beschluss vom 9. Mai 2003 - 1 B 217.02 -, InfAuslG 2003, 359.

Soweit die Qualifikation der freiberuflich tätigen und anderer Psychotherapeuten im Kosovo von der Fachärztin Dr. T1. -N1. angezweifelt wird, ist bereits deren Berechtigung und Befähigung zur Bewertung der Kenntnisse und Fertigkeiten der betroffenen Therapeuten und der Wirksamkeit ihrer Behandlungsmethoden nicht erkennbar sowie deren Wertung wegen des - unzutreffenden - Vergleichs mit deutschen und europäischen Behandlungsstandards und im Übrigen als persönliche Ansicht nicht maßgebend. Die von ihr wegen der Kriegserlebnisse für behandlungsbedürftig gehaltene Zahl von 140- bis 200-tausend Menschen des Kosovo, die aus Sicht eines/einer die Psychotherapie als Lebensaufgabe sehenden engagierten Facharztes/Fachärztin verständlich ist, bedeutet nicht, dass all diese Menschen Psychotherapie nachfragen oder ohne eine solche die Traumafolgen oder sonstige psychische Störungen nicht überwinden oder nicht auf ein tragbares Maß durch gebotenes Eigenverhalten und Eigenheilkraft mindern, wie das beispielsweise vielen tausend ausgebombten und kriegsvertriebenen Deutschen gelungen ist. Auf die von ihr angesprochene Dauer für eine Versöhnung zwischen Albanern und Serben und die Frage eines Zusammenlebens dieser Völker kommt es nicht an, weil psychisch Kranke im Kosovo keine Behandlung durch Serben erwartet.

Soweit von Seiten Abschiebungsschutz begehrender Ausländer sinngemäß darauf hingewiesen wird, bei Rückführung in den Kosovo werde ggf. eine in Deutschland aufgenommene Therapie abgebrochen, man falle in ein Loch der Schutzlosigkeit und/oder es würden im Land der Peiniger die Krankheitssymptome erneut ausgelöst oder verstärkt, führt auch das unter Berücksichtigung des - in den obigen Ausführungen angeführten - Zumutbarkeitsgesichtspunkts nicht zur Annahme einer überwiegend wahrscheinlichen wesentlichen oder gar lebensbedrohenden Gesundheitsverschlechterung im Sinne einer existentiellen Gesundheitsgefahr. Der Ausländer muss sich darauf hinweisen lassen, dass er in das Land seiner kulturellen Heimat in befriedetem Zustand zurückkehrt, wo einer Verschlimmerung seiner psychischen Erkrankung entgegenwirkende Behandlungsmöglichkeiten bestehen und ihm zumutbar ist, sich ggf. mit Unterstützung seines Familienverbandes um eine solche Behandlung zu bemühen und sie wahrzunehmen. Hinzuweisen ist zudem darauf, dass in der Wissenschaft die beachtliche Ansicht vertreten wird, die Behandlung schwerer psychischer Erkrankungen wie PTBS oder Depression habe auch und gerade im muttersprachlichen, kulturell vertrauten und befriedeten Heimatland gute Erfolgsaussichten.

Vgl. hierzu v. Krieken, InfAuslR 2000, 518 ff.; Krebs, Kath. Klin. Duisburg, Gutachten vom 12. Februar 2004.

In der Wissenschaft wird für den Erfolg psychotherapeutischer Behandlung ein dem Patienten bewusstes friedliches, Sicherheit vor erneuter Verfolgung, Gewalt, Demütigung, Angst vor Konfrontation mit dem Ort des Geschehens usw. bietendes Umfeld verlangt. Dem kann bei einer Gesamtschau aller Vorteile und Nachteile eines Lebens des Ausländers in Deutschland und im Heimatland in heimatlicher befriedeter Umgebung und heimatlicher Kultur incl. Sozialgemeinschaft mindestens genauso, wenn nicht besser Rechnung getragen werden. Eine Therapie in Deutschland wird regelmäßig unter der dem Erkrankten bewussten "Drohung" seiner und seiner Familie Abschiebung im Fall seiner Gesundung stehen, was er als Störung seiner erworbenen Sicherheit empfinden und worauf er mit Zurückhaltung bei der gebotenen Mitwirkung reagieren wird, so dass die Therapie regelmäßig geringere Erfolgsaussichten haben wird.

Vgl. hierzu Haenel, Zur Begutachtung psychischreaktiver Traumafolgen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren, Zeitschrift für Psychotraumatologie und Psychologische Medizin, 2003, Heft 4, S. 19/30.

Das für eine erfolgreiche Behandlung vielfach geforderte Bleiberecht auf Dauer für den ausreisepflichtigen erfolglosen Ausländer und möglichst für seine gesamte Familie

vgl. hierzu Diakonisches Werk in Kurhessen- Waldeck, Positionspapier zum Thema Trauma und Abschiebung, 12. Juli 2004, an VG Kassel m. w. N.

sieht das Ausländerrecht nicht vor. Überdies ist eine in Deutschland mit einem Dolmetscher durchgeführte Gesprächstherapie ohnehin kommunikativ und therapeutseits-reaktiv weniger zielführend als eine muttersprachlich im Kosovo durchgeführte Therapie.

Soweit vom ausreisepflichtigen traumatisierten Ausländer vorgebracht wird, eine Rückkehr an den Ort seiner Traumatisierung sei unzumutbar und führe zu einer Retraumatisierung oder Verschlimmerung der Traumafolgen, führt das ebenfalls nicht zur Annahme überwiegend wahrscheinlicher Leibes- und Lebensgefahren von der beschriebenen Schwere. Auch insoweit ist es ihm zumutbar, seinen Lebensmittelpunkt an einem Ort, wo diese Folgen nicht drohen, zu begründen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, jeder Ort des Heimatlandes sei insoweit ungeeignet und löse bei dem Rückkehrer die gleichen Folgen aus. Die Lebenserfahrung spricht eindeutig gegen eine solche von der Klägerseite auch durch nichts substantiierte Behauptung. Sie hätte zur Konsequenz, dass jeder traumatisierte Mensch nur außerhalb seines Heimatlandes erfolgreich therapiert werden könnte. Dass solches unzutreffend ist, beweist die Tatsache, dass viele öffentliche Einrichtungen und NRO im Kosovo psychotherapeutisch tätig sind und ihnen keinesfalls von vornherein ein Misserfolg zugesprochen werden kann. Im Übrigen leuchtet nicht ein, weshalb einem traumatisierten Ausländer nicht zugemutet werden dürfe, das Schicksal seiner in der Heimat verbliebenen ebenfalls traumatisierten Landsleute zu teilen und die Symptome und Folgen einer Traumatisierung im Heimatland zu überwinden.

Für den evtl. gegen seinen Willen in sein Heimatland zurückgeführten an PTBS und/oder schwerer Depression leidenden Ausländer ist ein Dasein im Heimatland mit den möglicherweise auf ihn zukommenden körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen bei den - wie hier - im Heimatland gegebenen Behandlungsmöglichkeiten aus Sicht des Senats nicht unzumutbar. Der Senat verkennt nicht die Symptome einer PTBS - mit denen sich diejenigen einer schweren Depression zum großen Teil überschneiden - und ihre Wirkung für den Betroffenen, die sich im allgemeinen wie folgt beschreiben lassen: Unruhe, Konzentrations- und Schlafstörungen, Anspannung, Überempfindlichkeit, Übelkeit, Schreckenserinnerungen, gefühlsmäßiges Wiedererleben des traumatisierenden Ereignisses, Gefahrenvisionen, Angst, Verzweifelung, Hilflosigkeit, emotionale Stumpfheit, Todesgedanken. Diese Symptome sind jedoch regelmäßig durch medikamentöse Behandlung im Zusammenwirken mit begleitender kontrollierender, supportiver Gesprächstherapie auf ein tragfähiges Maß reduzierbar und beherrschbar. Die Auskünfte des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo verweisen auf eine Vielzahl von Basismedikamenten zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Diese sind gegen eine geringfügige Zuzahlung regelmäßig erhältlich oder aus dem Ausland in angemessener Zeit beziehbar. Die Behandlung im öffentlichen Gesundheitswesen des Kosovo, zu dem im weitesten Sinne auch die NRO zählen, ist kostenfrei. Erste Gesprächstermine sind nach den glaubhaften Auskünften des Verbindungsbüros nach ca. einer Woche zu erhalten. Bei diesen Gegebenheiten kann der ausreisepflichtige Ausländer sich auf die Interimszeit bis zur Behandlungsaufnahme im Kosovo einstellen und/oder von seinem Therapeuten in Deutschland medikamentös und mental vorbereitet werden. Der im befriedeten Heimatland gleichwohl von Symptomen einer PTBS oder Depression betroffene Mensch kann zwar als krank bezeichnet werden; er ist jedoch nicht so krank, dass er nicht ein Leben mit einem gesundheitlichen Zustand führen könnte, den er in Deutschland erkennbar erträgt, oder dass er gar lebensunfähig wäre. Die generell mit einer Abschiebung gegen den Willen des Betroffenen verbundenen psychischen Belastungen bei diesem waren dem Gesetzgeber nicht unbekannt und nimmt das Gesetz in Kauf; sie begründen, wenn nicht die Ausreiseverpflichtung ad absurdum geführt werden soll, kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG.

Soweit ein ausreisepflichtiger erfolgloser Asylbewerber suizidale Absichten äußert oder ihm eine Suizidgefahr vom Arzt attestiert wird, führt das regelmäßig nicht zu einem vom Bundesamt anzuerkennenden Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Sinngemäßen Äußerungen des Ausländers dahin, lieber den Tod als eine Rückkehr in das Land der Verfolger oder Peiniger hinzunehmen, ist ohnehin mit besonderer Erforschung ihrer Ernsthaftigkeit zu begegnen. Auch eine ärztliche Attestierung einer Suizidgefahr begründet für sich allein gesehen kein vom Bundesamt anzuerkennendes Abschiebungshindernis. Ist die Suizidgefahr zurückzuführen auf die psychische Belastung wegen anstehender Abschiebung oder deren Vollzug in Deutschland, handelt es sich bereits nicht um ein zielstaatsbezogenes, weil nicht an besondere Gegebenheiten im Abschiebungszielland anknüpfendes Hindernis,

vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, 241, und Beschluss vom 16. April 2002 - 2 BvR 553/02 -, InfAuslR 2002, 4150,

das allein gegenüber dem Bundesamt geltend gemacht werden kann. Bei der Durchführung der Abschiebung kann und ist gegebenenfalls der Suizidgefahr, soweit sie ernsthaft zu befürchten ist, durch geeignete Vorkehrungen und Gestaltung der Abschiebung zu begegnen. Ist nach Rückkehr in das Heimatland die Gefahr eines Suizids wegen dortiger Umstände nicht auszuschließen, handelt es sich zum einen hinsichtlich des Eintritts der Tat regelmäßig um ein ungewisses und - im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG - bezüglich seiner Eintrittswahrscheinlichkeit nicht annähernd greifbares und deshalb nicht konkretes Ereignis sowie zum anderen, wenn das Heimatland hinreichend Behandlungsmöglichkeiten für die als Abschiebungshindernis geltend gemachte Erkrankung bietet, eben nicht um ein an Gegebenheiten im Heimatland anknüpfendes, sondern um ein allein der Person des Ausländers zuzuschreibendes und von seinem individuellen Entschluss abhängendes Ereignis.

Im vorliegenden Rechtsstreit der Klägerin ist gegenüber den vorstehenden Ausführungen keine abweichende Würdigung geboten. Ihr ist wie allen übrigen im Kosovo verbliebenen und zurückkehrenden Landsleuten der Zugang zu den dortigen Möglichkeiten der Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung und schweren Depression zugänglich. Als ihren letzten Wohnsitz vor der Flucht hat sie Ferizaj - 25 bis 30 km südlich von Pristina mit vertretbaren Verkehrsbeziehungen dorthin - angegeben; ihr früherer Wohnsitz war Pristina. Ferizaj ist eine der größeren Städte im Kosovo, in der die medikamentöse Versorgung nicht oder jedenfalls nicht dauerhaft problematisch ist und auch Gesprächstherapie beispielsweise im Mental Health Care Centre angeboten wird. Soweit die Klägerin Gesprächstherapie durch frei praktizierende Psychotherapeuten in Anspruch nehmen will, ist ihr das zumindest bei finanzieller Unterstützung aus dem im Kosovo üblichen Familienverband in Pristina ebenfalls möglich. Zudem sind im Universitätsklinik-Zentrum Pristina 5 Fachärzte für Psychiatrie und 8 in der Weiterbildung befindliche Ärzte auch gesprächstherapeutisch tätig. Bei der von der Klägerin in der Begründung ihres Folgeantrags geäußerten Befürchtung, ihr Mann könne seine bisherige verständnisvolle Ansicht zu der Vergewaltigung nach Rückkehr in den Kosovo ändern, handelt es sich um eine bloße Vermutung; sie zielt auf ein nicht überwiegend wahrscheinliches Ereignis, denn es ist zum einen völlig ungewiss und des Weiteren ist nicht ersichtlich, dass die Vergewaltigung in der Heimat der Klägerin bekannt geworden ist. Selbst vor dem kulturellen Hintergrund im Kosovo und dem dortigen Verständnis der Rolle von Mann und Frau besteht deshalb für den Ehemann der Klägerin kein Grund, ihr Vorhaltungen zu machen oder sie zu verstoßen.

Im Fall der ausreisepflichtigen Klägerin ist auch nicht entgegen den oben dargelegten Grundsätzen ein Suizid mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Ausgehend von einer Vergewaltigung der Klägerin ist ihre schwere innere - psychische - Verletzung durchaus nachvollziehbar. Gleichwohl ist aus Sicht des Senats nicht zu befürchten, dass die Klägerin wegen dieser - nicht nur für eine in muslimischen Wertvorstellungen lebende Frau - sehr schweren Persönlichkeitsverletzung nach Rückkehr in den Kosovo Selbstmord begeht. Denn die Klägerin zeigt hinreichende Einsicht in ihre Situation und erkennt den Wert ihres eigenen Lebens. Im diagnostischen Gespräch für die Begutachtung hat sie geäußert: "Das Gute ist, dass ich lebe ... Aber ich lebe" (Gutachten Bl. 39 - BA 1 -). Mithin sieht sie in ihrem Leben, auch wenn es von schweren Schicksalsschlägen geprägt ist, etwas Positives und zeigt sie eine gewisse lebensbejahende Einstellung. Das lässt nicht befürchten, dass sie dieses Einstellung aufgibt und sich das Leben nimmt, zumal sie sich in Sorge und in der Pflicht um ihre Kinder sieht. Schließlich scheint die Klägerin u. a. ausgehend von ihrer aus dem eigenen Fluchtvorbringen deutlich gewordenen Einsichtsfähigkeit und damaligen psychischen Stärke in der Lage zu sein, kritische Lebenslagen zu bewältigen, wie die von ihr geschilderte Initiative und Durchsetzungskraft beim Grenzübertritt nach Albanien und das bis zum Zeitpunkt der akut anstehenden Abschiebung mehr als dreijährige Bewältigen des traumatischen Ereignisses nahe legen.

Die ausländerrechtlichen Abschiebungshindernisse stellen u.a. eine Konkretisierung der Rechte des Ausländers aus Art. 1 u. 2 GG dar, auf welche die Klägerin in der Berufung hinweist. Sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Abschiebungshindernisses nicht gegeben, liegt dem gemäß ein Verstoß gegen die genannten Rechtsnormen nicht vor. Auf die Frage, ob die Klägerin auf eine Behandlung ihrer Krankheit in Serbien außerhalb des Kosovo oder Montenegro verwiesen werden kann, kommt es nicht an.

Die Ausreiseaufforderung nebst Fristsetzung und die Abschiebungsandrohung im angefochtenen Bescheid sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist gemäß § 42 AuslG ausreisepflichtig; die Ausreisefrist im Fall des unbeachtlichen Folgeantrags beträgt gemäß § 36 Abs. 1 AsylVfG eine Woche. Das Bundesamt hatte die Klägerin daher zur Erfüllung ihrer Ausreisepflicht aufzufordern und gemäß §§ 34, 71 Abs. 4 AsylVfG i.V.m. § 50 AuslG die Abschiebung anzudrohen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 710, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

Zurück