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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.12.2008
Aktenzeichen: 13 A 1833/06
Rechtsgebiete: AMG
Vorschriften:
AMG § 105 Abs. 4 S. 3 | |
AMG § 105 Abs. 5 |
Tatbestand:
Die Fa. X, ein pharmazeutisches Unternehmen, zeigte im Juni 1978 ein von ihr vertriebenes Arzneimittel gemäß Art. 3 § 7 AMRNOG beim Bundesgesundheitsamt an. Im Jahre 1989 stellte sie den Antrag auf Verlängerung der Zulassung ("Nachzulassung"), im Jahre 1992 den Langantrag. Im August 1995 stellte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) der Fa. X die Stellungnahmen der Fachabteilungen zur Formalpharmazie sowie zur Qualität zu und erklärte, die in den Stellungnahmen genannten Mängel seien innerhalb von drei Jahren zu beseitigen. Die Frage der Bioverfügbarkeit wurde nicht thematisiert, obwohl ein vom BfArM herangezogener Gutachter insoweit bereits im Jahre 1994 Bedenken geäußert hatte. Im August 1998 legte die Fa. X Unterlagen zur Beseitigung der aufgezeigten Mängel vor. Im Rahmen der daraufhin eingeleiteten zweiten Prüfungsphase gelangten Fachabteilungen des BfArM sowie eine von ihm herangezogene externe Gutachterin zu dem Ergebnis, dass die ausreichende Bioverfügbarkeit des Arzneimittels nicht hinreichend belegt sei. Daraufhin stellte das BfArM der Fa. X eine weitere Mängelmitteilung zu und forderte sie auf, den Mangel binnen neun Monaten zu beseitigen. Nachdem diese Frist fruchtlos verstrichen war, lehnte das BfArM im August 2003 die Nachzulassung ab. Die Klage der Klägerin, die inzwischen Inhaberin der fiktiven Zulassung geworden war, wies das VG ab. Auch der Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.
Gründe:
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das VG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Forderung der Beklagten, Unterlagen einzureichen, welche die ausreichende biologische Verfügbarkeit belegen, sei nicht zu beanstanden. Auch der Umstand, dass es sich bereits um das zweite Mängelschreiben gehandelt habe, führe nicht zu dessen Rechtswidrigkeit. Schließlich sei die zur Mängelbeseitigung gesetzte Frist nicht unangemessen kurz, und eine nähere Begründung des Fristumfangs sei nicht erforderlich gewesen. Die von der Klägerin vorgebrachten Einwände vermögen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Überlegungen nicht zu wecken.
1.) Gemäß § 105 Abs. 4 S. 3 AMG sind auf Anforderung der zuständigen Bundesoberbehörde, hier also des BfArM, Unterlagen einzureichen, welche die ausreichende biologische Verfügbarkeit der arzneilich wirksamen Bestandteile des Arzneimittels belegen, sofern dies nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich ist. Dass der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegend der vom Ausschuss für Arzneimittelspezialitäten (CPMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) verabschiedeten Leitlinie "Note for guidance on the investigation of bioavailability and bioequivalence" (CPMP/EWP/QWP/1401/98) vom 26.7.2001 zu entnehmen ist und dass in Bezug auf das streitgegenständliche Arzneimittel Abschnitt 5 dieser Leitlinie ("Anträge für Arzneimittel mit zugelassenen Wirkstoffen") einschlägig ist, stellt die Klägerin nicht in Abrede.
Das VG geht davon aus, dass nach Ziff. 5 der Leitlinie ein in-vitro-Vergleich zwischen dem Arzneimittel der Klägerin und einem zugelassenen Referenzpräparat anzustellen war. Dass die Durchführung von in-vitro-Untersuchungen vorliegend genügte, entspricht der von der Klägerin selbst mit der Klagebegründung vorgelegten Stellungnahme ihres Gutachters Dr. Dr. L. vom 16.9.2003, der zufolge die Forderung der Klägerin nach einer Befreiung von in-vivo-Studien gerechtfertigt ist. Anders als der Gutachter sieht das VG allerdings die Anforderungen der Leitlinie als nicht vollständig erfüllt an, weil Abschnitt 5 b) i Satz 1 der Leitlinie auch für den Fall einer Freistellung von Bioäquivalenzstudien den (in-vitro-)Nachweis eines gewissen Freisetzungsverhaltens erfordere, der vorliegend nicht erbracht worden sei. Gegen diese Einschätzung sind konkrete Einwände von der Klägerin nicht erhoben worden.
Die Klägerin erklärt vielmehr, auf die Frage, ob eine in-vitro-Studie zulässig und zutreffend durchgeführt worden sei, komme es nicht an, da die von ihr vorgelegte in-vivo-Studie aus dem Jahre 1992 den aktuellen Anforderungen entspreche. Zu dieser Studie hat das VG indes ausgeführt, es handele sich lediglich um eine Studie zur Bioäquivalenz und entgegen den in Abschnitt 5 der Leitlinie aufgestellten Anforderungen werde in der Studie der Vergleich mit einem Referenzprodukt nicht hergestellt. Gegen diese (nachvollziehbare) Feststellung des VG hat die Klägerin keine konkreten Einwände vorgebracht.
2.) Auch der Vortrag der Klägerin, dass es dem BfArM verwehrt gewesen sei, ihr eine zweite Mängelmitteilung im Sinne von § 105 Abs. 5 S. 1 AMG zukommen zu lassen, vermag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nicht zu begründen. Wie das VG zutreffend ausführt, lassen sich dem Wortlaut des § 105 Abs. 5 AMG keine Anhaltspunkte für eine generelle Beschränkung auf eine einzige Mängelmitteilung entnehmen. Aus § 105 Abs. 5 S. 2 AMG, dem zufolge die Nachzulassung zu versagen ist, wenn den Mängeln nicht innerhalb der Frist abgeholfen wird, lässt sich zwar schließen, dass mehrere Mängelmitteilungen in Bezug auf einen und denselben Mangel unzulässig sind.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.4.2008 - 13 A 4996/04 -, juris; VG Berlin, Urteil vom 30.3.2000 - 14 A 404.97 -, juris; Brixius/Schneider, Nachzulassung und AMG-Einreichungsverordnung, 2004, Ziff. 9.2 (S. 124 f.).
Dass die Behörde aber auch dann nicht berechtigt sein soll, eine weitere Mängelmitteilung an den Antragsteller zu richten, wenn sie auf einen Mangel stößt, der in einem früheren Beanstandungsverfahren noch nicht berücksichtigt worden ist, ist nicht anzunehmen. Dagegen spricht bereits der systematische Zusammenhang, in dem § 105 Abs. 5 S. 1 AMG steht. In einem entsprechenden Fall lägen nämlich weder die Voraussetzungen des § 105 Abs. 4 f S. 1 AMG für eine positive Entscheidung (kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2) noch die Voraussetzungen des § 105 Abs. 5 S. 2 AMG für eine negative Entscheidung (keine Mängelbeseitigung innerhalb gesetzter Frist) vor. Der Behörde bleibt somit, wenn dem Mangel nicht durch Beifügung einer Auflage begegnet werden kann, wohl (abgesehen von der eventuell gegebenen Option einer Aufhebung der fiktiven Zulassung nach § 30 AMG) keine andere Möglichkeit als die Zustellung einer weiteren Mängelmitteilung.
Auch aus Zielsetzung und Genese des § 105 Abs. 5 AMG lässt sich ein gegenteiliges Ergebnis nicht ableiten. Die Ursprungsfassung der Vorschrift, Art. 3 § 7 Abs. 5 AMRNOG, sah vor, dass der Antragsteller bei Beanstandungen der vorgelegten Unterlagen innerhalb von drei Jahren nach Mitteilung der Beanstandungen den Mängeln abzuhelfen hatte. Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass eine schrittweise Anpassung der Arzneimittel an die Vorschriften des neuen Arzneimittelgesetzes anzustreben sei. Innerhalb von zwölf Jahren sollten die erforderlichen Unterlagen vorliegen. Binnen weiterer drei Jahre sollten etwaige Mängel behoben werden können, so dass insgesamt die gemeinschaftsrechtlich vorgesehene maximale Übergangsdauer von 15 Jahren gewahrt werden würde.
So der Ausschussbericht vom 31.3.1976, BT-Drucks. 7/5091, S. 22.
Mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (1994), also nach Ablauf der genannten Zeitspanne von insgesamt 15 Jahren, wurde die dem Antragsteller zur Mängelbeseitigung zur Verfügung stehende Frist auf 18 Monate verkürzt, was der "Effektivierung und Beschleunigung" des Nachzulassungsverfahrens dienen sollte.
So der Ausschussbericht vom 16.5.1994, BT-Drucks. 12/7572, S. 7.
Die heutige Fassung des § 105 Abs. 5 AMG entstammt dem Zehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (2000). In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, in den Bereichen Neu- und Nachzulassung solle die Mängelbeseitigung von ihrem Ansatz her aus Gründen der Verfahrensökonomie die Behebung kleinerer Mängel im laufenden Verfahren ermöglichen, soweit dadurch das Verfahren nicht über Gebühr in die Länge gezogen und unnötigerweise Kapazitäten gebunden würden. Die abermalige Verkürzung der Frist habe zur Folge, dass die Unternehmer gehalten seien, von Anfang an entscheidungsreife Anträge einzureichen. Soweit die eingereichten Unterlagen Mängel aufwiesen, zu deren Behebung zeitaufwendige Untersuchungen oder Prüfungen erforderlich seien, sei zu gegebener Zeit die Stellung eines neuen Zulassungsantrags sachgerecht. Daher werde einheitlich für Zulassung und Nachzulassung die Möglichkeit ausgeschlossen, durch Nachreichen von Unterlagen einen Antrag erst im Rechtsmittelverfahren zulassungsreif zu machen.
Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 2.12.1999 , BT-Drucks. 14/2292, S. 8 und 9; Ausschussbericht vom 10.5.2000, BT-Drucks. 14/3320, S. 15 f.
Aus alldem ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit dem Beanstandungsverfahren nach § 105 Abs. 5 AMG stets einen Ausgleich zwischen der Verfahrensökonomie und den Interessen des Unternehmers an Nachbesserungsmöglichkeiten einerseits und (zunehmend) dem - auch gemeinschaftsrechtlich begründeten - Zwang zu einer Beschleunigung der Nachzulassungsverfahren andererseits angestrebt hat. Vor diesem Hintergrund dürfte in der Tat regelmäßig die Konzentration auf ein einziges Mängelbeseitigungsverfahren angezeigt sein, um die sich das BfArM erfahrensgemäß auch bemüht. Da der Gesetzgeber auch die Verfahrensökonomie und die Interessen des Unternehmers im Blick hatte, erscheint es aber im Einzelfall sachgerecht, dem Unternehmer bei Mängeln, die in einer früheren Mängelmitteilung noch keine Berücksichtigung gefunden haben, erneut die Möglichkeit zur Mängelbeseitigung einzuräumen.
Ebenso im Ergebnis Brixius/Schneider, a. a. O., Ziff. 9.2.1 (S. 125 f.).
Es ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht zum Schutz der Rechte des Unternehmers geboten, das BfArM strikt auf ein einziges Mängelschreiben zu beschränken und nach Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist - entgegen § 105 Abs. 4 f AMG - einen Anspruch auf Erteilung der Nachzulassung auch bei Vorliegen weiterer Mängel anzunehmen. Dass Mängel nicht unmittelbar zur Versagung der Nachzulassung und damit der Notwendigkeit eines Neuzulassungsantrags führen, sondern im Mängelbeseitigungsverfahren des § 105 Abs. 5 S. 1 AMG behoben werden können, trägt bereits den Interessen der Unternehmer Rechnung, denen der Übergang zum neuen Rechtsregime erleichtert werden sollte. Ein darüber hinausgehender Schutz der Unternehmer, die von der durch eine Mehrzahl von Mängelbeseitigungsverfahren entstehenden Verzögerung angesichts des Fortbestands der fiktiven Zulassung im Übrigen regelmäßig begünstigt werden, ist rechtlich nicht geboten. Dies gilt auch mit Blick auf die in § 105 Abs. 5 S. 2 und 3 AMG statuierte Präklusion.
Ausführlich dazu OVG NRW, Urteil vom 29.4.2008 - 13 A 4996/04 -, juris.
Wäre die Behörde, weil ihr die Möglichkeit einer weiteren Mängelmitteilung nicht mehr offen steht, gezwungen, eine (Nach-) Zulassung zu erteilen, die sie häufig sogleich nach § 30 Abs. 1 AMG wieder aufzuheben hätte, so wäre damit schließlich weder das Ziel eines effizienten Einsatzes der Kapazitäten der Behörde erreicht, noch würde der Unternehmer, der zur Wiederherstellung der Verkehrsfähigkeit ein Neuzulassungsverfahren durchführen müsste, davon profitieren.
3.) Soweit die Klägerin schließlich ausführt, die gesetzte Frist von neun Monaten sei unangemessen kurz gewesen, vermag der Senat ihr nicht zu folgen. Dass die Annahme des VG zutrifft, es sei nicht stets eine Frist von zwölf Monaten anzusetzen, ergibt sich bereits eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut. Welche Frist im Einzelfall angemessen ist, wird vielmehr durch den vom Zulassungsinhaber zu leistenden Aufwand bestimmt, der objektiv mit der Mängelbeseitigung verbunden ist. Demzufolge ist eine umso längere Mängelbeseitigungsfrist einzuräumen, je stärker das nachzuzulassende Arzneimittel mit Mängeln behaftet ist.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2006 - 13 A 2727/04 -, A & R 2007, 185 (188).
Dass der für eine Mängelbeseitigung erforderliche Aufwand vorliegend so groß ist, dass eine Beseitigung innerhalb von neun Monaten auf ernsthafte Schwierigkeiten stoßen könnte, ist nicht zu erkennen. Gerade unter Zugrundelegung des vom VG eingenommenen Standpunkts, dass für den Nachweis der Bioverfügbarkeit in-vitro-Studien ausreichen, erscheint die gesetzte Frist nicht zu knapp bemessen, was die Gutachterin des BfArM, Dr. Q. in der mündlichen Verhandlung vor dem VG auch erläutert hat. Die Klägerin hat ihren Einwand, die Frist sei unangemessen kurz, jedenfalls nicht ansatzweise durch Tatsachenvortrag unterlegt und auch nicht erläutert, warum die von ihr betonte Unterscheidung zwischen ex-ante- und ex-post-Perspektive vorliegend relevant sein könnte.
Ende der Entscheidung
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