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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 29.05.2007
Aktenzeichen: 13 A 2149/06
Rechtsgebiete: AMG


Vorschriften:

AMG § 105
AMG § 109a
Das AMG kennt keine gesetzliche Frist zur Vorlage der eidesstattlichen Versicherung nach § 109a Abs. 2 AMG.

§ 105 Abs. 5 AMG findet auch im Nachzulassungsverfahren für Traditionsarzneimittel nach § 109a AMG Anwendung.


Tatbestand:

Die Klägerin begehrte die Nachzulassung eines Arzneimittels nach § 109a AMG. Eine wirksame eidesstattliche Versicherung nach § 109a Abs. 2 AMG legte sie erst nach Ergehen eines versagenden Bescheides im Klageverfahren vor. Die Beklagte zog die Richtigkeit dieser eidesstattlichen Versicherung in Zweifel. Das VG verpflichtete die Beklagte zur Neubescheidung, die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde nicht zugelassen.

Gründe:

Das VG ist zu Recht davon ausgegangen, dass das AMG eine gesetzliche Frist zur Vorlage der eidesstattlichen Versicherung nach § 109a Abs. 2 AMG nicht kennt. Insbesondere folgt eine diesbezügliche Frist nicht aus § 109a Abs. 4 AMG. Selbst wenn aus dieser Vorschrift folgte, dass die Erklärung nach § 109a Abs. 4 AMG bis zum 1. 2. 2001 abzugeben wäre, ergibt sich angesichts der klaren Wortlauts der Vorschrift hieraus nichts für den Zeitpunkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 109a Abs. 2 AMG. Das AMG kennt außerhalb des Beanstandungsverfahrens auch nicht die Möglichkeit, dass die Beklagte eine Frist mit ausschließender Wirkung setzt. Dies folgt e contrario bereits aus § 25 Abs. 4 Satz 3 u. 4 und § 105 Abs. 5 Satz 2 u. 3 AMG. Im Übrigen bedürfte eine solche Fristsetzungsbefugnis mit Ausschlusswirkung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage.

Vgl. zu alledem VG Köln, Urteil vom 23. 4. 2003 - 24 K 8745/01 - , Pharma Recht 2003, S. 282; Brixius/Schneider, Nachzulassung und AMG-Einreichungsverordnung, 2004, S. 211 f.

Vor diesem Hintergrund ist es den Antragstellern im Nachzulassungsverfahren für Traditionsarzneimittel - wenn und soweit nicht das Beanstandungsverfahren nach § 105 Abs. 5 AMG durchlaufen wurde - ohne weiteres möglich, Unterlagen bzw. Erklärungen auch im Klageverfahren nachzuschieben.

Anderes ergibt sich auch nicht aus einem "Regelungssystem der Vorschriften über die Nachzulassung". Der Annahme eines solchen "Regelungssystems" steht hier schon die Vorschrift des § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG entgegen. Danach ist nach Durchlaufen des Beanstandungsverfahrens - aber eben nur dann - das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen.

Das VG ist weiter davon ausgegangen, dass § 105 Abs. 5 AMG auch dann Anwendung finde, wenn nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens von der Beklagten erstmals im Klageverfahren Beanstandungen erhoben werden (sei es, weil zuvor Beanstandungen übersehen wurden, sei es weil im Klageverfahren neue Unterlagen vorgelegt wurden, die beanstandet werden); dies wird nicht angegriffen. Soweit die Beklagte allein rügt, dass das VG davon ausgegangen sei, dass § 105 Abs. 5 AMG auch im Nachzulassungsverfahren für Traditionsarzneimittel Anwendung finde, hat die Rüge keinen Erfolg. § 105 Abs. 5 findet auch im Nachzulassungsverfahren für Traditionsarzneimittel Anwendung. Das Regelungsgefüge des § 105 AMG gilt grundsätzlich auch für die Nachzulassung der sog. Traditionsarzneimittel nach § 109a AMG. Nur wenn durch die Vorschrift des § 109a AMG die Regelungen des § 105 AMG konkret verdrängt werden, tritt § 105 AMG zurück.

So auch Brixius/Schneider, a.a.O., S. 208.

Das "Verfahren" nach § 109a AMG trifft nur Sonderregelungen für die sog. Traditionsarzneimittel innerhalb des Nachzulassungsverfahrens nach § 105 AMG und ist kein eigenständiges Verfahren. Das zeigt sich bereits daran, dass die Vorschrift keine eigenständige Grundlage für die Nachzulassung zur Verfügung stellt; vielmehr bleibt es bei § 105 Abs. 4f AMG. Insoweit nimmt § 109a Abs. 1 AMG denn auch ausdrücklich Bezug auf § 105 Abs. 3 AMG (wobei der Verweis ungenau ist, da nach § 105 Abs. 3 AMG keine Verlängerung der Zulassung "erteilt" wird). Auch bestätigt der Umstand, dass die Regelungen der § 109a Abs. 2 und 3 AMG die § 105 Abs. 4 Satz 2 und § 105 Abs. 4a Satz 1 AMG konkret verdrängen, dass es im Übrigen bei einer Geltung des § 105 AMG auch für die Traditionsarzneimittel bleiben soll. Weiter ist die Regelung des § 109a AMG viel zu lückenhaft, als dass sie als eigenständige Verfahrensregelung verstanden werden könnte. Weder ist eine Regelung von Versagungsgründen enthalten (vgl. § 105 Abs. 4 f AMG), noch wird zur Möglichkeit von Auflagen Stellung genommen (vgl. § 105 Abs. 5a AMG). § 109a Abs. 4 AMG ändert daran nichts. Selbst wenn aus dieser Vorschrift abgeleitet werden könnte, dass entweder das "normale" Nachzulassungsverfahren oder das Nachzulassungsverfahren für Traditionsarzneimittel durchzuführen ist, besagt dies noch nichts darüber, wie das Verfahren für Traditionsarzneimittel konkret ausgestaltet ist. Im Übrigen entspricht allein dieses Verständnis des Verhältnisses zwischen § 105 und § 109a AMG der Verwaltungspraxis. Stellte das Verfahren nach § 109a AMG ein gänzlich eigenständiges Verfahren dar, könnte innerhalb dieses Verfahrens § 105 Abs. 5b Satz 1 AMG nicht zur Anwendung kommen - und die Beklagte hätte für alle Traditionsarzneimittel das Widerspruchsverfahren durchführen müssen. Dies hat sie indes - zu Recht - nicht getan.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass § 105 Abs. 5 AMG durch die Regelungen des § 109a AMG konkret verdrängt wird. Ein ausdrücklicher Ausschluss der Anwendung der Vorschrift des § 105 Abs. 5 AMG für Traditionsarzneimittel lässt sich § 109a AMG nicht entnehmen. Es sind aber auch keine Gründe für einen sinngemäßen Ausschluss ersichtlich. Allein der Umstand, dass mit § 109a AMG das Nachzulassungsverfahren für die Traditionsarzneimittel vereinfacht und beschleunigt werden soll, gibt für eine Unanwendbarkeit des § 105 Abs. 5 AMG nichts her. Zwar mag die Möglichkeit ohne Durchführung des Verfahrens nach § 105 Abs. 5 AMG zu entscheiden vordergründig eine Beschleunigung und Vereinfachung herbeiführen. Diese Beschleunigung und Vereinfachung ist indes nur eine scheinbare, da ohne Durchführung des Verfahrens nach § 105 Abs. 5 AMG fehlende Erklärungen und Unterlagen im Klageverfahren nachgeschoben werden können - wie sich hier zeigt. Umgekehrt zeigt die Regelung des § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG, dass gerade die Durchführung des Beanstandungsverfahrens nach § 105 Abs. 5 AMG der Beschleunigung und Vereinfachung dient.

Vgl. zum gesetzgeberischen Ziel der Beschleunigung und Vereinfachung durch § 109a AMG BT-Drucks. 12/7572 S. 8 und 14/3320 S. 16.

Die Besonderheiten der Vorschriften des § 109a Abs. 2 und 3 AMG ändern an dem Gesagten nichts. Zwar knüpft § 109a Abs. 2 AMG zunächst einmal an eine verfahrensmäßig Erklärung - und nicht an "materielle Unterlagen" - an. Dies führt indes nicht zu einer Unanwendbarkeit des § 105 Abs. 5 AMG. Zum einen sind die Begriffe der "Beanstandungen", der "Mängel" und der "Unterlagen zur Mängelbeseitigung" weit zu verstehen. Erfasst werden alle durch Unterlagen und Erklärungen grundsätzlich beseitigbaren Mängel und Beanstandungen, mögen sie auch schwerwiegend sein. Dazu gehören auch Mängel, die durch - im Prinzip nachholbare - verfahrensmäßige Erklärungen behoben werden können (nicht aber <nicht behebbare> materielle Rechtsmängel). Übermäßigen Verzögerungen kann durch Setzen kurzer Fristen vorgebeugt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. 9. 2006 - 13 A 2727/04 - und 19. 4. 2007 - 13 A 2975/06 - (zur Vorlage von Unterlagen nach dem EDMF-Verfahren).

Zum anderen zeigt der Umstand, dass die Beklagte hier - da ihr auch die im Klageverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung nicht hinreichte - das Fehlen von Unterlagen zur Stabilität bemängelte, dass sich die Nachzulassungsverfahren nach § 105 Abs. 4 Satz 2 AMG und § 109a Abs. 2 AMG ähneln können, wenn und soweit die Glaubhaftmachung durch die eidesstattliche Versicherung nach § 109a Abs. 2 AMG zweifelhaft ist. In der Folge muss auch § 105 Abs. 5 AMG einschlägig sein.

So auch Brixius/Schneider, a.a.O., S. 211.

Anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus § 109a Abs. 3 AMG. Hinsichtlich einer fehlenden Listenposition ist das Beanstandungsverfahren nach § 105 Abs. 5 AMG nicht durchzuführen, da es sich insoweit um einen (nicht behebbaren) materiellen Rechtmangel handelt.

Ende der Entscheidung

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