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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 24.01.2008
Aktenzeichen: 13 A 2510/05
Rechtsgebiete: AMG


Vorschriften:

AMG § 2 Abs. 1
Ein Schlankheitsmittel ist kein Präsentationsarzneimittel, wenn es weder auf dem Dosenetikett noch andernorts als solches bezeichnet wird und auch ansonsten nicht der Eindruck entsteht, es müsse Eigenschaften zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten aufweisen.

Ein Schlankheitsmittel ist kein Funktionsarzneimittel, wenn es an den vom BVerwG für die Einordnung als Funktionsarzneimittel geforderten belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen fehlt, die eine erhebliche Beeinflussung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers belegen.


Gründe:

In der Sache teilt der Senat die Auffassung des VG, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt "O. Pulver" nicht um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG handelt. Nach § 2 Abs. 1 AMG sind, soweit hier einschlägig, Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (Nr. 1) oder die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen (Nr. 5). Die Definition entspricht bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung der Begriffsbestimmung des Art. 1 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6.11.2001 (ABl. Nr. L 311 vom 28.11.2001, S. 67) in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 (ABl. Nr. L 136 vom 31.3.2004, S. 34).

Vgl. BVerwG, vom 14.12.2006 - 3 C 40.05 -, ZLR 2007, 368; Bay.VGH, Beschluss vom 1.10.2007 - 25 CS 07.1210 -, juris.

Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG enthält für den Begriff des Arzneimittels alternativ zwei Definitionen. Zum einen sind Arzneimittel nach Bezeichnung alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind. Zum anderen sind Arzneimittel nach der Funktion alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Die nunmehr geltende Definition enthält zwar in ihrer ersten Variante nicht mehr das Merkmal des Bezeichnens, sondern verwendet stattdessen den Ausdruck "bestimmen". Der ansonsten weitgehend übereinstimmende Wortlaut und die fortdauernde Systematik zweier unterschiedlicher Arzneimitteldefinitionen legen aber den Schluss nahe, dass damit weiterhin das Präsentationsarzneimittel gemeint ist, vgl. BVerwG, Urteile vom 25.7.2007 - 3 C 21.06 -, 3 C 22.06 -, 3 C 23.06 -, sowie vom 14.12.2006 - 3 C 40.05 -, a.a.O., und eine Änderung in der Sache nicht vorgenommen wurde.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.11.2005 - 13 A 463/03 -, LRE 51, 287; Bay.VGH, Beschluss vom 1.10.2007 - 25 CS 07.1210 -, a.a.O.

Arzneimittel nach Bezeichnung sind nicht nur Arzneimittel, die tatsächlich therapeutische oder medizinische Wirkungen haben, sondern auch solche, die nicht ausreichend wirksam sind oder nicht die Wirkung haben, die der Verbraucher nach ihrer Bezeichnung von ihnen erwarten darf. Ein Erzeugnis wird im Sinne der Richtlinie 2001/83 "als Mittel zur Heilung oder Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet", wenn es, gegebenenfalls auf dem Etikett, dem Beipackzettel oder mündlich, ausdrücklich als solches bezeichnet oder empfohlen wird. Ein Erzeugnis wird ferner dann "als Mittel zur Heilung oder Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet", wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher, sei es nur schlüssig, mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass dieses Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse.

Vgl. EuGH, Urteil vom 15.11.2007 - Rs. C-319/05-, Knoblauchkapseln.

Das streitgegenständliche Produkt ist danach kein Präsentationsarzneimittel. Es wird weder auf dem Dosenetikett noch andernorts von der Klägerin als Arzneimittel bezeichnet, noch nimmt es auf der Verpackung oder in der Werbung für sich in Anspruch, Eigenschaften zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten aufzuweisen. Auf der von der Klägerin vorgelegten Verpackung wird das Produkt ausdrücklich als Mahlzeitenersatz bzw. Mittel zur gewichtskontrollierenden Ernährung bezeichnet. Auch die auf der Verpackung enthaltenen weiteren Hinweise prägen den Eindruck, dass das Produkt ausschließlich einer besonderen Art der Ernährung mit dem Ziel einer Gewichtsreduzierung dient, zumal auch die Zutaten (z.B. Magermilchpulver, Zucker, Molkenprotein, Sojaprotein, Weizenfaser, Instant Kaffee) nicht auf das Vorhandensein arzneilich wirksamer Bestandteile hinweisen. Die von der Beklagten benannten Werbeaussagen "O. sei dazu bestimmt, selbstständig vorhandenes Körperfett aufzulösen" und die "Neueinlagerung vorhandener Fettstoffe zu verhindern" weisen, ungeachtet der in diesem Zusammenhang nicht erheblichen Frage, ob es sich hierbei um überzogene oder irreführende (Werbe-)Aussagen handelt, keinen Bezug zu irgendeinem krankhaften Zustand auf. Aus den sich in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Werbeanzeigen geht vielmehr ausdrücklich hervor, dass es sich bei dem Produkt nicht um eine Arznei bzw. um ein Medikament handelt. Auch aus sonstigen Umständen ergibt sich, wie das VG zutreffend dargelegt hat, nicht, dass es in Anbetracht seiner Inhaltsstoffe, der Aufmachung, der Art und Form der Dosierung die betreffenden Eigenschaften zur Heilung oder Verhütung haben müsste. Warum die von der Beklagten vorgetragenen sonstigen Gesichtspunkte, wie die Bekanntheit, der Umfang der Verbreitung, Risiken oder der Preis eine abweichende Beurteilung rechtfertigen sollten, erschließt sich dem Senat nicht, zumal auch die Beklagte hierzu substantiiert nichts vorgetragen hat.

Das streitgegenständliche Produkt ist auch kein Funktionsarzneimittel. Insoweit fehlt es bereits an den vom BVerwG für die Einordnung als Funktionsarzneimittel geforderten belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen, die eine erhebliche Beeinflussung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers belegen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.7.2007 - 3 C 21.06 -, - 3 C 22.06 - und - 3 C 23.06 -.

Insoweit hat auch der EuGH vgl. Urteil vom 15.11.2007 - Rs. C-319/05 -, Knoblauchkapseln, zur Definition des Funktionsarzneimittels ausgeführt, dass anders als der Begriff des Arzneimittels nach der Bezeichnung, dessen weite Auslegung die Verbraucher vor Erzeugnissen schützen soll, die nicht die Wirksamkeit besitzen, welche sie erwarten dürfen, der Begriff des Arzneimittels nach der Funktion diejenigen Erzeugnisse erfasse, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die "tatsächlich" dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen.

Wissenschaftlich belegte pharmakologische Eigenschaften kommen dem Produkt nicht zu. Solche sind auch von der Beklagten nicht behauptet worden.

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