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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 17.07.2008
Aktenzeichen: 13 A 2916/06
Rechtsgebiete: RettG NRW, VwGO


Vorschriften:

RettG NRW § 18
RettG NRW § 19 Abs. 1 Nr. 2
RettG NRW § 19 Abs. 3
RettG NRW § 24 Abs. 2 S. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4
Zur Ablehnung einer Genehmigung zum Krankentransport nach § 18 RettG NRW wegen Zweifeln an der Zuverlässigkeit des als Einzelkaufmann tätigen Unternehmers infolge strafrechtlicher Verurteilungen.
Tatbestand:

Der Kläger betreibt als Einzelkaufmann ein Unternehmen, das bereits seit den achtziger Jahren Aufgaben des Krankentransports wahrnimmt. Sein Antrag auf Genehmigung zum Betrieb eines weiteren Rettungswagens wurde im Oktober 2003 durch den Beklagten mit der Begründung abgelehnt, es fehle im Hinblick auf verschiedene gegen ihn geführte Strafverfahren an der Zuverlässigkeit des Klägers. Die auf Erteilung der Genehmigung gerichtete Verpflichtungsklage wies das VG ab. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

[...]

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

[...]

Das VG hat ausgeführt, einem Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Genehmigung nach § 18 Rettungsgesetz (RettG) NRW stehe der Versagungsgrund des § 19 Abs. 1 Nr. 2 RettG NRW entgegen. Nach dieser Vorschrift darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn das Unternehmen und die für die Führung der Geschäfte bestellte Person zuverlässig und fachlich geeignet sind. Das Fehlen der Zuverlässigkeit des Klägers ergibt sich nach Auffassung des VG aus den gegen den Kläger geführten Strafverfahren, namentlich dem Verfahren StA L. ......, das mit der Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe geendet hat. Diese Einschätzung des VG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Gemäß § 19 Abs. 3 S. 1 RettG ist das Unternehmen dann als zuverlässig anzusehen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die zur Führung der Geschäfte bestellten Personen den Betrieb unter Beachtung der für die Notfallrettung und den Krankentransport geltenden Vorschriften führen und dabei die Allgemeinheit vor Schäden und Gefahren bewahren. Der Senat hat zu dieser Vorschrift in seinem Urteil vom 19.9.2007 - 13 A 4955/00 - (Juris) folgendes ausgeführt:

"Der Begriff der Zuverlässigkeit bezeichnet ein Instrument sicher-heits- und ordnungsrechtlicher Gefahrenabwehr. Zuverlässig ist danach derjenige, der die Erwartung rechtfertigt, dass er den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ausübung der jeweiligen erlaubnispflichtigen Tätigkeit gerecht werden wird. Unzuverlässig ist er, wenn sich aus festgestellten Tatsachen ergibt, dass er des Vertrauens, er werde die von ihm angestrebte Betätigung ordnungsgemäß ausüben, insbesondere das zur Sicherheit und zum Schutz der Allgemeinheit Erforderliche tun und die gesetzlichen Vorschriften darüber beachten, nicht würdig ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.1.1962 - 7 C 37.60 -, BVerwGE 13, 326; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.4.1989 - 10 S 750/89 -, NZV 1990, 366 (367).

Dabei kann sich eine Unzuverlässigkeit daraus ergeben, dass aus einzelnen Gesetzesverletzungen - für sich genommen - die Unzuverlässigkeit folgt. Eine Unzuverlässigkeit kann sich aber auch aus einer Vielzahl kleinerer Gesetzesverletzungen ergeben, die - jeweils für sich genommen - noch keine ausreichende Grundlage für die Annahme einer Unzuverlässigkeit bieten würden, in ihrer Häufung aber einen Hang zur Nichtbeachtung gesetzlicher Vorschriften erkennen lassen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.1.1964 - VII B 162/63 -, GewArch 1965, 36; OVG NRW, Beschluss vom 21.1.1976 - XIV B 1317/75 -, GewArch 1976, 340; Marcks, in: Landmann/ Rohmer, GewO, Stand Januar 2007, § 35 Rdnr. 38 m.w.N.

Im Rahmen des § 19 Abs. 3 Satz 1 RettG NRW muss die Zuverlässigkeit des jeweiligen Antragstellers positiv festgestellt werden können. Danach schließen - schon nach dem Wortlaut der Vorschrift - bereits hinreichende Zweifel an der Zuverlässigkeit die Erteilung einer Genehmigung aus. Dies wird durch systematische Überlegungen bestätigt: Im Bereich der allgemeinen Gewerbefreiheit macht es Sinn, die Ausübung eines Gewerbes nur zu untersagen, wenn eine Unzuverlässigkeit positiv festgestellt worden ist (vgl. §§ 1, 35 GewO). Besteht aber - wie im nordrhein-westfälischen Rettungsrecht - gerade keine allgemeine Gewerbefreiheit, sondern ist die Ausübung des rettungsdienstlichen Gewerbes von vornherein begrenzt und reguliert (§ 18 Satz 1 RettG NRW), macht es umgekehrt Sinn, den Zugang zu diesem - von vornherein limitierten Bereich - schon zu versperren, wenn hinreichende Zweifel an der Zuverlässigkeit bestehen. Schließlich folgt das Gesagte aus dem Gesamtzusammenhang der rettungsdienstlichen Regelungen. Nach § 2 RettG NRW dienen Notfallrettung und Krankentransport einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis. Dieses Schutzbedürfnis schließt es aus, auch solche Personen zur Notfallrettung oder zum Krankentransport zuzulassen, an deren Zuverlässigkeit hinreichende Zweifel bestehen.

So im Ergebnis auch Prütting, RettG NRW, 3. Aufl. 2001, § 19 Rdnr. 29; Fehn/Kupfer, in: Steegmann, Recht des Feuerschutzes und des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen, Stand August 2007, § 19 RettG Rdnr. 28 und § 20 RettG Rdnr. 21. Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 28.8.1997 - 13 B 1800/97 - und Nds. OVG, Beschlüsse vom 31.10.1994 - 7 M 6163/94 und 7 M 5873/94 -.

Diese hinreichenden Zweifel können sich zum einen aus feststehenden Tatsachen ergeben, die hinreichende Zweifel an der Zuverlässigkeit begründen. Zum anderen können sich hinreichende Zweifel auch daraus ergeben, dass hinreichend sicher - wenn auch nicht erwiesen - Tatsachen vorliegen, die gegen eine Zuverlässigkeit des jeweiligen Antragstellers sprechen. In welchem Umfang diese Tatsachen hinreichend sicher vorliegen müssen, lässt sich nicht ein für allemal festlegen. Klar ist jedenfalls, dass Gerüchte und bloße Verdächtigungen nicht hinreichend sind.

Vgl. OVG NRW, a.a.O.

Insoweit steht die aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus Art. 6 Abs. 2 EMRK folgende Unschuldsvermutung nicht der Verwertung von Umständen entgegen, wegen derer ein Strafverfahren - u.a. nach § 170 Abs. 2 StPO - eingestellt worden ist. Die Unschuldsvermutung bezieht sich nur auf die strafrechtliche Schuld, hier geht es aber um die Frage, ob hinreichende Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers bestehen.

Vgl. BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 16.5.2002 - 1 BvR 2257/01 -, DVBl. 2002, 1110; BVerwG, Urteile vom 25.10.1960 - I C 63.59 -, BVerwGE 11, 181 und vom 2.2.1982 - 1 C 14.78 -, Buchholz, 451.20 § 35 GewO Nr. 40."

Gemessen an diesen Maßstäben bestehen vorliegend hinreichende Zweifel daran, dass der Kläger den Betrieb unter Beachtung der für die Notfallrettung und den Krankentransport geltenden Vorschriften führen und dabei die Allgemeinheit vor Schäden und Gefahren bewahren kann.

Dies ergibt sich bereits aus den Feststellungen in dem von dem VG hervorgehobenen Strafverfahren. Hier ist der Kläger durch das Amtsgericht L. mit Urteil vom 20.1.2004 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten wegen Anstiftung zur Brandstiftung in Tateinheit mit Betrug in besonders schwerem Fall verurteilt worden. Auf die Berufung des Klägers und der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht L. mit Urteil vom 2.5.2005 den Ausspruch dahingehend geändert, dass der Kläger wegen (täterschaftlicher) Brandstiftung in Tateinheit mit Betrug im besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt wird, wobei die Höhe der Freiheitsstrafe wegen der langen Verfahrensdauer bereits um zwei Monate reduziert worden ist. Die Vollstreckung ist - wie im erstinstanzlichen Urteil - zur Bewährung ausgesetzt worden. Die Revision des Klägers hat das OLG E. mit Beschluss vom 9.8.2006 als unbegründet verworfen. Die auf drei Jahre festgesetzte Bewährungszeit läuft bis zum 9.8.2009.

Der Senat sieht sich nicht gehalten, das von dem Kläger in Aussicht gestellte Wiederaufnahmeverfahren abzuwarten. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben bereits im Sommer 2007 bei der Staatsanwaltschaft L. Akteneinsicht unter Hinweis auf ihre Beauftragung zur Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens beantragt und erhalten (Bl. 3167 ff. der Strafakte). Ein Wiederaufnahmeantrag ist bislang aber nicht eingereicht worden. Den vorliegenden - entscheidungsreifen - Zulassungsantrag auf unbestimmte Zeit zurückzustellen, erscheint nicht gerechtfertigt, zumal konkrete Einwände gegen die Richtigkeit der strafgerichtlichen Entscheidungen nicht aufgezeigt worden sind. Ein entsprechender Antrag ist von dem Kläger im Übrigen nicht gestellt worden.

Allerdings genügt nicht eine Beschränkung auf die Feststellung, dass überhaupt strafgerichtliche Verurteilungen vorliegen. Vielmehr ist das Verhalten des Betreffenden, das zu seiner Verurteilung geführt hat, vor dem Hintergrund der begehrten Genehmigung zu bewerten.

Vgl. (zu § 35 GewO) BVerwG, Beschlüsse vom 26.2.1997 - 1 B 34.97 -, GewArch 1997, 242, und vom 23.5.1995 - 1 B 78.95 -, GewArch 1995, 377.

Schon der - auch in der Verurteilung zum Ausdruck kommende - Schweregrad der Tat lässt massiv an der Zuverlässigkeit des Klägers zweifeln. Hinzu kommt, dass das der Verurteilung zugrunde liegende Geschehen einen unmittelbaren Bezug zu der Tätigkeit des Klägers in Krankentransport und Notfallrettung aufweist. Denn der Kläger hat nach den Feststellungen des Amts- und des Landgerichts einen Schuppen auf dem Betriebsgelände der "D. B. " einschließlich des darin stehenden Rettungswagens in Brand setzen lassen, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen.

Zu bedenken ist dabei auch, dass mit der Genehmigung nach § 18 RettG NRW eine Betriebs- und Beförderungspflicht verbunden ist: Gemäß § 23 Abs. 1 RettG NRW hat das Unternehmen die Erreichbarkeit und Einsatzbereitschaft seines Betriebes während der festgesetzten Betriebszeiten sicherzustellen. Indem der Kläger auf seinem Betriebsgelände einen Brand hat legen lassen, hat er letztlich das Risiko in Kauf genommen, dass aufgrund des nicht völlig auszuschließenden Übergreifens des Feuers auf die Betriebsräume oder die Fahrzeughalle die Pflicht zur Einsatzbereitschaft verletzt wird.

Überdies ist zu berücksichtigen, dass sich in den Betriebsräumen zum Zeitpunkt der Tat schlafende Sanitäter befanden, deren Gefährdung jedenfalls der Mittäter S. seinerzeit befürchtet hat. Dies und die mit nahezu jeder Brandstiftung einhergehende Gefahr für Leib und Leben Unbeteiligter lässt die Tat in Bezug auf die Frage der Zuverlässigkeit des Klägers als besonders gravierend erscheinen. Denn wie oben aufgezeigt erfordert gerade der Umstand, dass dem nach § 18 RettG NRW zugelassenen Unternehmer ein besonders schutzbedürftiger Personenkreis anvertraut ist, eine gesteigerte Sicherheit bei der Prognose der Zuverlässigkeit.

Dass die der Verurteilung zugrunde liegenden Handlungen bereits etliche Jahre zurück liegen - die Straftaten sind Ende 1998 begangen worden - steht ihrer Berücksichtigung bei der Prüfung der Zuverlässigkeit des Klägers nicht entgegen. Grundsätzlich ausgeschlossen wäre die Einbeziehung dieser Handlungen gemäß §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz (BZRG), wenn die Voraussetzungen für eine Tilgung der Strafe aus dem Bundeszentralregister erfüllt wären.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26.2.1997 und vom 23.5.1995, a.a.O.; OVG Hamburg, Beschluss vom 8.7.1998 - Bf V 57/96 -, Juris.

Dies ist nicht der Fall. Ist der Sachverhalt aus dem Jahre 1998 somit grundsätzlich bei der Prognose der Zuverlässigkeit des Klägers zu berücksichtigen, so stellt sich die Frage, ob die aus diesem Geschehen resultierenden Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers durch die inzwischen abgelaufene Zeitspanne ausgeräumt werden. Dies vermag der Senat nicht zu erkennen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger spätestens von dem Jahr 2000 an und mindestens bis zum Jahr 2006 ständig unter dem Eindruck der verschiedenen, gegen ihn geführten Strafverfahren stand. Insbesondere das Verfahren mit dem (staatsanwaltlichen) Aktenzeichen ..... hat mit seinen zahlreichen Verhandlungstagen das Leben des Klägers in diesen Jahren bestimmt. Dass er in dieser Zeit offenbar nicht erneut strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, vermag die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit nur bedingt zu vermindern. Auch in vergleichbaren Vorschriften, die nach Ablauf einer gewissen Zeit die Berücksichtigung strafrechtlicher Verfehlungen ausschließen, wie etwa § 33c Gewerbeordnung, wird im Übrigen auf die seit Rechtskraft des Strafurteils abgelaufene Zeit abgestellt. Nimmt man hinzu, dass es sich bei den in Rede stehenden Handlungen - wie oben dargelegt - um gerade im Kontext der begehrten Genehmigung einschlägige und gravierende Rechtsverstöße handelt, so bleiben hinreichende Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bestehen.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Beklagte ihm unter dem 19.12.2003, also deutlich nach dem den Strafurteilen zugrunde liegenden Geschehen, eine Genehmigung gemäß § 18 RettG NRW für fünf (andere) Fahrzeuge erteilt hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass es sich bei dem Versagungsgrund der Unzuverlässigkeit, wie auch in der Begründung des Zulassungsantrags zutreffend ausgeführt wird, um eine gerichtlich voll überprüfbare Genehmigungsvoraussetzung handelt; ein Beurteilungsspielraum steht der Behörde insoweit nicht zu.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung vom 19.12.2003 noch keine Verurteilung des Klägers vorlag. Die erste Verurteilung erfolgte erst durch das Strafurteil des Amtsgerichts L. vom 20.1.2004. Die Behörde war sich des laufenden Strafverfahrens im Übrigen bewusst. Die Genehmigung vom 19.12.2003 wurde dem Kläger nämlich mit einem Anschreiben übersandt, in welchem "im Hinblick auf die zur Zeit anhängigen strafrechtlichen Verfahren" angekündigt wurde, dass nach deren Beendigung zu prüfen sein werde, "ob aus den Ergebnissen eine Unzuverlässigkeit" geschlossen werden könne und eine Aufhebung der Genehmigung angezeigt sei.

Dass der Beklagte dem Kläger im Dezember 2003 eine Genehmigung für fünf Fahrzeuge erteilte, nachdem er die vorliegend in Rede stehende Genehmigung für ein sechstes Fahrzeug noch im Oktober 2003 unter Hinweis auf die fehlende Zuverlässigkeit abgelehnt hatte, beruht im Übrigen ersichtlich auf einer nachvollziehbaren Differenzierung: Für fünf Fahrzeuge hatte der Kläger seit den achtziger Jahren ununterbrochen Genehmigungen nach dem Personenbeförderungsgesetz bzw. dem Rettungsgesetz NRW besessen. Darüber hinaus verfügte der Kläger hingegen seit Ende 1994 über keine Genehmigung. Der Beklagte wollte dem Kläger also offensichtlich ermöglichen, seinen Betrieb bis zur Klärung der strafrechtlichen Vorwürfe in dem bisherigen Umfang weiterzuführen.

Da bereits die der Verurteilung durch das Amts- und das Landgericht L zugrunde liegenden Handlungen hinreichende Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers begründen, braucht der Senat nicht näher auf das Verhalten des Klägers in den Jahren 1997 bis 1999 einzugehen, das ursprünglich Gegenstand des Strafverfahrens ... war (Betrug zu Lasten der Firma S1. ). Dass das Strafverfahren insoweit gemäß § 154 StPO (unwesentliche Nebenstraftat) eingestellt worden ist, stünde der Berücksichtigung des dort zugrunde liegenden Verhaltens des Klägers jedenfalls nicht entgegen. Selbst wenn die von dem Kläger seinerzeit geltend gemachte (zweifelhafte) Einschätzung zuträfe, dass es an einem Vermögensnachteil bei der Firma S1. fehlt (vgl. Bl. 332 der Strafakte), verbliebe es jedenfalls bei der Feststellung, dass das Ausstellen fingierter Krankentransportunterlagen gegenüber dem Rechenzentrum wohl kaum dem Geschäftsgebaren eines ordentlichen Kaufmanns (vgl. § 347 Abs. 1 Handelsgesetzbuch) entspricht.

Auch die Auseinandersetzung der Beteiligten über mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Beitragszahlung an die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen in den Jahren 2003 und 2004 lässt der Senat außer Betracht.

Der Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 5.6.2008, er beschäftige seit dem Jahre 2004 zwei Geschäftsführer, die in ihrem Geschäftsbereich jeweils eigenverantwortlich handelten und ihre Tätigkeit bislang beanstandungsfrei verrichtet hätten, kann bereits deshalb keine Berücksichtigung finden, weil er erst nach Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO erstmals in das gerichtliche Verfahren eingeführt worden ist. Über eine auch nach Fristablauf zulässige Ergänzung bzw. Erläuterung der bisherigen Antragsbegründung, vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 2. Aufl. 2006, § 124a Rdnr. 133, geht dieser Vortrag hinaus. Denn er verleiht dem Vorbringen des Klägers, in dessen Zentrum bislang die Frage seiner eigenen Zuverlässigkeit stand, eine neue Richtung.

Im Übrigen vermag dieser Einwand auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen. Grundsätzlich kommt es nämlich auf die Zuverlässigkeit sowohl des Unternehmens selbst als auch der zur Führung der Geschäfte bestellten Personen an (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 2 und § 24 Abs. 2 S. 1 RettG NRW). Zwar bestimmt § 19 Abs. 3 S. 1 RettG NRW, dass von der Zuverlässigkeit der zur Führung der Geschäfte bestellten Personen auf diejenige des Unternehmens zu schließen ist. Dies stünde einem Abstellen (auch) auf den Kläger selbst aber allenfalls dann entgegen, wenn dieser von der Führung der Geschäfte vollständig ausgeschlossen wäre. Dies ist bislang nicht dargelegt worden. Der - als Einzelkaufmann handelnde - Kläger hat nicht vorgetragen, dass er selbst nicht mehr in die Leitung des Unternehmens involviert sei. Die im Verwaltungsvorgang enthaltene Vollmachtsurkunde ist in Bezug auf die Frage, welche Befugnisse dem Kläger selbst verblieben sind und wie das Innenverhältnis zwischen ihm und den "Geschäftsführern" ausgestaltet ist, nichtssagend. Sollte der Kläger mit seinem jüngsten Schriftsatz vortragen wollen, er habe sich im Jahre 2004 von der Leitung seines Unternehmens vollständig und dauerhaft zurückgezogen, stünde dies im Übrigen in schwer auflösbarem Widerspruch zu der Bemerkung in dem Schriftsatz an das Gericht vom 18.8.2006, er sei seit mehreren Jahren ohne Beanstandung im Rettungsdienst- und Krankentransportgeschäft tätig.

Die Berufung ist ferner nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), denn die vom Kläger aufgeworfenen Fragen lassen sich ohne weiteres ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantworten. Über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende, verallgemeinerungsfähige Fragen tatsächlicher oder rechtlicher Art, die der Rechtsfortbildung und/oder -vereinheitlichung dienlich und in der Berufung klärungsbedürftig und klärungsfähig sind, hat der Kläger nicht aufgezeigt.

Der Hinweis auf eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von dem Urteil des Bay. VGH vom 18.10.2005 (21 B 99.1017) führt insoweit nicht weiter. Richtig ist allerdings, dass im Falle des Abweichens der erstinstanzlichen Entscheidung von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts eines anderen Landes in aller Regel die Voraussetzungen einer Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung vorliegen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.1.1993 - 2 BvR 1058/92, 1059/92 -, NVwZ 1993, 465; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 124 Rdnr. 12.

Für divergierende Auslegungen von - auch inhaltsgleichem - Landesrecht gilt dies allerdings nur eingeschränkt. Denn es gibt keinen Harmonisierungszwang, inhaltsgleiches Landesrecht in verschiedenen Bundesländern identisch auszulegen. Die Abweichung von der Rechtsprechung eines anderen Oberverwaltungsgerichts kann allerdings die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage indizieren, wenn das angerufene Oberverwaltungsgericht zu dieser Rechtsfrage noch keine Entscheidung getroffen hat.

Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 124 Rdnr. 129.

Im vorliegenden Verfahren können diese Überlegungen indes schon deshalb nicht zur Annahme des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen, weil die Frage, hinsichtlich derer das VG und der Bay. VGH möglicherweise unterschiedlicher Ansicht sind, sich hier nicht stellt. Der Bay. VGH hat in dem genannten Urteil ausgeführt, die Behörde könne sich, nachdem sie eine entsprechende Genehmigung erteilt habe, (erst) dann wieder auf eine Unzuverlässigkeit desselben Antragstellers berufen, wenn neue Tatsachen die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigten. Eben dies ist vorliegend der Fall. Denn die Strafurteile, aus deren Feststellungen sich durchgreifende Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers ergeben, sind erst in den Jahren 2004 und 2005 und damit nach der dem Kläger im Dezember 2003 erteilten Genehmigung ergangen. Das Berufungsverfahren böte dem Senat also keinen Anlass, sich mit der Auffassung des Bay. VGH betreffend die Bindung der Behörde an eine durch sie vorgenommene positive Zuverlässigkeitsprognose zu befassen.

Ende der Entscheidung

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