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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 03.04.2009
Aktenzeichen: 13 A 3057/07
Rechtsgebiete: AMG, AMRNOG, AMZulRegAV, VwVfG, VwGO


Vorschriften:

AMG § 21 Abs. 3 Satz 1
AMG § 22 Abs. 3a
AMG § 25 Abs. 2
AMG § 25 Abs. 2 Nr. 5a
AMG § 25 Abs. 7 Satz 1
AMG § 29 Abs. 2a Satz 1
AMG § 29 Abs. 3
AMG § 31 Abs. 3
AMG § 36 Abs. 1 Satz 2
AMG § 105 Abs. 1
AMG § 105 Abs. 4f Satz 1
AMG § 105 Abs. 4f Satz 1 Hs. 1
AMG § 105 Abs. 3 Satz 1
AMG § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5
AMRNOG § 7 Abs. 1
AMRNOG § 7 Abs. 2 Satz 1
AMRNOG § 7 Abs. 3 Satz 1
AMZulRegAV § 1
VwVfG § 38
VwVfG § 38 Abs. 1
VwVfG § 38 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 6 Abs. 1
VwGO § 6 Abs. 3 Satz 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
Die Änderung der Indikation eines Arzneimittels hat keinen besonderen Formerfordernissen zu genügen; insbesondere muss sie nicht auf einem dafür vorgesehenen Formblatt erfolgen.

Die Wertung eines Mängelschreibens im arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren als Zusicherung oder als behördliche Maßnahme mit zusicherungsähnlicher Wirkung scheidet i. d. R. aus. Das Mängelschreiben der Zulassungsbehörde ist nicht als verbindliche Selbstverpflichtung auszulegen.


Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Nachzulassung für das fiktiv zugelassene Arzneimittel "T.N.". Die Anwendungsgebiete lauteten nach Maßgabe des im November 1989 eingegangenen sog. Kurzantrags: "Die Anwendungsgebiete entsprechen den homöopathischen Arzneimittelbildern. Dazu gehören Durchblutungsstörungen des Herzens. Zur Nachbehandlung nach Myokardinfarkt." Im Mai 2001 übersandte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) der Klägerin eine formale pharmazeutische Stellungnahme, eine Stellungnahme zur Qualität und eine weitere Stellungnahme zur Toxikologie/Klinik und Pharmakologie und gab ihr Gelegenheit, den daraus ersichtlichen Mängeln binnen 12 Monaten abzuhelfen. Im Mai 2002 übersandte die Klägerin eine Antwort auf das Mängelschreiben. Unter Beifügung einer entsprechenden Änderungsanzeige verzichtete sie auf bestimmte arzneilich wirksamen Bestandteile. Die Beschreibung des Anwendungsgebietes änderte sie in: "... Dazu gehören: Druck- und Beklemmungsgefühl in der Herzgegend (pectanginöse Beschwerden). ..."

Die Kommission D beim BfArM sprach sich im Oktober 2002 für eine Versagung der Verlängerung der Zulassung des geänderten Arzneimittels aus. Nach Ergehen des Versagungsbescheids durch das BfArM erhob die Klägerin Klage und beantragte Neubescheidung. Das VG wies die Klage ab. Der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe: Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das VG hat durch den Einzelrichter entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Nachzulassungsantrags habe, weil sie mit einer im Mai 2002 übersandten Änderungsanzeige die Anwendungsgebiete des Arzneimittels unzulässig geändert habe. Die dagegen erhobenen Einwände der Klägerin vermögen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht aufzuzeigen.

Soweit die Klägerin eine unzulässige Änderung der Anwendungsgebiete sowie ein Erlöschen der fiktiven Zulassung in Abrede stellt, zeigt ihr Vorbringen keine ernstlichen Zweifel auf.

Nach § 105 Abs. 4f Satz 1 Hs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) ist die Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG auf Antrag nach § 105 Abs. 3 Satz 1 AMG um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt. Eine Verlängerung der Zulassung setzt daher voraus, dass für das jeweilige Arzneimittel eine "Zulassung nach Absatz 1", also eine fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG oder (bis zum Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 9.8.1994, BGBl. I S. 2071) nach Art. 3 § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMRNOG) entstanden ist und diese im Zeitpunkt des Verlängerungsbescheides noch fortbesteht.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.12.2008 - 13 A 522/06 -, juris.

Das (ursprüngliche) Arzneimittel "T.N." ist zwar gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 AMRNOG in der Fassung vom 24.8.1976 (BGBl. I S. 2445) ordnungsgemäß angezeigt worden. Die Klägerin hat aber im Mai 2002 die Anwendungsgebiete des Arzneimittels unzulässig in "Die Anwendungsgebiete entsprechen den homöopathischen Arzneimittelbildern. Dazu gehören: Druck- und Beklemmungsgefühle in der Herzgegend (pectanginöse Beschwerden)." geändert, auch wenn dies nicht auf dem vom Beklagten dafür vorgesehenen Formblatt geschehen ist. Demgegenüber hieß es in der Anzeige im Mai 1978: "Antihomotoxischer Regulationseffekt bei Durchblutungsstörungen des Herzens, zur Prophylaxe und Therapie des Myokardinfarktes." und in dem sog. Kurzantrag, der die bisherigen Indikationsformulierungen teilweise abgeändert hat: "Die Anwendungsgebiete entsprechen den homöopathischen Arzneimittelbildern. Dazu gehören Durchblutungsstörungen des Herzens. Zur Nachbehandlung nach Myokardinfarkt."

Demgemäß handelt es sich nicht mehr um das ursprünglich angezeigte und vom Kurzantrag umfasste Arzneimittel, sondern um ein unzulässig geändertes Arzneimittel. Die fiktive Zulassung des ursprünglich angezeigten Arzneimittels erstreckt sich nicht auf das geänderte Arzneimittel, weil die im Mai 2002 angezeigte Änderung den gesteckten Rahmen nach § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG in der im Zeitpunkt der Änderung maßgebenden Fassung des Zehnten Änderungsgesetzes (BGBl. I S. 1002) - vgl. BVerwG, Urteile vom 21.5.2008 - 3 C 14.07 -, NVwZ-RR 2008, 692, und - 3 C 15.07 -, A&R 2008, 184; OVG NRW, Beschluss vom 27.8.2008 - 13 A 4034/05 -, juris - überschritten hat. Daraus folgt, dass das geänderte Arzneimittel mangels fortbestehender fiktiver Zulassung einer Neuzulassung bedarf.

Nach § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG darf ein homöopathisches Fertigarzneimittel im Nachzulassungsverfahren abweichend von den allgemeinen Vorschriften des § 29 Abs. 2a Satz 1, Abs. 3 AMG mit geänderter Art oder Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile ohne Erhöhung ihrer Anzahl innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung in den Verkehr gebracht werden, wenn es insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG bekannt gemachten Ergebnis oder einem vom Bundesgesundheitsamt vorgelegten Muster für ein Arzneimittel angepasst und durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig wird.

Der Begriff "Anwendungsbereich" ist von dem Begriff des "Anwendungsgebiets" zu trennen; dies ergibt sich aus § 36 Abs. 1 Satz 2 AMG. Der Begriff des "Anwendungsbereichs" muss eng verstanden werden, weil der Gesetzgeber ihn in einer Vorschrift verwendet, die ausnahmsweise von einer nach § 29 Abs. 3 AMG für notwendig erachteten neuen Zulassung entbindet. Das gebietet ein Verständnis des Begriffs in der Weise, dass er zwar auch, aber eben nur, diejenigen Fälle erfasst, in denen die Anwendungsgebiete des ursprünglichen und des geänderten Arzneimittels sich nicht wesentlich unterscheiden, zumindest aber nahe verwandt sind. Dies ist dann der Fall, wenn die gewählten Indikationsangaben mit den bisherigen Indikationsangaben nahe verwandt sind und das Arzneimittel im Wesentlichen der Behandlung der gleichen Grunderkrankung dient, so dass gewissermaßen der gleiche Patient behandelt wird.

Vgl. OVG Berlin, Urteil vom 20.9.2001 - 5 B 15.99 -, PharmR 2002, 47; OVG NRW, Beschlüsse vom 20.6.2007 - 13 A 744/06 -, juris, vom 20.11.2008 - 13 A 3567/06 -, A&R 2009, 46, und vom 2.12.2008 - 13 A 4726/06 -, PharmR 2009, 92.

Hiervon ausgehend erweist sich die Annahme des VG, die Änderung der Indikation sei außerhalb des aufgezeigten Rechtsrahmens erfolgt, als zutreffend. Während das Fertigarzneimittel in seiner im Jahr 1978 angezeigten und mit dem sog. Kurzantrag geänderten Indikationsformulierung der Prophylaxe und Therapie oder der Nachbehandlung schwerer Herzerkrankungen bis hin zum Herzinfarkt zu dienen bestimmt war, wandelte es sich mit der angezeigten Änderung zu einem Arzneimittel gegen ein weit gefasstes Beschwerdebild, das auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden kann und keinen unmittelbaren Bezug zu der vorherigen therapeutischen Indikation aufweist. Folgen hat dies deshalb für die Antwort auf die Frage, ob der angesprochene Patientenkreis vor und nach der Indikationsänderung im Wesentlichen gleich geblieben ist. Dies kann der Senat allerdings ebenso wenig wie das VG erkennen. Der Patientenkreis ist durch die Änderung erweitert worden, weil die mit der Anzeige von Mai 2002 angesprochenen Beschwerden unterschiedlichster Herkunft sein können und nicht mehr wie die zuvor in Anspruch genommenen Anwendungsgebiete eine diagnostizierbare Erkrankung des Herzens voraussetzen.

Dass die im Wege einer verwaltungsrechtlichen Willenserklärung erfolgte Änderung der Indikation nicht auf dem vom Beklagten dafür vorgesehenen Formblatt, sondern im Rahmen eines Verlängerungsantrags geschehen ist, steht ihrer Beachtlichkeit nicht entgegen. Die Änderungsanzeige hat, wie auch die Klägerin einräumt, keinen besonderen Formerfordernissen zu genügen. Zwar ist gemäß § 1 der Verordnung zur Festlegung von Anforderungen an den Antrag auf Zulassung, Verlängerung der Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln (AMZulRegAV) vom 21.12.1989 (BGBl. I S. 2547) ein Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 1 AMG auf Zulassung und nach Art. 3 § 7 Abs. 3 Satz 1 AMRNOG (§ 105 Abs. 3 Satz 1 AMG) auf Verlängerung der Zulassung eines Arzneimittels auf Antragsformularen zu stellen, die von der zuständigen Bundesoberbehörde herausgegeben und im Bundesanzeiger bekannt gemacht werden. Für eine Änderungsanzeige bedarf es indes nicht der Verwendung des hierzu herausgegebenen amtlichen Formblatts nach Maßgabe dieser Verordnung. Seine Benutzung erfüllt keine zwingende Formvorschrift und ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, so dass ein Verstoß nicht zur Unzulässigkeit der Anzeige führt.

Vgl. auch Heßhaus, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 22 Rn. 23.

Abgesehen hiervon hat die Klägerin bei der Stellung des Verlängerungsantrags im Mai 2002 außer dem Formblatt für die Antragstellung auch das Formblatt für die Abgabe einer Änderungsanzeige verwendet. Allerdings hat sie dort die Änderung der Anwendungsgebiete nach § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG nicht erklärt, sondern hat diese im Verlängerungsantrag, in der vorgesehenen Packungsbeilage und in der Beantwortung der fachlichen Stellungnahme Medizin, Phase I, zum Ausdruck gebracht. Zudem gehen ebenfalls die Gutachter A., B. und C. in dem von der Klägerin zugleich eingereichten medizinischen Sachverständigengutachten zur Begründung von Sinnhaftigkeit der Kombination, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels "T.N." von dieser Indikation aus. Vor diesem Hintergrund war allen an dem Verfahren Beteiligten hinreichend erkennbar, dass nunmehr das Fertigarzneimittel mit der beschriebenen Indikation verkehrsfähig sein soll. Die Klägerin hatte im Mai 2002 diese Unterlagen zur vollständigen Beantwortung der fachlichen Stellungnahme des BfArM vorgelegt, nachdem ihr im Mai 2001 ein Mängelschreiben zu dem Antrag auf Nachzulassung nebst Stellungnahmen übersandt und Gelegenheit gegeben worden war, den Mängeln binnen 12 Monaten abzuhelfen. Das BfArM ging - nach außen erkennbar - spätestens mit Schriftsatz vom 26.1.2006 von dem neuen Anwendungsgebiet aus; die Klägerin bestätigte schließlich mit Schriftsatz vom 26.6.2006 die Änderung der Indikation. Die Klägerin kann dem VG daher nicht entgegenhalten, dass die in Rede stehende Erklärung noch keine materiell-rechtliche Wirkung haben, sondern erst für die Zukunft aufgrund der Zulassungsentscheidung des BfArM Wirkung entfalten sollte.

Dass die Neuformulierung des Anwendungsgebiets gewissermaßen auf die fachliche Stellungnahme, Medizin, Phase I, zurückgeht, die ihrerseits auf der Äußerung von Dr. E. in einer gutachterlichen Stellungnahme aus dem Dezember 2000 beruht, nach der eine geänderte Indikation "Druck- und Beklemmungsgefühl in der Herzgegend (pectanginöse Beschwerden)" als belegt anzusehen sei, hat für die Wirksamkeit der Indikationsänderung, den Fortbestand der fiktiven Zulassung und die Frage der Erteilung der Nachzulassung keine rechtliche Bedeutung. Der medizinischen Bewertung kommt, wie das VG zu Recht ausgeführt hat, keine rechtliche Bindungswirkung im Hinblick auf die Voraussetzungen der Nachzulassung zu. Für eine von der Klägerin in Anspruch genommene Zusicherung gemäß § 38 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) mag ggf. Raum sein, im vorliegenden Fall greift diese Vorschrift aber nicht zu ihren Gunsten ein. Das Mängelschreiben ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als Zusicherung auszulegen, nach Entfernung von arzneilich wirksamen Bestandteilen und Umformulierung des Anwendungsgebiets erfolge die begehrte Nachzulassung.

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist unter einer Zusicherung eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage zu verstehen, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Eine solche Zusicherung hat zur Voraussetzung, dass sie mit Bindungswillen der Behörde erfolgt. Maßgeblich ist insoweit der erklärte Wille der Behörde, wie er sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nach Treu und Glauben darstellt. Der Wille der Behörde, sich für die Zukunft zu binden und einen entsprechenden Anspruch des Begünstigten auf die zugesagte Maßnahme zu begründen, muss eindeutig erkennbar sein. Neben dem Wortlaut der Erklärung sind dabei auch die Begleitumstände, insbesondere der Zweck der Erklärung, zu berücksichtigen.

Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage, 2008, § 38 Rn. 21, m. w. N.; Tiedemann, in: Bader/Ronellenfitsch, a. a. O., § 38 Rn. 4, 7.

Danach hat das BfArM keine Zusage erteilt. Schon das gesamte Verfahren der Nachzulassung eines Arzneimittels lässt erkennen, dass es entscheidend nur auf den am Ende des Verfahrens ergehenden Zulassungsbescheid ankommt und dass dementsprechend allen vorangehenden Verfahrensschritten - und damit auch einem Mängelschreiben - keine Verbindlichkeit im Hinblick auf die Zulassung zukommen soll. Somit scheidet also auch die Wertung eines Mängelschreibens als Zusicherung oder als behördliche Maßnahme mit zusicherungsähnlicher Wirkung aus. Das Mängelschreiben des BfArM ist daher nicht als verbindliche Selbstverpflichtung der Behörde auszulegen. Zwar ist es Sinn und Zweck eines den bestehenden Erkenntnisstand widerspiegelnden Mängelschreibens, dem Unternehmer aufzuzeigen, welche Aspekte seiner Zulassung entgegenstehen.

Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 27.8.2008 - 13 A 4034/05 -, a. a. O.

Beurteilt man hiervon ausgehend das Mängelschreiben nebst Anlagen nach dem objektiven Empfängerhorizont, wollte sich das BfArM nicht verpflichten, nach Entfernung von arzneilich wirksamen Bestandteilen und Abänderung des Anwendungsgebiets in jedem Falle und ohne weitere Prüfung die Nachzulassung zu erteilen. Die fachliche Stellungnahme, Medizin, Phase I, bezog sich zudem auf die befürwortete Kombination aus sieben arzneilich wirksamen Bestandteilen und nicht auf die streitbefangene Zehner-Kombination.

Aus diesen Gründen führt auch das Prinzip des Vertrauensschutzes nicht dazu, dass die Zulassung für das streitgegenständliche Arzneimittel verlängert werden kann. Der Senat braucht nicht der Frage nachzugehen, ob es angesichts des objektiv-rechtlichen Charakters arzneimittelrechtlicher Vorschriften überhaupt auf Vertrauensschutz ankommen kann. Jedenfalls muss die Klägerin sich entgegenhalten lassen, dass es ihr oblegen hat, die Verkehrsfähigkeit ihres Arzneimittels fortwährend zu erhalten. Wird ein Arzneimittel - wie hier - unzulässig geändert, treten die Folgen kraft Gesetzes, mithin unabhängig von der Vorgehensweise der Zulassungsbehörde ein.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.6.2007 - 13 A 744/06 -, juris, m. w. N.

Im Übrigen setzt eine Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten voraus, dass von der Beklagten ein Vertrauensschutztatbestand begründet worden ist. So liegt es hier aber nicht. Das BfArM hat der Klägerin gegenüber nicht deutlich gemacht, dass es mit Ergehen des Mängelschreibens sich bereits festgelegt hatte, bei seiner Beachtung zwingend die Nachzulassung zu erteilen. Es dürfte zudem auch deshalb kein Raum für schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der fiktiven Zulassung sein, weil die Klägerin innerhalb der zugestandenen 12 Monate für die Abhilfe der aufgezeigten Mängel Gelegenheit gehabt hätte, beim BfArM nachzufragen, ob die Modifizierung der Indikationen rechtliche Auswirkungen auf die Zulassung haben kann. Nach alldem kann dahinstehen, ob für den Fall, dass Vertrauensschutz zu gewähren wäre, überhaupt als Rechtsfolge die Verlängerung der Zulassung in Betracht kommt oder nur ein Entschädigungs- oder Schadensersatzanspruch.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20.11.2008 - 13 A 3566/06 -, juris, und - 13 A 3567/06 -, a. a. O.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Beanstandung der Bestandteile Acidum arsenicosum, Carbo vegetabilis und Veratrum album auch zu Recht erfolgt. Eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Kombinationsbegründung nach § 22 Abs. 3a (i. V. m. § 105 Abs. 4a Satz 1 Hs. 2) AMG hat die Klägerin nicht vorgelegt.

Eine Kombinationsbegründung ist auch für homöopathische Arzneimittel erforderlich, für die keine Registrierung, sondern eine Nachzulassung beantragt wird. Dies bestätigt § 105 Abs. 4f Satz 1 AMG in der im Zeitpunkt des Versagungsbescheides geltenden Fassung, der auf die § 31 Abs. 3, § 25 Abs. 2 Nr. 5a AMG verweist und in Satz 2 anordnet, dass die Besonderheiten einer bestimmten Stoffgruppe oder Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) zu berücksichtigen sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.4.2008 - 13 A 4996/04 -, juris; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 15.10.2008 - 3 B 71.08 -, juris.

Deshalb besteht auch für homöopathische Arzneimittel im Nachzulassungsverfahren die Pflicht, die Sinnhaftigkeit einer Arzneimittelkombination durch wissenschaftliches Erkenntnismaterial zu unterlegen. Einschränkungen ergeben sich lediglich aus den zu berücksichtigenden Besonderheiten (§ 22 Abs. 3 Satz 2, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a, § 26 Abs. 2 Satz 1, § 105 Abs. 4f Satz 2 AMG). Diese führen aber nicht zu einer Freistellung von der Pflicht, die Sinnhaftigkeit der Kombination nach den Maßstäben der Therapierichtung wissenschaftlich zu unterlegen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 16.10.2008 - 3 C 23.07 und 3 C 24.07 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 11.2.2009 - 13 A 385/07 -, juris.

Sofern das Arzneimittel mehr als einen arzneilich wirksamen Bestandteil enthält, ist daher zu begründen, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet. Der Beitrag eines arzneilich wirksamen Bestandteils zur positiven Beurteilung des Arzneimittels kann darin bestehen, dass dieser Bestandteil zur Wirksamkeit des Präparates in der vorgegebenen Indikation beiträgt oder unerwünschten Effekten entgegenwirkt, wobei dies nach einer in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung nicht in jedem Fall voraussetzt, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil für sich allein genommen hinsichtlich der in Anspruch genommenen Indikation wirksam ist. Hiernach reicht es aus, wenn der Wirkungseintritt, soweit therapeutisch erwünscht, früher erreicht, verstärkt, verlängert oder der erstrebte Heilerfolg mit geringerer Menge der Wirksubstanz erreicht wird.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 16.10.2003 - 3 C 28.02 - NVwZ-RR 2004, 180, und - 3 C 3.03 -, juris.

Das VG hat plausibel ausgeführt, warum eine hinreichende Kombinationsbegründung nicht vorliege. Es ist sonach nicht ersichtlich, dass das von der Klägerin eingereichte Erkenntnismaterial den Schluss auf das Anwendungsgebiet "Druck- und Beklemmungsgefühl in der Herzgegend (pectanginöse Beschwerden)" zulässt. Das vorgelegte Gutachten zählt zwar zahlreiche in der homöopathischen Literatur genannte Symptome auf, die mit den Wirkstoffen in Verbindung gebracht werden und auf eine Vielzahl von Beschwerden unterschiedlicher Ursache hindeuten. Es werden in diesem Gutachten aber nicht unter Berücksichtigung anderweitiger aus den Arzneimittelbildern ableitbarer Indikationen Schwerpunkte der Anwendung der jeweiligen Wirkstoffe herausgearbeitet. Das BfArM hebt hierzu hervor, dass die Formulierung einer homöopathischen Indikationen nicht allein aufgrund einzelner im Arzneimittelbild genannter Symptome erfolgen könne, da die Anwendung des Arzneimittels in einer Mehrzahl der Fälle zu einem therapeutischen Erfolg führen solle. Die in den homöopathischen Verzeichnissen genannten Symptome für eine Therapieentscheidung müssten daher nicht nur dem jeweiligen Wirkstoff zugeordnet werden können, sondern müssten hinsichtlich ihrer Validität nach bestimmten Kriterien zu gewichten sein. Hierzu hat das VG zutreffend die Forderung des BfArM bestätigt, dass aus dem Kreis der mit der beanspruchten Indikation verbundenen Beschwerden nur diejenigen zur Grundlage einer Indikationsformulierung dienen können, die durch gut bestätigte Charakteristika des jeweiligen Arzneimittels repräsentiert sind. Hieran fehlt es aber. Ob und in welchem Umfang die einschlägigen Aufbereitungsmonographien der Kommission D und ihre mehrheitlich gegen eine Nachzulassung votierende Stellungnahme aus dem Oktober 2002 verwertbare Beurteilungen enthalten und zur Wirksamkeitsbegründung der Bestandteile beitragen können, kann entgegen der Auffassung der Klägerin hier dahinstehen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen Verfahrensfehler i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vor. ...

Soweit die Klägerin eine verfahrensfehlerhafte Einzelrichterentscheidung geltend macht, ist ihr nicht zu folgen. Sie bemängelt, dass das VG vor Ablauf der Frist bis zum 15.4.2007 zur Anhörung hinsichtlich der Übertragung auf den Einzelrichter bereits am 29.3.2007 den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen hat. Ein beachtlicher Verfahrensfehler liegt allerdings nicht vor. Zwar ist eine gesetzlich nicht vorgeschriebene Anhörung im Hinblick auf das verfassungsmäßige Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 GG) und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gleichwohl geboten. Unterbleibt die Anhörung, kann sie bis zur Entscheidung in der Sache nachgeholt und der Gehörsverstoß dadurch geheilt werden. Die Beteiligten können durch rügelose Einlassung zu verstehen geben, dass sie gegen die erfolgte Übertragung keine Bedenken haben (§ 295 Abs. 1 ZPO). Heilbarkeit ist auch gegeben, wenn wie hier nach der Übertragung ein Beteiligter widerspricht. In diesem Fall bietet § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO die Möglichkeit, den Gehörsverstoß bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage zu korrigieren. Diese ist mit Rücksicht auf die Korrektur eines Gehörsverstoßes bei einer verfassungskonformen Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO dann anzunehmen, wenn der Einzelrichter auf Grund der nachgeholten Anhörung zum Ergebnis gelangt, dass die Rechtssache entgegen der ursprünglichen Annahme der Kammer doch grundsätzliche Bedeutung hat oder besondere Schwierigkeiten aufweist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.1999 - 6 C 30.98 -, BVerwGE 110, 40 = NVwZ 2000, 1290, 1291.

Hiervon ausgehend ist der dem Übertragungsbeschluss anhaftende Gehörsverstoß geheilt. Der Einzelrichter des VG hat die vorgebrachten Bedenken der Klägerin gegen die Übertragung zur Kenntnis genommen und im Urteil gewürdigt. Dessen Entscheidungsgründe geben hinreichend deutlich zu erkennen, dass er im Zeitpunkt seiner Entscheidung auch in Anbetracht der gegenteiligen Ausführungen der Klägerin die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 VwGO nach wie vor als gegeben angesehen hat, womit zugleich eine Rückübertragung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausschied.

Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Ebenfalls hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), da die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen sich ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantworten lassen. Über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende, verallgemeinerungsfähige Fragen tatsächlicher oder rechtlicher Art, die der Rechtsfortbildung und/oder Rechtsvereinheitlichung dienlich und in der Berufung klärungsbedürftig und klärungsfähig sind, liegen nicht vor. Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich ohne größere Auslegungsaufwendungen aus dem Gesetz beantworten. Dies gilt zunächst für die aufgeworfene Frage, ob ein im behördlichen Mängelschreiben von der Zulassungsbehörde erteilter Hinweis bindende Wirkung i. S. v. § 38 Abs. 1 VwVfG entfalten kann. Im Übrigen geht es nicht um eine verallgemeinerungsfähige Frage, sondern um die Subsumtion des gegebenen Sachverhalts, mithin um die Klärung eines Einzelfalls. Der Klärung dieser Frage kommt keine allgemeine Bedeutung zu. Auf die unter a) ferner gestellte Frage der Wiederholung bei Fehlerhaftigkeit eines solchen Hinweises oder der Bedeutungslosigkeit von solchen Hinweisen kommt es demnach nicht an. Die unter b) gestellte Frage der Rechtsfolge einer unzulässigen Anzeige ist angesichts der hierzu ergangenen und vorstehend zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr klärungsbedürftig. Dies gilt auch für die Frage nach den Begründungsanforderungen für jeden arzneilich wirksamen Bestandteil.

Ende der Entscheidung

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