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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 02.05.2007
Aktenzeichen: 13 A 3185/05
Rechtsgebiete: AMG


Vorschriften:

AMG § 103
AMG § 105
Die Rücknahme eines Antrags auf Verlängerung der Zulassung nach § 105 AMG ist nicht rücknehmbar oder widerrufbar.
Tatbestand:

Im Rahmen der Prüfung eines Nachzulassungsantrags nach § 105 AMG und eines Antrags auf Aufnahme in die Traditionsliste nach § 109a AMG war zu prüfen, ob die Rücknahme eines Nachzulassungsantrag ihrerseits zurückgenommen bzw. widerrufen werden kann. Das wurde in beiden Instanzen verneint.

Gründe:

Das VG ist im Rahmen der Prüfung des Nachzulassungsantrags und des Antrags auf Aufnahme in die Traditionsliste nach § 109a AMG zu Recht davon ausgegangen, dass die Rücknahme des Nachzulassungsantrags vom 27.12.1995 nicht zurückgenommen bzw. widerrufen werden konnte.

Dies folgt schon aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen. Bei der Rücknahme bzw. dem Widerruf eines Nachzulassungsantrages handelt es sich um eine Verfahrenshandlung nach dem VwVfG. Verfahrenshandlungen nach dem VwVfG sind jedenfalls dann nicht mehr frei rücknehmbar bzw. widerrufbar, wenn bereits durch die Verfahrenshandlung als solche nicht mehr rückgängig zu machende Umstände eingetreten sind.

Siehe dazu BVerwG, Urteile vom 3.4.1987 - 4 C 30.85 -, NJW 1998, S. 275, und vom 29.5.1980 - 5 C 65.78 -, FamRZ 1981, S. 208; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 22 Rdnr. 65; Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2004, § 22 Rdnr. 21; Kluth, NVwZ 1990, S. 608 (612 f.).

So liegt es bei einer Antragsrücknahme. Mit der Antragsrücknahme ist das Verfahren abgeschlossen. Auch würde die Zulassung einer Rücknahme oder eines Widerrufs einer Antragsrücknahme den verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsatz der Verfahrensklarheit berühren.

BVerwG, Urteil vom 22.6.1999 - 1 C 24.98 -, Buchholz, 402 240 § 7 AuslG Nr. 9; Stelkens/ Schmitz, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 22 Rdnr. 73; Clausen, a.a.O., Kopp/Ramsauer, VwVfG, a.a.O., § 22 Rdnr. 68. Anderes lässt sich nicht aus dem Urteil des BVerwG vom 3.4.1987 - 4 C 30.85 - , a.a.O., ableiten. Dort wurde der tatsächliche Umstand der Rücknahme einer Antragsrücknahme nur erwähnt; abgestellt wurde in der Sache darauf, dass die Antragsrücknahme durch eine aktenkundig nicht bevollmächtigte Person erfolgt sei.

Das o. a. Ergebnis folgt im Speziellen aber auch aus dem Arzneimittelgesetz. Mit der Rücknahme des Nachzulassungsantrags erlangte die Klägerin eine fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 5c AMG, die sich von der fiktiven Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG bzw. der Zulassung nach § 105 Abs. 4f AMG unterschied. Dies schließt die Möglichkeit aus, zwischen den Zulassungsarten beliebig zu wechseln.

A.A. Sander, Arzneimittelrecht, Loseblatt, Stand März 2006, § 105 AMG Erl. 19. Das von Sander wiedergegebene Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit trägt die von Sander vorgetragene Auffassung - freie Rücknehmbarkeit bzw. Widerruflichkeit der Rücknahme des Nachzulassungsantrags - ersichtlich nicht.

Die fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG gilt nur bis zum bestandskräftigen Abschluss der Zulassungsprüfung, im Anschluss daran wird sie nach § 105 Abs. 4f AMG verlängert. Mit der Rücknahme des Nachzulassungsantrags erlangt der Antragsteller hingegen eine zeitlich bis zum 30.1.2001 bzw. bis zum 31.12.2004 befristete Zulassung ohne Zulassungsprüfung (§ 105 Abs. 5c Satz 1 AMG in der ab dem 12.7.2000 geltenden Fassung bzw. § 105 Abs. 5c AMG in der bis zum 11.7.2000 geltenden Fassung).

Auch hätte eine Rücknehmbarkeit bzw. Widerrufbarkeit die Folge, dass der Antragsteller im Nachzulassungsverfahren es durch die Wahl des Zeitpunkts der Rücknahme bzw. des Widerrufs in der Hand gehabt hätte, sich die erleichterten Änderungsmöglichkeiten nach § 103 Abs. 3a AMG - die nur für laufende, nicht aber für durch Rücknahme abgeschlossene Nachzulassungsverfahren gelten - zunutze zu machen. Damit würde der Antragsteller über den Bereich der Zulassung nach § 105 Abs. 5c AMG weiter privilegiert, ohne dass hierfür ein einleuchtender Grund ersichtlich wäre. Ferner würde damit die Verwaltungsvereinfachung, auf die § 105 Abs. 5c AMG abzielte, partiell zunichte gemacht.

Vgl. zu alldem OVG Berlin, Beschlüsse vom 23.7.1999 - 5 N 47.98 -, juris, und vom 26.10.2000 - OVG 5 N 150.00 -, juris, sowie Urteil vom 20.9.2001 - OVG 5 B 15.99 -, PharmR 2002, 47.

Schließlich würde die Annahme einer Rücknehmbarkeit bzw. Widerruflichkeit der Rücknahme des Nachzulassungsantrags darauf hinauslaufen, dass es der Antragsteller im Nachzulassungsverfahren - im Ergebnis sogar über den durch § 105 Abs. 5c Satz 2 AMG geltenden Bereich hinaus - in der Hand gehabt hätte, die Zulassungsprüfung über den 30.1.2001 hinaus zu verschieben. Dies ist aber mit der Absicht des Gesetzgebers, die arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren zum Abschluss zu bringen und zu beschleunigen, nicht zu vereinbaren (vgl. § 105 Abs. 3a Satz 1 1. Halbsatz, Abs. 5 Satz 1 und 3, Abs. 5b AMG).

Siehe dazu OVG NRW, Beschluss vom 15.11.2005 - 13 B 780/05 -.

Im Übrigen spricht gegen eine freie Rücknehmbarkeit bzw. Widerruflichkeit einer Rücknahme eines Nachzulassungsantrags auch, dass der Gesetzgeber im Rahmen des seit dem 12.7.2000 geltenden § 105 Abs. 5c AMG davon ausgeht, dass das durch Rücknahme des Nachzulassungsantrags beendete Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen wieder aufgegriffen werden kann (§ 105 Abs. 5c Satz 2 AMG). Diese Regelung wäre nicht erklärlich, wenn eine freie Rücknehmbarkeit bzw. Widerruflichkeit der Rücknahme des Nachzulassungsantrags nach § 105 Abs. 5c AMG in der vor dem 12.7.2000 geltenden Fassung des § 105 Abs. 5c AMG gegeben gewesen wäre.

Das VG ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass die fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG hier nicht nach § 105 Abs. 5f AMG verlängerungsfähig war, da das Arzneimittel, für das die fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG allenfalls bestand (F), nicht mit dem Arzneimittel identisch war, für das die Verlängerung der Zulassung beantragt wurde (W). Die fiktive Zulassung für "F" konnte auch nicht infolge einer oder mehrerer Zulassungsänderung Grundlage für eine Nachzulassung von "W" sein, da schon die Zulassungsänderung vom 20.3.2000 - wie das VG von dem oben Gesagten abgesehen unbeanstandet festgehalten hat - nicht zulässig war. Vielmehr bedurfte schon das "W", dass zu diesem Zeitpunkt angezeigt wurde, der Neuzulassung (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG). Maßgeblich ist also allein, dass die Klägerin für das angezeigte "W" über keine verlängerungsfähige Zulassung verfügte. Wie die Beklagte intern mit der Änderungsanzeige vom 20.3.2000 umging, ist unerheblich.



Ende der Entscheidung

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