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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.01.2004
Aktenzeichen: 13 A 3253/01
Rechtsgebiete: TKG, GWB, TKV, RL 90/388/EWG


Vorschriften:

TKG § 3 Nr. 15
TKG § 25 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 2
GWB § 19 Abs. 3
TKV § 4
RL 90/388/EWG Art. 1 Abs. 1.
Die an andere Diensteanbieter gerichtete Lieferung der DTAG von Verbindungen im Sprachtelefondienst zum Zwecke des Wiederverkaufs ist Sprachtelefondienst.

Die DTAG hat auf dem Markt für Sprachtelefondienstleistungen für Resaleprodukte im Fernbereich eine marktbeherrschende Stellung.


Tatbestand:

Auf das von der Klägerin (DTAG) angekündigte Angebot ortsnetzüberschreitender Verbindungen im Sprachtelefondienst an Diensteanbieter zum Zwecke des Wiederverkaufs stellte die Regulierungsbehörde der Beklagten durch Bescheid die Entgeltgenehmigungspflichtigkeit dieser Leistung fest. Die Klägerin bestreitet eine Genehmigungspflicht, weil ihre Leistung kein Sprachtelefondienst und sie im Fernbereich nicht marktbeherrschend sei. Ihre Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.

Gründe:

Bei der für entgeltregulierungspflichtig erklärten Leistung, nämlich der zum Zwecke des Wiederverkaufs angebotenen Lieferung von Sprachtelefondienstverbindungen zu Anschlüssen der Klägerin und anderer Anbieter im ortsnetzüberschreitenden Inland sowie zu sonstigen Anschlüssen, handelt es sich um Sprachtelefondienst. Nach § 3 Nr. 15 TKG ist Sprachtelefondienst die gewerbliche Bereitstellung für die Öffentlichkeit des direkten Transports und der Vermittlung von Sprache in Echtzeit von und zu den Netzabschlusspunkten des öffentlichen, vermittelnden Netzes, wobei jeder Benutzer das an solch einem Netzabschlusspunkt angeschlossene Endgerät zur Kommunikation mit einem anderen Netzabschlusspunkt verwenden kann. Der Senat versteht diese Regelung als Beschreibung eines rein technischen Vorgangs und rein technischer Eigenschaften. Ein solcher technischer Vorgang, soweit er die beschriebenen Eigenschaften erfüllt, ist unabhängig davon, auf welcher rechtlichen Grundlage und zu welchem Zweck er erfolgt. Das rein technische Verständnis folgt aus den Erwägungen der § 3 TKG zugrundeliegenden Richtlinie der Kommission vom 28.6.1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste (90/388/EWG), ABl. Nr. L 192/10, nach deren Erwägung (32) u.a. für einen gemeinschaftsweiten Telekommunikationsdienstleistungsmarkt die technischen Voraussetzungen durch Richtlinien festzulegen sind; diese Festlegung für den Sprachtelefondienst ist in Art. 1 Abs. 1 der v.g. Richtlinie nahezu wortgleich mit § 3 Nr. 15 TKG erfolgt. Zudem ist Sprachtelefondienst eine Telekommunikationsdienstleistung und wird das Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen in der Literatur, vgl. Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, C § 3 Rdn. 31, als "technische" Dienstleistung bezeichnet.

Die Klägerin bietet an, Sprachtransport und -vermittlung von und zu Netzabschlusspunkten des öffentlichen vermittelnden Netzes von und zu den Endkunden zu erbringen. Dass Letztere Öffentlichkeit darstellen und für sie Sprachtransport und -vermittlung bereit gestellt werden soll sowie ihnen als Benutzern mit einem Gerät ihrer Wahl Kommunikationsmöglichkeiten gegeben sein sollen, wird auch von der Klägerin nicht angezweifelt. Die Bereitstellung von Transport und Vermittlung von Sprache ist gewerblich. Diese Motivation der Leistung ist bereits dann erfüllt, wenn sie zum Zweck der Gewinnerzielung erfolgt, gleichgültig worin der Gewinn konkret liegt oder ob er tatsächlich eintritt oder durch wen - den Endkunden oder einen Dritten - er aufgebracht wird.

Der Umstand, dass auch der Reseller im Rahmen der von ihm dem Endkunden vertraglich geschuldeten Telekommunikationsdienstleistung Sprachtelefondienst erbringt, indem er den von der Klägerin erbrachten technischen Vorgang an den Endkunden im eigenen Namen vermarktet, steht der Wertung des von der Klägerin erbrachten Vorgangs als Sprachtelefondienst nicht entgegen. Denn der Reseller erbringt gegenüber dem Endkunden schon deshalb eine andere Leistung als die Klägerin an den Endkunden, weil er beim Wiederverkauf den bloßen Sprachtransport und die bloße Sprachvermittlung mit anderen Produkten anreichert oder verarbeitet und so ein anderes neues Produkt schafft. Auch der Umstand, dass die Klägerin lediglich zum Reseller in vertraglichen Beziehungen steht und diese den Rechtsgrund für die Bereitstellung von Transport und Vermittlung von Sprache an den Endkunden bilden, steht der Qualifizierung dieses technischen Vorgangs als Sprachtelefondienst nicht entgegen. Zwar bildet das im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages erhobene Entgelt regelmäßig die vereinbarte Gegenleistung ab und ist deshalb die Entgeltgenehmigungspflicht mit Blick auf die abgebildete Leistung zu beantworten. Hier ist nach dem vorgelegten Vertrag die Klägerin dem Reseller gegenüber verpflichtet, u.a. den technischen Vorgang des Sprachtelefondienstes in der Relation zwischen Klägerin und Endkunde zu erbringen. Als ein rein technischer Vorgang bleibt aber dieser Transport und diese Vermittlung von Sprache zum Endkunden tatsächlich und nach der rechtlichen Qualifikation unverändert. Als rein technischer Vorgang ist es gleichgültig, an wen der Transport und die Vermittlung von Sprache adressiert ist, wenn der Adressat nur nicht zu einem geschlossenen Benutzerkreis gehört und freie Gerätewahl besteht. Um die einem Reseller gegenüber bestehende schuldrechtliche Verpflichtung zur Erbringung von Sprachtelefondienst zu erfüllen, muss daher nicht der Reseller selbst Adressat des Sprachtelefondienstes sein. Zivilrechtlich handelt es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Reseller um ein Austauschverhältnis mit Zügen eines Kauf-, Dienstleistungs- und Werkvertrags sowie einer Abrede der unechten Drittbegünstigung und Erfüllungsübernahme. Das ergibt eine Auslegung des Vertrags, insbesondere des Umstandes, dass der Reseller gegenüber dem Endkunden (Dritten) selbst als Vermarkter auftreten will und der Endkunde nur ihm gegenüber Rechte geltend machen können und mit Blick auf die Klägerin nur faktisch in den Genuss des von ihr erbrachten Sprachtransports und der Sprachvermittlung kommen soll. Auch wenn die aus einem solchen Vertrag zu erbringende Leistung tatsächlich einem Dritten zufließt, wird damit die Leistungsverpflichtung des Netzbetreibers gegenüber dem Reseller als Vertragspartner erfüllt mit der Konsequenz, dass der Netzbetreiber dem Reseller gegenüber - in welcher Richtung auch immer ausgebrachten - Sprachtelefondienst geleistet hat.

Der Qualifizierung des technischen Vorgangs des Transports und der Vermittlung von Sprache an einen Dritten in Erfüllung der Leistungspflicht gegenüber einem Wiederverkäufer als Sprachtelefondienst steht nicht entgegen, dass es diese Form der Erbringung von Sprachtelefondienst zur Zeit des Inkrafttretens des Telekommunikationsgesetzes auf dem von der Klägerin beherrschten Telekommunikationsmarkt noch nicht gab. Aus diesem Umstand kann nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe diese Form des Sprachtelefondienstes nicht mit dem Begriff "Sprachtelefondienst" des § 25 Abs. 1 TKG erfassen wollen. Dass ein als technischer Vorgang dem Endkunden vom Netzbetreiber erbrachter und vom Wiederverkäufer vermarkteter Sprachtelefondienst der Vorstellung des Normgebers bereits seinerzeit jedenfalls als eine künftige Darbietungsform entsprach, wird dadurch belegt, dass er die Grundlage hierfür mit der Ermächtigung zum Erlass der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung gelegt hat und diese Verordnung in § 4 Abs. 1 Satz 1 die Verpflichtung des Netzbetreibers zur Ausgestaltung seiner Leistungen, mithin auch von Sprachtelefondienstleistungen, in einer deren Wiederverkauf durch andere Diensteanbieter ermöglichenden Weise ausspricht.

Die Klägerin verfügt auf dem Markt, dem die zu betrachtende Leistung zuzuordnen ist, über eine marktbeherrschende Stellung.

Sachlich relevanter Markt ist nach der auch im Telekommunikationsrecht anerkannten Bedarfsmarktbetrachtung derjenige der Sprachtelefondienstleistungen für Resaleprodukte (vorliegend) im Fernbereich. Dieser Markt ist zum einen vom Endkundenmarkt der entsprechenden Sprachtelefondienstleistungen durch von der Rechtsprechung anerkannte abgrenzungsgeeignete Merkmale und Erscheinungen deutlich abgesetzt. Die Angebote der entsprechenden Endkundenprodukte und der zugehörigen Vorleistungsprodukte erfolgen nach unterschiedlichen Marktstrategien und zu unterschiedlichen Preisen. Der Kreis der Nutzer bzw. Abnehmer dieser Leistungen ist jeweils ein anderer und das Nachfrageverhalten der Nutzer ist in mehrfacher Hinsicht unterschiedlich. Schließlich ist das dem Endkunden angebotene Produkt schon allein hinsichtlich des Vertragspartners und seiner Annexleistungen ein anderes als das Rohprodukt des Vorleistungsmarkts. Zum anderen benötigt der Reseller für die Erbringung eigener, neu gestalteter und unter eigenem Namen angebotener Sprachtelefondienstleistungen für den Endkunden nur ein Großhandels- oder Rohprodukt des Vorleistungsmarkts, das er nicht etwa gegen ein von einem anderen Diensteanbieter erbrachtes Endkundenprodukt des Sprachtelefondienstes austauschen könnte. Räumlich relevanter Markt ist die Bundesrepublik Deutschland. Die von der Klägerin beabsichtigten Angebote von Sprachtelefondienst im Ortsbereich und im überörtlichen Bereich für den Wiederverkauf sollen bundesweit gelten. Das gebietet die Betrachtung ihrer Marktposition bezogen auf das gesamte Deutschland.

Es kommt nicht darauf an, ob in dem für die Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung die Klägerin in einem Vorleistungsmarkt für Sprachtelefondienst für Reseller - jeweils im Ortsbereich und im Fernbereich - bereits präsent und ein solcher überhaupt existent war. Ausreichend ist, dass mit dem beabsichtigten Angebot auf eine entsprechende Nachfrage ein solcher Markt ins Leben gerufen wird und die Klägerin sich in ihm betätigt . Das folgt aus Sinn und Zweck der Entgeltregulierung, die die Herstellung von Wettbewerb auf dem jeweiligen Markt durch maßstabsgerechte Entgelte des früheren Monopolisten bezweckt. Dieses Gesetzesanliegen gilt auch im Fall eines sich künftig erst konstituierenden Marktes, und zwar von seinem Anbeginn. Deshalb ist ein Entgelt für Sprachtelefondienstleistungen für den Wiederverkauf bereits dann genehmigungspflichtig, wenn mit hinreichender Sicherheit prognostizierbar die Position des anbietenden Netzbetreibers im künftigen entsprechenden Vorleistungsmarkt (hier für Resale-Sprachtelefondienst im Fernbereich) marktbeherrschend sein wird. Es ist kein Grund erkennbar, der es rechtfertigen könnte, das Aufleben eines solchen Marktes und die Einnahme einer Marktbeherrscherposition eines gleichzeitig in den Markt eintretenden Unternehmens abzuwarten und sodann im ex-post Regulierungsverfahren auf maßstabsgerechte Entgelte hinzuwirken.

Vorliegend war im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung hinreichend sicher prognostizierbar, dass sich, wie vom TKV-Normgeber gewollt, ein Markt für Sprachtelefondienst für Wiederverkäufer (hier im Fernbereich) herausbilden und die Klägerin in diesem Markt eine beherrschende Stellung nach § 19 GWB einnehmen wird. Es lagen an die Klägerin gerichtete Nachfragen der Wettbewerber nach Vorleistungsprodukten für Resale-Sprachtelefondienstleistungen vor dem Hintergrund des § 4 TKV seit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes vor. Ferner war auch nach Überzeugung des Senats mit hinreichender Sicherheit zu erkennen, dass die Klägerin das Wettbewerbsgeschehen des hier zu betrachtenden Markts schon deshalb dominieren würde, weil sie als nahezu alleiniger Lieferant der Vorleistungsprodukte auftreten und keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sein würde (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB). Die Klägerin ist Eigentümerin und Betreiberin eines bundesweit flächendeckenden Verbindungsnetzes für Sprachtelefondienst im Fernbereich. Zurzeit des angefochtenen Bescheids nahm sie deutlich über 60 % der Marktanteile dieses Marktes in Verbindungsminuten ein; gegenwärtig hat sie immerhin noch einen Anteil von etwa 50 %. Die restlichen Marktanteile verteilten sich seinerzeit auf wenige und verteilen sich zurzeit auf über 40 Wettbewerber, die teilweise mit eigener Infrastruktur, teilweise aber auch mit angemieteten Leitungen der Klägerin operieren. Als wesentlicher Lieferant von Sprachtelefondienstleistungen für Reseller im Fernbereich wird gleichwohl nahezu ausschließlich die Klägerin in Betracht kommen. Sie verfügt nicht nur über ein flächendeckendes Verbindungsnetz und ein Vollsortiment im Sprachtelefondienst, was jedenfalls bei dem größten Teil der übrigen Wettbewerber nicht der Fall ist, so dass der Reseller seinen Endkunden dasselbe uneingeschränkte Sortiment an Sprachtelefondienstleistungen wie das der Klägerin anbieten kann, wenn er diese bei entsprechender Preselection von der Klägerin bezieht. Der Reseller wird auch aller Voraussicht nach keinen oder jedenfalls nur in geringem Umfang Resale-Sprachtelefondienst von anderen Verbindungsnetzbetreibern beziehen, weil diese Netzbetreiber zum großen Teil selbst als Diensteanbieter Endkunden mit Sprachtelefondienst beliefern und ihre Konkurrenz nicht mit dem notwendigen Vorprodukt versorgen wollen sowie mangels marktbeherrschender Stellung auch keiner Kontrahierungspflicht mit dem Reseller unterliegen. Die Sprachtelefondienst im Fernbereich für Endkunden anbietenden alternativen Verbindungsnetzbetreiber werden sich daher aller Voraussicht nach im hier zu betrachtenden Vorleistungsmarkt nicht betätigen. Die restlichen ausschließlichen Verbindungsnetzbetreiber bedienen zum großen Teil spezielle lukrative Relationen und kommen für einen bundesweit angebotenen Resale-Sprachtelefondienst allenfalls in Ausnahmesituationen als Lieferanten entsprechender Vorleistungsprodukte in Betracht. Sie sind daher als Wettbewerber der Klägerin im zu betrachtenden Vorleistungsmarkt von nicht nennenswerter Bedeutung; von ihnen wird ein wesentlicher Wettbewerb im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht ausgehen.

Soweit die Klägerin vorträgt, sie beabsichtige im hier zu betrachtenden Vorleistungsmarkt keine starke Wettbewerbstätigkeit zu entwickeln, ändert das an der für ihre Marktstellung entscheidenden Anbieterstruktur des relevanten Markts nichts. Dasselbe gilt für ihre bisherigen Verluste im Endkundenmarkt des Sprachtelefon-dienstes im Fernbereich. Wenn sie schon durch Reseller im Endkundenmarkt gewisse Verluste wird hinnehmen müssen, wird sie als ein am bestmöglichen Gewinn ausgerichtetes Unternehmen jedenfalls versuchen, eventuelle Wettbewerber im Vorleistungsmarkt, hier alternative Verbindungsnetzbetreiber im Fernbereich, als Konkurrenten auszuschalten. Dazu wird sie ihre deutlich stärkere Finanzkraft, ihr Vollsortiment aus einer Hand, ihre Beschaffungsvorteile, ihren Know-how-Vorsprung und weiteres mehr mit guter Erfolgsaussicht einsetzen können. Auf diese Weise wird die Klägerin bei einer Gesamtschau im Vorleistungsmarkt des Resale-Sprachtelefondienstes im Fernbereich zudem eine ihre Wettbewerber in diesem Markt überragende Marktstellung (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GWB) einnehmen, so dass es auf die Vermutungsregel des § 19 Abs. 3 GWB nicht ankommt. Ebenfalls kommt es nicht auf die Frage an, ob von einem Durchschlagen der Position der Klägerin auf dem Endkundenmarkt hin zum Vorleistungsmarkt ausgegangen werden kann.

Ende der Entscheidung

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