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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 29.08.2006
Aktenzeichen: 13 A 3968/04
Rechtsgebiete: HeilBerG


Vorschriften:

HeilBerG § 6 Abs. 1 Nr. 6
HeilBerG § 29
HeilBerG § 29 Abs. 1
HeilBerG § 31
Unzulässige Fortführung des Namens einer verstorbenen früheren Praxisinhaberin auf dem Praxisschild und auf Briefbögen einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis.
Tatbestand:

Die Kläger, die eine ärztliche Gemeinschaftspraxis betreiben, weisen auf dem Praxisschild und auf Briefbögen usw. auf ihre verstorbene (Schwieger-)Mutter hin, die früher die Praxis geführt hat. Die Beklagte forderte die Kläger auf, die Fortführung des Namens der Verstorbenen auf dem Praxisschild und im Schriftverkehr zu unterlassen. Widerspruch, Klage und Berufung der Kläger gegen die Ordnungsverfügungen hatten keinen Erfolg.

Gründe:

Rechtsgrundlagen für die Ordnungsverfügungen sind die §§ 6 Abs. 1 Nr. 6, 29 HeilBerG, das im Zeitpunkt der angefochtenen Bescheide und der Widerspruchsbescheide i. d. F. vom 9.5.2000 (GV. NRW. S. 403) galt und das jetzt i. d. F. vom 1.3.2005 (GV. NRW. S. 148) gilt, die wegen des Charakters der Verfügungen als Dauerverwaltungsakte und wegen des maßgebenden Zeitpunkts nach materiellem Recht, vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.1994 - 3 C 17.92 -, NJW 1995, 3067 (3068), Beschluss vom 23.11.1990 - 1 B 155/90 -, NVwZ 1991, 372; OVG NRW, Beschluss vom 29.6.2006 - 13 A 1957/03 u. a. -, Urteil vom 10.12.1998 - 13 A 2711/97 -, LRE 36, 150, ebenfalls zu berücksichtigen ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 HeilBerG sind die Kammerangehörigen verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit ihrem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Hierzu gehört auch die Beachtung der in der Berufsordnung der Beklagten geregelten Berufspflichten. Berufsrechtswidrigen Zuständen kann die Beklagte mit Verwaltungsakten begegnen.

Ein derartiger berufsrechtswidriger Zustand ist in Bezug auf das von den Klägern verwendete Praxisschild mit dem Hinweis auf die verstorbene frühere Praxisinhaberin gegeben.

Nach der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte ist bei Berufsausübungsgemeinschaften von Ärztinnen und Ärzten, also auch bei Gemeinschaftspraxen, die Fortführung des Namens einer/eines nicht mehr berufstätigen, ausgeschiedenen oder verstorbenen Partnerin/Partners unzulässig.

Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung bestehen - auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht - nicht. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit wird durch die Bestimmung nicht verletzt.

Zur Berufsausübung gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Deshalb zählt auch die berufliche Außendarstellung der Grundrechtsberechtigten einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste dazu.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14.8.2004 - 1 BvR 2338/03 - und vom 29.10.2002 - 1 BvR 525/99 -, BVerfGE 106, 181.

Die Fortführung des Namens eines früheren Praxisinhabers stellt Werbung in ihrer typischen Form dar. Geworben wird nämlich mit dem "guten Namen" des früheren Praxisinhabers. Die Weiterführung des Namens des früheren Praxisinhabers hat bei der gebotenen verständigen objektiven Wertung nur den Sinn, sich diesen guten Namen zu Nutze zu machen, indem Patienten veranlasst werden sollen, das Vertrauen, dass sie dem/der Verstorbenen entgegengebracht haben, auf die jetzigen Praxisinhaber zu übertragen. Es handelt sich dabei um eine gezielte Werbung für die Praxis, nicht etwa nur um einen werbenden Nebeneffekt eines anderen beruflichen oder außerberuflichen Handelns.

Vgl. für den Fall eines ausgeschiedenen Sozius einer Rechtsanwaltssozietät: EGH Schl.-H., Beschluss vom 7.9.1990 - 2 EGH 8/89 -, AnwBl. 1991, 212.

Dementsprechend ist auch das Vorbringen der Kläger nach der Anhörung für die Ordnungsverfügungen, die Fortführung des Namens der Mutter/Schwiegermutter sei ihnen als Zeichen der familiären Verbundenheit mit ihr von besonderer Bedeutung, nicht relevant. Diese persönliche (innere) Motivation ist für die objektiv gebotene Wertung des Verhaltens der Kläger/in, den Namen der verstorbenen früheren Praxisinhaberin auf dem Praxisschild fortzuführen, ohne Belang.

Beschränkungen der Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit für den Betroffenen noch gewahrt ist.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.10.2002 - 1 BvR 525/99 -, a. a. O.

Das ist in Bezug auf die Bestimmung, dass die Fortführung des Namens eines verstorbenen früheren Praxisinhabers unzulässig ist, der Fall.

Insoweit zweifelnd: Bahner, Das neue Werberecht für Ärzte, 2. Aufl., Kapitel 7.6.5.

Es begegnet keinen Bedenken, dass das Verbot der Fortführung des Namens eines verstorbenen Praxisinhabers in der Berufsordnung der Beklagten und damit in einer Satzung enthalten ist. Art. 12 Abs. 1 GG gebietet nicht, die Berufsfreiheit beschränkende Regelungen ausschließlich in einem förmlichen Gesetz zu treffen, sondern lässt derartige Beschränkungen auch in Satzungen einer mit Autonomie ausgestatteten Körperschaft des öffentlichen Rechts zu, soweit diese - was hier mit § 31 HeilBerG der Fall ist - ihrerseits auf einem verfassungskonformen Gesetz beruhen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.1985 - 1 BvR 934/82 -, BVerfGE 71, 162; BVerwG, Urteil vom 5.4.2001 - 3 C 25.00 -, DVBl. 2001, 1371; Bay. Landesberufsgericht für Heilberufe, Urteil vom 4.2.2002 - LBG-Ä 1/01 -, MedR 2002, 427; Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl., Art. 12 Rdn. 21.

Der das Verbot der Fortführung des Namens eines verstorbenen früheren Praxisinhabers rechtfertigende Gemeinwohlbelang ergibt sich unter Berücksichtigung des Informationsbedürfnisses der Patienten und des Informationswertes der Angaben auf einem Praxisschild sowie aus Sinn und Zweck der Bestimmung.

Das Praxisschild ist von zentraler Bedeutung für die Herstellung des Erstkontakts zwischen Arzt und Patient.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.7.2001 - 1 BvR 873/00 u. a. -, NJW 2001, 2788; BVerwG, Urteil vom 5.4.2001 - 3 C 25.00 -, a. a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 29.7.2004 - 13 B 888/04 -; VG München, Urteil vom 11.6.2002 - M 16 K 00.4995 -, MedR 2003, 308.

Abzustellen ist dabei auf die Sichtweise eines verständigen Patienten, weil die Angaben auf Praxisschildern vorrangig auf ihn abzielen. Aus der Sicht des Patienten besteht dementsprechend ein Bedürfnis nach klaren, eindeutigen und unverwechselbaren Angaben auf einem Praxisschild, die ihm eine schnelle und unmissverständliche Information dazu ermöglichen, welche Ärzte in einer Gemeinschaftspraxis tätig sind und welches Behandlungsangebot ihm dort zur Verfügung steht. Dem trägt ein Praxisschild mit der Nennung des Namens eines verstorbenen früheren Praxisinhabers - insbesondere dann, wenn es sich früher um eine Einzelpraxis gehandelt hat und jetzt eine Gemeinschaftspraxis betrieben wird - nicht Rechnung. Die Bestimmungen der Berufsordnung der Beklagten knüpfen auch bei Gemeinschaftspraxen an die in einer Praxis tätigen Ärzte und an die Berufsausübung an und indizieren damit einen Konnex zu der ärztlichen Tätigkeit lebender Personen. Ein Zusammenhang mit früheren ärztlichen Betätigungen inzwischen verstorbener Personen ergibt sich insoweit hingegen nicht. Der Namensnennung eines verstorbenen früheren Praxisinhabers auf dem Praxisschild kommt auch kein entscheidender Informationswert für die Patienten zu. Die Praxis neu aufsuchende Patienten, die den/die frühere(n) Praxisinhaber/in nicht gekannt haben, haben ein Interesse daran, durch das Praxisschild darüber informiert zu werden, welche Ärzte in der Praxis tätig sind und welches Behandlungsangebot dort besteht; ein auf frühere, inzwischen verstorbene Praxisinhaber bezogenes Interesse besteht für diesen Patientenkreis schlechterdings nicht. Die Namensangabe eines früheren Praxisinhabers auf dem Praxisschild hat lediglich eine gewisse Bedeutung für diejenigen Patienten, die früher bei dem/der Angegebenen in Behandlung waren und die sich nach dessen/deren Tod in die Behandlung eines anderen Arztes begeben mussten. Abgesehen davon, dass der "gute Name" eines früheren Praxisinhabers im Laufe der Zeit naturgemäß an "Werbewirksamkeit" verliert, ist für die Arztwahl auch entscheidend, welchem jetzt tätigen Arzt der Patient vertraut und welche Behandlung durch welchen Arzt er für sinnvoll hält; dies muss keineswegs ein Arzt in der Nachfolgepraxis eines/einer Verstorbenen sein.

Die Zulassung der Namensfortführung von in einer Gemeinschaftspraxis nicht mehr tätigen Ärzten auf Praxisschildern würde zudem, wenn dies nicht nur bei verstorbenen, sondern auch bei nicht mehr berufstätigen und ausgeschiedenen Partnern erfolgen und davon vermehrt Gebrauch gemacht würde, zu zahlreichen zusätzlichen Angaben auf Praxisschildern führen, was mit dem Interesse der Patienten an einer klaren und eindeutigen Information durch Praxisschilder nicht vereinbar wäre. Eine dann kaum eingrenzbare Vielzahl derartiger Angaben würde ohne Zweifel auch nicht dem berechtigten Interesse der Heilberufskammern allgemein bzw. der Beklagten entsprechen. Den Heilberufskammern und damit auch der Beklagten obliegt - korrespondierend zu den Regelungen in der Berufsordnung über die Angaben auf Praxisschildern - eine entsprechende Überwachungsfunktion, die sich in vertretbarem Rahmen halten muss und nicht zu einer übermäßigen Belastung der Kammern führen darf.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.7.2001 - 1 BvR 873/00 u. a. -, a. a. O.

Dies wäre bei Zulassung der Namensfortführung verstorbener oder aus sonstigen Gründen aus einer Praxis ausgeschiedener Personen nicht mehr gewährleistet, weil für die Überprüfung (der Richtigkeit) der Selbstdarstellung auf den Praxisschildern ein unvertretbar hoher Kontrollaufwand erforderlich wäre.

Es kann dahinstehen, ob - wie die Kläger geltend machen - die Hinzufügung eines Kreuzsymbols hinter dem Namen eines in einer (Gemeinschafts-)Praxis nicht mehr tätigen Arztes den Zweck einer angemessenen Patienteninformation in gleicher Weise erfüllen kann wie die Normierung des Verbots der Namensfortführung. Ungeachtet der Erwägung, dass Patienten von einem Arzt Heilung erwarten und sich mit dieser Erwartung ein Kreuzsymbol auf einem Praxisschild ohnehin - wenn überhaupt - nur schwer "verträgt" und sich deshalb die "Werbewirkung eines Kreuzsymbols" auch ins Gegenteil verkehren kann, ist es angesichts der dargelegten Umstände und wegen der ansonsten zu erwartenden Überfrachtung von Praxisschildern mit für das Informationsbedürfnis des Patienten nicht relevanten Angaben zu früheren Praxisinhabern gerechtfertigt, eine sachangemessene Information der Patienten allein bzw. jedenfalls auch durch eine normative Regelung eines Verbots der Namensfortführung früherer Praxisinhaber/-partner zu erreichen.

Einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG begründet das normative Verbot der Fortführung des Namens eines früheren Praxisinhabers nicht. Die Ausgestaltung von Berufsordnungen und Berufspflichten für einen Berufsstand unterliegt grundsätzlich dem generell weiten Ermessen des Normgebers. Ob es Angehörigen anderer Berufsgruppen (z. B. Rechtsanwälten) erlaubt ist, bei Kenntlichmachung des Ausscheidens auch den Namen ausgeschiedener Kanzleiinhaber weiter führen zu dürfen, ist dementsprechend in Bezug auf die in Frage stehende Norm der Berufsordnung der Beklagten schon deshalb ohne Relevanz. Es handelt sich um Normwerke unterschiedlicher Berufsorganisationen mit jeweils eigenständiger Normsetzungsbefugnis mit der Folge, dass ihnen keine Präjudizwirkung für das jeweils andere Regelwerk zukommt. Zudem ist das Verhältnis Arzt/Patient von einer intensiveren persönlichen Vertrauensbeziehung gekennzeichnet als dies im Verhältnis Rechtsanwalt/Mandant mit einer regelmäßig geringeren persönlichen Betroffenheit der Fall ist, so dass sich auch insoweit unterschiedliche Regelungen bezüglich der Namensführung ausgeschiedener Kanzlei- oder Praxisinhaber rechtfertigen.

Die angefochtenen Ordnungsverfügungen sind auch konkret rechtmäßig und begegnen insbesondere keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Tatbestand der in Frage stehenden Verbotsnorm ist erfüllt. Durch die Nennung des Namens von "Dr. med. ..." wird deren Namen fortgeführt. Dem steht nicht entgegen, dass hinter dem Namen ein Kreuzsymbol vorhanden ist und deshalb - wie die Kläger meinen - nicht von einer Namens-Fortführung gesprochen werden könne. Der Begriff der "Fortführung des Namens" im Sinne der o. a. Bestimmungen der Berufsordnung der Beklagten knüpft nach allgemeinem Verständnis ausschließlich an das Faktum der weiteren Namensnennung als solche an, so dass eine andere Interpretation - beispielsweise die, das hinzugefügte Kreuzsymbol mache gerade kenntlich, dass der Name nicht fortgeführt werde - als unrealistische, nicht nachvollziehbare und deshalb gekünstelte Erwägung erscheint. Dass es sich um eine Familiengemeinschaftspraxis mit gleichlautendem Nachnamen der Praxisbetreiber handelt, bedingt keine andere Wertung. Durch die Hinzufügung der Vornamen der Praxisbetreiber wird eindeutig bezeichnet, welche/r ärztliche Mitarbeiter/in in der Praxis für welche Behandlungsgebiete zur Verfügung steht; die zusätzliche Nennung des Namens der früheren Praxisinhaberin macht insoweit überhaupt keinen Sinn und trägt zu einer Klarstellung, welche ärztlichen Mitarbeiter mit welchem Behandlungsangebot jetzt in der Praxis tätig sind, nichts bei. Dies gilt umso mehr, als - wie bereits erwähnt - der "gute Name" eines früheren Praxisinhabers im Laufe der Zeit an "Werbewirksamkeit" verliert und sich dementsprechend der Wert der Namensnennung der Verstorbenen auf dem Praxisschild nach einer Zeit von inzwischen mehr als sieben Jahren nach ihrem Tod relativiert hat und aus der Sicht der Patienten keinen Sinn mehr macht.

Der Erlass der Ordnungsverfügungen, mit denen die Fortführung des Namens der verstorbenen früheren Praxisinhaberin untersagt wurde, war auch zur Beseitigung des berufsrechtswidrigen Zustandes geeignet und - weil die Kläger der Aufforderung, die Namensfortführung zu unterlassen, nicht nachgekommen waren - erforderlich. Das Verlangen, die Namensfortführung zu unterlassen, ist für die Kläger auch nicht unzumutbar. Für die Unterlassung der Fortführung des Namens der verstorbenen Praxisinhaberin streiten, wie dargelegt, gewichtige Belange des Gemeinwohls. Angesichts dieser ist es für die Kläger zumutbar, die familiäre Verbundenheit mit ihrer Mutter/Schwiegermutter und das Gedenken an diese in anderer Weise als durch öffentliche Angaben auf dem Praxisschild zu wahren und zu pflegen.

Für die Fortführung des Namens der verstorbenen Mutter/Schwiegermutter der Kläger auf Briefköpfen, in Anzeigen usw. gilt nichts anderes. (Wird ausgeführt).

Ende der Entscheidung

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