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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 10.11.2005
Aktenzeichen: 13 A 4246/03
Rechtsgebiete: AMG


Vorschriften:

AMG § 2 Abs. 1 Nr. 1
AMG § 2 Abs. 1 Nr. 5
AMG § 10
AMG § 11
AMG § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6
AMG § 11 a
AMG § 28
AMG § 28 Abs. 1 Satz 1
AMG § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a)
AMG § 28 Abs. 2 Nr. 3
AMG § 44 Abs. 1
AMG § 44 Abs. 2
AMG § 44 Abs. 2 Nr. 1
AMG § 44 Abs. 2 Nr. 2
AMG § 44 Abs. 2 Nr. 3
AMG § 44 Abs. 2 Nr. 3 lit. d)
AMG § 45
AMG § 46
AMG § 105 Abs. 5a Satz 1
AMG § 105 Abs. 5a Satz 2 1. Alternative
AMG § 109 Abs. 3 Satz 1
AMG § 109a
AMG § 109a Abs. 3 Satz 1
AMG § 109a Abs. 3 Satz 2
AMG § 109a Abs. 3 Satz 3
1. Zum Verständnis der Anwendungsgebiete des § 109a Abs. 3 Satz 3 AMG.

2. Es spricht Einiges dafür, dass Auflagen zur Anordnung von (Warn-)Hinweisen gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AMG nur im Hinblick auf solche Gefahren zulässig sind, die sich bei bestimmungsgemäßer Anwendung eines Arzneimittels ergeben.

3. (Warn-)Hinweise auf den beschränkten Anwendungsbereich von traditionellen Arzneimitteln, die die Grenzen der Selbstmedikation aufzeigen sollen, sind in aller Regel nicht erforderlich.


Tatbestand:

Die Beklagte erteilte der Klägerin antragsgemäß mit Bescheid vom 28.3.2000 die Verlängerung der Zulassung (sog. Nachzulassung) für ein aus Rettichpresssaft hergestelltes sog. traditionelles Arzneimittel mit dem Anwendungsgebiet "Traditionell angewendet zur Unterstützung der Verdauungsfunktion", was einer Eintragung in der sog. Traditionsliste entspricht. Die im Bescheid enthaltene Auflage A.4 ordnete an, in der Packungsbeilage in einem separaten Abschnitt unter dem Punkt "Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung und Warnhinweise" die Formulierung "Bei anhaltenden und wiederholten Verdauungsbeschwerden wie Völlegefühl, Übelkeit oder Blähungen sollte ein Arzt aufgesucht werden" aufzunehmen. Mit der weiteren Auflage A.3 wurde angeordnet, diese Formulierung zudem auf der äußeren Umhüllung und dem Behältnis des Arzneimittels anzubringen. Auf die Klage der Klägerin hob das VG die beiden Auflagen auf. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Vorauszuschicken ist, dass das von der Klägerin beantragte und von der Beklagten zugelassene Anwendungsgebiet "Zur Unterstützung der Verdauungsfunktion", das nach § 109a Abs. 3 Satz 2 und 3 AMG grundsätzlich zulässig ist und einer Eintragung in der Traditionsliste entspricht, nicht dahingehend verstanden oder ausgelegt werden kann, dass darunter auch die Heilung oder Linderung von Verdauungsbeschwerden fällt.

Wie die in der zuvor genannten Vorschrift beschriebenen Anwendungsgebiete zu verstehen sind, ergibt sich aus der Begründung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (vom 9.8.1994, BGBl. I S. 2071), mit dem § 109a AMG in das Arzneimittelgesetz eingeführt wurde, nicht. Bei der Regelung in § 109a Abs. 3 Satz 2 AMG wurden vielmehr die Formulierungen aus Art. 3 § 11 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (heute § 109 Abs. 3 Satz 1 AMG) übernommen, der durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (vom 11.4.1999, BGBl. I S. 717) in dieses eingefügt worden war. Zielsetzung des zuletzt genannten Änderungsgesetzes war nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung unter anderem, der besonderen Situation der Vorbeugungsmittel und ähnlicher nicht Heilzwecken dienender freiverkäuflicher Arzneimittel, insbesondere von Naturheilmitteln, Rechnung zu tragen. Dieser Zweck sollte durch die Kennzeichnung der zuvor genannten Arzneimittel mit einem Hinweis auf die traditionelle Verwendung als Hausmittel erreicht werden.

Vgl. BT-Drs. 11/5373, S. 1.

Konkret sah der Gesetzentwurf vor, dass von den Arzneimitteln, die bei Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts am 1.1.1978 im Verkehr waren, die sog. Vorbeugungs- oder Nicht-Heilmittel nach § 44 Abs. 1 AMG mit folgendem Hinweis versehen werden sollten: "Als Hausmittel traditionell angewendet:

a) zur Stärkung oder Kräftigung, b) zur Besserung des Befindens, c) zur Unterstützung der Organfunktion oder d) zur Vorbeugung."

Vgl. BT-Drs. 11/5373, S. 10 (zu Art. 3 § 11 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.8.1976, heute § 109 AMG).

Diesbezüglich heißt es zur Begründung auf S. 20 der zuvor genannten Drucksache:

"Bei der Forderung des Nachweises einer positiven Beeinflußung des Gesundheitszustandes durch Arzneimittel, die zur Stärkung oder Kräftigung, zur Besserung des Befindens im Sinne einer Ausgleichs der üblichen Schwankungen des Wohlbefindens, der Unterstützung der Organfunktion oder zur Vorbeugung bestimmt sind, ist zu berücksichtigen, daß es sowohl an nach wissenschaftlichen Methoden aufbereitetem medizinischen Erfahrungsmaterial wie an erprobten Methoden zur Sammlung und Auswertung positiver Anwendungserfahrungen fehlt. Andererseits ist durch die Rechtsverordnung nach § 46 des Arzneimittelgesetzes sichergestellt, daß Arzneimittel mit den dargestellten Anwendungsgebieten im Einzelhandel außerhalb der Apotheken nicht abgegeben werden dürfen, wenn bei bestimmungsgemäßem oder gewohnheitsgemäßem Gebrauch eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier zu befürchten ist. Es handelt sich also insgesamt im Bereich des § 44 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes um schwach wirksame, aus pharmakologisch-toxikologischer Sicht unauffällige Arzneimittel, für die jedoch eine längere Anwendung in der Selbstmedikation geltend gemacht werden kann, bei der Risiken nicht beobachtet worden sind. Die Verbraucher besitzen Erfahrung in der Anwendung dieser Arzneimittel.

Der Hinweis bei diesen Arzneimitteln "Als Hausmittel traditionell angewendet" soll den Verbrauchern die Besonderheiten dieser Arzneimittel und die ihrer Anwendung zugrundeliegenden Erfahrungen sowie ihre Einsatzgrenzen verdeutlichen."

Die beschlossene Fassung des Vierten Änderungsgesetzes, der der heutige § 109 Abs. 3 Satz 1 AMG entspricht, geht auf Änderungen des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit im Gesetzgebungsverfahren zurück, der den von der Bundesregierung vorgesehenen Hinweis in "Traditionell angewendet:" abänderte und die im Gesetzesentwurf lediglich für Arzneimittel nach § 44 Abs. 1 AMG vorgesehene Kennzeichnungspflicht ohne diesbezügliche nähere Begründung auf Arzneimittel nach den §§ 44 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, 45 AMG ausdehnte und in diesem Zusammenhang nachfolgend als weitere Kennzeichnungsmöglichkeit unter e) "als mild wirkendes Arzneimittel" einführte.

Vgl. BT-Drs. 11/6283, S. 26.

Aus diesem Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens ergibt sich, dass die Kennzeichnungsvorgaben unter lit. a) bis d) des heutigen § 109 Abs. 3 Satz 1 AMG vom Grundsatz her für die Vorbeugungs- oder Nicht-Heilmittel im Sinne des § 44 Abs. 1 AMG gedacht waren, während die Vorgabe nach lit. e) für die übrigen, auf Grund der Ausschussberatungen der Kennzeichnungspflicht unterworfenen Arzneimittel in Betracht kommen sollte. Diese Unterscheidung spiegelt sich in den Begrifflichkeiten wieder, weil die Formulierung "mild wirkendes Arzneimittel" (noch) auf eine Beseitigung oder Linderung von Krankheiten etc. gemäß §§ 44 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG hindeutet und dementsprechend in dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der sich nur auf Arzneimittel nach § 44 Abs. 1 AMG bezog, nicht auftaucht, während die Formulierungen "zur Stärkung oder Kräftigung, zur Besserung des Befindens, zur Unterstützung der Organfunktion, zur Vorbeugung" mit Blick auf § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG dem Bereich der Nicht-Heilung und Vorbeugung zuzuordnen sind.

Diese im Rahmen des § 109 Abs. 3 Satz 1 AMG vorgesehene Differenzierung ist auch im Rahmen des § 109a Abs. 3 Satz 2 AMG zu berücksichtigen, da - wie bereits ausgeführt - diese Vorschrift lediglich die Formulierungen des § 109 Abs. 3 Satz 1 AMG übernommen hat, auch wenn es sich nach der zuletzt genannten Vorschrift lediglich um Kennzeichnungsvorgaben handelt, während sie im Rahmen des § 109a Abs. 3 Satz 3 AMG jedenfalls nach dem Wortlaut dieser Vorschrift Anwendungsgebiete darstellen. Für die Auslegung der Listenposition für Rettichpresssaft bedeutet dies, dass der genannte Stoff angesichts des eingetragenen Anwendungsgebiets "Zur Unterstützung der Verdauungsfunktion" lediglich als Vorbeugungs- oder Nicht-Heilmittel anzusehen ist. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass Presssäfte aus frischen Pflanzen und Pflanzenteilen nach § 44 Abs. 2 Nr. 3 lit. d) AMG generell für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind. Daraus, dass ein Arzneimittel in den Anwendungsbereich des § 44 Abs. 2 AMG fällt, ergibt sich für die Entscheidung, welches der in § 109a Abs. 3 Satz 2 AMG genannten Anwendungsgebiete gegebenenfalls in die Traditionsliste einzutragen ist, keine Vorgabe, weil im Rahmen des § 44 Abs. 2 AMG - anders als bei den von § 45 AMG erfassten Arzneimitteln - keine Aussage dazu getroffen wird, ob es sich um ein Heil- oder um Nicht-Heil-/Vorbeugungsmittel handelt.

Zwar erscheint es angesichts des in der Aufbereitungsmonographie für Rettich aus dem Jahr 1986 unter anderem genannten Anwendungsgebiets der dyspeptischen Beschwerden auch vorstellbar oder sogar naheliegend, das Anwendungsgebiet "Als mild wirkendes Arzneimittel bei Verdauungsbeschwerden" in die Traditionsliste einzutragen. Dem dürfte nicht entgegen gehalten werden können, dass diesbezüglich ein klinischer Wirksamkeitsnachweis fehle, weil es im sog. pauschalierten Nachzulassungsverfahren nach § 109a Abs. 3 Satz 2 AMG wesentlich auf (Anwendungs-) Erfahrungsberichte ankommt und diese angesichts der in der Monographie für Rettich genannten dyspeptischen Beschwerden vorliegen dürften. Da eine solche Eintragung jedoch nicht erfolgt ist, stellen die vorstehenden Ausführungen keinen Ansatzpunkt dar, um entgegen der zuvor aufgezeigten Differenzierung Verdauungsbeschwerden als von dem eingetragenen Anwendungsgebiet "Zur Unterstützung der Verdauungsfunktion" mit umfasst anzusehen. Dies gilt zugleich für das Arzneimittel der Klägerin, da dessen Zulassung nach § 109a Abs. 3 Satz 1 AMG gerade auf der Übernahme des in der Traditionsliste eingetragenen Anwendungsgebiets beruht. Eine Erweiterung des Anwendungsgebiets auf Verdauungsbeschwerden ist nicht dadurch eingetreten, dass die Klägerin in der Packungsbeilage unter "Sonstige Informationen" unter anderem darauf hinweist, dass es sich bei dem Präparat um ein bewährtes Heilmittel zur Behandlung von Verdauungsbeschwerden handele, und dies mit der Anlage 2 zum Zulassungsbescheid vom 28.3.2000 anscheinend genehmigt wurde. Maßgeblich für die Bestimmung des zugelassenen Anwendungsgebiets ist der Eintrag in der Traditionsliste "Zur Unterstützung der Verdauungsfunktion" sowie die damit übereinstimmende Festsetzung in dem Bescheid. Diesbezüglich kann unabhängig von einem dahin gehenden Willen der Zulassungsbehörde eine Erweiterung nicht in der Weise vorgenommen werden, dass sonstige Angaben in der Packungsbeilage genehmigt werden, die mit dem zugelassenen Anwendungsgebiet nicht in Einklang stehen.

Ausgehend hiervon kann offen bleiben, ob die Aufnahme des streitigen Hinweises auf die äußere Umhüllung und das Behältnis (Auflage A.3) sowie in die Packungsbeilage (Auflage A.4) auf § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a), Nr. 2 lit. a) AMG, anwendbar über § 105 Abs. 5a Satz 1, Satz 2 1. Alternative AMG, gestützt werden kann.

Zweifel ergeben sich insoweit daraus, dass die Gesundheitsgefahren, denen nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AMG durch Hinweise oder Warnhinweise begegnet werden kann, gegebenenfalls bei der bestimmungsgemäßen Anwendung des Arzneimittels auftreten müssen.

Vgl. in diesem Sinne OVG Berlin, Beschluss vom 9.6.2000 - 5 N 32.99 -, zu einem Kinder betreffenden Warnhinweis bei einem nicht für Kinder zugelassenen Präparat; Sander, Arzneimittelrecht, § 28 AMG Anm. 4.

Sinn und Zweck der Kennzeichnungsvorschriften und der Packungsbeilage ist es, die Verbraucher über das zugelassene Arzneimittel zu informieren und auf diese Weise eine sachgerechte Anwendung zu gewährleisten.

Vgl. die Begründung zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts, BT-Drs. 7/3060, S. 46 f. (Zu § 11).

Dementsprechend spricht Einiges für die Annahme, dass die Auflagenermächtigungen in § 28 AMG, soweit dort von Anwendung die Rede ist und sie sich auf die Kennzeichnung, die Packungsbeilage und die Fachinformation beziehen, jeweils eine sachgerechte Anwendung voraussetzen. Es könnte systemwidrig sein, einerseits die Kennzeichnungsvorschriften und die Packungsbeilage als Garanten einer sachgerechten Anwendung anzusehen, andererseits aber die darauf bezogenen Auflagenermächtigungen dahingehend auszulegen, dass sie auch aus einer sachwidrigen Anwendung resultierende Gesundheitsgefahren erfassen. Abgesehen davon könnte es die Kapazität der Zulassungsbehörde sprengen, wenn man durch nicht sachgerechte Anwendung verursachte Gesundheitsgefahren als in den Anwendungsbereich des § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AMG fallend ansähe, weil unzählige solcher Fälle denkbar sind, die die Behörde gegebenenfalls zumindest im Rahmen des eingeräumten Ermessens mit in den Blick nehmen müsste.

Eine sachgerechte oder bestimmungsgemäße Anwendung liegt dann vor, wenn sie sich im Rahmen der zugelassenen Anwendungsgebiete - Pflichtangabe in der Packungsbeilage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AMG - hält. Hiervon geht der mit den streitigen Auflagen A.3 und A.4 verfügte Hinweis jedoch nicht aus. Denn die Gefahren, denen die Beklagte mit dem Hinweis begegnen will, ergeben sich nicht, wenn das Arzneimittel entsprechend dem beantragten und zugelassenen Anwendungsgebiet "Zur Unterstützung der Verdauungsfunktion" eingenommen wird - was auch immer konkret darunter fallen mag -, sondern dann, wenn es zur Heilung oder Linderung von (anhaltenden oder wiederholten) Verdauungsbeschwerden eingesetzt wird. Diesbezüglich liegt aber, was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, nach den vorstehenden Ausführungen keine Zulassung vor.

Folgt man dem nicht, etwa mit der Erwägung, dass angesichts des von der Beklagten als unspezifisch bezeichneten zugelassenen Anwendungsgebiets und angesichts der langjährigen Anwendungserfahrung mit dem Präparat der Klägerin im Rahmen des § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AMG ausnahmsweise auch eine nach der Zulassung nicht sachgerechte und nicht bestimmungsgemäße Anwendung, nämlich bei Verdauungsbeschwerden, mit in Betracht gezogen werden muss, deckt die genannte Vorschrift die Auflagen A.3 und A.4 gleichwohl nicht ab. Dabei kann offen bleiben, ob, wenn sich in der Anwendungspraxis Verdauungsbeschwerden nicht von dem zugelassenen Anwendungsgebiet "Zur Unterstützung der Verdauungsfunktion" abgrenzen ließen und es eines Ausschlusses der Anwendung des Arzneimittels bei Verdauungsbeschwerden bedürfte, statt eines in die Informationstexte aufzunehmenden (Warn-)Hinweises bereits auf der Zulassungsebene eine entsprechende Beschränkung, gekoppelt mit einer vorherigen (klarstellenden) Beschränkung der Eintragung in der Traditionsliste, hätte festgesetzt werden müssen. Daran anknüpfend bedarf es ferner keiner Klärung, ob statt einer möglichen Fehleinschätzung der Anwender eher eine solche bei Festsetzung des Anwendungsgebiets des in der Traditionsliste eingetragenen Stoffs vorgelegen hat, weil die Eintragung des bereits oben genannten Anwendungsgebiets "Als mild wirkendes Arzneimittel bei Verdauungsbeschwerden" näher gelegen haben dürfte. Schließlich braucht nicht entschieden zu werden, ob dem VG dahingehend zu folgen ist, dass die in § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AMG genannten mittelbaren Gefahren nicht die Fälle erfassen, in denen sich Gesundheitsgefahren aus einer Fehleinschätzung des Anwenders ergeben.

Auch wenn man die Zulässigkeit eines (Warn-)Hinweises auf der Grundlage der genannten Vorschrift bejaht, von einer möglichen Fehleinschätzung des Anwenders ausgeht und die dadurch hervorgerufenen Gesundheitsgefahren als mittelbar anwendungsbezogen im Sinne der Vorschrift begreift, erweist sich der Hinweis der Beklagten als ungeeignet, diesen Gesundheitsgefahren entgegen zu wirken, was zugleich die Auflagen ungeeignet macht. Dies gilt sowohl dann, wenn der Anwender das Präparat bewusst außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebiets einsetzt, weil er auf Grund langjähriger Anwendungserfahrung im Hinblick auf Verdauungsbeschwerden sich über das zugelassene Anwendungsgebiet hinwegsetzt oder aber auch Verdauungsbeschwerden von dem zugelassenen Anwendungsgebiet als mit umfasst ansieht, als auch dann, wenn er das Präparat darüber hinaus im Hinblick auf Symptome einnimmt, die nur vermeintlich zu dem von ihm angenommenen Anwendungsgebiet Verdauungsbeschwerden passen, tatsächlich aber auf eine Erkrankung zurückzuführen sind, die außerhalb dieses angenommenen Anwendungsgebiets liegt. In allen Fallkonstellationen ist der Hinweis der Beklagten nicht geeignet, die jeweils zu Grunde liegende (unterstellte) Fehleinschätzung des Anwenders zu beseitigen und damit die daraus möglicherweise resultierenden Gesundheitsgefahren abzuwenden. ... (wird ausgeführt)

Selbst wenn man dies unberücksichtigt lässt und davon ausgeht, dass die Beklagte auf welcher Grundlage auch immer in gewissem Umfang eine Anwendung bei Verdauungsbeschwerden doch zulassen oder tolerieren wollte, setzt der Hinweis auch deren weitere Intention, den Anwender bei bestimmten (schweren) Beschwerden, die auf das Vorliegen einer mit dem Präparat nicht behandelbaren Erkrankung hindeuten, zum Aufsuchen eines Arztes zu veranlassen, nicht um. Diese Intention wird dem Verbraucher mit dem Hinweis bereits nicht vermittelt, weil sich aus der Formulierung jedenfalls nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit ergibt, dass vor einer möglicherweise hinter den Beschwerden stehenden, mit dem Präparat nicht therapierbaren Erkrankung gewarnt werden soll. Weiterhin werden keine auf eine (ernsthafte) Erkrankung hindeutenden klaren und eindeutigen Symptome oder Beschwerdebilder im Sinne einer von der Beklagten selbst geforderten präzisen Handlungsanweisung beschrieben, an denen sich der Anwender bei der Entscheidung, ob er einen Arzt aufsuchen soll, orientieren könnte. Daran anknüpfend ist der Hinweis schließlich nicht geeignet, eine Anwendung bei andauernden Beschwerden zu verhindern, weil offen bleibt, welche Zeitdauer mit "langanhaltend" und welche Häufigkeit mit "wiederholt" gemeint ist.

Weiterhin erscheint die Erforderlichkeit des Hinweises und damit der Auflagen zweifelhaft. Bereits aus der oben zitierten Bundestags-Drucksache 11/5373 zum Vierten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Hinweis auf die traditionelle Anwendung als ausreichend angesehen hat, den Verbrauchern die Besonderheiten dieser Arzneimittel und die ihrer Anwendung zugrundeliegenden Erfahrungen sowie ihre Einsatzgrenzen zu verdeutlichen. Der Ausschuss für Gesundheit hat im Gesetzgebungsverfahren betreffend das Fünfte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes nochmals betont, dass das pauschalierte Nachzulassungsverfahren nach § 109a AMG nur für per se risikoarme Arzneimittel in Betracht kommen solle, nämlich für solche, die nicht verschreibungspflichtig und nicht wegen besonderer Umstände apothekenpflichtig sind, dass dem Verbraucher die Besonderheit des Arzneimittels als traditionelles Arzneimittel sowie seine begrenzten Einsatzmöglichkeiten verdeutlicht würden und dass im Rahmen der Aufstellung der Traditionsliste eine risikogestufte Bewertung vorzunehmen sei.

Vgl. BT-Drs. 12/7572, S. 8.

Daraus ergibt sich, dass es im Regelfall bei den traditionellen Arzneimitteln eines darüber hinaus gehenden (Warn-)Hinweises auf den eingeschränkten Anwendungswendungsbereich und damit zugleich auf die Grenzen der Selbstmedikation nicht bedarf, weil dies durch den nach § 109a Abs. 3 Satz 2 AMG zwingend vorgeschriebenen Zusatz zum Anwendungsgebiet "Traditionell angewendet" sichergestellt wird. Dies gilt hier erst recht in Anbetracht der Tatsache, dass der eingeschränkte Anwendungsbereich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus - soweit ersichtlich - durchgängig in der Traditionsliste durch den weiteren Zusatz "Diese Angabe beruht ausschließlich auf Überlieferung und langjähriger Erfahrung" bei dem Anwendungsgebiet unterstrichen wird, der auch Gegenstand der der Klägerin erteilten Zulassung ist.

In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des OVG Berlin,

Urteile vom 16.8.2001 - 5 B 3.00 -, - 5 B 4.00 - und - 5 B 5.00 -, berufen. Soweit dort jeweils gleichlautend im Rahmen einer Hilfsüberlegung ein (Warn-)Hinweis auf die Grenzen der Selbstmedikation bzw. auf Symptome schwerwiegender Erkrankungen als von § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AMG gedeckt angesehen wurde, können diese Ausführungen abgesehen davon, dass der dort zu Grunde liegende Hinweis wesentlich konkreter gefasst war, für dieses Verfahren bereits deshalb keine Geltung beanspruchen, weil es in jenen Verfahren nicht um auf der Grundlage von § 109a AMG zugelassene Traditionsarzneimittel ging.

Der Umstand schließlich, dass die Klägerin ihr Präparat als Heilmittel bei Verdauungsbeschwerden bewirbt, vermag ebenfalls keinen Warnhinweis zu rechtfertigen, sondern allenfalls ein Einschreiten dagegen.

Angesichts der vorstehenden Ausführungen liegt zumindest keine ermessensfehlerfreie Anordnung der Auflagen A.3 und A.4 gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AMG vor.

Die Ermächtigung in § 28 Abs. 2 Nr. 3 AMG greift ebenfalls nicht. Nach der Vorschrift können Auflagen erlassen werden, um sicherzustellen, dass die Angaben nach den §§ 10, 11 und 11 a AMG den für die Zulassung eingereichten Unterlagen entsprechen. Eine Anpassung der Angaben in den Informationstexten an die Zulassungsunterlagen wird hier im positiven Sinne jedoch nicht vorgenommen, weil sich letztere überhaupt nicht zu einer Anwendung des Arzneimittels bei Verdauungsbeschwerden verhalten. Ob die Vorschrift auch Anpassungen im negativen Sinne der Gestalt abdeckt, dass sich die Zulassungsunterlagen zu bestimmten Umständen nicht verhalten und hierauf, d.h. quasi auf ein Fehlen, in den Informationstexten hingewiesen wird, erscheint zweifelhaft, weil es für eine sachgerechte Anwendung des Arzneimittels, die mit den Informationstexten sichergestellt werden soll, in aller Regel nicht auf etwas ankommen dürfte, was in den Zulassungsunterlagen nicht erwähnt wird, zumal dem Anwender mit dem Hinweis auf etwas Fehlendes keine sachgerechten Anwendungsinformationen an die Hand gegeben würden. Letztlich kann auch diese Frage offen bleiben, weil selbst dann, wenn man sog. Negativhinweise als von § 28 Abs. 2 Nr. 3 AMG mit umfasst ansieht, hier allenfalls ein Hinweis hätte angeordnet werden können, dass eine Anwendung bei Verdauungsbeschwerden (nach den Zulassungsunterlagen) nicht vorgesehen und auch nicht zugelassen ist.

Schließlich können die Auflagen A.3 und A.4 nicht auf die allgemeine Ermächtigung in § 28 Abs. 1 Satz 1 AMG gestützt werden. Zwar dürfte diese als Auffangtatbestand zu qualifizierende Vorschrift dann zur Anwendung kommen können, wenn ausnahmsweise (Warn-)Hinweise bezüglich Gesundheitsgefahren erforderlich sein sollten, die sich bei einer Anwendung des Präparats außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs ergeben, und man diese als von § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AMG nicht erfasst ansähe. Gleichwohl verhilft dies dem Begehren der Beklagten nicht zum Erfolg, weil die Auflagen auch auf der Grundlage des Auffangtatbestandes rechtswidrig sind, weil sie ungeachtet aller weiteren (Rechtmäßigkeits-)Bedenken jedenfalls zur Erreichung der von der Beklagten verfolgten Ziele ungeeignet sind.

Ende der Entscheidung

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