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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 24.01.2003
Aktenzeichen: 13 A 451/01
Rechtsgebiete: GG, AMG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 12
GG Art. 13
AMG § 1
AMG § 4a
AMG § 64
AMG § 66
VwGO § 114
Soll festgestellt werden, ob von einem Arzt hergestellte Arzneimittel an Andere abgegeben oder nur den eigenen Patienten dieses Arztes appliziert werden, so kann eine entsprechende Ordnungsverfügung, das Betreten und Untersuchen der Praxisräume zu dulden und zu fördern, auf §§ 64, 66 AMG gestützt werden.
Tatbestand:

Der Kläger und der Kläger eines Parallelverfahrens betreiben zusammen in der Form einer BGB-Gesellschaft als Ärzte im Zuständigkeitsbereich des Beklagten eine Gemeinschaftspraxis für Hämatologie und Onkologie. Jedenfalls bis zum Erlass der Ordnungsverfügung vom 2.2.1998 stellten die beiden Ärzte in ihrem gemeinsamen Zytostatika-Labor mit Hilfe ihrer Angestellten aus Original-Fertigarzneimitteln verschiedener pharmazeutischer Unternehmen Zytostatika her, die sie anschließend an den - nach ihren späteren Angaben jeweils eigenen - Patienten anwandten.

Nachdem dem Beklagten von den beiden klagenden Ärzten keine Besichtigungsmöglichkeit der Arztpraxis eingeräumt worden war, ergingen am 26.1.1998 an den Partner des Klägers und am 2.2.1998 an den Kläger Ordnungsverfügungen, durch die unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung bestimmt wurde, die Maßnahmen nach §§ 64 Abs. 4 und 65 AMG zu dulden und die in der Überwachung tätigen Personen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, insbesondere ihnen auf Verlangen Räume der Arzneimittellagerung und -herstellung in der Praxis zu bezeichnen, Räume, Behälter und Behältnisse zu öffnen, Auskünfte zu erteilen, Entnahmen von Proben zu ermöglichen, Unterlagen über die Herstellung der Arzneimittel, die klinische Prüfung und den Erwerb der Arzneimittel vorzulegen und die Anfertigung von Abschriften/Ablichtungen dieser Unterlagen zu dulden; zugleich drohte der Beklagte jedem der Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,- DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung an.

Nach Zurückweisung seines Widerspruchs erhob der Kläger rechtzeitig Klage.

Nachdem das VG den Antrag wegen Aussetzung der sofortigen Vollziehung abgelehnt hatte, duldete der Kläger wie auch sein Mitgesellschafter eine Besichtigung der Praxisräume durch Mitarbeiter des Beklagten.

Durch Urteil vom 8.11.2000 gab das VG der Klage statt.

Hiergegen erhob der Beklagte die vom Senat zugelassene Berufung, die Erfolg hatte.

Gründe:

Zunächst ist in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil davon auszugehen, dass die Klage als Anfechtungsklage weiter zulässig ist und es keines Übergangs zu einer sog. Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bedurfte. Bei der streitigen Ordnungsverfügung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, der nicht mit der einmaligen Besichtigung der Praxis im Rahmen des Eilverfahrens seine Erledigung gefunden hat.

Vgl. zum Dauerverwaltungsakt OVG NRW, Urteil vom 10.12.1998 - 13 A 2711/97 -, LRE 36, 150 m.w.N.

Dies wird dadurch erhellt, dass von vornherein die Möglichkeit bestand, eine einmalige Begehung der Praxisräume werde nicht ausreichen, um die für die Überwachung erforderlichen Erkenntnisse zu gewinnen. Auch die zwischenzeitliche Reduzierung der Zytostatika-Herstellung auf sog. "Notfälle" hat zu keiner Erledigung geführt, da der Kläger damit verfahrensveranlasst handelt und nach einem etwaigen Erfolg der vorliegenden Klage zu der alten Herstellungspraxis zurückkehren könnte; gegen eine endgültige Aufgabe der Arzneimittelherstellung spricht neben der eingeräumten Herstellung in "Notfällen" auch die Aufrechterhaltung der Klage.

Die angefochtene Ordnungsverfügung erweist sich als rechtmäßig.

1) Der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung steht nicht entgegen, dass die - auch im Übrigen hinreichend bestimmte - Ordnungsverfügung und der Widerspruchsbescheid nicht an die BGB-Gesellschaft als solche, sondern an die beiden - einzigen - BGB-Gesellschafter als Einzelpersonen gerichtet waren. Dies reicht, auch soweit inzwischen den BGB-Gesellschaften eine nach außen wirksame eigene Rechtspersönlichkeit zuerkannt worden ist.

Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29.1.2001 - II ZR 331/00 -, BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056.

Die Möglichkeit, die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft und nicht diese selbst in Anspruch nehmen zu können, ist schon deshalb sinnvoll und geboten, weil es anders als bei sonstigen Figuren des Gesellschaftsrechts kein die Gesellschaftsverhältnisse publizierendes Register gibt und das Bestehen einer BGB-Gesellschaft auch sonst nicht nach außen deutlich gemacht werden muss und im vorliegenden Fall auch nicht worden ist. Angesichts der Zustellung inhaltsgleicher Verfügungen an beide Gesellschafter - und nicht nur an einen von ihnen - ist allen Rechtsschutzbedürfnissen auch der Gesellschaft als solcher Rechnung getragen.

2) Rechtsgrundlagen für die Ordnungsverfügung des Beklagten sind die §§ 64 bis 66 AMG, die die arzneimittelrechtliche Überwachung betreffen. Dies wäre allerdings anders, wenn § 4a Nr. 3 AMG, der am 1.11.2002 auf Grund des 11. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 21.8.2002, BGBl I S. 3348, in Kraft getreten ist, eingreifen würde.

Danach findet das Arzneimittelgesetz keine Anwendung auf "3. Arzneimittel, die ein Arzt, Tierarzt oder eine andere Person, die zur Ausübung der Heilkunde befugt ist, bei Mensch oder Tier anwendet, soweit die Arzneimittel ausschließlich zu diesem Zweck unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des anwendenden Arztes, Tierarztes oder der anwendenden Person, die zur Ausübung der Heilkunde befugt ist, hergestellt worden sind." Dem ist jedoch keine Regelung der vorliegenden Problematik der Berechtigung der Überprüfung, ob eine Abgabe an Andere erfolgt, zu entnehmen. Gleiches gilt für die Rechtsprechung des BVerfG, die § 4a Nr. 3 AMG umsetzt.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 16.2.2000 - 1 BvR 420/97 -, BVerfGE 102, 26 = LRE 38, 65 = NJW 2000, 857; ferner OVG NRW, Urteil vom 3.8.2000 - 13 A 694/00 -, PharmaR 2001, 103 = NJW 2001, 2821.

Schon im Vorverfahren hatte auch zumindest die Widerspruchsbehörde erkannt, dass die Vorschriften der §§ 64 ff AMG nicht anwendbar sind auf solche Arzneimittel, die nicht in den Verkehr gebracht, sondern dem Patienten von dem herstellenden Arzt verabreicht werden. Der Widerspruchsbescheid grenzt vom Applizieren des Arzneimittels beim Patienten die Herstellung und sonstige Zubereitung des Arzneimittels ab und meint, ein solcher Herstellungsvorgang unterliege, auch wenn er von einem praktizierenden Arzt zum Zwecke der Anwendung des Arzneimittels am Patienten durchgeführt werde, dem Regelungsbereich des Arzneimittelgesetzes. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie verkennt, dass dem Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG eine Regelungskompetenz für das Herstellen von Arzneimitteln durch Heilkundler zur eigenen Anwendung ohne Abgabe an andere nicht zukommt; der Bund hat insofern nur die Regelungskompetenz für "den Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften". Wie sich auch aus den beiden vorstehend genannten Urteilen ergibt, ist das Herstellen solcher Arzneimittel, die nicht in den Verkehr gebracht, sondern dem Patienten appliziert werden, nicht vom Arzneimittelgesetz umfasst, mag ein Regelungsbedürfnis hinsichtlich der Herstellungsüberwachung auch solcher Arzneimittel ohne weiteres anzuerkennen sein (vgl. für das - hier nicht gegebene - Herstellen und Anwenden von Arzneimitteln aus tierischen Ausgangsmaterialien von Rindern, Schafen und Ziegen im Rahmen der Ausübung der Heilkunde die LandesarzneimittelVO NRW v. 21.3.2001, GVBl. S. 102).

Aus der fehlenden Bundeskompetenz für die Regelung der Herstellung solcher Arzneimittel zur Anwendung an eigenen Patienten folgt, dass der Ausspruch der angefochtenen Ordnungsverfügung durch die Begründung in der Ordnungsverfügung und im Widerspruchsbescheid keine Rechtfertigung erfährt. Das macht sie aber nicht rechtswidrig.

3) Die Ordnungsverfügung findet ihre ermessensgerechte Rechtfertigung durch die später behördlich nachgeschobenen Gründe (- zur Zulässigkeit des Nachschiebens unten 4).

Der Beklagte hat zunächst im Rahmen der Begründung seines Berufungszulassungsantrages mehrere Gründe genannt, die seine Ordnungsverfügung rechtfertigen sollen und auch tatsächlich rechtfertigen. Der Beklagte ist befugt zu ermitteln, ob der Kläger die von ihm hergestellten Arzneimittel wirklich nur an seine eigenen Patienten verabreicht und wie das Verhältnis zwischen BGB-Gesellschaft und ihren Gesellschaftern sowie unter den Gesellschaftern selbst ist, ob insbesondere die ärztlich verantwortete Herstellung der Arzneimittel und das ärztlich verantwortete Applizieren bei den Patienten auseinander fallen.

Hinsichtlich einer GmbH vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.8.1994 - 13 B 584/94 -, OVGE 44, 121 = NJW 1995, 802 zu § 13 AMG.

Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe, die die aufgeworfenen Fragen klären sollen, sind die §§ 64 bis 66 AMG. Das ergibt ihre Auslegung. Der Wortlaut dieser Vorschriften umfasst die beschriebenen nunmehr zur Begründung der Ordnungsverfügung genannten Aufklärungsbemühungen der Behörde. So ist § 64 Abs. 1 S. 1 AMG ersichtlich umfassend angelegt. Hinzu kommt, dass sich nach Abs. 3 der genannten Vorschrift die zuständige Behörde alle zwei Jahre - ohne Anlass - davon zu überzeugen hat, dass u.a. die Vorschriften über den Verkehr mit Arzneimitteln beachtet werden. Auch § 66 AMG läßt den Willen zur lückenlosen Regelung erkennen. In der Literatur wird zu Recht vertreten, Nachschaubefugnisse dienten grundsätzlich vorrangig der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, d.h. Überwachungszwecken, ohne an besondere Anlässe oder Verdachtsmomente gebunden zu sein; sie seien typische Gefahrenverhütungs- bzw. Gefahrenvorsorgeinstrumente, die gerade nicht das Vorliegen einer konkreten Gefahr - deren Fehlen hier von dem Kläger zu Recht betont wird - voraussetze.

So zutreffend Christel Figgener, Behördliche Betretungsrechte und Nachschaubefugnisse, 1. Aufl. 2000, S. 106, m.w.N.

Die hier maßgebliche Frage, ob auch die Aufklärung zur Feststellung, ob es - tatsächlich oder rechtlich - um den Verkehr mit Arzneimitteln, die ärztlicherseits hergestellt wurden, geht oder nur um die Anwendung solcher selbst hergestellter Arzneimittel an den eigenen Patienten, was kein Inverkehrbringen ist, - vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.2.1997 - 13 A 568/95 -, NJW 1998, 847 - ist nach den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen, aber auch nach dem in § 1 AMG normierten Gesetzeszweck zu bejahen. Danach ist der Gesetzeszweck, "im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel ... zu sorgen". Dass sich der Bund mit § 1, §§ 64 ff AMG im Hinblick auf die Aufklärung der Anwendbarkeit seines Arzneimittelgesetzes nicht zu viel an verfassungsmäßig beschränkter Kompetenz nimmt, wird dadurch deutlich, dass in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG die Grenze dort gezogen ist, wo es um den Verkehr mit Arzneimitteln "im weitesten Sinne" geht, wie das BVerfG (a.a.O.) entschieden hat. Gerade ob "Verkehr mit Arzneimitteln" stattfindet, soll mittels der angefochtenen Ordnungsverfügung aufgeklärt werden.

Soweit das BVerfG (a.a.O.) ebenfalls entschieden hat, der Kompetenztitel ziele auf die Kontrolle von Arzneifertigwaren oder sonst industriell hergestellten Arzneimitteln ab, spricht dies allerdings gegen diese Auffassung. Der Senat verbleibt aber im vorliegenden Fall bei seiner Ansicht. Zwar reicht nicht, dass hier die Veränderung von Fertigarzneimitteln (gem. § 43 AMG regelmäßig aus der Apotheke geliefert) erfolgt. Jedoch ist für den Senat maßgeblich, dass die Anwendbarkeit des Arzneimittelgesetzes in Frage steht und für diese Feststellung die für das Arzneimittelrecht zuständige Überwachungsbehörde von ihrer Eignung her und kraft Sachzusammenhangs zuständig sein sollte. Auch entspricht diese Auffassung dem Grundsatz, Gesetze verfassungskonform so auszulegen, dass sie Bestand haben, was hier wenigstens für den fraglichen Bereich erreicht wird.

Diese Klärung der Anwendbarkeit der §§ 64 bis 66 AMG ist nicht nur abzugrenzen von der bisher in den Mittelpunkt der Erörterungen gestellten Frage der Regelungszuständigkeit des Bundes für nicht in den Verkehr zu bringende Arzneimittel, die - wie dargelegt - nicht gegeben ist. Zum anderen ist die Aufklärungsarbeit der Behörde davon zu unterscheiden, ob sie zur Erleichterung dieser Aufklärung bestimmte Nachweise verlangen kann wie das Führen von Büchern und ob insbesondere die von ihr insofern ursprünglich herangezogene GMP-Richtlinie anzuwenden ist. Dies ist jedoch nicht Regelungsgegenstand der Ordnungsverfügung und nicht Streitgegenstand, ebenso wenig die Frage von weiteren Eingriffsmaßnahmen im Fall der Feststellung von Verstößen. Bei Beachtung dieser Grenzen ist es auch dem in seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten selbstständigen Arzt, der Arzneimittel herstellt, zumutbar, Aufklärungsmaßnahmen der Überwachungsbehörde zu dulden und zu unterstützen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob sich die Nachforschungen nachträglich als untauglich erweisen, wenn sie nicht von vorneherein ungeeignet waren, - vgl. auch Christel Figgener, a.a.O., S. 147 - wofür hier kein Anhalt besteht. Eine gezielte Suche könnte z.B. ergeben, dass die hergestellten Arzneimittel - vielleicht unter Mitwirkung der Patienten - an andere Ärzte abgegeben werden o.ä. Grundsätzlich müssen Duldungsverfügungen dieser Art ohnehin einen Spielraum eröffnen, der möglicherweise erst bei der Besichtigung und Prüfung konkretisiert wird.

Vgl. Christel Figgener, a.a.O., S. 138.

4) Die im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeschobenen und die Ordnungsverfügung nunmehr stützenden Gründe des Beklagten sind berücksichtigungsfähig. Auch schon vor der Ergänzung des § 114 VwGO durch seinen Satz 2 ("Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.") entsprach es ständiger Rechtsprechung, bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Der Auffassung des Klägers, es komme auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Ermessensbetätigung bei Erlass der Ordnungsverfügung an, ist nicht zu folgen.

Die nunmehr vorgebrachten (Ermessens-) Gründe der Behörde können auch noch als Ergänzung im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO angesehen werden, mögen sie auch die Tatsachengrundlage für die Ermessensausübung betreffen. Sie verändern nämlich den Regelungsausspruch der Ordnungsverfügung nicht, sondern modifizieren nur die Begründung. Hierfür spricht auch, dass nach der Begründung des Widerspruchsbescheides gerade die Herstellung der bei den Patienten angewandten Arzneimittel geprüft werden sollte und dazu auch eine Feststellung des Zwecks der Herstellung (für andere?) gehören konnte, so dass auch die inhaltliche Zielrichtung der Ordnungsverfügung nur unwesentlich verändert, nämlich eingeschränkt wird. Es wäre auch nicht dem Zweck der Regelung des § 114 S. 2 VwGO entsprechend, die Vorschrift nicht auch auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden, denn der Behörde wäre es unbenommen, eine zweite, im Regelungsausspruch identische Ordnungsverfügung neu zu erlassen und auf die nunmehr für tragfähig gehaltenen Gründe zu stützen. Gerade solche Behörden, Gerichte und auch Betroffene unnötig belastende Vorgehensweisen sollten durch die Einführung des Satzes 2 in § 114 VwGO vermieden werden.

Dies ist auch unter Kostengesichtspunkten nicht unbillig. Es entsprach auch bisher schon allgemeiner Ansicht, dass der Adressat einer Ordnungsverfügung bei wesentlichen Veränderungen des Sach- und Streitstandes - hier der Ermessensgründe der Ordnungsverfügung - die Möglichkeit hatte, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, wenn er erkannte, dass er auf Grund der neuen behördlichen Begründung (oder sonstigen Entwicklung) den Prozess nicht mehr würde gewinnen können. In einem solchen Fall wäre nach § 161 Abs. 2 VwGO bei Erledigungserklärung beider Parteien über die Kostentragungspflicht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden gewesen. War die bisherige Ermessensausübung in einem solchen Fall der nachträglichen Ergänzung der Begründung zur Stützung der Regelung in der Ordnungsverfügung ungeeignet, hätte die Behörde die Kosten zu tragen gehabt. Jedoch hat der anwaltlich vertretene Kläger von dieser Möglichkeit, sich auf die veränderte Ermessensausübung der Behörde einzustellen, keinen Gebrauch gemacht.

5) Der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ordnungsverfügung steht schließlich auch nicht das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG entgegen. Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung davon aus, dass sich der Schutz des Art. 13 GG auch auf Geschäftsräume erstreckt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.10.1971 - 1 BvR 280/66 -, BVerfGE 32, 54, 68, BVerwG, Urteil vom 21.2.1995 - 1 C 36/92, NVwZ-RR 1995, 425, Christel Figgener, a.a.O., S. 32, m.w.N. in Anm. 177 und die Begründung auf S. 35 f.

Demnach fallen auch die ärztlichen Praxisräume unter den ausgeweiteten Wohnungsbegriff.

Nach Art. 13 Abs. 7 GG dürfen Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung (einschließlich der Geschäftsräume) u.a. "auf Grund eines Gesetzes ... zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ... vorgenommen werden".

Das BVerfG interpretiert die Rechtsfigur des Eingriffs für Geschäftsräume seit seiner Grundsatzentscheidung vom 13.10.1971 (a.a.O.), in der es zur Vereinbarkeit einer typischen Nachschauregelung mit Art. 13 GG Stellung zu nehmen hatte, restriktiv. Ausgehend davon, dass Betretungsrechte und Nachschaubefugnisse unentbehrliche Kontrollinstrumentarien der modernen Wirtschaftsaufsicht darstellten und weder als Durchsuchungen im Sinne von Art. 13 Abs. 2 GG anzusehen seien noch in Art. 13 Abs. 7 GG, der einschlägigen Schrankenbestimmung, eine zureichende verfassungsrechtliche Grundlage fänden, verneint es die Eingriffsqualität des behördlichen Betretens von reinen Geschäftsräumen, sofern bestimmte aus Art. 2 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entwickelte Voraussetzungen eingehalten werden. Im Einzelnen soll ein Eingriff in Art. 13 GG dann nicht vorliegen, wenn eine besondere gesetzliche Vorschrift zum Betreten der Geschäftsräume ermächtigt, das Betreten der Räume und die Vornahme der Besichtigungen und Prüfungen einem erlaubten Zweck dienen und für dessen Erreichung erforderlich sind, das Gesetz den Zweck des Betretens, den Gegenstand und den Umfang der zugelassenen Besichtigung und Prüfung deutlich erkennen lässt und das Betreten der Räume und die Vornahme der Besichtigung und Prüfung in den Zeiten stattfindet, zu denen die Räume normalerweise für die jeweilige geschäftliche Nutzung zur Verfügung stehen. Diese Auslegung sei geboten, um dem Schutzzweck des Art. 13 GG und dem Willen des Verfassungsgebers gerecht zu werden sowie den sachlichen Notwendigkeiten der modernen Staatsverwaltung zu entsprechen. Geschäftsräume seien zur Aufnahme sozialer Kontakte bestimmt und deshalb in gewisser Weise aus der privaten Intimspähre entlassen. Der Geschäftsinhaber werde das bloße Betreten seiner Räume durch Behördenbeauftragte in aller Regel nicht als Beeinträchtigung seiner Grundrechtsspähre und damit nicht als Eingriff empfinden. Insofern bestehe ein gegenüber Privatwohnungen gemindertes Schutzbedürfnis.

So zusammenfassend Christel Figgener, a.a.O., S. 52 f, m.w.N. zur Rezeption dieser Entscheidung.

Dem schließt sich der Senat an.

Ende der Entscheidung

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