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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.01.2003
Aktenzeichen: 13 A 4859/00
Rechtsgebiete: VwGO, ZHG


Vorschriften:

VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
VwGO § 130a
ZHG § 2 Abs. 2
Zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach "erledigtem" Verpflichtungsbegehren.

Ein Feststellungsinteresse i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist im Hinblick auf einen beabsichtigten Amtshaftungsprozess nicht zu bejahen, wenn keine konkreten Angaben zum behaupteten Schaden bzw. zur Schadenshöhe gemacht werden.


Tatbestand:

Der Kläger hat ein zahnmedizinisches Studium in Bukarest absolviert. Die Beklagte lehnte seinen Antrag auf Erteilung der Approbation als Zahnarzt wegen des fehlenden Nachweises der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes ab. Widerspruch und Klage des Klägers hatten keinen Erfolg.

Während des Berufungsverfahrens trat eine Änderung des Zahnheilkundegesetzes in Kraft, wonach an den Nachweis eines gleichwertigen Kenntnisstandes höhere Anforderungen als bisher gestellt werden. Nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung stellte der Kläger sein Begehren auf eine Fortsetzungsfeststellungklage um. Die bisherige Versagung der Approbation sei rechtswidrig gewesen und deshalb beabsichtige er einen Amtshaftungsprozess. Das OVG wies die Berufung wegen fehlenden Feststellungsinteresses zurück.

Gründe:

Unter Berücksichtigung dessen, dass es sich ursprünglich um eine Verpflichtungsklage gehandelt hat und diese an die Versagung einer von der Behörde begehrten Maßnahme anknüpfte, legt der Senat den Antrag des Klägers dahin aus, festzustellen, dass die die Approbation versagenden Bescheide rechtswidrig waren und die Beklagte vor dem Inkrafttreten der relevanten Änderung des Zahnheilkundegesetzes zur Erteilung der Approbation als Zahnarzt verpflichtet gewesen wäre.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.9.1989 - 1 C 40.88 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 206; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2002, Rdnr. 100, 103.

Durch Art. 14 des Gesetzes über den Beruf der Podologin und des Podologen und zur Änderung anderer Gesetze vom 4.12.2001 (BGBl. I S. 3320, 3325) wurde der für die Approbationserteilung maßgebende § 2 Abs. 2 ZHG in der Weise geändert, dass, wenn "die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes nicht gegeben oder sie nur mit unangemessenem zeitlichen oder sachlichen Aufwand feststellbar ist, ein gleichwertiger Kenntnisstand nachzuweisen ist und der Nachweis durch das Ablegen einer Prüfung erbracht wird, die sich auf den Inhalt der Staatlichen Abschlussprüfung erstreckt", während nach der früher geltenden Fassung des § 2 Abs. 2 ZHG die Approbation als Zahnarzt u.a. zu erteilen war, wenn der Antragsteller "eine außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeschlossene Ausbildung für die Ausübung des zahnärztlichen Berufs erworben hat und die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist". Es ist anerkannt, dass bei einer Änderung der Rechtslage zum Nachteil des Klägers während der Anhängigkeit einer Verpflichtungsklage - von einer derartigen Änderung der Rechtslage ist hier auszugehen - die dazu gestellten Anträge in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf einen Antrag umgestellt werden können, mit dem die Feststellung der Rechtswidrigkeit der ablehnenden Bescheide begehrt wird, auch wenn sich das Verpflichtungsbegehren nicht im strengen Wortsinne "erledigt" hat. Auch in diesem Fall gilt der an den Grundsätzen der Prozessökonomie orientierte Gedanke, dass ein Kläger, der in einem - unter entsprechendem Aufwand betriebenen und einen bestimmten Stand aufweisenden - Verfahren auf Grund eines bestimmten Ereignisses sein ursprüngliches Klageziel nicht mehr erreichen kann, nicht um die "Früchte" seiner bisherigen Prozessführung gebracht werden darf und dass deshalb § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechend anzuwenden ist.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 28.4.1999 - 4 C 4.98 -, NVwZ 1999, 1105, vom 20.4.1994 - 11 C 60.92 -, NVwZ-RR 1995, 172, vom 29.4.1992 - 4 C 29.90 -, NVwZ 1992, 1092, vom 12.9.1989 - 1 C 40.88 -, a.a.O., und vom 24.10.1980 - 4 C 3.78 -, NJW 1981, 2426; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.1.1997 - 5 S 3206/95 -, NVwZ-RR 1998, 549; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 113 Rn. 110.

Ob in dem Übergang von der Verpflichtungsklage zur Feststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (auch) eine Klageänderung i.S.d. § 91 VwGO liegt, verneinend: BVerwG, Urteile vom 20.4.1994 - 11 C 60.92 - a.a.O., vom 22.3.1990 - 2 C 2.88 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 216, und vom 12.9.1989 - 1 C 40.88 -, a.a.O.; a.A. offenbar BVerwG, Urteil vom 28.4.1999 - 4 C 4.98 -, a.a.O. kann letztlich dahinstehen, weil nach dem Gedanken der Prozessökonomie auch bei Annahme einer solchen diese als sachdienlich angesehen werden muss.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig, weil der Kläger kein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung dargelegt hat.

Die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage setzt u.a. voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Dazu gehört vor dem Hintergrund der Frage, ob der Kläger mit dem Urteil "etwas anfangen kann" und dieses geeignet ist, seine Position zu stärken, jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, vgl. BVerwG, Beschluss vom 4.3.1976 - I WB 54.74 -, BVerwGE 53,134, Urteile vom 20.4.1994 - 11 C 60.92 -, a.a.O. und vom 12.9.1989 - 1 C 40.88 -, a.a.O., wobei der Kläger sein berechtigtes Feststellungsinteresse substantiiert darlegen muss.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.1991 - 1 C 42.90 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 238; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.1.1997 - 5 S 3206/95 -, a.a.O., Sodan/Ziekow, VwGO, Stand: Dezember 2001, § 113 Rdn. 162; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 113 Rdn. 90.

Der Kläger trägt vor, er habe sich auf Grund der rechtswidrigen Verweigerungshaltung der Beklagten beruflich anderweitig orientieren müssen; es sei "nicht auszuschließen, dass sich auf Grund der anderweitigen beruflichen Tätigkeit ein Einkommensverlust darstellt als adäquate Folge der rechtswidrigen Versagung der Approbation", er hätte, wenn ihm die Approbation fristgerecht erteilt worden wäre, seinerzeit die Möglichkeit des Erwerbs und der Übernahme einer zahnärztlichen Praxis und der zugehörigen Immobilie gehabt; er beabsichtige, Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die der Vorbereitung eines Amtshaftungsverfahrens vor dem Zivilgericht dienen soll, ist das Feststellungsinteresse aber nur zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13.11.1998 - 11 A 2641/94 -, NWVBl. 1999, 342; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.1.1997 - 5 S 3206/95 -, a.a.O.; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 113 Rdnr. 95.

An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch. In dem zunächst für das Feststellungsinteresse geltend gemachten Vorbringen des Klägers, es sei nicht auszuschließen, dass sich aufgrund seiner anderweitigen beruflichen Tätigkeit ein Einkommensverlust darstelle, kommt nicht die ernsthafte Absicht zum Ausdruck, eine Schadensersatzklage anhängig machen zu wollen, und erst recht nicht seine Vorstellung, dass ihm überhaupt ein Schaden entstanden ist, der Gegenstand eines Amtshaftungsprozesses sein könnte. Die Behauptung eines eingetretenen Schadens setzt zwingend eine Gegenüberstellung der Einkommensverhältnisse bzw. des verbleibenden Gewinns, die/der bei rechtzeitiger Erteilung der Approbation als Zahnarzt zu erwarten gewesen wäre, und der finanziellen Verhältnisse, die sich aufgrund seiner anderweitigen beruflichen Tätigkeit ergeben haben, sowie eine jedenfalls annähernde Angabe der Schadenshöhe (vgl. insoweit Fallkonstellation zu OVG NRW, Urteil vom 23.4.1996 - 10 A 620/91 -, NVwZ 1997, 598) voraus. An derartigen substantiierenden Angaben für einen beabsichtigen Schadensersatzprozess fehlt es aber. (Wird ausgeführt)

Im Übrigen erscheint, selbst wenn insoweit strenge Anforderungen gestellt werden, ein Amtshaftungsprozess auch als offensichtlich aussichtslos, weil die die Approbation versagenden Bescheide der Beklagten durch das VG bestätigt worden sind und für diesen Fall angenommen wird, dass es an dem für den Amtshaftungsanspruch erforderlichen Verschulden des Amtswalters fehlt, zumal keine besonderen Umstände dafür ersichtlich sind, dass der Amtswalter es "besser" als das Gericht hätte wissen müssen oder die erstinstanzliche Bestätigung der von der Beklagten abgelehnten Maßnahme handgreiflich falsch ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.1991 - 1 C 42.90 -, a.a.O., Beschluss vom 9.8.1990 - 1 B 94.90 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 220; OVG NRW, Urteil vom 13.11.1998 - 11 A 2641/94 -, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.1.1997 - 5 S 3206/95 -, a.a.O.

Ein berechtigtes Interesse des Klägers für die Fortsetzungsfeststellungsklage ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation. Ein Rehabilitationsinteresse rechtfertigt ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse (nur) dann, wenn eine fortdauernde diskriminierende Wirkung eines erledigten Verwaltungsaktes mit einer fortwirkenden Grundrechtsbetroffenheit dargetan wird und/oder wenn ungünstige Nachwirkungen der inzwischen erledigten behördlichen Maßnahme bestehen und diesen Wirkungen nur durch eine gerichtliche Sachentscheidung wirksam begegnet werden kann.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4.3.1976 - I WB 54.74 -, a.a.O., Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 18.79 -, BVerwGE 61,164, Beschluss vom 9.8.1990 - 1 B 94.90 -, a.a.O.; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 113 Rdnr. 92; Sodan/Ziekow, a.a.O., § 113 Rdn. 170 ff.

Eine derartige Konstellation ist hier nicht gegeben. Von einer Diskriminierung kann nur die Rede sein bei ehrenrührigen und ehrverletzenden, persönliche Vorwürfe oder Bemakelungen enthaltenden Formulierungen in einem Verwaltungsakt.

Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 113 Rdnr. 92; Sodan/Ziekow, a.a.O., § 113 Rdn. 170 ff.

Das ist in Bezug auf den Kläger nicht der Fall, weil die Erteilung der Approbation durch die Beklagte nicht wegen (fehlender) persönlicher Eigenschaften des Klägers abgelehnt worden ist, also nicht etwa seine persönliche Zuverlässigkeit oder Würdigkeit in Frage gestellt wurde, sondern die Ablehnung mit der fehlenden Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes nach seiner zahnärztlichen Ausbildung in Bukarest begründet wurde. Diese an objektive Kriterien anknüpfende Wertung beinhaltet kein persönliches Werturteil und stellt daher keine persönliche Diskriminierung dar, zumal sowohl der Öffentlichkeit als auch der Zahnärzteschaft bewußt ist, dass bei zahnärztlichen Ausbildungen im Ausland Defizite im Ausbildungsstand gegenüber einer Ausbildung in Deutschland bestehen können und dementsprechend die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes von Bedeutung ist. Abträgliche Nachwirkungen der Versagung der Approbation, die nur durch eine gerichtliche Sachentscheidung ausgeglichen werden könnten, sind gleichfalls nicht anzunehmen.

Ende der Entscheidung

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